Spätlese Bochum Saison 2024/2025

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

Mannschaft und Fans feiern die Auswärtssieg im Ruhrstadion

01 Hin und weg:

Warum eigentlich immer von Süden aus ins Ruhrstadion fahren? Als großer Freund der Nordsee-Inseln ließ sich das Angenehme mit dem sehr Angenehmen verbinden. So ging es einfach schon Anfang Mai nach Helgoland, um dann auf dem Rückweg nach Mainz, das letzte Auswärtsspiel der Saison mitzunehmen. Was ich allerdings vergessen hatte mitzunehmen war ein Trikot, obwohl die letztes Auswärtsfahrt des Jahres ja seit Jahren eigentlich die Trikotfahrt der Saison ist – shame on me. Da die Deutsche Bahn pünktlich war, konnte ich die zweite Stippivisite Bochum innerhalb eines Jahres wieder mit dem einem Besuch des Katzentempels starten. Dort wohnen Katzen aus dem Tierschutz im Restaurant (inklusive Rückzugsraum für die Fellnasen) und das vegane Futter (natürlich nur für die Menschen) ist wesentlich besser als sich später im Stadion auf die Suche nach einer veganen Wurst zu machen, die es im Sitzbereich eh nicht gibt.

Plakat an der Castropper Straße zum Ruhrstadion hinauf

02 (N)immer nuff:

Das mit dem zweiten Mal Bochum innerhalb eines Jahres hat natürlich auch mit Mainz 05 zu tun. Das Frauenteam trat im Juni 2024 im Aufstiegsrelegationsrückspiel bei den Bochumerinnen an. Das Ergebnis ist sicherlich den meisten von euch bekannt. Beide Spiele gegen den VfL gingen verloren und die Nullfünferinnen schickten Bochum in die 2. Liga – dass es die Herren 11 Monate später den Frauen gleichtun werden, hätte ich damals bei den doppelten Relegationskönig*innen nicht für möglich gehalten.

Auch bizarr, dass Bochum aus dem Comic vor 20 Jahren nicht gelernt hat und weiterhin Plakate zimmert, bei denen die Chance groß ist, dass das Ganze nach hinten losgeht. Das hat mich an 2009 in Fürth erinnert, dem bis dato letzten 05-Auswärtsspiel in der 2. Liga bisher wohlgemerkt, als auf der Anzeigetafel permanent angezeigt wurde, dass Mainz noch nie in Fürth gewonnen hatte und die Mannschaft gerade dabei war, in Fürth zu gewinnen und kurz vor dem Aufstieg zu stehen. Na ja wenigstens hat 05 diesmal nicht „Mainz zu null“ gewonnen – dem Ex-05er Gerrit Holtmann sei dank…

03 Kon-Trolle

Der Vorteil der neuen Arenen liegt oft daran, dass der Gäste-Stehblock meist eine ganz gute Sicht aufs Geschehen bietet. Das ist in den alten Stadien oft nicht der Fall. Im Freiburger Dreisamstadion gab es wahrscheinlich den schlechtesten Stehblock der Liga. Aber auch der Stehblock im Bochumer Ruhrstadion ist einfach grottig. Daher war die Idee der Szene gut, wie die letzten beiden Male wieder auf den Sitzbereich auszuweichen. Natürlich war es dementsprechend nervig, durch die Einlasskontrollen zu kommen – aber Ruhrstadion ist ja leider ab sofort nicht mehr unbedingt einmal im Jahr. Von daher prima, das nochmal mitgenommen zu haben. Allerdings hätte ich mir persönlich gewünscht, die Fans im Stehplatzbereich mehr einzubeziehen. Ja klar, wir „Besserfans“ hatten das Glück, die begehrten Sitzplatzkarten zu ergattern. Aber trotzdem gehören doch die 05er*innen im Stehblock auch dazu. Vielleicht kann das beim nächsten Mal in einer ähnlichen Situation besser gelöst werden.

Anpfiff Samstag um 15.30 Uhr

04 Kampf um den Mampf

Eigentlich kann dieses Kapitel für Bochum auch einfach weggelassen werden. Wurst, Brezeln, Softdrinks und Fiege-Leichtbier im Pfandbecher. Gibt es so wohl seit 1848. Letzteres war bei den sommerlichen Temperaturen eine gute Idee zumal spätestens nach der Halbzeit das Mineralwasser ausverkauft war.  

05 Käfighaltung

Es ist immer alles eine Frage des Timings. Das galt am Samstag sowohl für den (Sitz)-Block als auch für das Geschehen auf dem Platz. Für dieses wichtige Spiel wurde ein neues Lied angestimmt. Damit das auch alle mitsingen konnten, wurden Zettel mit dem Text an den Treppen verteilt:

„Und aus tausend Kehlen erklingt ein Lied
das wie ein Orkan durch das Stadion zieht
rot weiße Trikots stürmen mutig vor
Vorwärts Mainzer schenkt uns das nächste Tor

Lalallalala

Ooooohoooooh“

Das Einüben war perfekt getimt und stieß auf eine große Mitmach-Resonanz im Sitzbereich. Das nächste Tor schenkte dann Nadiem Amiri direkt vor der Halbzeit – perfekt getimt eben.

Auch perfekt getimt war eigentlich, wie mit dem Ergebnis umgegangen wurde. Freude im Gästeblock, dreifacher Abschied (Gamboa, Losilla, Abstieg) im Heimbereich. Dass es keine „Absteiger“ Rufe gab, war gut. Wie das „Auf Wiedersehen“ zu werten ist, bleibt jedem selbst überlassen. Nur wenn sich jemand bei so einem schön herausgespielten wichtigen Sieg für Mainz 05 darüber freut, dass der VfL abgestiegen ist, dann ist dem auch nicht mehr zu helfen. 

Wichtige drei Punkte beim Kampf um Europa

Fazit: Der Jahrgang 2024/2025 zeigt, dass es hoffentlich bald wieder etwas mit dem Besuch des Ruhrstadions wird.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Mainz 05-Markenbildung

Diese Woche gab Mainz 05-Vorstand Jochen Röttgermann ein aufschlussreiches Interview zu vielen Themen rund um Mainz 05 in der Allgemeinen Zeitung Mainz. Als Marketing- und Vertriebsspezialist sieht er naturgemäß die Dinge etwas anders als wir Fußballfans. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es sich bei Mainz 05 immer noch um einen eingetragenen Verein mit Mitgliedern handelt und nicht um ein Wirtschaftsunternehmen.

Mainz 05-Trikotfahrt am letzten Spieltag der Saison 2016/2017 nach Köln

Die meiner Meinung nach wichtigsten Aspekte des Interviews:

Röttgermann über Trikots

Sie dienen der Mainz 05-Markenbildung. Mit ihrem Verkauf ließ sich bisher bei Mainz 05 kein Gewinn machen.

Röttgermann über Erlöse aus dem Trikotverkauf

Sie deckten bisher bei Mainz 05 die Kosten nicht. Er räumt mit dem Gerücht auf, dass Spielertransfers durch Trikotverkäufe realisierbar wären.

Röttgermann über verkaufte Trikots

Erstmals werden in dieser Saison 25 000 Trikots verkauft werden, im Vergleich zu etwa 8 000 Trikots in der Saison 2022/2023. Dieses Jahr werden erstmals schwarze Zahlen bei Trikotverkäufen geschrieben.

Röttgermann über die Dauerkarte aus Plastik

Sie wird weiterhin ohne Zuschlag ausgegeben. Er war über den Sturm der Entrüstung überrascht, als der Verein dafür 10 Euro Aufpreis zu Beginn der aktuellen Saison verlangen wollte.

Röttgermann über den ehemaligen chinesischen Wettanbieter als Ärmelsponsor

Das würde der Verein so heute nicht mehr machen.

Fazit: Das Wort Nachhaltigkeit fiel in dem Interview lediglich bei der Dauerkarte aus Plastik. Dass die Steigerung des Trikotverkaufs unterm Strich nur dazu führt, dass dreimal so viele Ressourcen wie 2022/2023 verschwendet werden, wird nicht erwähnt. Die Trikot-Herstellung ist extrem energieintensiv. Jedes Trikot ist am Ende seines Lebenszyklus ein Stück Sondermüll. Wer ein Trikot kauft, füllt damit nicht die Kassen beim Verein, sondern bei anderen Unternehmen in der Lieferkette. Sicherlich nicht bei denjenigen, die den Kram herstellen müssen, sondern hauptsächlich beim Ausrüster, beim Hersteller in Südasien, beim Logistiker. Sprich der ganze Trikot-Hype, der in der Sommerpause, an Fastnacht und zum Vereinsjubiläum angefacht wurde, ist ökonomisch ein Nullsummenspiel, ökologisch eine Katastrophe und nur eine Marketing-Aktion. Die begrenzte Verfügbarkeit von Aufmerksamkeit in der Social Media-Welt wird bei Mainz 05 für Marketing genutzt. Leidtragende sind die anderen Abteilungen des Vereins, die auf X, Threads, BlueSky während der Trikot-Vermarktung gar nicht zum Zuge kommen – aber auch bei Instagram und Facebook fast nicht mehr präsent sind. Aber auch die Mitglieder-Aktionen erhalten kaum mehr Sichtbarkeit. Sprich Markenbildung ist Mainz 05 wichtiger als Vereinsidentität.

Und damit wären wir bei den anderen beiden Punkten. Der Verein muss gemäß DFL-Statuten einen Club-Fan-Dialog führen. Würde dieser bei Mainz 05 mit entsprechender Ernsthaftigkeit durchgezogen, wäre die Überraschung bei dem geplanten Dauerkarten-Aufschlag für die haptische Version ausgeblieben. Wir haben Fans, die sehr wohl wissen, wie die Menschen ticken, die alles für den FSV geben, den Verein auch unterstützen, wenn es mal nicht so gut läuft und am Ende auch die eindrucksvollen Choreos vorbereiten, mit dem sich der Verein so gerne schmückt.

Auch beim Sponsoring, Stichwort chinesischer Wettanbieter, hätte man sich viel Unruhe ersparen können, wenn man die entsprechenden Fan-Vertreter*innen ernst genommen hätte  – vom DFL-Investoren-Deal mal ganz zu schweigen.

Der Verein sollte endlich den Club-Fan-Dialog dazu nutzen, gemeinsam Mainz 05 nach vorne zu bringen. Und wir sollten uns vielleicht mal überlegen, wem wir nutzen, wenn wir unser Geld in das xte Trikot investieren. Umwelt, Verein und Näher*innen sind es jedenfalls nicht.

„Fans“ of Alcohol

Am Aschermittwoch ist alles vorbei, wie wir alle wissen. Manche von uns nehmen den Spruch wörtlich und verzichten in der sich an Fastnacht anschließenden Fastenzeit auf Süßigkeiten oder Chips. Mittlerweile propagieren auch Menschen das Klimafasten. Sie versuchen, die etwas mehr als 40 Tage bis Ostern klimaschonender zu gestalten. Dafür wird auf das Auto oder auf Fleisch verzichtet. Innerhalb der Union (also der aus der Politik) empfiehlt ein Ministerpräsident einem anderen Beleidigungsfasten. Da besteht gerade in Bayern tatsächlich großer Bedarf.

Bier gehört für viele Fans zum Stadionbesuch dazu

Die meisten Erwachsenen, die die Fastenzeit leben, versuchen allerdings auf Alkohol zu verzichten. Wer es nicht so mit dem Christentum hält, aber trotzdem Verzicht auf Promille üben möchte, der begeht mittlerweile den „Dry January“, also die Alkohol-Abstinenz im ersten Monat des Jahres. Es gibt auch Menschen, die das ganze Jahr über keinen Alkohol konsumieren, sei es, dass sie ihre Gesundheit schützen möchten, aus religiösen Gründen, er ihnen nicht schmeckt oder sie es als trockene Alkoholiker*innen geschafft haben, die Sucht zu bekämpfen oder gar zu überwinden.

Viele Menschen verzichten zeitweise auf Alkohol

Für viele Fans gehören zum Stadionbesuch Wurst und Bier dazu. Dass die Wurst nicht unbedingt aus Fleisch hergestellt sein muss, finden immer mehr Leute gar keine so schlechte Idee. Genauso muss das Bier nicht (immer) Alkohol enthalten. Mittlerweile gibt es alkoholfreies Bier in allen Stadien der Bundesliga.

Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede, was die Preisgestaltung und die Abgrenzung zum alkoholischen Angebot angeht. Letzteres ist gerade für Suchtkranke eine große Herausforderung beim Stadionbesuch und schreckt sie womöglich ab, ins Stadion zu gehen.

Alkohol ist in deutschen Fußballstadien omnipräsent: vor dem Eingang, an den Catering-Ständen sowieso und teilweise sogar im Block . Dort bieten fliegende Händler*innen ausschließlich Bier an – eine alkoholfreie Alternative sucht man in allen Blöcken der Bundesliga vergeblich.

Wie bei veganen Speisen käme niemand auf die Idee, Verbote auszusprechen. Natürlich sollen alle essen und trinken, was sie wollen. Allerdings sollte der Verein mit dem Caterer die Preisgestaltung und die Verfügbarkeit überdenken. Gerade bei uns in Mainz, wo Stadt und Schorle gefühlt quasi eins sind, sollten die handelenden Personen vielleicht mal den Status Quo in Frage stellen. Denn gerade bei Mainz 05 muss man sich die Fastenzeit erst einmal leisten können.

Alkoholfreies Bier kostet 25 Prozent mehr als herkömmliches Bier

Während die Weinschorle auf den Liter hochgerechnet 10 Euro kostet und das Fassbier 10,80 Euro, fallen aktuell für den Liter alkoholfreies Bier 13,20 Euro an. Ein Gegenargument, das bei der Kritik an Preisen für Catering immer fällt: Es wird ohnehin alles teurer. Oder die genannten Preise sind halt mal so sind wie sie sind. Beide Argumente können getrost vernachlässigt werden.

Anders als bei der Diskussion um den Wasserpreis (7 Euro pro Liter) geht es nicht um das Preisniveau . Es geht um das Verhältnis der Getränkepreise zueinander. Dass das alkoholfreie Bier fast ein Viertel teurer ist als das Bier mit Alkohol ist einfach ein No Go für einen Verein „mit ausgeprägtem Wertebewusstsein“, wie es im Mainz-05-Leitbild heißt.

Dort steht die soziale Verantwortung drin. Es ist allerdings alles andere als sozial verantwortlich, dass der Verein solche Diskrepanzen beim Getränkeangebot gelten lässt. Sich die Fastenzeit beim Mainz-05-Stadion-Besuch leisten zu können hört auch nicht beim Preis für das einzelne Getränk auf. Es geht noch weiter. Schließlich gibt es das Kombi-Angebot Bier und (vegane) Wurst nur für richtiges Bier.

Für alkoholfreies Bier macht es schließlich keinen Sinn: Es wird in Drittelliter-Flaschen umgefüllt und mit sehr viel Schaum und wenig Flüssigkeit im Pfandbecher gereicht. Durch den Ausschank von 0,33 Litern statt 0,5 Litern liegt der absolute Preis pro Getränk mit 4,40 Euro gegenüber 5,40 Euro natürlich niedriger.

Innovative Weinprodukte fehlen

Warum es nicht möglich ist, das alkoholfreie Bier als Halbliter-Variante zum selben Preis wie das Fassbier anzubieten, ist nicht nachvollziehbar. Bei anderen Vereinen wie bei Borussia Mönchengladbach oder dem BVB geht es schließlich auch. Apropos andere Vereine. In St. Pauli gibt es mittlerweile das „Trockendock“ – ein Kiosk, an dem ausschließlich alkoholfreie Getränke angeboten werden. Das ist ein Segen für suchtkranke Menschen und sicherlich im Bereich des Familienblocks für unser Stadion denkbar. Für einen Verein, der Wert auf Inklusion legt, sollte das eigentlich ein Muss sein. Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen im 05er Kids Club wäre ebenfalls keine schlechte Idee. Auf Schalke hat sich die Initative „Schalke Null Bier“ gegründet. In Köpenick gibt es die Selbsthilfegruppe Suchtkranker namens „Nüchtern betrachtet, mehr vom Spiel“. Andere Clubs sind da mal wieder wesentlich weiter als der 1. FSV Habbemerimmerschonsogemacht 05.

Als bekanntes Aushängeschilder der Weinstadt Mainz könnte das 05-Catering vorangehen. Wieso nimmt man nicht eine alkoholfreie Wein- oder Secco-Variante oder Traubensaft ins Sortiment auf? Schließlich bietet der Weinkooperationspartner des Vereins sogar beides auf seiner Webseite an. Stattdessen gibt es im Stadion am Europakreisel mittlerweile Cocktails. Im aktuellen Mitgliedermonat besucht man eine Destillerie. Außerdem wird eine Funzelfahrt in Zusammenarbeit mit dem 05-Weingut mit Weinverkostung angeboten. Dort geht man aber auf die alkoholfreien Angebote des Winzers nicht ein. Jährlich im Oktober wird Bier im Ein-Liter-Gebinde in der Schobbeschachtel angeboten, damit man noch schneller mehr Promille intus hat – „Fans“ of Alcohol…