Mit Urs zurück auf Kurs

Ein Trainerwechsel bietet die Chance auf einen Neuanfang. Das macht Hoffnung auf notwendige Punkte für den Klassenerhalt von Mainz 05, findet Sebastian Schneider.

Während wir Fans wieder voller Vorfreude auf das nächste internationale Abenteuer, die Reise nach Polen, waren, war es in den Tagen zuvor doch eher unruhig am Bruchweg. Dann kam er, der Neue: Urs Fischer. Ein alter Bekannter. Nur drei Tage hatte der Trainer, um die Mannschaft auf das Spiel einzustellen. Dies war in Posen wiederum auch auf dem Platz zu sehen, sah es doch wieder nach einer ähnlich glücklosen Vorstellung aus, als in den Spielen zuvor. Dagegen war sicher die 30 Stunden lange Reise im Fan-Express ein wahrer Leckerbissen.

Hochachtung gilt all denjenigen, die diese Tortur auf sich nahmen. Auf jeden Fall ist es, gemessen an der sportlichen Lage, beachtlich, dass knapp 2000 Fans die Mannschaft begleiteten. Auch die, die andere Reisewege als den Fan-Express wählten, berichteten von einer schönen Stadt und einem sehenswerten Weihnachtsmarkt. Von den zuvor befürchteten Gefahren durch die fanatischen Anhänger von Lech Posen war glücklicherweise nichts zu bemerken.

Bei all den Reisestrapazen war die Hoffnung natürlich groß, sportlich etwas Zählbares mitzunehmen, denn alle wollen gerne noch weitere spannende Auslandstrips machen. Am Ende war das 1:1 in Unterzahl ein Pünktchen für Moral, wie es auch der neue Trainer beschrieb und vielleicht ein erster Schritt in Richtung steigende Formkurve.

Dieser Eindruck verfestigte sich spätestens, als die ersten Minuten der Partie in München absolviert waren. Viele, die bereits auch die weite Reise nach Posen auf sich genommen hatten, machten sich auch wieder auf nach München, um spät abends erst wieder heimzukehren. Jedoch wurden alle Mitgereisten mit der besten Saisonleistung belohnt, die fast einen Sieg im Duell David gegen Goliath beschert hätte. Die Mannschaft stand kompakt, lies wenig zu und verteidigte mit allen Mitteln. Der Trainer scheint dem Team vor allem neues Selbstvertrauen gegeben zu haben. Spätestens bei diesem Spiel hat man sofort gesehen, dass sich etwas verändert hat. Klare Ordnung, mehr Zusammenhalt, mehr Überzeugung. Keine Angst vor großen Namen, kein Ducken, kein Zittern. Stattdessen: Leidenschaft, Disziplin und dieser unbedingte Wille, sich nicht kampflos ergeben zu wollen.

Dieses Spiel war mehr als nur ein Achtungserfolg. Es war ein Zeichen an die Konkurrenten im Abstiegskampf – und an uns selbst. Mit Urs Fischer wird vielleicht nicht alles sofort gut. Aber es wird wieder Meenzerisch: unbequem, leidenschaftlich, mutig.

Und manchmal beginnt der Klassenerhalt genau so: mit einem Unentschieden, das sich wie ein Sieg anfühlt.

Eine besondere Glaubensgemeinschaft

Trainerwechsel bei Mainz 05 und dann noch auswärts nach Posen und zu den Bayern. Fan-Kolumnist Alex Schulz glaubt dennoch an bessere Zeiten.

Nachdem am Freitag viel weißer Rauch am Europakreisel zu sehen war, hieß es vergangenen Sonntag „Habemus Papam!“ Na gut, ein Papst ist es nicht geworden, dafür aber ein neuer Coach, der uns die Erlösung bringen und den Fall in die Hölle der 2. Liga ersparen soll. Das alles wenige Wochen vor Weihnachten und dann wird es noch ein Fischer. Mehr schlechte Anspielungen fallen mir gerade nicht ein.

Wobei! Mit den anstehenden Aufgaben in dieser Woche und der aktuellen Tabellensituation hilft vermutlich nur viel Glaube und das eine oder andere Stoßgebet. Damit soll es aber auch jetzt gut sein.

Mindestens so schlecht wie die Anspielungen war das, was sportlich zu weiten Teilen in den vergangenen Wochen und Monaten geboten wurde. Umso erstaunlicher sollte da der lange Geduldsfaden der Fanlandschaft sein. Es ist nicht die erste schwere Saison in der Geschichte von Mainz 05, doch Stärke wurde immer aus einem ruhigen Umfeld und der Gemeinschaft gezogen. Auch gebührt dem größten Teil dieses Teams ein unfassbarer Dank, denn genau sie haben uns erst die Möglichkeit gegeben, spannende Reisen durch Europa zu erleben.

Aber hat man deshalb alles hinzunehmen? Mitnichten! Bei anderen Clubs wäre spätestens nach einer solchen Nichtleistung, wie sie die mitgereisten Fans in Freiburg geboten bekamen, der Baum richtig am Brennen gewesen. Anders der Umgang in Mainz: Material einpacken, selbstironisch die Laune hochhalten und dem Team durch Liebesentzug zeigen, dass es so nicht akzeptabel ist. Und dann beim Heimspiel wieder da sein und zumindest auf den Rängen das Bestmögliche raushauen. Leider sehen das nicht alle so. In Rumänien musste bei einigen mal Dampf abgelassen werden und die Nachfrage zuhause hat leider auch gelitten. Wer in schlechten Zeiten nicht dabei bleibt, darf sich in guten Zeiten nicht beschweren, wenn er hintenansteht.

Nach Freiburg passierte dann das, was im Fußballgeschäft nach so vielen Pleiten fast zwangsläufig folgt: Der Trainer, so verdient er auch sein mag, muss den Platz räumen und ein neuer Übungsleiter versucht sein Glück. Leider bleibt so keine Gelegenheit, Bo den Abschied zu geben, den er trotz der Situation verdient hätte. Klassenerhalt oder Gewinn der Conference League wären doch schöne Gelegenheiten, ihn nochmal zum Feiern einzuladen.

Am Donnerstag kann dann das Team erste einmal in der Conference League zeigen, dass die Moral und die Einstellung passen und sie weiterhin den Support verdienen. Denn schließlich kann man als Mainz 05 Spiele verlieren und wird dennoch gefeiert, solange alles in die Waagschale geworfen wurde. Selbiges gilt dann für das Spiel gegen die Bayern. Fußballdeutschland erwartet vermutlich, dass wir dort zweistellig abgeschlachtet werden. Eine gute Gelegenheit, um alle eines Besseren zu belehren.

Ob unter der Woche in Polen oder am Sonntagabend in München, es werden wieder viele 05ER die Reisen auf sich nehmen. Und die haben es einfach verdient, dass man sein Herz auf dem Platz lässt. Ich bin mir sicher, dass Urs Fischer auch genau das von jedem einfordern wird, den er aufs Feld schickt. Ob er Wunder wirken kann, werden wir dann in den nächsten Wochen erleben.

Wenn das Team die Grundtugenden wiederentdeckt und umsetzt, werden sie auch wieder Punkte und Siege einfahren. Und wer weiß, womöglich erleben wir dann bis Ostern die Wiederauferstehung. Ich habe weiterhin den festen Glauben daran, dass wir das gemeinsam schaffen werden.  

Wir fahr’n zu Mainz 05, weil wir alle einen an der Waffel haben

Der 1. FSV Mainz 05 steckt sportlich tief in der Krise. Für Felicitas Budde wird aber gerade in solchen Phasen deutlich, wo das Herz von Mainz 05 am lautesten schlägt.

Mainz 05 steht sportlich gesehen mit dem Rücken zur Wand. Tabellenletzter, acht Bundesligaspiele ohne Sieg, fünf Platzverweise in zwölf Partien, ein 0:4 in Freiburg ohne eigenen Torschuss bis zur 82. Minute. Und davor ein 0:1 in Craiova – gegen die Mannschaft mit den meisten Ballverlusten in der gesamten Conference League. Mainz 05 steht nicht nur unter Druck, der Verein blickt als Tabellenletzter auf den Scherbenhaufen der Leistungen aus der vergangenen Saison. Die sportliche Leitung hat bis Dienstagmittag nicht öffentlich reagiert, Signale sucht man vergebens. Bis jetzt ist unklar, wer am Freitag überhaupt an der Seitenlinie stehen wird.

Trotz der seit Wochen überschaubaren Leistungen sind die Fans am Donnerstag nach Craiova gefahren. Trotzdem war der Auswärtsblock in Freiburg gefüllt. Nicht, weil der Fußball sie gerade begeistert, sondern weil Mainz 05 mehr Gründe bietet, da zu sein als nur die Tabelle. Der Verein funktioniert auch dort, wo keine Kameras stehen. In den U-Mannschaften des NLZ, in der erfolgreichen Frauenmannschaft, als gelebter eingetragener Verein auf der Mitgliederversammlung. Der Fußball ist der Anlass, nicht die Ursache.

Wir fahren nicht nach Craiova, weil wir eine Topleistung erwarten. Wir fahren, weil wir uns treffen, weil diese Gemeinschaft existiert, weil dieser Verein ein Ort ist, den man nicht nur wegen Ergebnissen aufsucht. Auf Europas größtem Weihnachtsmarkt standen Mainzer zusammen mit Menschen aus Craiova, die 05-Fans als freundlich und offen wahrgenommen haben. Es war eine Auswärtsfahrt, auf der alles gestimmt hat – außer dem Fußball.

Natürlich ist man enttäuscht, sauer, ratlos. Sportlich läuft es katastrophal. Aber wenn Mainz 05 in dieser Zeit überhaupt noch etwas Stabilität hat, dann dort, wo die Menschen den Verein tragen. Nicht im Tabellenbild, sondern in der Art wie man zusammen unterwegs ist.

Am Donnerstag Craiova, am Sonntag Freiburg. Null Punkte, zwei Niederlagen, 0:5 Tore und trotzdem sind die Leute da. Nicht, weil alles gut ist, sondern weil Mainz 05 eben mehr ist als das, was gerade auf dem Platz schiefläuft. Wir gehen zu Mainz 05, weil wir alle einen an der Waffel haben.