Spätlese Augsburg 2021/2022

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Lagen zwischen der vorletzten und der letzten Auswärtsfahrt 3 Monate, so verstrichen zwischen Gladbach und Augsburg nur drei Tage. Endlich wieder die alte Normalität…in der Woche…mit ein paar versprengten Nasen quer durch die Republik zu düsen. Ich persönlich mag das ja, eine Auswärtsfahrt in der Woche, ohne Trikotbettler und ohne Frage warum man das alles eigentlich macht.  

Völlig unspektakulär ging es mit der Bahn in die schöne Fuggerstadt. Bei keinem Ort in Deutschland mit Profifußball klaffen wohl Sympathie mit der Stadt und Antipathie mit der Art Fußball zu spielen so auseinander wie in Augsburg. Da das Spiel aus bekannten Gründen verschoben wurde, also natürlich nur rein terminlich gemeint, war ich vor vier Wochen schon mal in der Stadt, da wir einfach Lust hatten, trotzdem hierher zu fahren. Und so ganz ohne Fußball ist die Stadt wirklich eine Reise wert. Das mag man zwar nicht glauben, wenn man nur in den weit gefassten eingezäunten Gästebereich hineinfährt, sich mehr oder weniger 90 Minuten lang über den Spielstil der Fuggerstädter aufregt und sich danach mit einem Gefühl aus Wut und Frust wieder vier Stunden zurück nach Hause begibt.

Das alte Rosenaustadion unweit des Augsburger Hauptbahnhofs

02 (N)immer nuff:

Ähnlich wie in Mainz liegt das alte Stadion in der Nähe des Hauptbahnhofs und da es wieder mit dem Klapprad auf Auswärtsfahrt ging, wurde noch ein kurzes Groundspotting am Rosenaustadion eingelegt. Das weite Rund mit seinen vier markanten Flutlichtmasten ist natürlich nie ein enges Fußballstadion gewesen. Aber es hatte einfach Flair. Wer kann sich noch an den gefühlten 100-Meter-Schuss von Aristide Bancé erinnern, der in der Saison 2008/2009 sinnbildlich ganz Mainz den Frust von der Seele schoss und einen Auswärtssieg in diesem weiten Rund einleitete?

Links abbiegen ist für Radfahrende in Augsburg ein zeitaufwendiges Vergnügen

Danach ging es mit dem Rad weiter durch die Stadt dem Schwabenstadion entgegen. Links abbiegen als radfahrende Person ist in Augsburg echt tricky, denn zunächst muss man auf der Kreuzung geradeaus fahren, um dann auf der anderen Straßenseite angekommen auf der Fahrbahn sich nach links wenden und warten, bis man wieder grün bekommt. Linksabbiegende Autos können natürlich direkt abbiegen. Aber hey, wir sind in Bayern…da sind Radfahrende wie Windräder natürlich noch in der totalen Minderheit…Und „Links“ wird in Bayern eh mit großer Skepsis betrachtet. Team Vorsicht, halt!

03 Kon-Trolle

Die Zeiten, in denen am Zaun Dixie-Klos standen und die eigentlichen Toiletten versperrt waren, sind glücklicherweise längst vorbei. Aber einen Radfahrenden vom Rad runterbrüllen geht beim Sicherheitsdienst natürlich immer. Warum ich auf der Fahrstraße zum Gästeblock mein Rad zu schieben hatte, erklärt mir die Straßenverkehrsordnung nicht, aber der Typ von der Security meinte „wegen der Polizei“ – aha! Die eigentliche Kontrolle war easy und die Fahrradlampen waren genauso unkompliziert wie in Gladbach ruckzuck in der Aufbewahrung verstaut. Leider sparen da auch manche Vereine und teilen dem Gastverein einfach vorher mit, eine Abgabe von Gegenständen sei am Gästeblock nicht möglich. Dass aber nicht jeder Fan mit dem Fanbus oder dem Auto anreist, in dem diese Gegenstände deponiert werden können, ist den Vereinen egal. Dass Fahrradlampen als potentielle Wurfgeschosse gelten, ist nachvollziehbar, daher ist das Deponieren vor Ort schon ok – nur sollte halt generell eine Abgabemöglichkeit vorhanden sein.

Dinge, die die Welt nicht braucht: Bezahlkarten

04 Kampf um den Mampf

Augsburg macht es kompliziert. Dabei sollten es die gängigen Kreditkarten doch mittlerweile auch bis nach Bayerisch-Schwaben geschafft haben. Eigentlich…Denn die alte Normalität heißt in Augsburg: Bezahlung nur mit Karte, also nicht mit Visa oder MasterCard sondern mit FCA-Card oder einer Blue-Dingsbums-App von der ich persönlich vorher noch nichts gehört habe. Warum auch einfach, wenn man es den Fans schwer machen kann? Aber vor Jahren schon, als man noch Eintrittskarten vor Ort beziehen konnte, akzeptierte der FCA nur cash und so musste ich damals einem Nullfünfer mit Bargeld aushelfen, damit er sich unsere Pokalniederlage auch live und in Farbe angucken konnte. Seit der Pandemie gibt es gar keine Tageskassen mehr. Einen nachvollziehbaren Grund kenne ich nicht. Dabei wäre das Gegenteil ja eigentlich sinnvoller. Ich war zum Beispiel nach meiner Rückkehr aus Gambia im Februar krank, musste mir aber das Union-Ticket bereits vorab kaufen und habe letztlich den Verein an der alten Försterei monetär unterstützt, obwohl ich die Reise nach Köpenick gar nicht antreten konnte.

„Biologisch abbaubar“ in der Theorie – in der Praxis eher ein Fall für die Müllverbrennung – warum kein Mehrweg?

Am Catering-Stand gleich eine schöne steile These: Die Becher sind biologisch abbaubar… Hahaha! Gut, dass ich gerade ein Buch über Nachhaltigkeit im Fußball geschrieben habe. Dort zitiere ich aus der Studie „Vergleichende Ökobilanz verschiedener Bechersysteme beim Getränkeausschank an Veranstaltungen“, die bereits anlässlich der Männer-Fußball-EM 2008 in Österreich und der Schweiz erstellt wurde: „Biologisch abbaubare Einweggetränkebecher aus PLA (Polylactide) stellen keine ökologisch vergleichbare Alternative zu Mehrwegbechern da. Die Kompostierbarkeit der Becher führt nicht zu geringeren Umweltauswirkungen, da mit der Kompostierung dieses Kunststoffes kein nennenswerter ökologischer Nutzen verbunden ist. Zudem sind die Auswirkungen der Entsorgung marginal im Vergleich zur Herstellung der Becher.“ Gut, um an diese Studie zu gelangen, müsste man sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, zirka fünf Minuten im Internet recherchieren und dann noch die Gewissheit haben, dass das was in der Schweiz und Österreich gilt auch auf Bayern übertragen kann. Denn in Bayern ticken die Uhren ja bekanntlich anders.

Dass es in Augsburg das lokale und sehr leckere Riegele Bier gibt, ist immer ein guter Grund hierher zu fahren – nur halt nicht zum Stadion. Dass es im Gästeblock nur alkoholfreies Riegele und Radler gibt, ist seit Jahren bekannt. Dass es aber im Außenbereich des Stadions auch keinen Bierstand gibt, an dem man im besten Fall mit anderen Fans ins Gespräch kommt, ist in Augsburg gar nicht gewollt – man schottet sich lieber von den Gästen ab. Willkommenskultur anno 2022!

Die Wurstsorten kamen vom gleichen Hersteller wie in Gladbach aus der Nähe von Köln. Dass es in der Region Augsburg keinen Metzger gibt, der Würste herstellt, ist eher unwahrscheinlich – Uli Hoeneß lässt grüßen. Dass der Bezug der Wurst aus Köln aus betriebswirtschaftlicher Sicht mehr Sinn macht als der Einkauf der Wurst aus Schwaben ist wieder einer dieser Gründe, warum uns sicherlich aktuell so viele Probleme auf die Füße fallen. Billiges Gas, billiges Öl oder billige Wurst – ist halt am Ende nicht immer die beste Alternative. Apropos Alternative: Jener Wurstfabrikant, der Gladbach und Augsburg beliefert, hat auch vegane Bratwurst im Angebot – aber nicht im Stadion. Stattdessen gibt es trockene, wenig gesalzene Pommes. Auf die Idee, dass es durchaus Menschen gibt, die auch mal eine vegane Currywurst mit Pommes essen, kommt man in Deutschland im Jahr 2022 leider nicht immer. Aber wenigstens gab es Ketchup und Senf (anders als in Gladbach) wieder in Selbstbedienung. Mayo allerdings nicht – die gab es wie in Gladbach nur in kleiner Einzelpackung aus Plastik.

Dank der Entscheidung, nur alkoholfreies Bier auszuschänken, werden wahrscheinlich nach Spielende wenigsten weniger (theoretisch biologisch abbaubare) Einwegbecher zu entsorgen sein. Damit trägt der FCA wenigstens ein bisschen zur Müllvermeidung bei… Denn die Dinger werden aufgrund der langen Dauer des theoretischen Kompostierens am Ende trotzdem verbrannt.

05 Käfighaltung

An einem Werktag um 18.30 Uhr an einem Stadion pünktlich anzukommen, ist im autovernarrten Deutschland immer so eine Sache. So war der Block zum Anpfiff extrem leer, da der einzige Fanbus gerade erst eintraf. Die Kurve gab aber wenig später mit ihren Fahnen schon ein gutes Bild ab, genau in dem Moment, als im Kölner Keller anscheinend etwas anderes wichtiger war, als auf den Bildschirm zu gucken. Auch aus dem Block sah das Hinfallen von Flo Niederlechner ziemlich komisch aus. Natürlich bekamen wir relativ schnell die Gewissheit durch Nachrichten aus der Heimat, dass der Elfmeter eine Farce war. Aber was bleibt einem in diesem Moment übrig?

Es gab durchaus Momente der Freude in Augsburg

In diesen Situationen weiß ich wieder, warum ich mir Nullfünf-Spiele seit Jahren ausschließlich live im Stadion anschaue. Dort bleibt gar nicht die Zeit, sich über so eine Fehlentscheidung lange aufzuregen. Anscheinend ging es den meisten ähnlich und die Mannschaft wurde vom Gros der paar Hundert Nasen weiter bis zum Schlusspfiff unterstützt. Aufregen konnte man sich ja noch die vier Stunden auf der Fahrt nach Hause in die goldene Stadt am Rhein.

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 hält die Tradition hoch, für die die Fuggerstädter bekannt sind: Schwalben und Theatralik auf Champions League-Niveau.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Mönchengladbach 2021/2022

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Nach über drei Monaten Auswärtsabstinenz ging es am Sonntag auf meiner Lieblingsbahnstrecke endlich wieder den Rhein hinab in Richtung NRW. Die Deutsche Bahn nutzt die Wochenenden gerne zu Bauarbeiten an der Strecke, so dass es natürlich nie langweilig wird. Allerdings war die Umleitung über die falsche Rheinseite im Fahrplan bereits einkalkuliert, so dass es einfach nett war, dieses Mal rechtsrheinisch flussabwärts zu düsen und die ganzen Burgen auf der richtigen Rheinseite bestaunen zu können. Dabei gab es endlich auch wieder etwas richtig Tolles auf die Ohren.

Vor der Pandemie war es für mich bereits ein Ritual, die eine oder andere Podcastfolge der „Hinterhofsänger“ im Zug auf dem Weg zum Auswärtsspiel zu hören. Mittlerweile gibt es in den Folgen immer illustrere Gäste, so auch zur westfälischen Doppelfolge „Dortmund/Bielefeld“ mit Alex Hack, einen Spieler aus dem Kader, der mit einer guten Portion Humor ausgestattet ist. Statt dieser völlig austauschbaren Interviews zehn Sekunden nach Abpfiff am Spielfeldrand, gab uns Alex viele ungefilterte Einblicke ins Team und nahm uns als Zuhörende mit in die Kabine. Die Kurzweiligkeit der Folge lag aber auch an den guten Fragen und der Nähe, die die Podcast-Hosts Felicitas und Jan, aufgebaut haben. So ließ sich ziemlich entspannt an einem „gestörten Bahnübergang“ (Original-Bahnansage) vorbeizuckeln, mit ein paar Minuten Verspätung in Köln eintrudeln und die Regionalbahn nach Rheydt erreichen.

Mit einer grandiosen Podcastfolge der Hinterhofsänger und dem Klapprand ging es an den Niederrhein.
Mit einer grandiosen Podcastfolge der Hinterhofsänger und dem Klapprand ging es an den Niederrhein.

02 (N)immer nuff:

Rheydt, wieso Rheydt? Die Stadt liegt südlich von Mönchengladbach relativ nah am Borussia-Park. Wie bei uns in Mainz gibt es sowohl von Rheydt als auch vom Gladbacher Hauptbahnhof Shuttle-Busse zum Stadion. Aus Vor-Pandemie-Zeiten wusste ich, dass die Dinger insbesondere nach Spielschluss komplett überfüllt waren. Darauf hatte ich aus nachvollziehbaren Gründen nicht sonderlich große Lust und kam auf die Idee, die „Elversberg-Strategie“ auf dieser Fahrt anzuwenden. Zu unserem Pokalauftritt im Saarland in dieser Saison nahm ich mein Klapprad mit, da Elversberg keinen Bahnanschluss hat und ich vom Neunkirchener Hauptbahnhof aus zum Stadion geradelt bin. Da es problemlos möglich ist, das zusammengeklappte Rad mit in den ICE zu nehmen, starte ich in Rheydt Hauptbahnhof die kurze Radtour zum Borussia Park. Der Weg zum 6 Kilometer entfernten Stadion war ausgeschildert und nach drei Stunden Sitzen und Podcasts hören war, es eine nette Abwechslung, mal eine halbe Stunde in die Pedale zu treten.

Mit dem Klapprad war es leicht, die Shuttle-Busse zu umgehen.
Mit dem Klapprad war es leicht, die Shuttle-Busse zu umgehen.

03 Kon-Trolle

Warum die Tickets im Vorverkauf personalisiert werden mussten, weiß ich nicht. Kontrolliert wurde das genauso wenig wie 3G, das vorher noch explizit angekündigt wurde. Die Realität sah schließlich so aus, wie vor etwas über zwei Jahren, als ich in Gladbach mein bisher letztes Auswärtsspiel mit einer kreativen Kurve in einem Gästeblock erleben durfte. Die Auswärtsfahrten in der zweiten Jahreshälfte 2021 waren so etwas wie ein Substitutionsprogramm für Auswärtssüchtige. Sie halfen nach der langen Zeit der Geisterspiele mit der Gesamtsituation besser umzugehen, waren aber weit von dem entfernt, was ich unter einer netten Auswärtsfahrt verstehe. Umso schöner, dass wir in Gladbach erstmals die Möglichkeit hatten, praktisch unter normalen Bedingungen die Mannschaft zu pushen.

Die günstigste Speise ist vegetarisch - damit wird die Saisonspende um einen Euro aufgerundet.
Die günstigste Speise ist vegetarisch – damit wird die Saisonspende um drei Euro aufgerundet.

04 Kampf um den Mampf

Ich kann mich noch an Gladbach-Fahrten erinnern, bei denen es Pfandbecher gab. Leider geht der Verein da aktuell den umgekehrten Weg von Mainz 05, das ja endlich wieder Pfandbecher im Stadion am Europakreisel eingeführt hat. In Gladbach gab es die Einwegbecher und sehr wenige Müllbehälter, um diese zu entsorgen. Wie es nach einem Spiel in einem vollen Gästeblock aussehen mag, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Vielleicht ist dieses Agieren aber auch einfach ehrlich. Dieses in die Irre führende Storytelling von kompostierbaren Bechern wird erst gar nicht versucht rüber zu bringen. Der gesamte Müll wird ungetrennt am Ende einfach verbrannt. Fertig aus. Das ist zwar nicht nachhaltig aber in Deutschland leider ja oft immer noch Standard. Wenn der Müll dann wenigstens nicht nach Süd-Ost-Asien exportiert wird, wie bisher leider üblich, sondern bei uns „entsorgt“ wird, dann laden wir unsere Probleme wenigstens nicht auf ärmere Länder ab, die unserem Abfall gegen Entgelt eine neue Heimat bieten.

Wenigstens konnte die Pandemie der Bierauswahl nichts anhaben. Es gab weiterhin die Wahl zwischen Pils aus Bitburg und Altbier der regionalen Brauerei Bolten. Die günstigsten Speisen (Pommes und Brezeln) waren vegetarisch und mit 2,50 € für die Fritten auch recht preiswert. Wahrscheinlich hatte Gladbach während der Pandemie statt Klopapier bereits Speiseöl gebunkert, um jetzt so günstig die frittierten Kartoffeln anbieten zu können. Leider waren aber die Ketchup- und Mayo-Selbstbedienungsanlangen abgebaut und man bekam die Saucen in der Plastik-Kleinstverpackung gereicht.

Einweg statt Mehrweg - gut dass diese Zeiten in Mainz vorbei sind.
Einweg statt Mehrweg – gut dass diese Zeiten in Mainz vorbei sind.

05 Käfighaltung

Dass nicht mehr als geschätzte 450 Nasen die recht kurze Distanz an einem Sonntagnachmittag auf sich nahmen und erstmals nach zwei Jahren die rot-weißen Jungs unterstützen, finde ich wirklich schade. Der Stehblock war groß genug, um Abstand zu halten, falls man das wollte. Wer Maske im Block tragen wollte, wurde nicht dumm angeguckt. Unten im Getümmel wurde meiner Meinung nach die Mannschaft gut unterstützt und ich konnte wirklich zum ersten Mal nach über zwei Jahren mal wieder für 90 Minuten abschalten von Pandemie und schrecklicher Kriegstreiberei. Gerade in der zweiten Halbzeit sprang der Funke von der Mannschaft auf den Block über und wieder zurück. Es war eigentlich fast wie früher – nur früher hätten wir uns vielleicht in der Nachspielzeit noch ein Tor gefangen. So wurde nachkicks von denjenigen die Bock hatten, der ruckzuck geleerte Borussia-Park noch mit Fangesängen beschallt – wie schon bei der Hinfahrt beim Podcast-Hören wahrlich eine Wohltat für die Ohren.

"Fußball lebt durch seine Fans" - endlich waren die Kurven wieder gut gefüllt.
„Fußball lebt durch seine Fans“ – endlich waren die Kurven wieder gut gefüllt.

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 knüpft an alte Zeiten an, was wirklich gut getan hat.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Frankfurt 2021/2022

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Zum letzten Spiel dieses besonderen Jahres, was Fußballspiele im Allgemeinen und Auswärtsfahrten im Besonderen angeht, die kürzeste Auswärtsfahrt in der Bundesliga anzutreten, ist natürlich angenehm. Allerdings waren Fahrten zur Diva am Main, besonders mit der S-Bahn, nicht immer ein großes Vergnügen. Die S8 war meist übervoll besetzt und die Fahrtzeit meist um die Hälfte länger als üblich, weil sich noch Leute reinquetschen wollten, obwohl es schon längt keinen Platz mehr gab. Das waren mitten in der Pandemie wirklich keine tollen Voraussetzungen. Doch durch die Reduzierung der maximalen Zuschauerzahl auf 15.000 ohne die Reduzierung der Frequenzen war die Bahnfahrt so angenehm wie nie.

Der beste Platz in der S-Bahn während der Pandemie: An der Tür, die auch geschlossen noch Luft durchlässt

Die Bahn war leerer als ein paar Tage zuvor, als ich sie mitten im Berufsverkehr nehmen musste. Alle Leute trugen Masken – auch über der Nase. Niemand umging das Gebot durch Essen oder Trinken. Um auf Nummer sicher zu gehen, stand ich direkt an den Eingangstüren, die nicht wirklich dichthalten. So war es angenehm zugig und der Luftaustausch, der ohnehin alle paar Minuten durch das Öffnen sämtlicher Türen stattfand, war auch während der Fahrt gegeben. Dass bei 15 Euro Eintrittsgebühr die Hin- und Rückfahrt im RMV enthalten war, die an sich bereits mehr als 10 Euro kostet, war die positive Krönung. Umgekehrt muss man sich allerdings fragen, warum eine Hin- und Rückfahrt mit der S-Bahn nach Frankfurt fast genauso viel kostet wie eine Fahrt mit dem Sparpreis mit der Bahn zum Beispiel nach Köln.  

02 (N)immer nuff:

An der S-Bahn-Station „Stadion“ angekommen, ein ähnliches Bild wie in der Bahn: Relativ leere Bahnsteige, Treppen und Unterführungen. Aber ein riesiges Polizeiaufgebot stand als Empfangskomando den wenigen Ankommenden Spalier. Man könnte meinen, die Cops hätten aktuell besseres zu tun, als im Frankfurter Stadtwald Fans beider Vereine beim Marsch zum Stadion zu beobachten. Auf Stress hatten allerdings weder Fans noch Cops Bock, so dass es problemlos weiter zum Stadion ging. Wo sich sonst Getränkestand an Getränkestand reihte, sah ich auf der gesamten Strecke drei vereinzelte Buden – ein ziemlich trostloses Bild und gleichzeitig Symbolbild für die Pandemie-Verlierer. Hoffen wir, dass die Veranstaltungsbranche das überleben wird.  

Die Cops sind da, die meisten Fans aber nicht.

03 Kon-Trolle

Wie mittlerweile üblich, wurde am Eingang zunächst der Impfausweis mit dem Perso verglichen und danach die eigentliche Kontrolle durchgeführt. Da genügend Personal vorhanden war und Eintracht-Fans die Möglichkeit hatten, ihre Gesundheitsdokumente vorab in einer App zu hochzuladen, ging das alles zügig über die Bühne – ohne zusätzlichen Müll zu produzieren. Gut, dass da die Lernkurve auch bei Mainz 05 im Laufe der Hinrunde anstieg, und die unsäglichen Bändchen der Vergangenheit angehören.

Mag die Pandemie auch die Gesellschaft komplett durchgewirbelt haben, es gibt Dinge, die sich im Waldstadion trotzdem nicht geändert haben: Die zweite Kontrolle vor Block 20 auf der Osttribüne zum Beispiel – mit Sicherheitspersonal, das mehr an einen Auslandseinsatz der Bundeswehr erinnerte als ein Fußballspiel unter Nachbar:innen. Es gibt natürlich Rituale, die einem in der Pandemie Halt geben – dieses gehört allerdings für mich weniger dazu.

Fantrennung zur schnelleren Kontrolle – links mit Registrierung in der App, rechts ohne Registrierung (auch aktuell nur 2G)

Wird man in anderen Stadien aufgefordert, sich vor der Kontrolle umzudrehen, geht es vor dem Gästeblock direkt zur Sache: Abstand zwischen beiden Nase vielleicht 10 Zentimeter– mit Maske zwar kein Problem, aber dennoch ein ziemlich überflüssiges und befremdliches Prozedere im Kontext der aktuellen Situation, zumal wir doch bei der SGE als peinliche Bonbonwerfer seit 1905 bekannt sind. Wozu also dieser martialisiche Mist liebe Nachbar:innen?  

04 Kampf um den Mampf

Wie kann sich ein Verein von der Masse abheben? Durch die gerade beschriebenen  Sicherheitskonzepte vielleicht, durch die fehlende Möglichkeit der Gratis-Nutzung des ÖPNVs wie es die Bayern immer machen und Bayer 04 in dieser Saison leider auch – ganz sicher – kommt aber beides eher semi gut an. Nein, sich von der Konkurrenz abheben, gelingt mit einem für die Region typischen Angebot an Speis und Trank. Und da ist die SGE schon weit vorne dabei mit ihrem heißen Äppler der Rödelheimer Firma Possmann, auf den Fraa Rauscher mit ihrer Bembel-Lotterie geschickt vorkicks hinweist. Bei Außentemperaturen gefühlt um den Gefrierpunkt herum, war der Apfelwein auch wesentlich leckerer als (noch) süße(re) Glühweine, die es im Winter ja in vielen Stadien gibt.  

Die vegane Wurstvariante war mit die teuerste Alternative.

Was den Mampf anbetrifft, macht mich die Preisgestaltung etwas ratlos. Zwei Wurstvarianten kosteten 3,60 Euro, zwei 3,80 Euro. Zusätzlich wurde auch eine vegane Variante angeboten, was natürlich sehr löblich ist. Diese kostete ebenfalls 3,80 Euro. Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Knapp vier Euro für eine vegane Wurst im Stadion aufzurufen, ist vollkommen in Ordnung. Es geht um das Verhältnis zwischen einer „normalen“ Wurst und einer fleischlosen Alternative. Denn mit dieser Preisgestaltung wird eindeutig gezeigt, wieviel Tiere Ende 2021 in Deutschland wert sind – nichts… Wahrscheinlich sind die Einkaufspreise einfach weitergegeben worden. Das zeigt einmal mehr, dass Empathie gegenüber Tieren in unserer Gesellschaft im besten Fall Hund und Katz entgegengebracht wird, Schweinen, Hühnern und Kühen aber leider nicht. Letztere sind nur Lebensmittel auf Beinen. Trotzdem flossen drei Euro zusätzlich in die #Saisonspende, da es auch eine Brezel für 2,80 € gab. In ihrer Größe ähnelte sie der Ditschbretzel, war damit wirklich überteuert, aber gleichzeitig die günstigste angebotene Speise im Angebot.  

Die vegane Wurst war schmackhaft und lecker.

Funfact am Rande: In der Bankenstadt war Cash angesagt, es sei denn man hatte eine MasterCard. Andere Zahlungsmittel wurden nicht akzeptiert. Das ist mindestens so retro wie der Auftritt von Fraa Rauscher in Schürze und Kopftuch.

05 Käfighaltung

Ob es für das Wohl von Attila so gut ist, den armen Steinadler vorkicks an einer Kette durch das Stadion zu schleppen, sei dahingestellt. Angeblich stört sich das lebende Maskottchen nicht an der Kakophonie im Stadion. Wenigstens wurden dem Vogel nicht die Flügel gestutzt, denn er wollte mindestens einmal aus dem Stadion wegfliegen, was die Kette allerdings verhinderte. Ein lebendiges Tier als Maskottchen einzusetzen, das sein Leben in einer Volliere verbringt, ist schon fragwürdig. Steinadler möchten fliegen und nicht in einem Käfig bis zum nächsten Spieltag warten, ehe er wieder einmal angekettet durchs Stadionrund getragen wird.

Attila, der einzige ohne Maske am Samstagnachmittag

Er war aber das einzige Lebewesen, das sich am Samstagmittag ohne Maske im Stadion bewegte, schließlich herrschte wie bei uns eine Maskenpflicht am Platz. Das trübte die Stimmung zumindest am Anfang keineswegs. Obwohl es keinen organisierten Support gab, machten die 15.000 Leute schon ganz gut Lärm. Gegenseitiges Anprollen war relativ selten zu vernehmen – anders als das peinliche Runtermachen der Hertha ein paar Tage zuvor im heimischen Stadion. Leider fehlt durch den nicht vorhandenen organisierten Support aktuell ein Korrektiv, das so etwas nach ein paar Sekunden unterbindet. Hoffentlich ändert sich das im nächsten Jahr.

Bahnhofsromantik zum Abschluss der Auswärtsfahrten in 2021

Ich fürche allerdings eher, dass die Rückrunde mit Geisterspielen startet. Um so glücklicher schätze ich mich, in diesem Jahr und der Hinrunde wieder viele Spiele besuchen konnte und die Faszination Stadionbesuch mich mit ein wenig Hochgefühl durch die Pandemie trug.

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 zeigt, dass Fraa Rauschers Output grundsolide lecker ist – Prost!

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour