Einmal 05er*in, immer 05er*in!

Trotz letzten Platzes in der Männer-Bundesliga besticht Mainz 05 aktuell durch eine besondere Atmosphäre von Zusammenhalt, Dankbarkeit und Optimismus, findet Fankolumnist Christoph Kessel.

Natürlich erhielten die in den letzten Tagen aufgekommene Euphorie und Zuversicht rund um den 1. FSV Mainz 05 durch das 0:0 im letzten Männer-Bundesliga-Heimspiel des Jahres gegen den FC St. Pauli einen Dämpfer. Nach dem Trainerwechsel von Bo zu Urs fischte allerdings das Team direkt die ersten Punkte in Posen und in München und verabschiedet sich in der „Urs-Tabelle“ ungeschlagen in die Weihnachtspause.

Gleichzeitig ließ es sich Nadiem nicht nehmen, Bo zu einem Abschiedsabendessen einzuladen. Was für eine feine Geste, die Dankbarkeit und Mitgefühl im knallharten Profigeschäft zeigt. Anlässlich des letzten Spiels in der Gruppenphase der Conference League und der bereits feststehenden Qualifikation für eine K.O.-Runde erinnerten die aktiven Fans auf der Rheinhessen-Tribüne am letzten Donnerstag mit einer imposanten Choreografie an die 8. Minute des Spiels Mainz 05 gegen FK Mika Ashtarak am 14. Juli 2005: „RUMAN, TOR, DIE PREMIERE UND NUN IST MAINZ 05 ENDGÜLTIG IN EUROPA ANGEKOMMEN“. Vor 22 000 Zuschauenden schoss der Neuzugang Petr Ruman damals das erste Tor des Internationalen Fußballsportvereins. Petr wechselte 2008 von Mainz nach Aalen – war aber wohl nie wirklich weg. Schließlich meldete er sich letzten Freitag in den Sozialen Netzwerken und zeigte sich ob der Choreografie gerührt: „Es war ein sehr emotionaler Moment, der gezeigt hat, wie viel Herz, Leidenschaft und Verbundenheit in diesem Verein und seinen Fans steckt.“

Diese starke Bindung der Fans zu ehemaligen, verdienten Spielern, der Spieler zu ihrem ehemaligen Trainer und zu ihrem ehemaligen Club macht Mainz 05 zu etwas Besonderem. Dazu braucht es keine Auswärts-, Ausweich-, Fastnachts-, Jubiläums- und Europapokaltrikots, „Essentials“-Kollektionen oder Black-Week-Deals. Das Wesentliche wie Solidarität, Miteinander, Erkenntlichkeit und Gemeinsinn lässt sich nicht kaufen. Solchen Werten wird auch durch das größte Marketingtamtam kein Leben eingehaucht – sie müssen gelebt werden – auf dem Platz und auf den Rängen. Der Spruch „Einmal 05er*in, immer 05er*in“ wurde in den letzten Tagen tatsächlich mit Leben gefüllt und bietet uns allen die Möglichkeit, trotz aller Widrigkeiten positiv gestimmt ins neue Jahr zu starten.

Mit Urs zurück auf Kurs

Ein Trainerwechsel bietet die Chance auf einen Neuanfang. Das macht Hoffnung auf notwendige Punkte für den Klassenerhalt von Mainz 05, findet Sebastian Schneider.

Während wir Fans wieder voller Vorfreude auf das nächste internationale Abenteuer, die Reise nach Polen, waren, war es in den Tagen zuvor doch eher unruhig am Bruchweg. Dann kam er, der Neue: Urs Fischer. Ein alter Bekannter. Nur drei Tage hatte der Trainer, um die Mannschaft auf das Spiel einzustellen. Dies war in Posen wiederum auch auf dem Platz zu sehen, sah es doch wieder nach einer ähnlich glücklosen Vorstellung aus, als in den Spielen zuvor. Dagegen war sicher die 30 Stunden lange Reise im Fan-Express ein wahrer Leckerbissen.

Hochachtung gilt all denjenigen, die diese Tortur auf sich nahmen. Auf jeden Fall ist es, gemessen an der sportlichen Lage, beachtlich, dass knapp 2000 Fans die Mannschaft begleiteten. Auch die, die andere Reisewege als den Fan-Express wählten, berichteten von einer schönen Stadt und einem sehenswerten Weihnachtsmarkt. Von den zuvor befürchteten Gefahren durch die fanatischen Anhänger von Lech Posen war glücklicherweise nichts zu bemerken.

Bei all den Reisestrapazen war die Hoffnung natürlich groß, sportlich etwas Zählbares mitzunehmen, denn alle wollen gerne noch weitere spannende Auslandstrips machen. Am Ende war das 1:1 in Unterzahl ein Pünktchen für Moral, wie es auch der neue Trainer beschrieb und vielleicht ein erster Schritt in Richtung steigende Formkurve.

Dieser Eindruck verfestigte sich spätestens, als die ersten Minuten der Partie in München absolviert waren. Viele, die bereits auch die weite Reise nach Posen auf sich genommen hatten, machten sich auch wieder auf nach München, um spät abends erst wieder heimzukehren. Jedoch wurden alle Mitgereisten mit der besten Saisonleistung belohnt, die fast einen Sieg im Duell David gegen Goliath beschert hätte. Die Mannschaft stand kompakt, lies wenig zu und verteidigte mit allen Mitteln. Der Trainer scheint dem Team vor allem neues Selbstvertrauen gegeben zu haben. Spätestens bei diesem Spiel hat man sofort gesehen, dass sich etwas verändert hat. Klare Ordnung, mehr Zusammenhalt, mehr Überzeugung. Keine Angst vor großen Namen, kein Ducken, kein Zittern. Stattdessen: Leidenschaft, Disziplin und dieser unbedingte Wille, sich nicht kampflos ergeben zu wollen.

Dieses Spiel war mehr als nur ein Achtungserfolg. Es war ein Zeichen an die Konkurrenten im Abstiegskampf – und an uns selbst. Mit Urs Fischer wird vielleicht nicht alles sofort gut. Aber es wird wieder Meenzerisch: unbequem, leidenschaftlich, mutig.

Und manchmal beginnt der Klassenerhalt genau so: mit einem Unentschieden, das sich wie ein Sieg anfühlt.

Eine besondere Glaubensgemeinschaft

Trainerwechsel bei Mainz 05 und dann noch auswärts nach Posen und zu den Bayern. Fan-Kolumnist Alex Schulz glaubt dennoch an bessere Zeiten.

Nachdem am Freitag viel weißer Rauch am Europakreisel zu sehen war, hieß es vergangenen Sonntag „Habemus Papam!“ Na gut, ein Papst ist es nicht geworden, dafür aber ein neuer Coach, der uns die Erlösung bringen und den Fall in die Hölle der 2. Liga ersparen soll. Das alles wenige Wochen vor Weihnachten und dann wird es noch ein Fischer. Mehr schlechte Anspielungen fallen mir gerade nicht ein.

Wobei! Mit den anstehenden Aufgaben in dieser Woche und der aktuellen Tabellensituation hilft vermutlich nur viel Glaube und das eine oder andere Stoßgebet. Damit soll es aber auch jetzt gut sein.

Mindestens so schlecht wie die Anspielungen war das, was sportlich zu weiten Teilen in den vergangenen Wochen und Monaten geboten wurde. Umso erstaunlicher sollte da der lange Geduldsfaden der Fanlandschaft sein. Es ist nicht die erste schwere Saison in der Geschichte von Mainz 05, doch Stärke wurde immer aus einem ruhigen Umfeld und der Gemeinschaft gezogen. Auch gebührt dem größten Teil dieses Teams ein unfassbarer Dank, denn genau sie haben uns erst die Möglichkeit gegeben, spannende Reisen durch Europa zu erleben.

Aber hat man deshalb alles hinzunehmen? Mitnichten! Bei anderen Clubs wäre spätestens nach einer solchen Nichtleistung, wie sie die mitgereisten Fans in Freiburg geboten bekamen, der Baum richtig am Brennen gewesen. Anders der Umgang in Mainz: Material einpacken, selbstironisch die Laune hochhalten und dem Team durch Liebesentzug zeigen, dass es so nicht akzeptabel ist. Und dann beim Heimspiel wieder da sein und zumindest auf den Rängen das Bestmögliche raushauen. Leider sehen das nicht alle so. In Rumänien musste bei einigen mal Dampf abgelassen werden und die Nachfrage zuhause hat leider auch gelitten. Wer in schlechten Zeiten nicht dabei bleibt, darf sich in guten Zeiten nicht beschweren, wenn er hintenansteht.

Nach Freiburg passierte dann das, was im Fußballgeschäft nach so vielen Pleiten fast zwangsläufig folgt: Der Trainer, so verdient er auch sein mag, muss den Platz räumen und ein neuer Übungsleiter versucht sein Glück. Leider bleibt so keine Gelegenheit, Bo den Abschied zu geben, den er trotz der Situation verdient hätte. Klassenerhalt oder Gewinn der Conference League wären doch schöne Gelegenheiten, ihn nochmal zum Feiern einzuladen.

Am Donnerstag kann dann das Team erste einmal in der Conference League zeigen, dass die Moral und die Einstellung passen und sie weiterhin den Support verdienen. Denn schließlich kann man als Mainz 05 Spiele verlieren und wird dennoch gefeiert, solange alles in die Waagschale geworfen wurde. Selbiges gilt dann für das Spiel gegen die Bayern. Fußballdeutschland erwartet vermutlich, dass wir dort zweistellig abgeschlachtet werden. Eine gute Gelegenheit, um alle eines Besseren zu belehren.

Ob unter der Woche in Polen oder am Sonntagabend in München, es werden wieder viele 05ER die Reisen auf sich nehmen. Und die haben es einfach verdient, dass man sein Herz auf dem Platz lässt. Ich bin mir sicher, dass Urs Fischer auch genau das von jedem einfordern wird, den er aufs Feld schickt. Ob er Wunder wirken kann, werden wir dann in den nächsten Wochen erleben.

Wenn das Team die Grundtugenden wiederentdeckt und umsetzt, werden sie auch wieder Punkte und Siege einfahren. Und wer weiß, womöglich erleben wir dann bis Ostern die Wiederauferstehung. Ich habe weiterhin den festen Glauben daran, dass wir das gemeinsam schaffen werden.