Vor dem Testspiel gegen Bilbao informierte Mainz 05 über die Änderungen, die in der neuen Saison Anwendung finden. Unter dem Stichwort „Preisanpassungen beim Catering“ ging es um nichts anderes als um höhere Preise, die für Essen und Trinken abgerufen werden. Dass aktuell viele Lebensmittel teurer werden, haben wahrscheinlich alle von uns mitbekommen. Ich denke, es hätte niemand der Kommunikationsabteilung verübelt, es auch so zu schreiben. Sich hinter dem Wort „Preisanpassung“ zu verstecken zeigt allerdings schon, wohin die Reise geht. Die Umschreibung der „teilweise sehr deutlich gestiegenen Kosten bei der Produktion“ lässt sehr viel Spielraum für Spekulationen offen. Anscheinend sind einige Lebensmittelpreise im Einkauf sehr stark gestiegen, der Verein spricht von bis zu 42 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet es allerdings, dass die Preise für andere Produkte nicht so stark gestiegen sind. Im Rahmen einer transparenten Kommunikation wäre es sicherlich besser gewesen, die einzelnen Preissteigerungen aufzulisten. Eine offene und ehrliche Kommunikation schadet der Glaubwürdigkeit sicherlich nie. Aber gut – es wurde die Verschleierungstaktik gewählt, so wie jüngst bei der Abberufung von Jan Lehmann als kaufmännischer Vorstand.
In der Mitteilung heißt es weiter „Dabei hat Gauls Catering auf eine möglichst gleiche Verteilung der steigenden Kosten geachtet.“ Daraus lässt sich einerseits ableiten, dass Mainz 05 keinen Einfluss auf die Preisgestaltung hat und es dem Caterer überlässt, die Preise zu bestimmen. Andererseits sollen die Kostensteigerungen auf alle Produkte gleichmäßig verteilt werden. Das ist eine Möglichkeit, die zweifellos gestiegenen Kosten an die Stadionbesucher*innen weiterzugeben. Allerdings wird diese Strategie überhaupt nicht eingehalten.
Bei den Getränken werden beim Alkohol 70 Cent für Bier und Weinschorle draufgeschlagen. Bei der Limonade sind es 60 Cent und beim Wasser sind es 40 Cent. Von gleichmäßiger Verteilung kann also überhaupt keine Rede sein. Es ist sicherlich nicht verwerflich, dass es einen Anreiz gibt, alkoholfreie Getränke zu kaufen, wenn man Durst hat. Das deutsche Gaststätten-Gesetz sieht vor, dass mindestens ein alkoholfreies Getränk nicht teurer sein darf als das billigste alkoholische Getränk. Sprich, Gaul geht hier wesentlich weiter und ich denke, dass das wirklich eine gute Idee ist. Ob damit Alkoholmissbrauch verhindert wird, weiß ich nicht, aber es ist klar ersichtlich, dass von Seiten von Gaul hier explizit mit Hilfe des Preises gelenkt wird.
Anders als bei den Getränken wird die vom Verein angekündigte gleichmäßige Verteilung der gestiegenen Kosten bei den Speisen umgesetzt. Wurst, Frikadelle und Pommes wurden 50 Cent teurer und kosten nun 3,50 Euro. Fleischkäse und Brezel wurden ebenfalls 50 Cent teuer und kosten nun 2,50 Euro.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die gleichmäßige Verteilung der gestiegenen Kosten im Bereich der Speisen die fairste Möglichkeit ist. Man kann das sicherlich so sehen, wenn man die gegenwärtigen Probleme, der wir uns als Gesellschaft stellen müssen, ignoriert.
Ein Grund, warum die Lebensmittelpreise aktuell steigen, liegt am russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Dort warten rund 20 Millionen Tonnen an Getreide darauf, endlich verschifft zu werden. Das Getreide wird in vielen Ländern rund um den Globus sehnsüchtig erwartet. In vielen Teilen der Welt sind Hungersnöte zu befürchten und Lebensmittelpreise explodieren (um weit mehr als die von Mainz 05 genannten 42 Prozent).
Aus dem Getreide der Ukraine lassen sich grundsätzlich zwei Dinge produzieren: Lebensmittel wie zum Beispiel Brezeln oder Futtermittel für die Tierhaltung, damit daraus Fleischprodukte hergestellt werden.
Das zweite große Thema unserer Zeit ist der Klimawandel. Die Dürre in vielen Teilen der Welt, sorgt dafür, dass ganze Ernten vernichtet werden und die Lebensmittelpreise noch weiter steigen. Und die CO2-Emissionen, die den Klimawandel verstärken, hängen unter anderem auch von unseren konsumierten Nahrungsmitteln ab.
Das Umweltbundesamt schreibt zu der gesamten Thematik: „Pflanzliche Fleischersatzprodukte schneiden im Vergleich zum konventionell erzeugten Fleisch am besten ab. Dies liegt unter anderem daran, dass Pflanzen wie Weizen und Soja auf direktem Weg der menschlichen Ernährung dienen können. Werden Pflanzen erst als Tierfutter genutzt, werden deutlich mehr pflanzliche Kalorien und auch deutlich mehr Ackerfläche, Wasser und Energie benötigt, bis die Kalorien beim Menschen ankommen.
Ein Beispiel: Für die Produktion eines Kilos Fleischersatz auf Sojabasis werden 2,8 kg Treibhausgase ausgestoßen. Für Schweinefleisch beträgt der Ausstoß 4,1 kg, für Geflügel 4,3 kg und für Rindfleisch sogar 30,5 kg.“
Brezeln und Pommes sind also unter dem Gesichtspunkt der Lebensmittelknappheit und unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes die wesentlich ressourceneffizienteren Speisen, die es im Stadion zu kaufen gibt.
Mainz 05 proklamiert an allen Ecken und Enden der erste klimaneutrale Verein der Bundesliga zu sein. Er kauft Klimazertifikate für Projekte in Ruanda, unterstützt soziale Projekte mit „Mainz 05 hilft e.V.“ und solidarisiert sich mit vielen Gruppen, u.a. mit den Menschen in der Ukraine. Daher sollte es eigentlich im Interesse des Vereins sein, klimaschonende Lebensmittel zu fördern. Nun ist Gauls Catering nicht Mainz 05, aber hier kommt wieder einmal die bereits öfter erwähnte konsequente Inkonsequenz des Vereins zum Vorschein. Man propagiert Klimaneutralität, interessiert sich aber gleichzeitig überhaupt nicht dafür, dass die Speisen, die vergleichsweise gut fürs Klima sind, also Brezeln und Pommes genauso viel kosten, wie Fleischkäsebrötchen bzw. Wurst.
Vielmehr überlässt der Verein die Preisgestaltung dem Caterer. Dieser kann also machen was er will. Dieses Verhalten ist zumindest irritierend. Ähnlich wie beim Testspiel gegen Newcastle scheinen es die handelnden Personen mal wieder nicht auf dem Schirm gehabt zu haben, dass es durchaus gute Gründe gibt, einen Testspielgegner abzulehnen.
Auch beim Thema Catering gibt es als Verein gute Gründe, hier mit Gaul mal über die Preisgestaltung zu sprechen. Eine gute Möglichkeit wäre die Sommerpause gewesen und wie beim Thema Getränke den Preis als steuerndes Element zu nutzen.
Entweder hat der Verein das nicht auf dem Schirm oder es ist ihm egal, was allerdings das hehre Ziel der Klimaneutralität, konterkariert. Vielleicht ist das Thema „Klimaneutralität“ auch nur ein Marketing-Gag der vielleicht durch einen Sponsor aus der Energiebranche eingebracht wurde. Wie beim Thema Flug ins Trainingslager wird womöglich beim Thema klimarelevante Emissionen einfach alles kompensiert, statt Emissionen zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Sprich es wird lieber mehr kompensiert als den Stadionbesucher*innen die Brezel günstiger als das Fleischkäsebrötchen anzubieten. Außerhalb des Stadions kostet die Brezel beim Discounter 35 Cent (statt bisher 29 Cent). Selbst wenn die Stadionbrezel doppelt so groß ist, findet man wohl nirgends ein Fleischkäsebrötchen für 70 Cent. Daher ist diese Preisgestaltung schon in der Historie als beide Produkte 2 Euro kosteten ein falsches Signal gewesen. Sie führt sogar dazu, dass Stadionbesucher*innen unter dem Aspekt der „Kosten-Nutzen-Rechnung“ eher ein Fleischkäsebrötchen statt einer Brezel kaufen, um maximalen „Nutzen“ zu erzielen, wenn man sich nicht gerade vegetarisch ernährt.
Schlimmer geht natürlich immer. So kostete die Brezel in Aue drei Euro und in Bochum sogar nochmals 50 Cent mehr. Allerdings proklamieren beide Vereine auch nicht ständig, klimaneutral zu sein. Hier sollte sich Mainz 05 halt fragen, ob man das immer an allen Ecken und Enden rauslassen muss, während ja mittlerweile schon ersichtlich ist, dass das mit dem klimaneutral so eine Sache ist. Im Podcast „Weserfunk“ hat die CSR-Direktorin von Werder Bremen indirekt das Verhalten einfach alles zu kompensieren zu Recht kritisiert. Anders als Mainz 05 wird Werder Bremen erst in einigen Jahren klimaneutral sein. Werder verzichtet, anders als Mainz 05, darauf, einfach Zertifikate zu kaufen und versucht eher Emissionen zu vermeiden. Das dauert natürlich seine Zeit, alle Hebel in Gang zu setzen.
Vielleicht braucht es auch bei Mainz 05 seine Zeit, im Bereich des Caterings seine Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Vielleicht hat man bei den letzten Vertragsverhandlungen die CSR-Abteilung nicht zu Rate gezogen, um ein möglichst nachhaltiges Agieren in diesem Bereich vertraglich zu fixieren. In der angesprochenen Podcastfolge erklärt die CSR-Direktorin von Werder, dass zum Beispiel beim Thema Sponsoring die Abteilung noch nicht einbezogen wurde, dies aber mittlerweile der Fall ist. Schließlich ist der Werder-Trikotsponsor ein Unternehmen, das zumindest bisher für Massentierhaltung bekannt war.
Denn das Tierwohl könnte natürlich auch ein Grund sein, Preise beim Catering entsprechend zu gestalten. Es ist anzunehmen, dass ein Fleischkäsebrötchen für 2,50 € nur so günstig anzubieten ist, weil das dafür benötigte Fleisch aus einer sehr günstigen Produktion stammt. Diese ist in der Regel nur in der Massentierhaltung darstellbar. Fleisch aus Bio-Produktion wäre auf jeden Fall unmöglich, zu diesem niedrigen Preis anzubieten.
Daher wäre es mehr als wünschenswert, wenn bei der nächsten Ausschreibung des Cateringvertrags auch auf das Thema Förderung von ressourceneffizienten Lebensmitteln eingegangen wird. Die CSR-Abteilung von Mainz 05 kann da sicherlich mit Rat und Tat zur Seite stehen, wie bei so vielen anderen Themen auch – wenn man sie nur ließe und das Thema nicht danach bewertet, auf wieviel Kritik es bei den Fans stößt – so wie es auch beim Newcastle-Testspiel geschehen ist.
Dass Mainz 05 auf dem Papier klimaneutral ist, gleichzeitig aber in Sachen Nachhaltigkeit nicht unbedingt so schnell vorankommen möchte, zeigte das DFL-Nachhaltigkeitsforum, das Ende Juli abgehalten wurde. Maximilian Rieger, Journalist beim Deutschlandfunk schrieb: „Und auch St. Pauli, Werder Bremen und Hoffenheim ist das Tempo nicht hoch genug – sie konnten sich aber nicht gegen die Mehrheit der 36 Profi-Clubs durchsetzen.“ Leider gehört unser Verein aktuell eher zu den bremsenden Vereinen, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Daher erscheint das Thema „Klimaneutralität“ in einem neuen Licht – leider.
Quellen:
Wichtige Infos zum Testspiel gegen Bilbao | Mainz 05
„Fleischersatz auf Pflanzenbasis mit bester Umweltbilanz | Umweltbundesamt“
Fußball und Klimaschutz – DFL veranstaltet erstes Nachhaltigkeitsforum | Deutschlandfunk