Spätlese Stuttgart Saison 2025/2026

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

Blick aus dem Gäst*innenblock im Neckarstadion

01 Hin und weg:

Mal ganz flexibel mit der Bahn zum Auswärtsspiel düsen? Geht bei der Fahrt von Mainz nach Stuttgart ganz einfach. Deutschland-Ticket eingepackt und mit dem Nahverkehr nach Mannheim gefahren und dann einfach kurz vor der Abfahrt eine Fahrkarte Mannheim-Stuttgart mit BahnCard 25 gekauft. Das kostet am Ende genauso viel wie ein Ticket zum Sparpreis von Mainz nach Stuttgart…nur muss man sich nicht wochenlang vorher überlegen, wann man fahren möchte. Das Angebot der Bahn, das Deutschland-Tickets bei der Erstellung eines Sparpreises, einzubinden, ist übrigens keine gute Idee. Bei der o.g. Verbindung muss man darauf hoffen, dass die Nahverkehrsverbindung pünktlich ist. Verpasst man den Fernverkehrszug, verfällt das Ticket mit Zugbindung. Daher habe ich für meine Fahrt lieber das Flextticket gewählt.

Fahrt mit dem Klapprad durch den Stuttgarter Schlossgarten

02 (N)immer nuff:

Mit in den Zug kam mal wieder das Klapprad. Schließlich lässt es sich nach der Fernwanderung durch den Stuttgarter Trümmerbahnhof über den Schlosspark sehr angenehm zum Neckarstadion radeln. Statt überfüllter U-Bahnen ging es durch Baumalleen zur Neckarbrücke und drüben in Bad Canstatt die meiste Zeit auf Radwegen bis zum Stadion – alles easy eigentlich.

Auf dem Weg zum Gäst*innenblock

03 Kon-Trolle

Wäre da nicht die Frage nach dem Radparkplatz, die sich mir unweigerlich gestellt hat. Direkt vor dem Gäst*innenblock gab es keine Abstellplätze. Gerade wollte ich das Rad an einer Laterne anschließen, wurde ich vom Möchtegern-CEO des Sicherheitsdienstes angeraunzt, dass er mein Rad gleich entsorgen werde, wenn ich  es dort stehen lassen würde. Stuttgarter Willkommenskultur Teil 1!

Radabstellmöglichkeiten sind eher semi-gut vorhanden

So radelte ich wieder zurück zur Hauptstraße. Dort traf ich dann auf einen VfB-Fan-Volunteer, der um genau 180° anders drauf war, alls der Stiernacken. Er zeigte mir eine Leitplanke im Gebüsch, die sich fürs Anschließen perfekt eignete – Stuttgarter Willkommenskultur Teil 2!

Bei Auswärtsspielen in der dunklen Jahreszeit stellt sich immer die Frage, wohin mit den Fahrradlampen des Klapprads. Diese Frage wurde mir beim VfB ziemlich einfach beantwortet: ins Schließfach damit direkt beim Stiernacken vor dem Eingang – und das kostenlos.

Schließfächer vor dem Eingang- wohl einmalig in der Liga

Die DFL rühmt sich immer dafür, dass das Produkt Bundesliga so geil sei – diesen Anspruch hat wohl jeder Betrieb an seinen eigenen Kram. Allerdings helfen bei vielteiligen Produkten wie der Bundesliga Standards, die man als Kund*in aka Fan, einfach erwarten darf. Dazu gehört ein Konzept zur Gepäckabgabe. In Stuttgart wird es mit Hilfe der Schließfächer relativ gut gelöst – allerdings reichen diese wahrscheinlich nicht wirklich aus. Trotzdem ist das ein guter Ansatz, denn als Fan möchte man nicht unbedingt seinen Laptop in der Gepäckabgabe lassen. Und wer sich fragt, wieso man einen Laptop mitbringt, sollte die DFL fragen, warum man um 19.30 Uhr sonntags in Heidenheim oder Freiburg spielen muss – es soll auch Fans geben, die montags ihre Kohle verdienen, die sie dann völlig sinnbefreit am Sonntagabend verbrennen…

04 Kampf um den Mampf

Zum Standard eines Stadionbesuchs gehört in allen Bundesliga-Stadien, die ich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren besucht habe, ein vegetarisches Angebot. Die zwei Male, bei denen ich tatsächlich nichts vegetarisches innerhalb Deutschlands angeboten bekommen habe, konnte man einen Deal mit dem Catering-Personal eingehen: 2 Brötchen für einen Euro. Das hat im DFB-Pokal in Chemnitz 2014 und bei der SV Elversberg 2021 prima geklappt. Und nun schreiben wir das Jahr 2025. Im Angebot: Drei Sorten Wurst aus Fleisch mit Brötchen. Vegetarisches Angebot nix! Auf die Frage, ob es etwas vegetarisches gäbe, wurde ich darauf hingewiesen, dass es im Oberrang etwas gäbe. Dumm nur, dass dort gar kein Gäst*innenblock eingerichtet ist. Was für ein peinliches Gebaren des VfB – zumal es bei den VfB Frauen letztes Jahr im DFB-Pokal problemlos möglich war eine vegane Wurst zu bekommen. Auch beim letzten Gastspiel der Männer gab es veganes Rösti. Diesmal keine Pommes, keine Bretzel und kein Brötchen-Deal… Und wer jetzt mault, wir sind ja hier zum Fußball – fair enough, dann braucht es ja auch keine Stadionwurst aus Fleisch…

05 Käfighaltung

Fußball ist grundsätzlich total unwichtig. Schon bescheuert, dass wir diesem Ballsport als Gesellschaft so viel Aufmerksamkeit widmen. Wenn nun ein Fan im Gästeblock umkippt und sowohl die Cannstatter Kurve als auch der Mainzer Mob den Support einstellt, wird uns diese Nebensächlichkeit erst richtig bewusst. Gut, dass die meisten Fans so empathisch reagiert haben, noch besser, dass der Fan ruckzuck Erste Hilfe bekam (von wem auch immer – unbekannterweise ein großes Dankescön) und das Beste, dass es dem Fan wohl nach ein paar Tagen im Krankenhaus wieder besser ging. Alles andere war an diesem Abend dann wirklich nebensächlich.

Abpfiff im Neckarstadion

Fazit: Der Jahrgang 2025/2026 zeigt die unterschiedlichen Facetten Stuttgarter Willkommenkultur.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Einmal 05er*in, immer 05er*in!

Trotz letzten Platzes in der Männer-Bundesliga besticht Mainz 05 aktuell durch eine besondere Atmosphäre von Zusammenhalt, Dankbarkeit und Optimismus, findet Fankolumnist Christoph Kessel.

Natürlich erhielten die in den letzten Tagen aufgekommene Euphorie und Zuversicht rund um den 1. FSV Mainz 05 durch das 0:0 im letzten Männer-Bundesliga-Heimspiel des Jahres gegen den FC St. Pauli einen Dämpfer. Nach dem Trainerwechsel von Bo zu Urs fischte allerdings das Team direkt die ersten Punkte in Posen und in München und verabschiedet sich in der „Urs-Tabelle“ ungeschlagen in die Weihnachtspause.

Gleichzeitig ließ es sich Nadiem nicht nehmen, Bo zu einem Abschiedsabendessen einzuladen. Was für eine feine Geste, die Dankbarkeit und Mitgefühl im knallharten Profigeschäft zeigt. Anlässlich des letzten Spiels in der Gruppenphase der Conference League und der bereits feststehenden Qualifikation für eine K.O.-Runde erinnerten die aktiven Fans auf der Rheinhessen-Tribüne am letzten Donnerstag mit einer imposanten Choreografie an die 8. Minute des Spiels Mainz 05 gegen FK Mika Ashtarak am 14. Juli 2005: „RUMAN, TOR, DIE PREMIERE UND NUN IST MAINZ 05 ENDGÜLTIG IN EUROPA ANGEKOMMEN“. Vor 22 000 Zuschauenden schoss der Neuzugang Petr Ruman damals das erste Tor des Internationalen Fußballsportvereins. Petr wechselte 2008 von Mainz nach Aalen – war aber wohl nie wirklich weg. Schließlich meldete er sich letzten Freitag in den Sozialen Netzwerken und zeigte sich ob der Choreografie gerührt: „Es war ein sehr emotionaler Moment, der gezeigt hat, wie viel Herz, Leidenschaft und Verbundenheit in diesem Verein und seinen Fans steckt.“

Diese starke Bindung der Fans zu ehemaligen, verdienten Spielern, der Spieler zu ihrem ehemaligen Trainer und zu ihrem ehemaligen Club macht Mainz 05 zu etwas Besonderem. Dazu braucht es keine Auswärts-, Ausweich-, Fastnachts-, Jubiläums- und Europapokaltrikots, „Essentials“-Kollektionen oder Black-Week-Deals. Das Wesentliche wie Solidarität, Miteinander, Erkenntlichkeit und Gemeinsinn lässt sich nicht kaufen. Solchen Werten wird auch durch das größte Marketingtamtam kein Leben eingehaucht – sie müssen gelebt werden – auf dem Platz und auf den Rängen. Der Spruch „Einmal 05er*in, immer 05er*in“ wurde in den letzten Tagen tatsächlich mit Leben gefüllt und bietet uns allen die Möglichkeit, trotz aller Widrigkeiten positiv gestimmt ins neue Jahr zu starten.

Mit Urs zurück auf Kurs

Ein Trainerwechsel bietet die Chance auf einen Neuanfang. Das macht Hoffnung auf notwendige Punkte für den Klassenerhalt von Mainz 05, findet Sebastian Schneider.

Während wir Fans wieder voller Vorfreude auf das nächste internationale Abenteuer, die Reise nach Polen, waren, war es in den Tagen zuvor doch eher unruhig am Bruchweg. Dann kam er, der Neue: Urs Fischer. Ein alter Bekannter. Nur drei Tage hatte der Trainer, um die Mannschaft auf das Spiel einzustellen. Dies war in Posen wiederum auch auf dem Platz zu sehen, sah es doch wieder nach einer ähnlich glücklosen Vorstellung aus, als in den Spielen zuvor. Dagegen war sicher die 30 Stunden lange Reise im Fan-Express ein wahrer Leckerbissen.

Hochachtung gilt all denjenigen, die diese Tortur auf sich nahmen. Auf jeden Fall ist es, gemessen an der sportlichen Lage, beachtlich, dass knapp 2000 Fans die Mannschaft begleiteten. Auch die, die andere Reisewege als den Fan-Express wählten, berichteten von einer schönen Stadt und einem sehenswerten Weihnachtsmarkt. Von den zuvor befürchteten Gefahren durch die fanatischen Anhänger von Lech Posen war glücklicherweise nichts zu bemerken.

Bei all den Reisestrapazen war die Hoffnung natürlich groß, sportlich etwas Zählbares mitzunehmen, denn alle wollen gerne noch weitere spannende Auslandstrips machen. Am Ende war das 1:1 in Unterzahl ein Pünktchen für Moral, wie es auch der neue Trainer beschrieb und vielleicht ein erster Schritt in Richtung steigende Formkurve.

Dieser Eindruck verfestigte sich spätestens, als die ersten Minuten der Partie in München absolviert waren. Viele, die bereits auch die weite Reise nach Posen auf sich genommen hatten, machten sich auch wieder auf nach München, um spät abends erst wieder heimzukehren. Jedoch wurden alle Mitgereisten mit der besten Saisonleistung belohnt, die fast einen Sieg im Duell David gegen Goliath beschert hätte. Die Mannschaft stand kompakt, lies wenig zu und verteidigte mit allen Mitteln. Der Trainer scheint dem Team vor allem neues Selbstvertrauen gegeben zu haben. Spätestens bei diesem Spiel hat man sofort gesehen, dass sich etwas verändert hat. Klare Ordnung, mehr Zusammenhalt, mehr Überzeugung. Keine Angst vor großen Namen, kein Ducken, kein Zittern. Stattdessen: Leidenschaft, Disziplin und dieser unbedingte Wille, sich nicht kampflos ergeben zu wollen.

Dieses Spiel war mehr als nur ein Achtungserfolg. Es war ein Zeichen an die Konkurrenten im Abstiegskampf – und an uns selbst. Mit Urs Fischer wird vielleicht nicht alles sofort gut. Aber es wird wieder Meenzerisch: unbequem, leidenschaftlich, mutig.

Und manchmal beginnt der Klassenerhalt genau so: mit einem Unentschieden, das sich wie ein Sieg anfühlt.