Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!
01 Hin und weg:
Lagen zwischen der vorletzten und der letzten Auswärtsfahrt 3 Monate, so verstrichen zwischen Gladbach und Augsburg nur drei Tage. Endlich wieder die alte Normalität…in der Woche…mit ein paar versprengten Nasen quer durch die Republik zu düsen. Ich persönlich mag das ja, eine Auswärtsfahrt in der Woche, ohne Trikotbettler und ohne Frage warum man das alles eigentlich macht.
Völlig unspektakulär ging es mit der Bahn in die schöne Fuggerstadt. Bei keinem Ort in Deutschland mit Profifußball klaffen wohl Sympathie mit der Stadt und Antipathie mit der Art Fußball zu spielen so auseinander wie in Augsburg. Da das Spiel aus bekannten Gründen verschoben wurde, also natürlich nur rein terminlich gemeint, war ich vor vier Wochen schon mal in der Stadt, da wir einfach Lust hatten, trotzdem hierher zu fahren. Und so ganz ohne Fußball ist die Stadt wirklich eine Reise wert. Das mag man zwar nicht glauben, wenn man nur in den weit gefassten eingezäunten Gästebereich hineinfährt, sich mehr oder weniger 90 Minuten lang über den Spielstil der Fuggerstädter aufregt und sich danach mit einem Gefühl aus Wut und Frust wieder vier Stunden zurück nach Hause begibt.
02 (N)immer nuff:
Ähnlich wie in Mainz liegt das alte Stadion in der Nähe des Hauptbahnhofs und da es wieder mit dem Klapprad auf Auswärtsfahrt ging, wurde noch ein kurzes Groundspotting am Rosenaustadion eingelegt. Das weite Rund mit seinen vier markanten Flutlichtmasten ist natürlich nie ein enges Fußballstadion gewesen. Aber es hatte einfach Flair. Wer kann sich noch an den gefühlten 100-Meter-Schuss von Aristide Bancé erinnern, der in der Saison 2008/2009 sinnbildlich ganz Mainz den Frust von der Seele schoss und einen Auswärtssieg in diesem weiten Rund einleitete?
Danach ging es mit dem Rad weiter durch die Stadt dem Schwabenstadion entgegen. Links abbiegen als radfahrende Person ist in Augsburg echt tricky, denn zunächst muss man auf der Kreuzung geradeaus fahren, um dann auf der anderen Straßenseite angekommen auf der Fahrbahn sich nach links wenden und warten, bis man wieder grün bekommt. Linksabbiegende Autos können natürlich direkt abbiegen. Aber hey, wir sind in Bayern…da sind Radfahrende wie Windräder natürlich noch in der totalen Minderheit…Und „Links“ wird in Bayern eh mit großer Skepsis betrachtet. Team Vorsicht, halt!
03 Kon-Trolle
Die Zeiten, in denen am Zaun Dixie-Klos standen und die eigentlichen Toiletten versperrt waren, sind glücklicherweise längst vorbei. Aber einen Radfahrenden vom Rad runterbrüllen geht beim Sicherheitsdienst natürlich immer. Warum ich auf der Fahrstraße zum Gästeblock mein Rad zu schieben hatte, erklärt mir die Straßenverkehrsordnung nicht, aber der Typ von der Security meinte „wegen der Polizei“ – aha! Die eigentliche Kontrolle war easy und die Fahrradlampen waren genauso unkompliziert wie in Gladbach ruckzuck in der Aufbewahrung verstaut. Leider sparen da auch manche Vereine und teilen dem Gastverein einfach vorher mit, eine Abgabe von Gegenständen sei am Gästeblock nicht möglich. Dass aber nicht jeder Fan mit dem Fanbus oder dem Auto anreist, in dem diese Gegenstände deponiert werden können, ist den Vereinen egal. Dass Fahrradlampen als potentielle Wurfgeschosse gelten, ist nachvollziehbar, daher ist das Deponieren vor Ort schon ok – nur sollte halt generell eine Abgabemöglichkeit vorhanden sein.
04 Kampf um den Mampf
Augsburg macht es kompliziert. Dabei sollten es die gängigen Kreditkarten doch mittlerweile auch bis nach Bayerisch-Schwaben geschafft haben. Eigentlich…Denn die alte Normalität heißt in Augsburg: Bezahlung nur mit Karte, also nicht mit Visa oder MasterCard sondern mit FCA-Card oder einer Blue-Dingsbums-App von der ich persönlich vorher noch nichts gehört habe. Warum auch einfach, wenn man es den Fans schwer machen kann? Aber vor Jahren schon, als man noch Eintrittskarten vor Ort beziehen konnte, akzeptierte der FCA nur cash und so musste ich damals einem Nullfünfer mit Bargeld aushelfen, damit er sich unsere Pokalniederlage auch live und in Farbe angucken konnte. Seit der Pandemie gibt es gar keine Tageskassen mehr. Einen nachvollziehbaren Grund kenne ich nicht. Dabei wäre das Gegenteil ja eigentlich sinnvoller. Ich war zum Beispiel nach meiner Rückkehr aus Gambia im Februar krank, musste mir aber das Union-Ticket bereits vorab kaufen und habe letztlich den Verein an der alten Försterei monetär unterstützt, obwohl ich die Reise nach Köpenick gar nicht antreten konnte.
Am Catering-Stand gleich eine schöne steile These: Die Becher sind biologisch abbaubar… Hahaha! Gut, dass ich gerade ein Buch über Nachhaltigkeit im Fußball geschrieben habe. Dort zitiere ich aus der Studie „Vergleichende Ökobilanz verschiedener Bechersysteme beim Getränkeausschank an Veranstaltungen“, die bereits anlässlich der Männer-Fußball-EM 2008 in Österreich und der Schweiz erstellt wurde: „Biologisch abbaubare Einweggetränkebecher aus PLA (Polylactide) stellen keine ökologisch vergleichbare Alternative zu Mehrwegbechern da. Die Kompostierbarkeit der Becher führt nicht zu geringeren Umweltauswirkungen, da mit der Kompostierung dieses Kunststoffes kein nennenswerter ökologischer Nutzen verbunden ist. Zudem sind die Auswirkungen der Entsorgung marginal im Vergleich zur Herstellung der Becher.“ Gut, um an diese Studie zu gelangen, müsste man sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, zirka fünf Minuten im Internet recherchieren und dann noch die Gewissheit haben, dass das was in der Schweiz und Österreich gilt auch auf Bayern übertragen kann. Denn in Bayern ticken die Uhren ja bekanntlich anders.
Dass es in Augsburg das lokale und sehr leckere Riegele Bier gibt, ist immer ein guter Grund hierher zu fahren – nur halt nicht zum Stadion. Dass es im Gästeblock nur alkoholfreies Riegele und Radler gibt, ist seit Jahren bekannt. Dass es aber im Außenbereich des Stadions auch keinen Bierstand gibt, an dem man im besten Fall mit anderen Fans ins Gespräch kommt, ist in Augsburg gar nicht gewollt – man schottet sich lieber von den Gästen ab. Willkommenskultur anno 2022!
Die Wurstsorten kamen vom gleichen Hersteller wie in Gladbach aus der Nähe von Köln. Dass es in der Region Augsburg keinen Metzger gibt, der Würste herstellt, ist eher unwahrscheinlich – Uli Hoeneß lässt grüßen. Dass der Bezug der Wurst aus Köln aus betriebswirtschaftlicher Sicht mehr Sinn macht als der Einkauf der Wurst aus Schwaben ist wieder einer dieser Gründe, warum uns sicherlich aktuell so viele Probleme auf die Füße fallen. Billiges Gas, billiges Öl oder billige Wurst – ist halt am Ende nicht immer die beste Alternative. Apropos Alternative: Jener Wurstfabrikant, der Gladbach und Augsburg beliefert, hat auch vegane Bratwurst im Angebot – aber nicht im Stadion. Stattdessen gibt es trockene, wenig gesalzene Pommes. Auf die Idee, dass es durchaus Menschen gibt, die auch mal eine vegane Currywurst mit Pommes essen, kommt man in Deutschland im Jahr 2022 leider nicht immer. Aber wenigstens gab es Ketchup und Senf (anders als in Gladbach) wieder in Selbstbedienung. Mayo allerdings nicht – die gab es wie in Gladbach nur in kleiner Einzelpackung aus Plastik.
Dank der Entscheidung, nur alkoholfreies Bier auszuschänken, werden wahrscheinlich nach Spielende wenigsten weniger (theoretisch biologisch abbaubare) Einwegbecher zu entsorgen sein. Damit trägt der FCA wenigstens ein bisschen zur Müllvermeidung bei… Denn die Dinger werden aufgrund der langen Dauer des theoretischen Kompostierens am Ende trotzdem verbrannt.
05 Käfighaltung
An einem Werktag um 18.30 Uhr an einem Stadion pünktlich anzukommen, ist im autovernarrten Deutschland immer so eine Sache. So war der Block zum Anpfiff extrem leer, da der einzige Fanbus gerade erst eintraf. Die Kurve gab aber wenig später mit ihren Fahnen schon ein gutes Bild ab, genau in dem Moment, als im Kölner Keller anscheinend etwas anderes wichtiger war, als auf den Bildschirm zu gucken. Auch aus dem Block sah das Hinfallen von Flo Niederlechner ziemlich komisch aus. Natürlich bekamen wir relativ schnell die Gewissheit durch Nachrichten aus der Heimat, dass der Elfmeter eine Farce war. Aber was bleibt einem in diesem Moment übrig?
In diesen Situationen weiß ich wieder, warum ich mir Nullfünf-Spiele seit Jahren ausschließlich live im Stadion anschaue. Dort bleibt gar nicht die Zeit, sich über so eine Fehlentscheidung lange aufzuregen. Anscheinend ging es den meisten ähnlich und die Mannschaft wurde vom Gros der paar Hundert Nasen weiter bis zum Schlusspfiff unterstützt. Aufregen konnte man sich ja noch die vier Stunden auf der Fahrt nach Hause in die goldene Stadt am Rhein.
Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 hält die Tradition hoch, für die die Fuggerstädter bekannt sind: Schwalben und Theatralik auf Champions League-Niveau.
Rot-weiße Grüße,
Christoph – Meenzer on Tour