Nach längerer Reiseabstinenz ging es nun endlich mal wieder für mich daran, ein neues Land zu entdecken, das zudem sogar noch unser Nachbarland ist! Polen…hm was stellen wir uns darunter eigentlich vor?
Media-Märkte, die einer Heuschreckenplage ähnelnden „Kundschaft“ verwüstet werden, Automafia oder sonstige Klischees, die wohl mit der Wirklichkeit glücklicherweise nicht so viel gemeinsam haben! Gut…Geduld ist sicherlich einerseits hier gut zu gebrauchen und andererseits einem Deutschen fast so fremd wie alkoholfreies Bier! Denn jenseits der Oder hat man(n) einfach ein wenig mehr Zeit für ein Schwätzchen auch wenn die Schlange an der Information des Warschauer Flughafens immer länger wird. Dass ich dann endlich auch an die Reihe komme und meine Frage nach dem Bus nach Lublin stellen kann, war dann wie ein Segen für mich Gestressten Lufthansa Passagier, der dank deutscher Unpünktlichkeit erst in den Stress geraten ist. Natürlich werde ich ins nächste Reisebüro verwiesen, wo natürlich erst einmal wieder mit dem festsitzenden Kunden vor mir ein Schwätzchen gehalten wird.
Nach Aussage der Homepage des Fahrplans des Polski Express Busses von 2002 (!) hatte ich noch sagenhafte 5 Minuten, um mein Ticket zu erstehen. Die Angestellte hatte wohl Mitleid mit mir und meinem gestressten Blicken und verkaufte nun doch etwas schneller die Zugfahrkarte an den Kunden. „To Lublin? You have 3 minutes! Bus only 10 meters! No ticket here!“ Nachdem ich die zehn längsten Meter meines Lebens in ca. 1 Minute zurückgelegt habe und nach meinem deutschen Empfinden dabei sicherlich 250 Meter gerannt bin, erreichte ich den Bus nach Lublin. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich auch eine Fahrkarte erstehen kann, denn die kostet 44 Zloty (sprich Zwotti)! Ach wie schön wäre es doch gewesen, wenn Polen auch gleich den Euro bekommen hätte – nein ich musste natürlich vorher Geld wechseln und dafür einen Beleg ausfüllen und eine Unterschrift leisten – um dann am Ende mehrere 100 Zloty-Scheine zu erhalten! Da ich der einzige Fahrgast war, hatte mein Fahrer gerade irgendwie in der Hosentasche und auf dem Armaturenbrett 11 Zloty Wechselgeld zur Verfügung! Kreditkarten? Njet! Außerdem war eine Verständigung nur per Zeichensprache möglich, da ich kein Polnisch, er kein Englisch sprach! In körperlichen Verrenkungen nach meiner letztjährigen Reise geübt, machte ich ihm klar, dass ich den Schein wechseln werde und dann wieder auftauche und er bitte nicht wegfahren möge. Kaum zu glauben…ich bekam den Schein im „10 Meter“ entfernten Airport gewechselt (Bänker sprechen Englisch) und ich dann letzten Endes auch meine Fahrkarte!
Vorbei ging’s dann an ultramodernen nicht gestürmten Media-Märkten, Tesco Supermärkten, Géant- und Leclerc-Kaufhäusern und Lidl-Discountern on the road to Lublin! Polen hat zwar keine eigentlichen Autobahnen, doch man ist zumindest auf der Straße pragmatisch – denn wozu gibt es Seitenstreifen? Diese werden einfach in weitere zwei Spuren verwandelt und fertig ist die „Autobahn“, die übrigens in sehr gutem Zustand war!
Danielle, die ich in Lublin besuchen wollte, teilte mir mit, dass aufgrund irgendwelcher polnischer Hochschulbestimmungen ich im Studentenwohnheim nicht wohnen dürfe…aber das ist in Polen kein Problem…denn man hat ja Kommilitonen, die noch bei den Eltern wohnen und um Mitternacht einen Deutschen bestimmt aufnehmen! Gesagt getan Walusz macht die Tür auf, begrüßte mich und schon wurde ich in „mein“ Zimmer geführt und ich knackte einfach bei einer polnischen Familie, die ich fünf Minuten vorher noch nicht kannte! Glücklicherweise habe ich ja immer mal ein Fläschchen Wein aus Rheinhessen dabei…und so konnte ich mich für diese echt klasse Gastfreundschaft wenigstens ein bisschen revanchieren! Na ja…dass zwischen Polen und Deutschen nicht immer alles so schön verlaufen ist, wissen wir ja alle! Dass man aber in den zu Museen umgewandelten Konzentrationslagern immer von „Nazis“ spricht und nie von „Deutschen“ hat mich wirklich beeindruckt! Es regnete und dabei war der Besuch des KZ Majdanek um so bedrückender. Aber ich denke als Deutscher sollte man um dieses Stück Polnisch-Deutscher Geschichte keinen Bogen machen! Die etwas bedrückte Stimmung am Frühstückstisch am nächsten Tag nach dem ich gefragt wurde, was ich mir so angeguckt habe, war relativ schnell verflogen „Chris…not your fault!“ und ich war ziemlich happy mit den Polen so einfach über unsere Vergangenheit zu babbeln.
Das alte Lublin hat sich den morbiden Charme des Ostblocks noch ein wenig erhalten. Neben renovierten Gebäuden gibt’s auch welche, bei denen man nicht so recht weiß, wie lange sie noch stehen bleiben. Auf den Speisekarten ist noch oft das leckere Essen wie Pirogi (eine Art Maultaschen) oder das süffige Bier in zahlreichen Variationen lediglich in polnischer Sprache angegeben. Ein Indikator, dass die Touristen sich aus Krakau oder Warschau noch selten in diesen Teil Ostpolens verirren. Dabei ist es wirklich wunderschön durch die gepflasterten Straßen der Altstadt zu marschieren, dem Geräusch der vielen Kirchturmglocken zu lauschen und den Blick auf die protzige Burg zu genießen, ehe man sich einen Latte Macchiato in einem der vielen Cafés im Freien hineinziehen kann und dank für unsere Verhältnisse sehr fairen Preisen sich diesen Luxus auch noch wahrlich gönnen kann!
Ich hoffe, Ihr habt ein bisschen Lust bekommen unseren östlichen Nachbarn mal einen Besuch abzustatten und das ’neue‘ Europa in der größer gewordenen EU zu entdecken! Na Razie!