Nachdem die Mainzer in Kaiserslautern das erste Mal seit April mit mir auswärts verloren haben, war es an der Zeit, dass die 05er mal wieder ohne mich auf fremden Platz antreten sollten, um Punkte zu holen. Wärend die rot-weißen Jungs Unentschieden in Nürnberg spielten, verschlug es uns in ein anderes fußballverrücktes Land, das wir alle noch von der WM im letzten Jahr kennen. Als Deutscher wird man nach der grandiosen Niederlage gegen „Alemania“ in Argentinien aber immer noch sehr freundlich begrüßt.
Ebenfalls 2010 waren wir ja hier schon einmal unterwegs, aber Argentinien ist so groß und vielfältig, dass einem dort die Ziele so schnell nicht ausgehen. Letztes Jahr Berge, Seen und Vulkane, dieses Mal Sümpfe, Flüsse und Wasserfälle, denn es ging nach Nordost-Argentinien. Trotz des guten Busnetzes ist es in Argentinien von Vorteil seinen eigenen fahrbaren Untersatz zu haben und so gönnten wir uns den Luxus, mit einem VW Gol unterwegs zu sein. Wenn wir diese Tour pannenfrei überstehen sollten, dann empfinde ich vielleicht endlich auch mal ein ganz kleines Stückchen Sympathie für den Retortenverein aus Wolfsburg – aber erstmal losfahren und abwarten.
Die Mietwagenübergabe am Flughafen war bereits sehr bizarr. Nach einer eher strapaziösen Einreiseprozedur, die us-amerikanische Verhältnissen entsprach, standen wir in der kleinen Emfpangshalle des Flughafens Buenos Aires Ezeiza und sahen die Mietwagenschalter von Hertz, Alamo und einen lokalen Anbieter. Wo war eigentlich unser Europcar-Schalter? Nun gut, dafür druckt man ja seine Reservierung aus und liest diese dann endlich auch mal durch! „Meet and Greet Information Desk“ stand da geschrieben. In wahrer Voraussicht, was die lange Einreiseprozedur anbetrifft, haben wir die Abholzeit auf 3 Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit fixiert – auch um einen Mietwagentag vor dem Rückflug zu sparen. Dumm nur, dass der Flieger pünktlich war und wir nun noch 90 Minuten bis zum Meet & Greet hatten. Insgeheim hatten wir darauf spekuliert, die Kiste früher abzuholen. Dass wir nun auf einen Abholer warten mussten, durchkreuzte unseren Plan ein wenig. Aber zum Glück stand ja eine Telefonnummer auf der Reservierung und mit meinen rudimentären Spanisch-Kenntnissen konnte ich mich verständlich machen, dass wir bereits am Info-Schalter standen; denn in Argentinien spricht man „no mucho ingles“ auch bei Europcar nicht.
Aber in Argentinien funktioniert fast immer alles reibungslos und so kreuzte Gerardo wenige Minuten später am Info-Schalter mit einer Europcar-Klatte auf und führte uns in ein Hinterzimmer des Flughafens. Das Büro erinnerte eher an eine Flugdienstberatung, da dort unzählige Ordner mit Flugkarten und Airport-Infos über Uruguay lagerten. An ein Mietwagen-Büro erinnerte rein gar nichts. Dort sollten wir zwischen VW und FIAT wählen – nun gut Ihr wisst, wie wir gewählt haben denn steht FIAT nicht für „Feher in allen Teilen“ und auf Bunga-Bunga-Kisten aus dem Materazi-Land hatten wir keine Lust. Dann lieber den VfL Wolfsburg unterstüzten!
Unser VW-Model „Gol“ zu Deutsch „Tor“ passt somit zu Südamerika wie die Faust aufs Auge. Es handelt sich um eine Kreuzung aus „Golf“ und „Polo“. Gewöhnungsbedürftig waren die nicht vorhandene Zentralverriegelung und die manuellen Fensterheber. Dafür gab’s Klimaanlage und das Ding war höhergelegt – keine dumme Maßnahme, wie sich im Laufe der Reise rausstellen sollte.
Einmal „on the road“ stellten wir uns der Herausforderung vom Flughafen, der im Süd-Osten von Buenos Aires liegt, nach Nord-Westen uns durch die Tango-Metropole zu schlängeln. Auf der Karte sah alles ganz einfach aus…einfach auf der Autobahn bleiben…oder halt ein Navi haben. Aber die 60 € für eine Tomtom-Argentinien-Karte fanden wir etwas übertrieben, schließlich gibt es ja auch Straßenschilder. Doch diese verrieten immer nur die nächsten Ausfahrten oder den Weg ins Zentrum. Auch in Frankreich führen alle Wege nach Paris, nur dort gibt es eine Ringautobahn und Schilder, die in die Provinz weisen. Hier endet alles in „La Capital“, so auch die Autobahn. Statt Fernverkehrsziele zu nennen, steht auf den Schildern lieber der Name der Autobahn. Diese tragen meist Namen von irgendwelchen argentinischen Helden oder so eindeutige Begriffe wie „Autopista del Sol“ – Sonnenautobahn – und das bei wolkenverhangenem Himmel auch kein wirklicher Hinweis, wo es hingeht. So kam es wie es kommen musste und wir endeten auf einem der riesigen Boulevards der Hauptstadt, der die Champs Elysees oder die 5th Av. als kleine Feldwege einem vorkommen lässt. Der Boulevard des 9. Juli hatte in unserer Richtung mindestens 7 Spuren, weiter kam ich nicht mit dem Zählen, da die Ampel wieder auf grün sprang. Aber was zählen hier schon Spuren – hier wurde mit dem Auto so gefahren, wie ich in Vietnam mit dem Rad unterwegs war: nach vorne gucken – was stört mich der Verkehr hinter mir. So wurde links und rechts überholt, die Spuren ignoriert, auch weil die Fahrbahnmarkierung manches Mal verschwand und somit noch enger nebeneinander her gerollt werden konnte. Dank meines einigermaßen ausgeprägten Orientierungssinns und der Tatsache, dass Buenos Aires ans Meer grenzt und somit nur 3 Richtungen zum Weiterkommen existieren, fanden wir dann irgendwann den richtigen Autobahnnamen und auch dieselbige Fahrstraße, die uns aus der 12 Millionen Metropole herausführte.
Einmal draußen, nahm der Verkehr mit jedem zurückgelegten Kilometer mehr ab, so dass wir uns bald die Straße fast nur noch mit unzähligen LKWs teilen mussten. Unser erstes Ziel der Reise, die Kleinstadt Colón am Rio Uruguay gelegen, war 345 km entfernt und wir kalkulierten eigentlich mit einem 80er km/h-Schnitt. Doch die Auotbahn, die auf der Karte eigentlich über 150 km früher hätte aufhören müssen, führte noch viel weiter nach Norden und somit waren 120 km/h erlaubt und durchaus auch fahrbar. Was für eine angenehme Überraschung! Laut Goolge-Maps befanden wir uns auf einer gebührenpflichtigen Straße, was durchaus stimmte, denn alle 100 km mussten wir umgerechnet zwischen 0,30 und 0,50 € Maut zahlen…dem argentinischen Nummernschild sei Dank wurde uns immer der Preis für Einheimische berechnet!
In Colón angekommen, zahlte sich dann das höher gelegte Fahrgestell bereits erstmals aus. Wie fast alle lateinamerikanischen Städte ist der Ortskern in quadratischen Blöcken angelegt, der von Einbahnstraßen durchzogen wird. Vor jeder Kreuzung ging es ein zwei Meter relativ steil nach unten. Dann auf der Querstraße geht es ruckzuck wieder nach oben. Dieses Hindernis der Verkehrsplaner hat den Vorteil, dass man sich mit normalem Auto nur mit 20 km/h durch die Gegend traut, möchte man nicht ständig aufsetzen. Wir konnten somit ein wenig schneller vorankommen, doch da auch Rechts vor Links zumindest auf den Nebenstraßen angesagt war, brachte dies auch nicht viel ein. Aber der Weg war ja für uns eh das Ziel, so dass das langsame Dahintuckern durch das Städtchen zum Fremdenverkehrsamt sehr angenehm war. Argentinien ist für mich eines der wenigen Länder, in denen es sich tatsächlich lohnt, die Touri-Infos aufzusuchen. In praktisch jeder Ansiedlung gibt es so ein Büro, das tatsächlich auch fast den ganzen Tag geöffnet ist, Fragen nach Übernachtungen und Sehenswürdigkeiten beantworten kann und eine praktische Übersichtskarte gratis uns mit auf den Weg gibt. Dazu sind die Angestellten meist hoch erfreut, dass sich Gäste aus Alemania auf den weiten Weg in ihre Stadt gemacht haben und so haben Sie immer große Freude uns Fremden weiterzuhelfen.
Dieses Mal erhielten wir den Tipp, dass von den unzähligen Campingplätzen, die um die Stadt verteilt sind, nur ein einziger zurzeit offen hat – es ist schließlich gerade erst Frühling geworden. Für umgerechnet 5 € pro Nase konnten wir unser Zelt im weiten Grün aufstellen. Ein paar Angler waren ebenfalls am Zelten, ansonsten war es recht ruhig auf dem Platz, bis morgens um 6 uns auf einmal ein Donnergrollen weckte. Mit Gewitter am Morgen hatten wir nicht unbedingt gerechnet. Aber es fing nicht an zu regnen und so entschieden wir uns, noch eine Nacht zu bleiben und die Umgegbung sowie die Stadt näher kennenzulernen. Kaum hatten wir uns entschieden, fing es dann natürlich an zu kübeln und wir waren plötzlich auf das herrliche September-Wetter in Deutschland sehr neidisch! Es blieb zunächst beim Gewitterschauer und mit Regenschirm bewaffnet begannen wir dem Flusslauf zu folgen. Der Himmel war weiterhin ein großes Grau aber der Regen hatte aufgehört. Ca. 3 km außerhalb des Kaffs gab es plötzlich ein extrem lautes Donnergrollen und ein Blitz schoss wie aus dem Nichts durch den Himmel. Erstmal schmissen wir uns auf den Boden und warteten ab. Aber außer einsetzendem Regen passierte nichts weiter, so dass wir die Beine in die Hände nahmen und ins Kaff zurück joggten. Nun hatte das Gewitter so richtig Spaß am Donnern und Blitzen bekommen – perfekt abgestimmt auf den nun herunterprasselnden Dauerregen.
Gut, dass Colón auch für diese Umstände eine nette Alternative bietet und so ging es für uns den Nachmittag über in die heißen Quellen zum Chillen. Dort traf sich jung und alt und lungerte im Becken herum. Oder man ruhte mit einer Thermoskanne bewaffnet auf einer Bank und trank den omnipräsenten Mate-Tee. Dieser wird mit einer speziellen Tasse und metallenem Strohhalm konsumiert. In der Folgezeit konnten man Argentinier überall mit den Kannen und Tassen entdecken. Und natürlich gibt es an der Tankstelle einen Heißwasser-Automaten, bei dem man eine Liter-Kanne mit heißem Wasser gegen einen Münzeinwurf betanken kann. Die Trinker erinnernt dabei eher an Opium-Konsumenten mit seiner Pfeife. Interessant auch die Tatsache, dass man diesen Tee praktisch nie auf der Karte des Restaurants angeboten bekommt – wahrscheinlich weil sowieso jeder nicht ohne seine Kanne das Haus verlässt.
Zurück auf dem Campingplatz war Umziehen angesagt, da wir unmöglich bei Dauerdonner auf der Wiese hätten schlafen können. Der Campingplatzbesitzer verstand unsere Lage und bot uns einen überdachten Platz an den Geschirr- und Wäschewasch-Becken an. Das war tatsächlich der perfekte Ort zum schlafen: trocken, überdacht und nur 3 m zum WC! Am späten Abend war dann auch der Spuk mit dem Gewitter zu Ende und wir konnten eine geruhsame Nacht verbringen.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Norden. Das Autofahren an sich bereitet außerhalb von Buenos Aires keine großen Schwierigkeiten. Allerdings sind die Geschwindigkeitsbegrenzungen manches Mal arg übertrieben. Da wird ruckzuck mal ein 20 km/h Schild hingestellt – ohne richtig ersichtlichen Grund. Natürlich wird dieses von den Einheimischen gnadenlos ignoriert und auch mir blieb dann meist keine andere Wahl als mit „Augen zu und durch“ Taktik weiterzurollen. Denn wer hat schon Lust an seinem Kofferraum einen 40-Tonner kleben zu haben und eine riesige Blechkarawane hinter sich her zu ziehen. In Deutschland mit seinem Schilderwald weiß man eigentlich immer, wieviel man fahren darf, da auch Geschwindigkeitsbeschränkungen wieder aufgehoben werden. In Argentinien gibt es immer nur Beschränkungsschilder, deren Reichweite dem Autofahrer selbst überlassen bleibt. Dummerweise gibt es aber auch immer wieder mal Radarkontrollen – diese werden aber großflächig vorher angezeigt. Überhaupt scheint die Verkehrsplaner das eine oder andere Mal ihr Gewissen zu plagen, denn oftmals wird vor einer Beschränkung auf überdimensionierten Schildern lang und breit oft auf 4 bis 6 Zeilen erklärt, warum jetzt die Geschwindigkeit gedrosselt werden muss. Will man den Inhalt dieser Kurzgeschichten komplett aufnehmen, bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als zu wenden und nochmals am Schild vorbeizudüsen und den Rest des Schilds zu lesen.
Oftmals gibt es in Argentinien auch routinemäßige Polizeikontrollen. Andererseits ist man als Novize auf argentinischen Straßen nicht unbedingt auf dem neuesten Stand der Straßenverkehrsgesetze. So muss neben einem Warndreieck und einer Warnweste auch ein Feuerlöscher mit an Bord sein. Und das Abblendlicht muss wie etwa in Skandinavien dauerhaft auch am Tag eingeschaltet sein. Diese Regelung hatte ich so halbwegs adaptiert nur ausgerechnet nach einem Tankstopp hatte ich das Licht nicht eingeschaltet. Prompt gerieten wir in eine Polizeikontrolle und wurden herausgewunken. Der Polizist war freundlich aber bestimmt und machte mich auf das nicht eingeschaltete Licht aufmerksam. Er ging davon aus, dass dieses gar nicht funktionierte. Auf die Idee, dass ich es einfach vergessen hatte, einzuschalten kam er nicht und ich wollte so schnell wie möglich weg von hier – und für eine Diskussion mit einem Polizisten reichten meine Spanischkenntnisse auch nicht aus. So musste ich mitkommen, den Fahrzeugschein und Führerschein vorlegen. Alles wurde auf einer Quittung notiert und schließlich hatte ich eine Strafe von 408,36 Argentinischen Pesos zu berappen – das entspricht ca. 75 €! Immerhin erhielt ich einen Rabatt von 25 %, da ich einsichtig war und ich nicht den Verkehr mit meiner Zuwiderhandlung gefährdete – wenigstens etwas…
Mittlerweile haben wir über 1.000 weitere Kilometer ohne zusätzlichen Strafen absolviert und sind an den Iguazú-Wasserfällen angekommen. Was wir auf dem Weg dorthin und vor Ort erleben, erzähle ich dann im nächsten Kapitel.