Nachdem mir SARS im letzten Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte und ich die Welthauptstadt des guten Futterns nur vom Boot aus auf meinem Weg von Indonesien nach Malaysia angucken durfte, habe ich es jetzt endlich doch noch geschafft in die Löwenstadt oder auf malaiisch Singapur zu gelangen. Singapur ist eine Stadt, ein Land, ein Fluss und eine Insel. Aber das war es auch schon mit der Einfallslosigkeit der Menschen die hier leben, denn der Rest ist ziemlich spannend, angenehm und irgendwie nicht ganz von dieser Welt.
Normalerweise läuft doch eine Einreise am Flughafen so ab: Die Tür hinter der Gepäckausgabe geht auf und schon stürzen sich Piranha-mäßig die Taxifahrer auf den Jet Lag-geplagten Reisenden um ihn möglichst genial über das Ohr zu hauen. Bakschisch, Tip, Money, Pen oder sonst was habe ich hier noch gar nicht gehört. Vielmehr holen die meisten Hotels ihre Passagiere am Airport ab und mein kleines Gepäckstück, ausnahmsweise kein Rucksack, wird Bakschischfrei in den Bus gehievt und dann sogar in die Hotellobby geschleppt, ohne dass das Gepäck geleert wurde oder gar verschwunden wäre.
Aber natürlich ist Singapur auch deshalb anders, weil hier viel verboten ist. Kaugummis sind vom Import ausgeschlossen und absolut tabu. Es gibt hier sicherlich alles zu kaufen…aber keine Airwaves, Wrigley Spear Mint oder Double mint. Da Singapur zu Dreivierteln von Chinesen bevölkert wird und diese gerne auf die Strasse spucken, da das angeblich der inneren Reinigung dient, kostet diese Angewohnheit 500 Sin$ oder ca. 250 €. So wird zwar nicht innerlich gereinigt, die Strassen jedoch sind immer gereinigt, da ja auch das urinieren lediglich gegen 500 Sin$ zu haben ist. Rauchen in der Öffentlichkeit kostet genauso viel. Für den gleichen Preis ist „Rot über die Ampel gehen“ oder „die Strasse in der Nähe einer Ampel überqueren“ zu haben. Ebenfalls in der Verbotspalette ist „Hunde halten“ und „Tiere füttern“ – aber das wird wohl nicht so hart verfolgt, ansonsten wäre meine Schwester schon längst fürs Taubenfüttern im Knast gelandet. Dafür verfolgen den Bürger permanent Videokameras bis vor die Toilettenbox, wo übrigens das „Vergessen“ des Abspülens mit ebenfalls 500 Sin$ zu Buche schlägt. Kurz und gut…“Singapore is a fine city“, wie die Einwohner manches Mal etwas zynisch sagen, denn auch die Demokratie ist eher unfein und eher nicht westlichem Standard angenähert, wenn ich Gerüchten Glauben schenken darf, dass politische Versammlungen in der Strasse mit 2000 Sin$ bestraft werden.
Trotz dieser Law and Order Mentalität sehe ich kaum Polizisten auf der Strasse und in einigen Vierteln habe ich es doch tatsachlich straffrei geschafft quer über die Gasse zu laufen, ohne dafür blechen zu müssen. Laufen muss man eigentlich kaum, denn die Taxis schalten den Meter ohne murren ein und sind relativ günstig, genauso wie die MRT (Mass Rapid Transportation), die jeden Tag 2 Millionen der 4 Millionen Bewohner Singapurs nutzen. Dementsprechend gequetscht ist dann natürlich der Reisende in den Zügen der MRT, aber anders als in vielen anderen Metropolen unserer Welt, wird dies nicht zum Anlass genommen, den langen Touri bis auf die Unterhose zu beklauen. Ich frage mich nur wie Singapurer in unsere reale Welt mit Taschendieben und Taxifahrern fahren können ohne traumatisiert wieder in ihren Stadtstaat zurückzukehren.
Aber wenigstens kennen die Bürger Singapurs sich mit den kulinarischen Gegebenheiten des Rests der Welt sehr gut aus. Hier gibt es tatsächlich alles zum Futtern und da gerade Oktober ist, gibt es natürlich Paulaner und Schweinshaxe. Ich stehe zwar mehr auf die traditionellen Mahlzeiten wie Congee zum Frühstück. Das ist Reis-Porridge mit Hühnchen und Frühlingszwiebeln. Dazu Soja-Quark und Zuckerrohrsaft und fertig ist das Morgenessen. Der lokale Renner „Fish Head“ ist mir glücklicherweise noch nicht zwischen die Stäbchen gekommen, dafür aber Seegras Sushi und das frische TIGER Bier, das bei feuchtheißen Temperaturen um die 32 Grad Celsius auch von den meisten Einheimischen gerne in rauen Mengen konsumiert wird. Aber ein indisches Toshai, thailändisches Pad Thai, kambodschanisches Steamboat, britisches Oxtail Stew, mexikanische Nachos, australisches Känguru oder türkischer Kebab ist hier ebenfalls zu Konsumzwecken zu erhalten, denn Singapur ist Essen und Shopping! Die meisten Schilder lauten auf „Food Centre“ oder „More Shops“ mit Pfeil zum nächsten Konsumtempel, die meist über ein halbes Dutzend Stockwerke alles erdenkliche auf Lager haben, was die Menschenhand oder die Maschine je gefertigt hat.
Aber dem Konsumrausch kann man eigentlich recht schnell entkommen und stattdessen im Orchideengarten Aloe Vera Tee oder bei Pelikanen, Marabus und Flamingos Chrysanthemen-Tee konsumieren. Schließlich hat Singapur einen Grossteil der Tier- und Pflanzenwelt in ihrem Zwergstaat der Arche Noah ähnlich aufgenommen. So kann der Neugierige nachts durch den z. T. noch tatsächlich natürlich gewachsenen Dschungel stapfen und Hyänen, Löwen, Tiger, Elefanten, Giraffen, Ottern beim Futtern zugucken, ehe man selbst wieder in den klimatisierten Food Centre stapft und bei der mannigfaltigen Auswahl an Essen die Qual der Wahl hat. Aber auch die gefiederten Freunde sind natürlich hier vertreten. Damit die Vögel, die ursprünglich im Urwald lebten hier die gleichen Lebensbedingungen finden, wurde kurzer Hand ein Wasserfall von 30 m Höhe gebaut, um das Mikroklima für die Vögel genehm zu machen. Anders als im Mai 2003, wo ich mich knapp 300 km weiter nördlich im Dschungel für 3 Tage verlaufen hatte, machte mir Singapur das Verirren unmöglich und ich habe problemlos wieder den Weg raus aus dem Kunsturwald gefunden und sogar noch ein Internetcafe gefunden, um Euch alle einmal wieder zu grüßen.
Singapur ist zwar irgendwie etwas künstlich, aber es macht schon Spaß von Viertel zu Viertel zu laufen und dabei in völlig verschiedene Kulturkreise einzutauchen. In Little India habe ich gleich einmal wieder meine Dosis Bolywood erhalten und Mango Lassi (kein Bang Lassi) trinken dürfen, ehe es im Malaien Viertel goldene Moscheekuppeln zu bestaunen gab und schließlich bei den alles dominierende Chinesen im vegetarischen Restaurant Kreationen zu verspeisen, die alle sehr bizarr aussahen aber doch wohl vegetarisch waren, so Gott will (!)
Leider ist eine kulinarische Speise auf die ich zur Zeit stehe unter anderem auch die Halstablette, da hier die Klimaanlagen selbst sonntags zu Höchstleistungen getrieben werden, wohingegen die meisten Rolltreppen am Sonntag ruhen dürfen. So bin ich dauerheiser und das obwohl ich schon seit 10 Tagen auf keinem FSV Mainz 05 Spiel mehr gewesen bin oder auch nur einmal hier Helau geschrieen zu haben. In diesem Sinne freue ich mich mit Euch auf das nächste Spiel gegen Werder Bremen sofern meine Stimme nicht irgendwo zwischen Singapur und Mainz endgültig verloren geht.