„Heldentickets“ und „Risikospiele“ anno 2005

Kannst Du Dich noch daran erinnern, was Du vor 15 Jahren und ein paar Wochen an zahlreichen Donnerstagmorgen gemacht hast?

Da ich im Jahr zuvor eine einjährige Weltreise unternahm, besaß ich für die Saison 2003/04 keine Mainz 05-Dauerkarte und musste damit in der ersten Erstligasaison als Vereinsmitglied für jedes Spiel der rot-weißen Jungs um Karten kämpfen. Schließlich war ich nicht der einzige, der Bock hatte, womöglich diese eine Saison im Fußball-Oberhaus im Stadion mitzubekommen.

Das Stadium am Bruchweg war bis 2011 die Heimat der Profi-Mannschaft von Mainz 05

Das Spiel in Stuttgart habe ich noch im Haasekessel angeschaut, schließlich gab es für das erste Bundesligaspiel des 1. FSV Mainz 05 für mich Normalo keine Karte mehr. Dafür ergatterte ich aber Tickets für die Auswärtsspiele in Berlin und Freiburg – denn für die Heimspiele gegen den HSV und Leverkusen, hatte ich es ebenfalls nicht hinbekommen, Karten zu erstehen. Ich richtete mich schon darauf ein, dass ich einfach die meisten Auswärtsspiele der Saison besuchen und die Heimspiele in der Kneipe gucken werde. Spätestens nach Rosis Siegtor in der Nachspielzeit im Dreisamstadion hatte ich aber so richtig Blut geleckt und wollte auch Karten für die Heimspiele ergattern. Daher stimmte ich im Zwei-Wochen-Rhythmus donnerstagsmorgens meinen Alltag so ab, dass ich irgendwo auf dem Weg zur Arbeit einen Computer mit Internetanschluss auftreiben konnte, z.B. in einer Spielhölle am Frankfurter Hauptbahnhof. Zwischen zwielichtigen Gestalten des Bahnhofsviertels drückte ich dann auf der Tastatur so lange auf „F5“ den Refresh-Button, bis ich im Ticketshop die begehrte Karte für den P-Block nicht nur virtuell in den Warenkorb legen, sondern tatsächlich auch den Bezahlvorgang abschließen konnte. Schließlich brach die Mainz05.de-Seite regelmäßig beim Kartenvorverkauf fast zusammen.

Andrang vor den Tickethäuschen herrscht vorallem in der ersten Erstliga-Saison 2004/05

Aber ich ahnte schon im Herbst 2004, dass es bei den „Risikospielen“ nicht mehr so „einfach“ werden würde, an Karten zu gelangen. Die „Risikospiele“ waren damals die gegen Lautern und die Bayern am 32. und 33. Spieltag. Nicht, dass es ein Risiko gewesen wäre, auf die Spiele selbst zu gehen. Das große Risiko bestand darin, gar nicht erst an Karten zu gelangen. Daher konnte ich mich nicht auf die „F5-Strategie“ verlassen, sondern musste „größere Geschütze“ auffahren, in dem ich mich mit Schlafsack und Isomatte sowie Urlaubstagen „ausrüstete“.

Auf diese Idee bin ich natürlich nicht alleine gekommen. Abends gegen neun, halbzehn lagerten an einem Mittwochabend im Vorfrühling 2005 plötzlich Dutzende von Menschen mit Campingequipment ausgerüstet vor den Kassenhäuschen des Stadions am Bruchweg herum. Gute Verpflegung durfte auch nicht fehlen und irgendjemand vom Verein sperrte schließlich die Toilettenhäuschen auf. Wenn man zehn Stunden mit anderen Menschen an einem Fleck freiwillig in der Kälte verharrt und eine große Leidenschaft teilt, dann ist die Chance natürlich gegeben, dass sich wunderbare Gespräche ergeben und Bekanntschaften entwickeln. Man fiebert gemeinsam auf 8 Uhr am nächsten Morgen hin, wohlwissend, dass man mit seinem Einsatz der Übernachtungsstrategie die Karten schon recht sicher hatte. Man konnte mit einem wohligen Gefühl im Kopf und Oropax in den Ohren unter den Bäumen vor dem Stadion unbekümmert einschlummern – schließlich waren genug Gleichgesinnte da, die auf die Schlafenden ein Auge hatten.

Die Toilettenhäuschen wurden in der Nacht vor dem Vorverkauf teilweise geöffnet.

Dass die beiden „Risikospiele“ am Ende für uns relativ bedeutungslos geworden sind, da wir am 30. April 2005 die beste aller Hexennächte im Ruhrstadion verbracht und den Klassenerhalt eingetütet hatten, konnte donnerstags morgens um kurz nach acht Uhr morgens ein paar Wochen vorher noch niemand ahnen. Diese „Heldentickets“ in der Hand zu halten und zuvor eine einzigartig gute Nacht am Bruchweg verbracht zu haben – dieses Gefühl kann uns keiner mehr nehmen und ich werde mich ein Leben lang an dieses kleine Abenteuer vor unserem Wohnzimmer mit einem guten Gefühl erinnern. Karten für ein Fußballspiel zu ergattern – das hat schon was!

Faire Geschäfte erledigen, ja bitte!

Teil 2 – Der Umgang mit Toilettenpapier

„Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“ stellte kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe statt. Dieser Satz ist in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gerückt. Schließlich wurden Reisen in der Debatte um den Klimaschutz relativ oft auf Ausflüge mit dem Billigflieger nach Malle reduziert. Dass wir beim Reisen unser Bewusstsein mit unseren Sinnen erweitern, Vorurteile abbauen und die Einheimischen vor Ort mit unserem Geld unterstützen und damit letztlich Fluchtursachen bekämpfen, ist in der Klimadebatte komplett untergegangen. Nun ist die Klimadebatte selbst fast vom Bildschirm verschwunden. Mittlerweile dreht sich nun vieles um Verhaltensweisen, die für Reisende bereits vor der aktuellen Krise selbstverständlich waren: Es geht um das Tragen von Masken, das „Hamstern“ von Klorollen, das gründliche Händewaschen und die regelmäßige Auffrischung von Impfungen. Gleichzeitig wird in dieser besonderen Zeit an Solidarität, Disziplin und Respekt appelliert, sprich an ein faires Verhalten den Mitmenschen gegenüber. Rund um die vier genannten Punkte ergeben sich meiner Meinung nach Möglichkeiten, faires Agieren mit sinnvollen Veränderungen des eigenen Verhaltens im Alltag zu kombinieren. Und vielleicht eignen sich manche Verhaltensweisen auch für den Alltag nach der Krise.

Im ersten Blogbeitrag vom 16. April 2020 widmete ich mich dem Umgang mit Masken, deren Tragen seit heute Pflicht ist. Diesmal dreht sich alles um das „Geschäft erledigen“, ein Umstand, an dem wir sofort erkennen, dass wir alle gleich sind, müssen wir es doch täglich mehrmals verrichten – nur die Art und Weise unterscheidet sich in unserer Welt von Region zu Region.

Auch im Stadion wie hier bei Fortuna Köln ist das Thema „Geschäft erledigen“ eine wichtige Sache.

Das Thema „Geschäft erledigen“ beschäftigt Reisende relativ häufig. Gleichzeitig war „das Mittel zum Zweck“, sprich das Toilettenpapier zu Beginn der aktuellen Krise auch der Fixpunkt beim Gang zum Supermarkt in Deutschland. Ehrlich gesagt trete auch ich keine größere Reise ohne Rolle an. Schließlich gibt es in manchen Regionen unserer Welt gar kein Toilettenpapier, da dort andere Hygieneregeln gelten. In weiten Teilen Asiens und der arabischen Welt finden wir neben der (Sitz-)Toilette einen Schlauch befestigt. Handelt es sich um eine Herberge „westlichen Standards“ gibt es darüber hinaus auch die Vorrichtung für die Rolle – oftmals fehlt allerdings das dazugehörige Papier. Drücke ich auf den Knopf des Schlauchs schießt Wasser unter Hochdruck hervor. In einfacheren Etablissements beispielsweise in Indonesien fernab von Bali gibt es auch nur einen „Mandi“. Dabei handelt es sich um ein großes Becken, das mit Wasser gefüllt ist. Mit einem Becher kann beliebig viel Wasser geschöpft werden, bis das „Geschäft erledigt“ ist. Toilettenspülungen gibt es dort nicht. Mit gezieltem Bechereinsatz bekommt man das stille Örtchen sauber – auch ohne Klobürste. Oftmals korreliert diese Art der Toilette mit den so genannten Steh-WCs, bei denen für die Füße Flächen bereitgehalten werden und ein Loch im Boden als Abfluss fungiert. Aber selbst wenn es im Hotel die klassische Sitz-Variante gibt, besteht immer die Gefahr einer Überraschung, so z.B. bei mir in Nicaragua, als die Brille auf dem Festkörper überhaupt nicht festgeschraubt war und ich Gefahr lief, mitsamt der Brille umzukippen.

Zum Glück erklären Piktogramme eigentlich immer, wohin es für wen gehen soll, so wie hier im Stadion des RSC Anderlecht in Brüssel, Belgien.

Eine ganz besondere Art der Open Air-Toilette hatte ich in Mali in Westafrika kennengelernt. Sie war nur von einer etwa ein Meter hohen Lehmmauer umgeben und über mir lachte die Sonne oder der Sternenhimmel – je nach Tages- und Nachtzeit. Sprich man sah mich beim Hinein- und Hinausgehen. Zwischendrin machte ich es mir so bequem wie möglich und tauchte entsprechend ab. Als ich in Malaysia einmal unfreiwillig im Dschungel übernachten musste, da ich mich verlaufen hatte, blieb mir die Variante, die schon die alten Germanen nutzten: Blätter und das Herzen der Natur. Die Blätter sind im tropischen Regenwald Malaysias so groß und in so rauen Mengen vorhanden, so dass das „Geschäft erledigen“ problemlos möglich war und Privatsphäre hatte ich im Dschungel sowieso genügend. Da ich wie bereits geschrieben auf Reisen immer meine Rolle, wenn schon nicht im Tagesgepäck, wie leider damals in Malaysia, dann aber auf jeden Fall im großen Rucksack dabeihabe, kann ich mich im schlimmsten Fall aus einer unangenehmen Situation relativ leicht „befreien“ – so glaubte ich es zumindest auf meiner Überlandreise von Mainz nach Kapstadt, als ich auf der Fahrt von Lilongwe in Malawi nach Lusaka in Sambia in einem Nachtbus ohne Toilette saß.

Der Gebrauch einer (Sitz-)Toilette ist in vielen Ländern außerhalb Europa erklärungsbedürftig, da es dort eigentlich andere Varianten gibt…so wie hier in Asien.

Plötzlich merkte ich, dass es in mir gluckerte und gluckste. Ich nahm schnell eine Tablette gegen Durchfall, doch die Einnahme kam leider zu spät. Der Bus war bis auf den letzten Platz besetzt und selbst im Gang lagen Menschen und schliefen. Ich saß in der vorletzten Reihe mit meinen beiden Mainzer Freunden und mir blieb nichts Anderes übrig, als über die Armlehnen nach vorne Richtung Fahrer zu klettern. „Sir, I have stomach problems!“ rief ich ihm zu. Dieser machte eine Vollbremsung in der tiefrabenschwarzen Nacht Sambias. Durch den Bremsvorgang wurden viele Insassen wachgerüttelt. Ich bedankte mich beim Fahrer und stieg mit meiner Rolle aus. Doch wo sollte ich mein Geschäft erledigen? Im Busch Sambias gibt es Giftschlangen und andere Zeitgenossen, denen man nicht unbedingt zu Fuß und mit herabgelassener Hose begegnen möchte. Also blieb mir nichts Anderes übrig, als mich im Scheinwerferlicht des Busses am Straßenrand zu erleichtern. Das alleine war mir schon extrem unangenehm gewesen. Doch die aufgeweckten Fahrgäste stiegen nun ebenfalls aus und machten gar keine Anstalten, mir etwas Privatsphäre zu gönnen. So musste ich im wahrsten Sinne des Wortes einen öffentlichen Toilettengang wagen – was mir aufgrund der Bauchkrämpfe allerdings recht leicht fiel. Beim Reisen gibt es tatsächlich Grenzen, die man überwinden muss – nicht nur zwischen Malawi und Sambia…

Schließlich gibt es z.B. in Asien meist den „Mandi“, diese Loch-Variante mit Becher zum Wasser Schöpfen und Zielen.

Schließlich gibt es auch noch die japanische Luxus-Variante. In Tokio fand ich im Bad meines Hotelzimmers eine Bedienungsanleitung für das stille Örtchen – doch von wegen still, die Toilette sprach mit ihrem Besucher! Dass sie nach erfolgreich absolvierten Geschäft sogar warme Luft nach oben bläst, hatte ich in der Bedienungsanleitung während meines Tokio-Aufenthalts nie herausgefunden.

Bei uns in Deutschland gibt es Toilettenpapier erst seit knapp 100 Jahren. 1928 wurde die erste Fabrik gegründet, die Krepppapier herstellte. Heute gibt es in „normalen“ Zeiten eine breite Auswahl an Toilettenpapier – jedoch nur zwei Philosophien: Frischfaser oder Recycling. Ich nehme an, dass es während der Zeit der Hamsterkäufe den meisten von uns egal war, welche Art von Klopapier wir erstehen konnten. Vielleicht haben wir sogar erstmals die andere Variante genutzt? Schließlich ziehen in „normalen“ Zeiten viele von uns die Frischfaser vor. Dafür müssen Bäume gefällt werden. Der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) macht dafür folgende Rechnung auf: „Um eine Tonne Papier zu produzieren, müssen 2,2 Tonnen Holz als Rohstoffbasis eingesetzt werden. Holz ist zwar ein nachwachsender Rohstoff, dennoch werden allein für die Produktion von Papier, Pappe und Karton jährlich 13 Millionen Hektar Wald zerstört.“ Und weiter: „Besonders ökologisch sensible Räume wie artenreiche Tropenwälder und Savannen sind heute durch illegalen Holzeinschlag und Umwandlung in Monokulturen bedroht. Holzplantagen belasten durch intensive Nutzung und Düngung Boden und Grundwasser. Der hohe Wasserverbrauch lässt die Grundwasserspiegel sinken, Flüsse und Seen austrocknen.“

Der Traum eines jeden Hamsters: Die 100er Packung Toilettenpapier von Smooth Panda

Die erste Alternative ist Recycling-Toilettenpapier. Es braucht laut Nabu den Vergleich mit Frischfasern nicht zu scheuen, was auch die Stiftung Warentest bestätigt: „Fazit: In puncto Qualität schnitten die Recycling-Toilettenpapiere gut ab. Wer fürchtet, dass die Verwendung der Recyclingfasern unhygienisch ist, dem sei an dieser Stelle gesagt, dass bei der Verarbeitung des Altpapiers so hohe Temperaturen genutzt werden, dass alle Keime abgetötet werden.“ Wer beim Kauf von Recycling-Toilettenpapier noch fair zu anderen Menschen sein möchte, kann „Goldeimer“ kaufen. Deren Gewinne fließen u.a. in WASH-Projekte von Viva con Agua und in den Corona Nothilfefonds der Welthungerhilfe. Leider ist auch Recycling-Toilettenpapier immer in Plastik verpackt. Die Verpackung können wir wenigstens als Mülltüte sinnvoll „verwerten“.

Bei Toilettenpapier gibt es zwei Alternativen zu Frischfaser-Papier aus Holz: Frischfaser aus Bambus und Recycling-Papier

Wer auf Frischfasern nicht verzichten möchte, dem seit die zweite Alternative empfohlen: Smooth Panda bietet Toilettenpapier aus Bambusfasern an. Das Papier ist ungebleicht, plastikfrei verpackt und besteht aus 100 Prozent Bambus. Bambus wächst schnell, ist sehr anspruchslos was den Boden angeht und verdrängt damit keine Bäume. Er kann folglich dort angebaut werden, wo es unmöglich ist, Bäume gedeihen zu lassen. Allerdings stammt der Bambus, und da schließt sich der Kreis, aktuell aus China, dem Land der Erfinder des Toilettenpapiers. Damit das Produkt dennoch nachhaltig ist, werden bei Smooth Panda alle CO2-Emmissionen für den Containertransport zwischen China und Deutschland kompensiert. Gleichzeitig versucht Smooth Panda langfristig Bambus in Europa pflanzen zu lassen.

Es bieten sich uns also tatsächlich zwei Möglichkeiten auch nach der Krise faire Geschäfte zu erledigen und unser Konsumverhalten einen Tick weit nachhaltiger zu gestalten.

Quellen:
„Tag des Toilettenpapiers: Keine Frischefasern ins WC! – NABU Blogs“: https://blogs.nabu.de/tag-des-toilettenpapiers/
„Klopapier – das Objekt der Begierde im Wandel der Zeit – MDR.de“: https://www.mdr.de/zeitreise/geschichte-klopapier-toilettenpapier-hamsterkaeufe-100.html

Bilder:
Meenzer-on-Tour, Pixabay

Teil 1: Der Umgang mit Masken

Fairmummung, ja bitte!

Teil 1: Der Umgang mit Masken

„Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“ stellte kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe statt. Dieser Satz ist in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gerückt. Schließlich wurden Reisen in der Debatte um den Klimaschutz relativ oft auf Ausflüge mit dem Billigflieger nach Malle reduziert. Dass wir beim Reisen unser Bewusstsein mit unseren Sinnen erweitern, Vorurteile abbauen und die Einheimischen vor Ort mit unserem Geld unterstützen und damit letztlich Fluchtursachen bekämpfen, ist in der Klimadebatte komplett untergegangen. Nun ist die Klimadebatte selbst fast vom Bildschirm verschwunden. Mittlerweile dreht sich nun vieles um Verhaltensweisen, die für Reisende bereits vor der aktuellen Krise selbstverständlich waren: Es geht um das Tragen von Masken, das „Hamstern“ von Klorollen, das gründliche Händewaschen und die regelmäßige Auffrischung von Impfungen. Gleichzeitig wird in dieser besonderen Zeit an Solidarität, Disziplin und Respekt appelliert, sprich an ein faires Verhalten den Mitmenschen gegenüber. Rund um die vier genannten Punkte ergeben sich meiner Meinung nach Möglichkeiten, faires Agieren mit sinnvollen Veränderungen des eigenen Verhaltens im Alltag zu kombinieren. Und vielleicht eignen sich manche Verhaltensweisen auch für den Alltag nach der Krise.

Zum Schutz vor Feinstaub haben wir diese Mund- und Nasenmaske in Indien in Autos ohne Klimaanlage eingesetzt.
Zum Schutz vor Feinstaub haben wir diese Mund- und Nasenmaske in Indien in Autos ohne Klimaanlage eingesetzt.

Mit einer Bedeckung von Mund- und Nase auf die Straße zu gehen, ist bei uns in Deutschland nur für den Maskenball en vogue gewesen. Sich vermummt in der Öffentlichkeit zu zeigen, war außerhalb der fünften Jahreszeit tabu. Wir sind es in Deutschland gewohnt, unserem Gegenüber in die Augen zu blicken und auf die Mimik zu achten. Zum Mienenspiel gehört neben den Augenpartien auch der Mund. Daher kann ich es verstehen, dass es bei uns eine Scheu gibt, sich vor den Mitmenschen zu vermummen. „Andere Länder, andere Sitten“ – mit der Realität dieses Spruchs müssen Reisende notgedrungen immer umgehen können. Das Verhalten, das in Deutschland vollkommen in Ordnung ist, kann in anderen Ländern komplett daneben sein und umgekehrt. Als Reisende lernen wir täglich, mit neuen Situationen umzugehen und uns an neue Gegebenheiten anzupassen. Gerade in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Mega-Metropolen wie Tokio, Singapur oder Hongkong ist die Maske schon seit Jahrzehnten Standard – landen wir aber nach zehn Stunden Flug direkt in einer dieser Städte, ist es alles andere als selbstverständlich, das Vermummen als „normal“ zu betrachten. Einen kleinen „Kulturschock“ zu erleben, ist aus unserer Perspektive vollkommen „normal“. In Asien möchten sich die Menschen mit einer Maske vor Ansteckung oder gegen Feinstaub schützen. Manche Altruisten tragen sie dort auch, um die Mitmenschen zu schützen, wenn sie selbst niesen oder husten. Diese Erfahrung haben wir in einem der ärmsten Länder weltweit selbst gemacht. Wir schleppten einen grippalen Infekt durch Sierra Leone in Westafrika, als wir die Schimpansenaufzuchtstation „Tacugama“ besuchten. Damit wir die Affen nicht ansteckten, bekamen wir einfache OP-Masken als Schutzmaßnahme ausgehändigt. In einem Land, in dem es kaum Infrastruktur gibt, das allerdings schon so seine Erfahrungen mit Epidemien wie beispielsweise Ebola gemacht hatte, werden an Touristen mit aller Selbstverständlichkeit Masken zum Fremdschutz ausgeteilt. Verkehrte Welt!

Souvenir aus Sierra Leone - die OP-Maske, die die Schimpansen im Aufzuchtzentrum Tacugama vor unseren Viren schützen sollte
Souvenir aus Sierra Leone – die OP-Maske, die die Schimpansen im Aufzuchtzentrum Tacugama vor unseren Viren schützen sollte.

Anfang März machten wir uns vielleicht in Deutschland noch ein wenig lustig darüber, dass „die in Asien“ alle vermummt auf der Straße herumliefen, statt den Sinn des Maske-Tragens zu hinterfragen. Natürlich kostet es ein bisschen Überwindung, sich selbst in geschlossen Gebäuden und im ÖPNV zu vermummen. Es ist immer noch etwas Anderes in Asien das Masketragen der Einheimischen als „normal“ zu empfinden oder sie in der Heimat selbst aufzuziehen. Beim ersten Selbsttest in einem Mainzer Supermarkt kam ich mir ein bisschen vor, wie am 11.11. vor ein paar Jahren ein paar Straßenzüge abseits des Fastnachtsbrunnens. Ich war der einzige, der damals verkleidet war. Man schaute auf mich, als sei ich „anders“. Genauso erntete ich komische Blicke, als die automatische Tür aufging und ich mit der Maske die große Bühne Supermarkt betrat. Psychologische Wirkungen bietet die Maske auf jeden Fall. Man wird als Individuum wahrgenommen. Dadurch ist das Wahren der Distanz schon wesentlich leichter möglich. Manche Menschen machten bewusst sogar einen Schritt nach hinten. Dieses Gefühl des „Aussätzigen“ ist mir relativ egal. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass es Menschen gibt, die es eine Überwindung kostet, diese Maske aufzusetzen, wenn es dafür keine Verpflichtung gibt. Alleine deshalb würde eine Maskenpflicht für Geschäfte und ÖPNV meiner Meinung nach Sinn machen. Denn je mehr Menschen mitmachen, desto großer ist der Schutzeffekt. Und um so eher können wir wieder „neue“ kleine Freiheiten in unserem komplett veränderten Alltag genießen. Mit Vermummung ins Fitnessstudio (Duschen zu Hause wie die Spieler von Nullfünf), mit Maske in den Biergarten? Das wäre rein theoretisch irgendwann in diesem Frühjahr vielleicht möglich.

Nachhaltige "Community Mask" von Bingabonga im Einsatz in einem Mainzer Supermarkt
Nachhaltige „Community Mask“ von Bingabonga im Einsatz in einem Mainzer Supermarkt

Natürlich sollten die so genannten „Filtering Face Piece“-Masken, kurz FFP, bei einer Maskenpflicht denjenigen zur Verfügung stehen, die diese für den Dienst am Mitmenschen benötigen, um sich selbst zu schützen. Schließlich gelten diese aktuell als rares Gut. Alle anderen Menschen könnten die so genannten „Community Masks“ tragen, also Mund- und Nasenabdeckungen, die keiner der drei FFP-Schutzklassen entsprechen. Das Robert-Koch-Institut (RKI), die deutsche Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten sagt dazu: „Für die Bevölkerung empfiehlt das RKI das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (textile Barriere im Sinne eines Mund-Nasen-Schutzes) in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum. Das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung kann ein zusätzlicher Baustein sein, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren – allerdings nur, wenn weiterhin Abstand (mind. 1,5 Meter) von anderen Personen, Husten- und Niesregeln und eine gute Händehygiene eingehalten werden.“

Die Maske von Bingabonga lässt sich beispielsweise mit Wasser in der Tasse auskochen...
Die Maske von Bingabonga lässt sich beispielsweise mit Wasser in der Tasse auskochen…

Leider rückt das Thema Müll(vermeidung) aktuell auch in den Hintergrund. Es gibt aber längst Alternativen zu den Einwegangeboten, die leider gerade in Asien so häufig Verwendung finden. T-Shirts werfen wir ja auch nicht nach einmal Tragen in den Müll. Und häufig sind T-Shirts wie selbst gemachte Textil-Behelfsmund- und Nasenschutze aus Baumwolle, die sich bei 60 Grad in der Waschmaschine waschen lassen. Alternativ kann der Schutz auch gebügelt, in den Backofen oder die Mikrowelle gelegt oder ausgekocht werden, um am nächsten Tag wieder Verwendung zu finden. Wer nicht nur fair zu seinen Nächsten, sondern auch zu diejenigen sein möchte, die die Baumwolle anbauen und verarbeiten kann beispielsweise die Behelfsmundschutze von Bingabonga wählen. Diese sind aus Biobaumwolle hergestellt, so dass sich perfekt fairmummt werden kann.

...über Nacht trocknen lassen und am nächsten Tag wieder aufsetzen.
…über Nacht trocknen lassen und am nächsten Tag wieder aufsetzen.