Sonntag in der Sommerpause

Viermal so lang wie ein Bundesligaspiel (noch) dauert, haben wir nun unseren Sonntag in der Halle 45 verbracht, um ein weiteres Stück an der Geschichte unseres Vereins zu schreiben. Dass wir überhaupt weiter an dieser weiter schreiben dürfen, verdanken wir dem alten Vorstand um Harald Strutz, der ja das eine oder andere mal gerade in der Anfangszeit wohl auch persönlich für unsere Herzensangelegenheit gebürgt hat. Daher gilt den Herren ein großes Dankeschön, das man sicherlich nicht in ein paar Zeilen einfach mal so abhandeln kann. Da hoffe ich dann zum ersten Mal auf eine würdige Veranstaltung, die durch die neuen Protagonisten im Verein organisiert und durchgeführt wird.

Zufrieden stimmt mich auch die große Anzahl an Mitgliedern, die dieses demokratische Entscheidungsmittel genutzt haben, ihre Vertreter für die nächsten Jahre zu bestimmen. Zu lesen ist aktuell im Netz recht wenig außer Trump-Vergleichen und der Behauptung, die Ultras hätten die Wahl entschieden. Wenn letzteres so sei, dann hat wohl Mainz 05 mit fast 500 Leuten eine der größten Ultragruppen in Deutschland und hätte somit die Mehrheit der heute zur Wahl gegangenen Mitglieder gestellt. Wahlempfehlungen hatte es wohl von mehreren Seiten gegeben und das ist wahrscheinlich menschlich, liegt es doch in der Natur der Sache, dass man versucht, seine Favoriten durchzubekommen. Der neue Vorstandsvorsitzende wurde jetzt mit Trump verglichen, vielleicht weil es aktuell populär ist, mit Populismus Schlagzeilen zu generieren. Wer sich die komplette Fragerunde gegeben hat und sich vielleicht auch mal vorab die Statements der Kandidaten durchgelesen hat, findet in der Tat bei Kaluza Kommerz-kritische Passagen. Aber ist das populistisch?

Ich habe in der Vergangenheit das eine oder andere Mal ein etwas kritischeres Statement unseres Vereins vermisst. Wenn ein Verein zur Auslagerung gezwungen wird, kann man sich dagegen ohnehin nicht wehren. Wir haben aber heute ja durch einen Aufsichtsratskandidaten gelernt, dass der BGH gerade anders entschieden hat, da bei einem gemeinnützigen Verein der Zweck das entscheidende Kriterium ist und nicht das Wirtschaften an sich als Ausschlusskriterium anzusehen ist. Und wenn dann ein Investor vor der Tür steht, dann kann ein Vorstandsvorsitzender ohnehin nicht im Alleingang entscheiden, was gemacht wird. Daher halte ich es für ratsam, Kaluza doch erstmal machen zu lassen, bevor man richtet. Wenn man sieht, in welche Richtung sich das alles entwickelt, kann man immer noch in die Tasten hauen, und im Internet seine Meinung mit den Stichwörtern “Trump”, “Ultra” und “Populismus” ausschmücken und auf möglichst viele Likes hoffen.

Die anschließende Wahl des Aufsichtsrats wurde dann etwas kurios. Die Wahlkommission hatte die Qual der Wahl, die geeignetsten Kandidaten hierfür rauszusuchen. Darum war diese sicherlich nicht zu beneiden. Man kann da eigentlich nur verlieren, und leider ist man im Nachhinein da immer schlauer. Ein Kandidat wirft hin, weil ihm das demokratische Wahlergebnis für den Vorstandsvorsitz nicht passt und ein Kandidat fuhr lieber in den Urlaub, als sich dieser Wahl persönlich zu stellen. Schade, dass hier zwei Plätze für andere Kandidaten dann praktisch unbesetzt blieben.

Auch bei den gewählten Aufsichtsrätinnen und räten finde ich, dass diese auch erstmal ihre Arbeit aufnehmen sollen, bevor geurteilt wird. Erfreulich ist bestimmt, dass zwei von drei Damen hineingewählt wurden, die durch ihren beruflichen Hintergrund und ihr Engagement in der Handballabteilung sicherlich viel Expertise in das Gremium einbringen können – genauso wie die Blondine von ‘se Bummtschacks, denn wer Sven mal z.B. beim letztjährigen Open Ohr auf einer ganz und gar nicht lustigen Podiumsdiskussion zum Thema “Heimatstolz” zugehört hat, der weiß, dass dieser auch bei ernsten Themen fundierte Beiträge liefern kann.

Es bleibt zu hoffen, dass es die neuen Verantwortlichen schaffen, etwaige jetzt aufgeworfene Gräben zuzuschütten und die unterlegenen Kandidaten sowie die nicht aufgestellten Kandidaten sich weiterhin in den Verein einbringen, so wie es auch ein riesiger Teil der 1000 Anwesenden, die heute nicht zur Wahl standen, hoffentlich machen wird.

3 Jahre Liga 3…leider geil!

Seit heute Mittag steht der Abstieg unserer U23 aus Liga 3 endgültig fest. Das Sportliche mal außen vor gelassen, war es aus meiner Sicht, eine tolle Zeit, die rot-weißen Jungs das eine oder andere Mal am Bruchweg und auswärts zu unterstützen.

Denn wenn ich ehrlich bin, fand auch ich es mit der Zeit nicht mehr ganz so spannend, zum x-ten Mal nach Leverkusen oder Ho$$enheim zu düsen. Viel spannender waren da die Begegnungen in Dresden, Erfurt, Kiel, Halle, Magdeburg oder zuletzt in Regensburg. Klar lief ein Auswärtsspiel in Liga 3 mit unseren Amas so ganz anders ab, als wir es alle vom Erstligakick gewohnt sind. Aber das war ja genau das Spannende, eben nicht zu wissen, wieviele und welche Nasen man im Gästeblock antrifft und was sonst so rund ums Spiel passiert.

Die Amas bei Spiel in Dresden
Die Amas bei Spiel in Dresden

Das erste besuchte Auswärtsspiel bei Dynamo im September 2014 war natürlich gleich der Hammer. 23.221 Zuschauer die 92 Minuten Dampf machten, als dann der heute zur Hansa-Kogge gewechselte Mounir Bouziane den 1:1 Ausgleichtreffer machte und das ganze Stadion plötzlich totenstill war, bis auf die rund 10 05-Unterstützer, die kurz aufschrien, sich dann aber schnell der Lage bewusst wurden, und mal lieber still und leise sich über den Punkt weiter freuten. Schließlich waren die meisten eher Groundhopper als Nullfünfer und ich wohl auch der einzige der tatsächlich aus Mainz hierher reiste, ehe es am nächsten Tag zum Heimspiel gegen Dortmund wieder zurück in die Heimat ging.

Der Gästeblock in Kiel
Der Gästeblock in Kiel

Einen weiteren Vorteil des Amas-Support stellte die ansonsten recht bescheidene Terminierung dar, aber im Sommer war sie natürlich grandios. Während fast immer Profis und Amas zeitgleich spielten, war die Zeit im Juli immer Amas-Zeit und so traf ich im Juli 2015 zwei Jungs aus Mainz, die es tatsächlich zum Auswärtsspiel nach Kiel mit dem Wochenendticket geschafft hatten. Da niemand wusste, wieviele Leute aus der goldenen Stadt den Weg in den hohen Norden finden würden, wurden wir erst auf der Haupttribüne platziert, als wir dann die magische Grenze von 15 Leuten überschritten, die sich als 05er ausgaben, wurde der Gästeblock dann doch noch geöffnet. Zwischenzeitlich ging ein Gewitterregen über dem nicht überdachten Block nieder, so dass wir uns in die Klos flüchten mussten und nicht mehr mitbekamen, wie es stand, da wir vom Gästeblock keinen Blick auf die Anzeigetafel werfen konnten. Dank der Kicker App erfuhren wir, dass sich während des Regens nichts tat und die Amas mal satt 4:0 auswärts zum Saisonauftakt gewannen. Spitzenreiter, Spitzenreit, hej, hej und “Eskalation pur” im Gästeblock…die Heimfahrt mit dem Wochenendticket war sicherlich grandios!

Die Security besorgt das Bier in Erfurt - gegen Bares ;-)
Die Security besorgt das Bier in Erfurt – gegen Bares 😉

Im September 2015 hatten wir freitags ein Heimspiel gegen Ho$$enheim und da bot sich samstags tatsächlich ein neuer Ground in unserer Partnerstadt Erfurt an. Ich war zunächst vollkommen perplex, eine Handvoll Exil-Mainzer im geöffneten Gästeblock anzutreffen, die alle in Erfurt studierten und natürlich Nullfünf dort unterstützten – sogar mit einer Choreo! Später wurde ich noch mehr überrascht, als die Security mangels Beschäftigung den Biernachschub für uns im Gästeblock organisierte, da die Essens- und Getränkesstände im Gästeblock geschlossen waren. So kamen die Security-Jungs mit Tabletts mit frisch gezapften Bier während der 90 Minuten regelmäßig bei uns vorbei, bis irgendwann der ganze Block komplett abgefüllt war.

Zu Gast bei den "Größten der Welt" - 50 Jahre FCM
Zu Gast bei den „Größten der Welt“ – 50 Jahre FCM

Drei Monate später waren wir auf einer riesigen Geburtstagsparty eingeladen. “Die Größten der Welt”, der legendäre 1. FC Magdeburg feierte am 19. Dezember 2015 seinen 50. Geburtstag mit den elf Nullfünfern, die es auf dem Weg zum Hertha-Spiel am Tag darauf samstags in die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt geschafft hatten. Was wir an diesem Tag an Support durch die Heimfans rund um den Block U erleben durften, habe ich leider nie während eines Spiel der Profis in Liga 1 oder Liga 2 erlebt. In diesem Sinne, sind sie für mich wirklich die Größten der Welt…nach den rot-weißen Jungs aus der goldenen Stadt am Rhein, natürlich.

Evakuierung aus dem Block in Halle
Evakuierung aus dem Block in Halle

Dass man nicht überall gastfreundlich empfangen wird, insbesondere als Fan einer U23, durften wir dann in Halle im März 2016 erfahren. Der Hallenser Fanbeauftragte war total korrekt und organisierte einen abgelegenen Teil des Heimblocks hinter dem Tor als “Gästeblock”. Aber dass der SKB für unsere Sicherheit im Stadion an unserem ursprünglichen Platz nicht mehr garantieren konnte und wir vier Nullfünfer daher auf die Haupttribüne evakuiert wurden, war schon sehr skuril. Aber mal unter Polizeischutz zum Bierstand geleitet zu werden, nimmt man dann auch mal gerne mit…

Unstressiges Fußball gucken in Regensburg
Unstressiges Fußball gucken in Regensburg

Dass es auch anders geht, zeigten die Fans des Jahn aus Regensburg vor kurzem. Auch hier wurde der Gästeblock nicht für die 6 05er geöffnet und trotzdem war das größte Problem, das der Security-Dame, dass wir zu dritt den Fluchtweg des leeren Sitz-Blocks versperrten, weil wir standen – schließlich hatte man uns nur den Preis für Stehplatztickets abverlangt 😉

Jetzt ist es also aus und vorbei, mit den Amas die Liga 3 aufzumischen und gerade im Osten Spiele zu erleben, die stimmungsmäßig mindestens auf Zweitliga-Niveau stattfinden. Aber was bleibt ist natürlich der eine oder andere Spieler, wie Jannik oder natürlich Sandro als Trainer oder auch das Trainerduell Heiko Herrlich vs. Sandro Schwarz – nur heißt es dann halt Bayer 04 vs. Mainz 05 statt Jahn vs. 05 U23.

Choreo in Erfurt
Choreo in Erfurt

Es wäre natürlich heute skurril gewesen, die Liga wegen eines Lizenzentzugs einer anderen Mannschaft zu halten, zumal wir ja damals schon nur in die Relegation kamen, weil Freiburg II keine Lust auf Liga 3 hatte. Ich kann unserem Verein daher nur danken, dass er damals diese Steilvorlage annahm, gegen Neustrelitz in die unsägliche Relegation zu gehen, um das Abenteuer Liga 3 zu starten – anders als z.B. die Diva vom Main, die ihre U23 einfach abgemeldet hat oder anders als der Waldhof oder Elversberg, die bereits zum zweiten Mal in dieser bescheuerten Relegation scheiterten.

Aufhören wenn’s am schönsten ist

„Merci Martin“ – der berechtigte Dank an unseren Ex-Trainer aus dem Wallis kommt in so ziemlich allen Fan-Kommentaren vor – verbunden mit dem wohl unerfüllbaren Wunsch, sich gebührend von ihm zu verabschieden.

So hart es klingt, und es war vielleicht vielen von uns Samstag vor 8 Tagen noch nicht klar, den Abschied haben wir alle gemeinsam gefeiert, nach dem Sieg gegen die Eintracht. Im gestellten Abschied nehmen war unser Verein meistens sowieso eher verkrampft und es kam vieles gekünstelt rüber. Die Klassenerhaltsfeier war wild und stürmisch – so wie die gesamte Erstligatrainerzeit von Martin Schmidt. Welcher unserer Trainerikonen erlebte zum Ende seiner Amtszeit einen Platzsturm (bzw. sogar zwei ;-)? Wenn Martin Schmidt etwas nicht war, dann gekünstelt. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt, aber auch ich finde ihn sehr sympathisch. Festmachen konnte ich das immer an den Pressekonferenzen nach dem Spiel, in denen er immer sehr respektvoll mit allen Beteiligten umging und viele menschliche Züge zeigte, für die in diesem Business aktuell wohl nur Christian Streich steht. Der Marketing-Fuzzi in mir müsste wohl von „authentisch“ sprechen…

Sind wir mal erhlich, der Abschied von Martin Schmidt lag ja schon länger in der Luft und nach dem Freiburg-Spiel hätten die Mechanismen der Branche eigentlich greifen „müssen“. Sie griffen aber nicht. Wieso? Weil wir Rouven Schröder haben! Isso – Punkt! Er hat allerdings auch damals nur bis zum Saisonende gedacht, was absolut richtig war. Was sprach eigentlich nach dem Ende dieser Spielzeit so richtig gegen eine Trennung? Richtig, der Vertrag! Dass Verträge in dieser Branche eigentlich nur dazu dienen, etwaige Ablösesummen in die Höhe zu treiben, wissen wir spätestens nach dem Abgang von Jules im letzten Jahr. Martin Schmidt hat hier 7 Jahre eine tolle Arbeit geleistet. Mein Faible für die Amas kennt Ihr ja bereits seit einiger Zeit, daher beziehe ich die Zeit bei der U23 bewusst mit ein – auch wenn es da am Ende auch nicht mehr so richtig rund lief. Gehen soll man bekanntlich wenn’s am schönsten ist. Und gibt es etwas schöneres als mit einem Sieg gegen die Jungs vom Nebenfluss zu starten, die beiden Fastnachtsspiele in Hannover und Leverkusen gewonnen zu haben, den Bayern im Schlauchboot 4 Punkte abgeluchst zu haben, mal schnell einen Dreier in Aserbaidschan eingepackt zu haben und praktisch mit einem Sieg gegen die launische Diva vom Main sein Engagement als Erstligatrainer zu beenden? Sicher nicht wirklich.

Da sich Martin Schmidt bisher zum Ende des gemeinsamen Wegs nicht geäußert hat, nehme ich mal stark an, dass das postulierte „wir gehen im Guten auseinander“ auch halbwegs von beiden Seiten unterschrieben werden kann. Und da erfüllt sich dann auch wieder der zweite große Wunsch in diesen Tagen: Der etwas andere Verein zu sein. Wie bereits geschrieben, griffen die Mechanismen in der Karwoche nach dem Freiburgspiel nicht. Und sich nach dem Saisonende in aller Ruhe zusammenzusetzen und festzustellen, dass es das Beste sei, zukünftig getrennte Wege zu gehen, ist komplett ungewöhnlich für diese hyperventilierende Branche. Anders als in Köln 2008, als Kloppo mit seiner bizarren Aufstellung sein Ende mehr oder weniger selbst einläutete, auch anders als Tuchel sein Ende einfach selbst forciert hatte, wurde hier in aller Ruhe analysiert und ein Schlussstrich zur richtigen Zeit gezogen. Während die beiden ersten Trainerikonen also ihr Schicksal mehr oder weniger selbst bestimmten und das unter unserem Managergott, wurde hier in aller Ruhe analysiert und gemeinsam ein Weg gefunden, das Gesicht zu wahren. Das ist meiner Meinung nach der zweite gelungene Schachzug von Rouven Schröder, nach dem Verkauf von Yunus in der Winterpause, denn der darf in dieser Woche erstmal versuchen, mit Gomez und Co. die Liga zu halten – womöglich gegen das Team eines möglichen Trainerkandidaten? Wer weiß?