Einige von Euch habe ich in letzter Zeit leider nicht mehr so häufig zu Gesicht bekommen, da ich mal wieder Klausurstress hatte! Ich hoffe, dass ich in Zukunft keine Geburtstage mehr verschlafen werden – Odie, Jochen, Peter und ??? – und mal wieder bei Euch „offline“ auftauche.
Wenigstens kann ich Euch heute mal wieder aus einem wunderschönen Land am linken unteren Rand unseres Heimatkontinentes berichten: Portugal ist, um es vorwegzunehmen, definitiv eine Reise wert. Allerdings solltet Ihr, wenn es Euch mal irgendwann nach Lisboa verschlägt nicht zu viele Kippen o. ä. rauchen, da diese Stadt von Euch viel Kondition abverlangt. Roma nennt sich zwar die „Stadt auf 7 Hügeln“, doch diese sind ja bekanntermaßen nicht größer als irgendwelche Maulwurfshaufen auf irgendeinem Fußballacker.
In Lisboa gibt es nur 2 Richtungen: Bergauf oder Bergab und dies meist auf Caçadas, d. h. auf Treppen und Treppchen steil hoch und hinunter. Wenn man also als Tourist die Stadt innerhalb eines Tages erkunden will, sollten Meniskus und Kreuzbänder noch Intakt sein, sonst ist die Besichtigung schnell zu Ende, und Ihr müsst in einem der tausend Cafés den Rest des Tages genießen. Aber Ihr könnt natürlich auch die bequeme Variante durchziehen, die sich nach einer Partynacht am Besten eignet:
Wie in Hongkong gibt es auch hier noch die gute alte Straßenbahn aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Nur kann man hier keine quadratisch praktisch gute Doppelstöckige einsetzen, da diese sofort die Wäsche von den über die Gassen gespannten Leinen reißen würde. Diese Mini-Straßenbahnen fassen gerade mal 2 Dutzend Leute, und sind äußerst kompakt, denn in den engen Gassen – schmaler als die Augustinerstraße in Mainz – parken ja die vielen Autos und die Händler müssen auch noch ihre Waren irgendwo hinstellen können. Also bleibt als Fußgänger oft nur noch der Hauseingang, um in Deckung zu gehen. Den Bahnen muss man als Passagier sehr großes Vertrauen entgegenbringen, da sie den Anschein erwecken, dass durch das permanente Geklapper die Holzvertäfelung gleich abfällt und sich alles in Einzelteile auflöst. Die größte Sorge bereitet aber die Bremse, die sicher von ABS, ESP oder sonst so einem technischen Schnick-Schnack noch nichts gehört hat. Bei einem Gefälle von oft mehr als 10% sollte sie noch funktionieren, für den Fall, dass man noch keine Suizidgedanken in sich trägt. An ein Wunder grenzt es mich als technisch null peilenden Mitteleuropäer, wie dieses Gefährt auch dieselben Steigungen wieder hoch ächzt und dann weiterzuckelt. Dagegen ist das Tramsurfen in Lisboa eigentlich eine sichere Sache, denn man landet höchstens in einer Gurkenkiste oder auf der Kühlerhaube eines Pkws im Falle eines Abrutschen.
Nachdem man entweder sich die Knie beim Treppensteigen ruiniert, oder den Kater beim Tram fahren gegen Stoßgebete eingetauscht hat, kann man endlich Essen gehen, da das portugiesische Frühstück nur aus einem Espresso und einem Sandwich besteht. Hier kann BSE oder MKS durch Verzehr von getrocknetem, in Salz eingelegtem Fisch, Bacalhau genannt, ohne Probleme aus dem Weg gegangen werden. Bevor der Fisch verzehrt wird, liegt er aber mindestens 24 Stunden im Wasser, um das zu Konservierungszwecken vorhandene Salz zu entfernen und um ein permanentes am Wasserhahnhängen zu vermeiden. Der Fisch hat einen sonderbaren Geschmack, der vielleicht nicht Jedermanns Sache ist. Aber es gibt 365 (!?) Arten, ihn zuzubereiten, und die wenigen, die ich zu mir nahm, waren alle richtig lecker.
Von Lisbao bin ich dann in die „Kulturhauptstadt Europas 2001“ mit der portugiesischen Bahn gefahren. Die Reise war recht unspektakulär, außer der Tatsache, dass hier die Bahn günstig und pünktlich ist, was man beim „Unternehmen Zukunft“ (Deutsche Bahn für Nicht-Leidensgenossen) eher nicht behaupten kann. Anscheinend hat Porto erst Anfang 2001 bemerkt, dass es Kulturhauptstadt geworden ist. Denn die gesamte Stadt ist eher zur „Großbaustelle Europas 2001“ mutiert. Man dachte wohl, es wäre an der Zeit, gleichzeitig den Flughafen zu modernisieren, eine Metro zu konstruieren und die Altstadt zu renovieren. Das Ergebnis ist nun zu bestaunen: Große Baugruben , überholte Stadtpläne, da ganze Straßen verschwunden sind, und ein Presslufthammerlärm an manchen Ecken, der mit einem Wagen der Loveparade im Takt mithalten könnte. Doch zum Glück fehlt wohl doch ein bisschen Kohle, um die Stadt vollständig aufzureißen, so dass einige Quartiers wirklich noch an vergangene Jahrhunderte erinnern und nicht an den Potsdamer Platz vor zwei bis drei Jahren.
Mitten durch die Stadt zieht sich der Douro, der ja leider vor ein paar Wochen traurige Berühmtheit erreichte, als eine Brücke in der Nähe von Porto einstürzte. Die große Brücke in Porto ist von Gustave Eiffel errichtet worden und ist sicherlich aus genauso viel Stahl, wie der berühmte Eiffelturm gebaut worden. Da das Douro-Tal sehr steil ist, und die Altstadt in den Hang gebaut wurde, hat man auf der Brücke einfach zwei Stockwerke eingerichtet. Im oberen Stockwerk kann man direkt aus der Oberstadt in rund 150 Metern Höhe über den Fluss fahren und kommt an der anderen Flussseite gleich wieder in der Oberstadt von Vila Nova (Neustadt) an. Und für die Leute aus der Unterstadt wurde das Erdgeschoß gebaut, das in rund zehn Metern Höhe verläuft. Die gesamte Konstruktion wird wie beim Eiffelturm durch einen riesigen Bogen gehalten. Läuft man im Erdgeschoß nach Vila Nova rüber, kommt man gleich im Zentrum des guten Geschmacks an, den berühmten Portweinkellern.
Ganz Vila Nova besteht eigentlich nur aus diesen Kellern, in denen der Port entweder in der Flasche als teurere Version reift oder im Holzfass für das Proletariat. Natürlich gibt es in Porto auch eine Art Hofbräuhaus für dieses Gesöff. Doch Bier mit Port zu vergleichen ist sicher genauso bescheuert, wie Meenzer Fassenacht mit Münchner Fasching. So ist das Haus des Portweins natürlich eine Quinha, ein altes Gutshaus, das mit schnieken Kellern, großen, breiten Sesseln und einem Park mit Springbrunnen bestückt ist. Natürlich schreckt ein solches Ambiente den monetär etwas angeschlagenen teutonischen Globetrotter ab, aber anscheinend soll hier durch Kampfpreise von 1,50 € pro Glas 10-jährigem Port der eingefleischte Pilsverehrer zum Portgenießer umgepolt werden. Probiert es am besten selber aus, wenn Ihr mal dort unten in der Ecke seid.