Die letzten Tage waren sicherlich kein Highlight, an das man sich im ersten Fußball- und Sportverein Mainz 05 gerne erinnern wird. Der Tenor der Meinungsmacher in Bezug auf den Verein ist desaströs, viele, die vorgeben, sich mit dem Verein zu identifizieren, treiben mit ihrer Meinung, die sie selbstverständlich haben und äußern können, ihre Klickzahlen nach oben und bringen gleichzeitig noch mehr Unruhe ins Umfeld hinein.
Und der Verein selbst? Wagenburgmentalität par Excellence. Was am Mittwoch rund um das abgesagte Training vorgefallen ist, wird intern besprochen. Die Pressekonferenz bringt keine wirklichen Neuigkeiten und lässt virtuelle Gaffer unbefriedigt zurück.
Ich frage mich bei diesem Tohuwabohu eigentlich nur, welche Interessen bei allen Beteiligten im Raum stehen? Unzweifelhaft war Adam Szalai der Stein des Anstoßes, dem ein Vereinswechsel nahegelegt wurde. Das ist im knallharten Bundesliga-Alltag erstmal (leider) ein normaler Vorgang. Bei der Bundesliga handelt es um „Survival of the fittest“ pur. Der Grund, warum Szalai gehen soll, ist allerdings weniger klar. Spätestens da kommt dem Spielerberater eine entsprechende Rolle zu. Dieser ist alleine dem Interesse des Spielers verpflichtet und versucht, das Beste für seinen Klienten herauszuholen. Der Verein verneint, dass es dabei um Szalais Funktion im Spielerrat ging, in der er ausstehende Gelder einforderte. Szalais Leistungen in der abgelaufenen Saison waren leider nicht so herausragend. Und dass er gegen einen Regionalligisten im Pokal auflief, da akuter Stürmermangel (Onisiwo war bspw. verletzt) herrschte, ist kein Argument dafür, dass es hier schlicht um eine Ausbootung aufgrund der wohl berechtigten Gehaltsforderungen ging.
Dennoch verweigerten die Spieler das Training am Mittwoch. Es wird allgemein von Streik gesprochen. Gleichzeitig wird das Wort „Streik“ in diesem Fall extrem negativ besetzt. Zum einen ist ein Streik zunächst einmal ein Arbeitnehmerrecht. Nimmt man also das Wort „Streik“ in den Mund und ist gleichzeitig davon überzeugt, dass das ein schlechtes Bild auf den Verein wirft, dann hat man eine bizarre Rechtsauffassung. Allerdings stellt sich für mich die Frage, ob es sich tatsächlich um einen Streik handelt. Schließlich geht mit einem Streik auch eine Forderung einher. Diese muss nicht öffentlich gemacht werden. Sie sollte dem Adressaten allerdings „zugestellt“ werden. In diesem Fall ist der Adressat wohl der Vorstand des Vereins und/oder das Trainerteam. Diese Frage wurde in der Pressekonferenz gar nicht gestellt. Ob Schröder und Beierlorzer eine solche Forderung erhalten haben und wie diese lautete, wäre daher für eine Analyse wichtig gewesen.
Die fehlende Trainingseinheit ist sicherlich erstmal in Bezug auf das Spiel am Samstag ein Nachteil. Ob Beierlorzer aus der Not eine Tugend gemacht hat, und das Verhalten der Spieler als Kollektiv das Training zu schwänzen unter dem Aspekt der Solidarität positiv zu werten, ist zumindest nicht verkehrt. Was wäre die Alternative? Vor der versammelten Presse auf das Team verbal einzuhauen? Die Strategie der Wagenburg ist in diesem Fall wahrscheinlich wirklich die beste Lösung, die uns natürlich ratlos zurücklässt. Aber ist das aktuell das größte Problem?
Dass die Pressekonferenz vorab auf 30 Minuten festgelegt wurde, war kein gutes Zeichen des Vereins. Aber das war spätestens klar, als die Pressesprecherin dies im Laufe der Veranstaltung klar mitteilte. Von einem Abbruch der Pressekonferenz kann also auch keine Rede sein.
Aus dieser Pressekonferenz nehme ich die Erkenntnis mit, dass die sportliche Führung sich dazu entschlossen hat, alles intern aufzuarbeiten. Das ist für mich erstmal ein normaler Vorgang. Ich als Nullfünf-Mitglied wähle den Vorstandsvorsitzenden bzw. die -vorsitzende und den Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat kontrolliert den Vorstand Sport. Es ist anzunehmen, dass der Aufsichtsrat mehr Kenntnisse über die Vorgänge vom Mittwoch und Donnerstag hat, als die Allgemeinheit. So lange der Aufsichtsrat die Auffassung vertritt, dass mit den sportlich handelnden Personen erfolgreich weitergearbeitet werden kann, so lange sollte man das Grundvertrauen in diesen Aufsichtsrat haben, dass dieser zum Wohle von Mainz 05 richtig handelt. Anders als bei anderen Vereinen, mit denen aktuell Mainz 05 verglichen wird, äußern sich hier keine einzelne Aufsichtsratsmitglieder in der Presse. Und zum Glück haben wir keinen Mäzen, der hier ebenfalls noch kühn seinen Senf dazugibt.
Wir sind alle mehr oder weniger neugierige Wesen. Journalist*innen leben sogar davon: Einerseits von ihrer Neugierde, die richtigen Fragen zu stellen und zu recherchieren und andererseits von der Neugierde der Lesenden, die im besten Fall für die Berichte und Analysen gerne bezahlen (was ja leider in der Gratis-Unkultur des Internets nicht immer der Fall ist). Dass den Journalist*innen in der aktuellen Situation außer der Möglichkeit, Analysen anzustellen und der Gabe von noch mehr Öl ins Feuer nicht viel übrig bleibt, ist aus ihrer Sicht ein nicht zufriedenstellender Vorgang. Ihnen muss auch nicht das Wohl des Vereins am Herzen liegen, sondern eher der eigene Arbeitsplatz und das Wohl ihres Mediums. Aber wir Fans, denen Mainz 05 etwas bedeutet, sollten einfach mal den Ball ein wenig flacher halten, uns zurücknehmen und darauf vertrauen, dass es da Menschen im Verein gibt, die das alles ein weniger besser beurteilen können, als wir mit unserem Halbwissen aus der Gerüchteküche.
Ist dieses Vertrauen nicht mehr vorhanden, sollten wir vielleicht Mitglied werden (falls noch nicht geschehen) und das aktive (oder gar das passive) Wahlrecht auf der anstehenden Mitgliederversammlung in Anspruch nehmen – zum Wohle des Vereins!