Spätlese München Jahrgang 2019/20

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Gedrucktes und Mainz – das ist ja seit 1450 herum eine ganz besondere Liaison. Vielleicht deshalb haben Fans des FSV, quasi als Erb*innen Gutenbergs, immer wieder Lust, von ihren Erlebnissen rund um den Fußball zu berichten: nicht im Internet in Form von Blogs, sondern ganz traditionell mittels gedruckten Werken. Als Fanboy von Fanzines habe ich mich sehr gefreut, vor dem Gladbach-Spiel das neueste Ergebnis in den Händen zu halten: „Golden Times“ – Erstausgabe August 2019. Während Mainzer Fanzines in früheren Zeiten sich auch manchmal mit den Geschehnissen rund um den Fußballsportverein beschäftigten, geht es in „Golden Times“ ausschließlich um Hopping-Fahrten durch Europa und den Indischen Ozean bis hinüber in die VR China. Vielleicht ist das die große Änderung zu den vergangenen goldenen Tagen der Fanzine-Szene in Mainz. Geschehnisse rund um Mainz 05 werden aktuell in Form der Blockbildung (aber dennoch in gedruckter Form) vor den Spielen, Kolumnen wie der Wortpiratin, Foren wie dem Kigges, Blogs und Facebookgruppen abgehandelt.

Golden Times, das neue Hopping-Fanzine und der Mate Mann Vol. 5 - beste Lektüre für lange Auswärtsfahrten
Golden Times, das neue Hopping-Fanzine und der Mate Mann Vol. 5 – beste Lektüre für lange Auswärtsfahrten

Aus eigener Erfahrung weiß ich wie prägend Fußballreisen, gerade auch ins Ausland, sein können. Ich denke beispielsweise immer noch gerne an Erevan 2005 oder an Baku 2016 zurück. Erinnerungen an die Medias-Fahrt, von der ich als Gastautor in der TORToUR 2011 berichten durfte, kamen beim Lesen des Rumänien-Kapitels der „Golden Times“ auf. Das Fanzine von André, Lucas und Mehlisch liest sich sehr angenehm. Die Autoren nehmen uns Leser*innen u.a. mit ins Vereinigte Königreich und auf den Balkan. Was mir besonders gefallen hat, ist die reflektierte Art und Weise, wie über die Länder berichtet wird. So lernen wir nebenbei auch noch ein wenig über die Geschichte der bereisten Regionen etwa in Nordirland oder in Bosnien. Letzteres habe ich als Kind mit meinen Eltern bereist, als es noch Jugoslawien hieß. Die Veränderungen nach dem Krieg (es gab plötzlich Grenzen, unterschiedliche Währungen, EU- und Nicht-EU-Länder sowie eine Autobahn!) waren für mich besonders interessant zu lesen. Eines der Highlights des Magazins: Die Begegnung der Gruppe mit einem ehemaligen 05-Spieler im Trainingslager seines neuen Vereins und sein bodenständiger Plausch mit der Abordnung aus der goldenen Stadt.

Im Seychellen-Kapitel lernte ich viel über Mietwagen-Optionen und als Gastautor berichtete Sebastian von seinen fast 100 Tagen in der VR China. War ich vor dem Lesen des Kapitel der Auffassung, dass ich bereits während seines tollen Vortrags im Fanhaus bereits alles erfahren haben sollte, gab es in der „Golden Times“ tatsächlich nochmals neue Anekdoten, von denen er uns erzählte.

All‘ diese Kapitel sorgten dafür, dass die Fahrt mit dem Zug nach München zu einer kurzweiligen Reise wurde. Dadurch dass wir in der bayerischen Landeshauptstadt etwas mehr Zeit verbrachten, war die „Golden Times“ bereits vor der Rückfahrt ausgelesen. Daher traf es sich gut, gleich die nächste Ausgabe eines mittlerweile etablierten Fanzines im dritten Stock des Kurt-Landauer-Stadion käuflich erwerben zu können: Nils warf als Mate-Mann bereits zum 5. Mal die Druckerpresse an. Ich bin schon sehr gespannt, was uns in der Lila-Ausgabe erwartet.

02 (N)immer nuff:

Ich regte mich in der letzten München-Spätlese darüber auf, dass bei Tickets für Spiele des FC Bayern keine Fahrkarte des ÖPNV im Ticketpreis enthalten ist. Dennoch hatte ich damals keinen Plan B und kaufte mir wie immer in München für ein paar Euro die Fahrkarte für die stets überfüllte U-Bahn. Doch dieses Mal beschritt ich einen anderen Weg. Die Deutsche Bahn bietet mit Call-a-Bike ein Mietrad-System an, das Fahrräder in vielen Städten der Republik zu fairen Preisen bereithält. So zahle ich als BahnCard-Inhaber 39 Euro pro Jahr, um die Räder deutschlandweit nutzen zu können – jeweils für 30 Minuten gratis. Auch für Wenig -Zug- und -Radfahrer gibt es attraktive Angebote – genauso wie für Gästefans, die mit dem Rad von der Münchener Innenstadt die 11 km nach Fröttmaning zum Stadion am Kurt-Landauer-Weg düsen möchten. Wem der Name Kurt Landauer nichts sagt, dem sei meine Münchner Spätlese der letzten Saison empfohlen, wo ich Parallelen in der Vita Kurt Landauers zu der von Eugen Salomon gezogen habe.

Groundspotting per Mietrad auf dem Weg zum Stadion am Kurt-Landauer-Weg

Für 9 Euro für 24 Stunden konnte ich das Rad ausleihen und wir bei herrlichem Wetter über Schloss Nymphenburg und das Olympiastadion durch den Englischen Garten gemütlich zum Stadion radeln. Obwohl München über 500 Meter hoch liegt, verlaufen die Wege in der Innenstadt zum Großteil auf flachem Terrain. Ferner sind die Fahrbahnen meist breit und die Politik bereit, dem Fahrrad in vielen Straßen Priorität gegenüber dem Auto einzuräumen. Fuhren wir nicht gerade im Luitpoldpark, im Olympiapark oder im Schlossspark Nymphenburg durch die Gegend, ging es oftmals auf Fahrradstraßen entlang. Allen Auto fahrenden Pessimisten zum Trotz sei gesagt, obwohl München aus vielen Fahrradstraßen besteht, klappt das Teilen der Verkehrswege hier gut – und dort wo es zu Staus kommt, sind sicherlich nicht die Zweiradfahrer am hohen Verkehrsaufkommen Schuld.

Die Straße bzw. der Fahrradweg muss neuerdings ja auch mit Elektroroller-Fahrer*innen geteilt werden. Ob die Dinger jetzt umweltfreundlich sind oder nicht, kann ich nicht abschätzen, da ich die Stromquelle für die Roller nicht kenne. Nur würde es wohl den meisten Nutzer*innen nicht wirklich schaden, selbst in die Pedale zu treten, statt die Füße auf so ein Ding zu stellen. Spannend wird es, wie Rollerfahrer*innen im Herbst bei nassem Laub auf der Fahrbahn und im Winter bei Schneematsch vorankommen wollen – es bleibt zu hoffen, dass es dann zu keinen schlimmen Unfällen kommen wird.

03 Kon-Trolle

Das Stadion des FC Bayern galt mal als ziemlich gastfreundlich. Allerdings fiel mir bereits letzte Saison auf, dass im „Fan-Treff Nord“, der sich unterhalb des Gästeblocks im Bauch des Schlauchboots befindet, mittlerweile ein „Zutritt nur für Heimfans“ Schild hängt. Dass es seit Beginn dieser Saison einen separaten Eingang für Gästefans gibt, mag insbesondere für Anreisende mit dem Bus Sinn machen. Auch von der U-Bahn aus, gibt es einen eigenen Weg dorthin (danke für die Recherche Alex 🙂 ), aber der Grund für diese Sonderbehandlung ist wohl nur der, Gäste penibler kontrollieren zu können, als den gemeinen bajuwarischen Plebs. Ich musste alles – wirklich alles – aus meinen Taschen ausleeren. Dass sich da nur Schlüssel drin befanden, demotivierte meinen Kontrolleur, denn er erwartete, dass ich doch mindestens ein kleines Messerchen dabei hätte. Hä?

Der neue Gästeeingang am Stadion am Kurt-Landauer-Weg

Warum ich diese Sonderbehandlung besonders sonderbar finde, liegt daran, dass hinter der Kontrolle der kontrollierte Gast sich wieder mit dem bayuwarischen Plebs mischt, bevor es dann in den dritten Stock des Stadions geht. In anderen Stadien (außer in Dortmund) bleibt man dann als Gästefans unter sich und gut ist. Diese Art der Behandlung finde ich, wie gesagt, mindestens sonderbar. Der einzige Pluspunkt, ggf. schneller nachkicks zur U-Bahn zu gelangen, wurde durch die Security zunichte gemacht, da diese nur noch Busreisende und mich (zu meinem Rad) durchließ.

04 Kampf um den Mampf

Wärme steigt bekanntlich auf. Wer diesen Sommer in einer Dachwohnung verbracht hat, weiß, wovon ich schreibe. Im Block 342 staute sich die Hitze, spätestens als der Block so richtig eskalierte. Die Investition vorkicks in einen Becher mit einem Getränk, erwies sich dementsprechend als sehr gute Entscheidung. Schließlich war es in der Halbzeitpause wegen Überfüllung quasi unmöglich, am Kiosk ein Getränk oder etwas zu essen zu erstehen. Dafür gab es auf den Klos zum Glück die Möglichkeit, seinen Flüssigkeitsbedarf an den Waschbecken mit Hilfe des Bechers zu decken. Noch nie hat mir Leitungswasser im Stadion so gut geschmeckt, wie an diesem Spätsommertag in Fröttmaning.

Blick auf die Speisekarte im Stadion am Kurt-Landauer-Weg
Blick auf die Speisekarte im Stadion am Kurt-Landauer-Weg – leider nicht allzu einfallsreich

Beim Essen hat sich im Vergleich zum letzten Besuch nichts geändert. Wurst, Leberkäs-Semmel, Brezel und Popcorn für den Hunger und Helles und Weinschorle plus Limos und Mineralwasser für den Durst. Ziemlich dürftiger Einheitsbrei – an den man aber sowieso wegen Überfüllung nicht gelangte.

05 Käfighaltung

An den von Rolf treffend beschriebenen „Ameisenfußball“ habe ich mich mittlerweile im Schlauchboot gewöhnt. Nachdem es beim letzten Gastspiel im Block 342 noch zu manchen Wortgefechten kam, da der Block mit Bayern-Fans aufgefüllt wurde, muss ich nach dem Dortmund-Spiel feststellen, dass die Münchner Verhältnisse, was das Auffüllen angeht, nicht wirklich schwarz-gelbe Ausmaße erreichen.

Blick auf den Platz aus der 3. Etage

Der supportwillige Teil stand in den ersten Reihen und dahinter saß dann der Teil derjenigen, die wohl über den FC Bayern kurzfristig ihre Tickets erhalten hatten. Anders als in Dortmund bekam ich keine Provokationen mit und so verliefen die 90 Minuten plus Trinkpausen den Umständen entsprechend recht entspannt.   

Fazit: Der Jahrgang 2019/2020 glänzt durch Nachhaltigkeit in Anreise und WC-Verpflegung sowie durch unterhaltsame Lektüre auf dem Weg zum rot-weißen 7-Tore-Festival.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Kaiserslautern Jahrgang 2019/20

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Spiele in der ersten Runde im DFB-Pokal waren seit jeher bundesweit kein Publikumsmagnet. Als ich jedoch vor ein paar Wochen am Tag der Pokalauslosung auf Instagram nach dem Lieblingsgegner fragte, war der FCK der absolute Renner (vor Waldhof). Dementsprechend war auf Mainzer Seite das Interesse für dieses Spiel auch wirklich größer als in den vergangenen Jahren, als es hauptsächlich in den Osten der Republik nach Aue, Cottbus oder Chemnitz ging. Auf Lauterer Seite hat man sich das Verhalten wohl ein bisschen bei der SGE abgeschaut und proklamiert, dass Spiele gegen Mainz kein Derby wären. Ihr Derby wäre das gegen Waldhof und so viel wichtiger als das Pokalspiel gegen Mainz.

Gut, gegen die Diva vom Main hat Mainz 05 bisher erst 50-mal gekickt, und das seit der Saison 1931/32. Gegen Lautern ging es wirklich erst sehr viel später, nämlich 1933/34, zur Sache… Und am Samstag auch erst zum 69. Mal. Wegen mir ist unser Derby das gegen Wormatia Worms. Die Begegnung fand erstmals in der Saison 1920/21 statt und wurde bisher 115-mal ausgespielt. Und gegen Waldhof gab es zwischen 1928 und 2003 nur 36 Partien… Von daher…

Ich persönlich finde Spiele gegen Lautern und die SGE immer wesentlich reizvoller als Partien gegen andere Mannschaften. Vielleicht auch gerade weil Frankfurter und Lauterer das Match in der Bedeutung immer herunterspielen und dann doch bereits Wochen zuvor auf Mainzer Plattformen ihren Senf zu allem dazugeben und sich am Spieltag doch besonders ins Zeug legen.

Das mit der Attraktivität der Erstrundenbegegnung haben sich wohl ziemlich viele andere Mainzer*innen auch gedacht. Schließlich brachen mehr als 6000 auf, um in die Pfalz zu düsen. Und auf Lauterer Seite? Der Zuschauer-Schnitt lag letzte Saison bei wirklich beachtlichen 21192 Besucher*innen – in der 3. Liga wohlgemerkt. Am Samstag fanden allerdings über 40000 Zuschauer den Weg auf den „Betze“ – das ist für die 1. Runde im DFB-Pokal fast rekordverdächtig (Delmenhorst vs. Werder hat es noch getoppt). Das lag ganz sicher an der Attraktivität der eigenen Mannschaft – nicht. Und nachkicks ein T-Shirt mit dem Text „Die Nr. 1 im Land sind wir!“ aufzulegen, wird traditionell sicherlich bei jedem historischen Sieg auch in der 3. Liga gemacht. Denn das Shirt nach dem Sieg gegen Sonnenhof Großaspach „Die Nr. 1 im Verkehrsverbund Rhein-Neckar sind wir!“ kann ich schon nirgends mehr im Netz kaufen – schade eigentlich. Aber im Ernst: Tief gestapelt und hoch gewonnen.

"Alle in Weiß" nach Lautern - direkt mal mit dem ICE umgesetzt
„Alle in Weiß“ nach Lautern – direkt mal mit dem ICE umgesetzt und vor die Tore des Betze gedüst

Was nicht so gut aufging war die Idee, mit zwei Entlastungszügen, die zwischen Mainz und Lautern eingesetzt wurden, die zahlreichen Zugfahrer*innen in die Pfalz zu bringen. Ein Tweet verriet, dass der erste Zug, der eigentlich in Ingelheim halten sollte, direkt nach Lautern durchfuhr. Das hatte ich mir ein paar Tage vorher schon gedacht. Lust auf eine Busfahrt hatte allerdings auch nicht wirklich. Das Motto „Alle in weiß!“ nahm ich dann etwas wörtlicher und schlug mit einem weißen ICE von Mannheim kommend auf – natürlich mit dem in Weiß gehaltenen „Internationaler Fußballsportverein“-Shirt, fuhr der Zug doch weiter nach Paris. Wenn ein paar Pfälzer mitlesen und sich an dieser Stelle über das Auftreten des FSV in Europa auslassen, dem sei empfohlen, mal die jüngere Statistik des eigenen Vereins aufzuschlagen. Da gibt es erstmal sehr lange nix und dann den traditionellen, europaweit bekannten Derby-Gegner FK Teplice, gegen den 2002 und 2003 gleich zweimal Schluss war – im Intertoto Cup und im UEFA-Pokal in der 1. Runde, in der für uns ziemlich grandios verlaufenen Saison 2003/04 😉

02 (N)immer nuff:

Manche werden jetzt vielleicht den Kopf schütteln, aber ich habe am Betze nie Probleme mit dem Nuff-Kommen gehabt. Das lag Samstag und wie auch in der Vergangenheit an den Cops, die es, anders als es in Frankfurt möglich ist, hinbekommen, die Fanlager zu trennen. Provokationen bleiben so auf verbales Blöken beschränkt. Auch die Flexibilität, den Tross des ersten ankommenden Sonderzugs schon mal nuff zu begleiten, weil sich der zweite Zug verspätete war eine gute Idee. Den Leuten die Möglichkeit zu geben, Essen, Limo und Bier am Wegrand zu kaufen, und es auch Frauen zu ermöglichen, mal kurz auszutreten, war ein ziemlich souveränes Auftreten der Gesetzeshüter (was auch für den Rückweg galt).

Ziemlich problemlos nuff gekommen auf den "Betze"
Ziemlich problemlos nuff gekommen auf den „Betze“

03 Kon-Trolle

Nicht ganz so souverän verlief die Kontrolle am Eingang des Fritz-Walter-Stadions. Dass Banner an einem separaten Eingang zu kontrollieren waren, wurde zumindest nicht allen Fangruppierungen mitgeteilt. Eine Fanszene besteht nicht nur aus Ultras und ultranahen Gruppen. Es gibt auch Fanclubs, die mit Banner anreisen. Ansonsten waren die Kontrollen allerdings ziemlich unstressig zu passieren.

04 Kampf um den Mampf

Lautern stand für mich immer für Pferdewurst. Ich hatte sie zwar selbst nie verzehrt, aber das war schon irgendwie…Tradition *hust*. Genauso wie Wein, nein, nicht Weinschorle, sondern Pfälzer Wein im 05er-Becher. Dass es dieses Mal keinen Alkohol im Gästeblock gab, wurde vorab bereits bekannt gegeben. Bei den Sommertemperaturen und den heißen Gemütern war das nicht die schlechteste Idee – und Krombacher Weizen alkoholfrei lässt sich sicherlich samstags halb vier mit drei Wurstsorten zur Wahl dann doch ganz gut genießen. Nur hat es sich noch nicht bis in die Pfalz herumgesprochen, dass es auch Homo Sapiens gibt, die ihre Ernährung ohne Wurst bestreiten. Gut, ich war nur an Kiosk 2, aber ich nehme stark an, dass es an Kiosk 1 jetzt nicht unbedingt, Seitansbraten und Rote Beete Carpaccio gab… Bemerkenswert war das Outfit der Catering Crew: Komplett mit Nullfünfer-Shirts ausgestattet – nette Deeskalationsstrategie!  

Pferdewurst und Rote Beete Carpaccio verzweifelt gesucht!
Pferdewurst und Rote Beete Carpaccio verzweifelt gesucht!

05 Käfighaltung

Der Gäste-Stehblock im Fritz-Walter-Stadion liegt ziemlich in der Ecke. Daher hatten die Supporters Mainz den direkt daneben liegenden Gäste-Sitzblock 18.1 zum Stimmungsblock auserkoren. Die Sicht aufs Geschehen war gut und gemeinsam mit dem ebenfalls vollen Stehblock, hatte das ganze Potential, das ja auch in der ersten Halbzeit gezeigt wurde (singan „Nie mehr 2. Liga, nie mehr nie mehr!“ singaus). Da für mich die Situation nach dem 2:0 ziemlich unübersichtlich war, mittlerweile Meldungen und Falschmeldungen, Beschimpfungen, Rechtfertigungen, Erklärungsversuche etc. in den sozialen Medien, einem Tsunami ähnlich, auf uns User hinabprasselten, nur drei Wörter meinerseits: Miteinander! Persönlich! Reden! Alles andere ist meiner Meinung nach nicht zielführend. Die Chance, dass ich oder jeder andere in den sozialen Netzwerken eine andere Person mit meinen Argumenten in einer Diskussion überzeugen kann, tendiert gegen null. Und die, die man damit eigentlich erreichen möchte, trifft man genauso wenig, wie die Jungs am Samstag das Tor. Wem es um die Sache und nicht um Aufmerksamkeit geht, der klärt das persönlich.

Die meiste Zeit perfekte Sicht auf das Spielgeschehen von Block 18.1 aus.
Die meiste Zeit perfekte Sicht auf das Spielgeschehen von Block 18.1 aus.

Fazit: Die erste Edition des Jahrgangs 2019/2020 lässt sich mit dem Sprichwort „Sodbrennen am Betze mangels Pferdewurst“ charakterisieren.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Saison 2018/19 – der letzte Zug

Mit dem Abpfiff in der Alten Försterei gestern Abend ist die zehnte Bundesliga-Saison am Stück von Mainz 05 Geschichte. Meine persönliche Geschichte auswärts zu fahren hat genau an diesem Ort 17 Jahre früher begonnen – im Mai 2002!

Das damalige Ende ist bekannt. Eisern Union freute sich, uns in der Liga gehalten zu haben. Die ganzen Anekdoten mit dem Hass und der Schadenfreude habe ich entweder verdrängt oder nicht mitbekommen. Ich gehe von letzterem aus, denn ich war einfach viel zu sehr mit der Trauer über den verpassten Aufstieg beschäftigt als mit Schmähungen nach diesem 1:3 in Köpenik. Da ich sonntagsmorgens noch arbeiten musste, flog ich damals zum Auswärtsspiel nach Berlin mittags, um es gerade noch rechtzeitig zum Spiel zu schaffen. Nachkicks hatte ich allerdings keine Lust auf den Flieger und fuhr mit einem guten Freund mit dem Auto zurück nach Mainz. Frust, Enttäuschung und Niedergeschlagenheit bewältigte ich lieber zu zweit als alleine in S-Bahn und Flieger. Nach einer kurzen Nacht und einem recht anstrengenden Arbeitstag ging es nachmittags auf den Domplatz und Kloppo hielt diese mittlerweile berühmte Rede.

Erfolgreicher Saisonstart in Aue
Erfolgreicher Saisonstart in Aue

War ich vor diesem Spiel ein eingefleischter „Zeitungsleser-Ultra“, der jeden Artikel in der Mainzer Rheinzeitung zu Mainz 05 verschlungen hatte, bekam ich als waschechter Modefan endlich im Mai 2002 meinen Bobbes hoch und fuhr zu besagtem Spiel. Die Rede von Kloppo motivierte und baute auf, doch irgendwie musste ich in meinen Leben etwas ändern und entschloss mich, eine Weltreise zu unternehmen. Mein Draht zu Mainz 05 riss in diesem Jahr nie ab – dem Kigges-Forum sei Dank. In diesem las ich in den Internet-Cafés weltweit über die Spiele und fand den Austausch der User*innen im Forum sehr lesenswert. Das Braunschweig-Spiel selbst bekam ich in Bangkok in einem Internet-Café mit megaschneller Verbindung mit, so dass ich meinen Freunden den Spielstand aus Frankfurt immer wesentlich schneller übermitteln konnte, als es Klaus damals auf dem Marktplatz hinbekommen konnte.

Während wir es im dritten Anlauf hintereinander hinbekamen aufzusteigen, und damit nach eigener Aussage Kloppos größter Erfolg als Trainer Realität wurde, stieg Eisern Union 2004 aus der zweiten Liga ab. Seither hatten wir mit diesem Verein nichts mehr am Hut. In der Zwischenzeit bauten deren Fans einen Teil des Stadions selbst und führten das Weihnachtssingen ein. Seit gestern ist nun wieder ein Ostverein in der Beletage von Fußballdeutschland angekommen. Dieser Punkt freut mich sehr, denn nun gibt es für neutrale Fußballbeobachter*innen eigentlich noch einen Grund weniger, Dosen gut zu finden. Doch wie war eigentlich der Rest der Saison so verlaufen?

Vorsicht Hutbürger - gesichtet im Gästeblock des Max-Morlock-Stadions
Vorsicht Hutbürger – gesichtet im Gästeblock des Max-Morlock-Stadions

Beim Blick auf meine persönliche „Auswärtsbilanz“ der Saison 2018/19 fällt auf, dass ich wohl selten so viele Tore zu sehen bekam – leider fast im Verhältnis 3:1 für die Heimmannschaft (32:13). Gerade die Auswärtssiege in Freiburg und Stuttgart erlebte ich nicht im Stadion mit, da ich mich mal wieder in anderen Ecken dieser Welt herumtreiben „musste“. Dennoch war das auswärts fahren so schlecht nicht, denn wer als Nullfünfer in die Fremde fährt und fest damit rechnet, etwas mitzunehmen, dem kann ich auch nicht helfen. Es ist vielmehr diese Verbundenheit, dieser verschworene Haufen, der 90 Minuten zusammenhält und versucht, die Mannschaft verbal zu unterstützen.

Das hat eigentlich in dieser Saison auch gut angefangen. Obwohl Moussa nach 3 Minuten vom Platz flog, spielte das Team tollen Fußball im Erzgebirgsstadion und schaffte mit einem 3:0 souverän den Sprung in die nächste Runde des DFB-Pokals – und die legendäre Nudelpfanne gab es auch noch. Alles gut!

Warum wir immer bei euphorisierten Aufsteigern recht früh in der Saison antreten müssen, weiß ich auch nicht, aber Matetas erstes Tor von so vielen, sicherte uns beim Glubb den glaube ich recht unverdienten Punkt. 3 Punkte wert war aber die grandiose Hutbürger-Aktion im Gästeblock! Chapeau! Danach verloren wir zweimal knapp mit eins zu null bei zweimal B-nullvier und S-nullvier. Das Spiel in Gelsenkirchen war der Auftakt zu meiner Spätlese, die ich ab sofort nach jeder mitgemachten Auswärtsfahrt, rein subjektiv formuliert, ins Netz stelle.

Zum dritten Auswärtsspiel in NRW innerhalb weniger Wochen ging es dann nach Gladbach…zur ersten Klatsche der Saison. Anders als im Jahr davor, als ich an diesem Ort des Geschehens meine Meinungsbildung zum Thema Videobeweis abgeschlossen hatte, gab es dieses Mal eigentlich keinen besonderen Aufreger – außer den vier Gegentoren. Mit vier Toren Differenz auswärts zu verlieren, daran konnte ich mich, mit Ausnahme von Anderlecht, irgendwie gar nicht mehr erinnern. Ob es diese überhaupt mal in der ersten Liga gab? Ich habe jetzt nicht bei fsv05.de nachgeschaut, aber spontan fällt mir keine ein.

Dixi-Klo-Show in Augsburg
Dixi-Klo-Show in Augsburg

Und dennoch hatte ich als Fußballlaie immer den Eindruck, dass das System Sandro so viel attraktiver ist, als dieses Ball nach vorne schießen und Jhon bekommt das Ding (selten) oder halt nicht (fast immer). Dementsprechend positiv gestimmt ging es nach Augsburg zur Dixi-Klo-Show des FCA: Die Stadionklos waren verschlossen, da Einzelpersonen in der Vorsaison in den Klos randaliert hatten. So wurde mal wieder das Kollektiv bestraft, in dem man zum Pippi in einer feucht-kalten Oktober-Nacht vor die Tür musste. Dazu noch eine 2:3 Niederlage unter der Woche nach Verlängerung. Es gibt schönere Momente in dieser Saison als die Willkommenskultur des FCA.

Danach verschlug es mich nach Borneo und den FSV zum Sportclub, um mal wieder einen Auswärtssieg einzufahren. Ich zweifelte schon ein wenig daran, ob ich auswärts dem Verein Glück bringe, hatte aber mein Ticket für das Spiel in Düsseldorf schon in der Tasche. Dementsprechend glücklich war ich nach dem Abpfiff im Rheinstadion, dass es auch mit mir in der Liga zu einem Auswärtssieg reichte. Den letzten bekam ich auf den Tag genau 16 Jahre nach meinem ersten Auswärtsspiel bei den Eisernen am 5. Mai 2018 in Dortmund mit, der uns den Klassenerhalt mit Sandro damals gesichert hatte.

Mit dem ältesten Schal nach Leipzig
Mit dem ältesten Schal nach Leipzig

Weiter ging es im Dezember mit der nächsten Klatsche bei den Dosen. Mit dem Besuch des Zentralsstadions hatte ich die Liga wieder komplettiert. Bei den Auftritten in den beiden Saisons davor, hatte es der Fußballgott gut mit mir gemeint und mich „zufällig“ jeweils nach Afrika auf Reisen geschickt. Die Aktion mit den ältesten Schals zu den Dosen zu fahren, war ein schöner subtiler Protest gegen den 7-Mann-Verein. Und dann kam Hoffenheim – für mich die Auswärtsfahrt der Hinrunde. Am 23. Dezember abends auswärts zu fahren ist schon bescheuert. Weil wir aber alle einen an der Waffel ham‘ fuhren sehr viele Mainzer*Innen in den Kraichgau und kreischten ein ums andere Mal ein Last Christmas in das Stadionrund. Dass die Trommler den Takt so halten konnten – davor ziehe ich noch heute den Hut.

Last-Christmas-Kreischen im Kraichgau
Last-Christmas-Kreischen im Kraichgau

Danach war ich mal wieder auf Reisen und der FSV am dreifach punkten in Bad Canstatt und meine Grübelei bezüglich meiner Auswärtsstatistik startete aufs Neue – erst recht als ich wieder live dabei war, als wir im Schneetreiben von Augsburg mit 3 zu 0 vom Platz gefegt wurden. Same shit different day dann zwei Wochen später in Wolfsburg. Wie bei den Fuggerstädtern war eigentlich nach zehn Minuten die Messe gelesen – denn in dieser Saisonphase bedeuteten frühe Gegentore einfach das Ende des Spiels. Wenigstens gab es in Augsburg wieder Zutritt zu den Stadionklos – es sind dann doch die einfachen Dinge im Leben, die man als Auswärtsfahrer*in zu schätzen lernt.

Ob zuhause oder auswärts - tolle Choreos präsentierte die aktive Szene auch in der Saison 2018/19
Ob zuhause oder auswärts – tolle Choreos präsentierte die aktive Szene auch in der Saison 2018/19

Dadurch dass es danach wieder ein 3 zu 0 gab, wir da aber gegen Schalke ein Heimspiel hatten, fuhr ich sehr entspannt zur Hertha zum Fastnachtsspiel. Nachhaltig war es zwar nicht, was die aktiven Fans so machten, aber die Sitze im Gästeblock in den Fastnachtsfarben zu schmücken war einfach ein tolles Zeichen. Der Fassenachtsverein in der preußischen Hauptstadt als Clowns verkleidet kam, nachdem was ich vernommen habe, auch bei den Berliner*innen extrem gut an. Ebenso extrem  gut kam es an, dass sich Stefan Hofmann und weitere Nullfünfer abends gemeinsam mit vielen Exil-Mainzern in einer Nullfünf-Kneipe trafen.

Vierfarbbunter Gästeblock in Berlin
Vierfarbbunter Gästeblock in Berlin

In der Fastenzeit wurde dann zugelangt, zumindest was die gefangenen Tore beim FC Bayern anbetraf. 6 zu 0 hieß es am Ende und da hatte man am Ende auch kaum noch Lust, sich darüber aufzuregen, dass mal wieder der Gästeblock mit Bayern-Fans gefüllt wurde – außerdem lautete auch in dieser Saison das Motto „Schlimmer geht immer“ wenn man die Situation in München mit der in Dortmund ein paar Wochen später vergleichen würde.

Dass Nullfünf auch ohne mich in der Fremde verlieren kann, zeigte sich dann die Woche drauf in Bremen. Ich war irgendwie so ein ganz kleines Stückchen beruhigt…das war aber auch das einzig Positive am Spiel in Bremen. Weiter ging’s nach Dortmund und ich glaube seit der zweiten Halbzeit in Dortmund und dem Slapstik-Spiel in Hannover hatten die Jungs dann wohl genug davon, eigentlich gar nicht so schlecht zu spielen aber immer zu verlieren. Der Saisonendspurt wurde in Dortmund eingeleitet und dieses unsägliche Auffüllen des Gästeblocks mit BVB-Anhängern und auf Konfrontation ausgelegten neutralen Fans wurde um ein Haar noch mit dem Ausgleich belohnt. Bekam man davon in der vorangegangenen Saison eher wenig mit, da wir damals recht schnell führten, eskalierte ein Teil des Gästeblocks nach dem Dortmunder Führungstreffer. Diese Situation ist einfach Mist, gefährlich und letztlich auch noch Wasser auf die Mühlen von Sicherheitsfanatikern, die einen Stadionbesuch als Risiko abtun. Würde der Dortmunder Sicherheitsdienst einfach nur mal das umsetzen, was auf den Eintrittskarten steht (kein Zutritt in BVB-Klamotten), dann würde man den Aufenthalt im Westfalenstadion als Gast auch wesentlich angenehmer empfinden.

"Kein Zutritt in BVB-Fankleidung" - sagt eigentlich alles
„Kein Zutritt in BVB-Fankleidung“ – sagt eigentlich alles

Über das Slapstik-Spiel in Hannover war ja eh schon alles gesagt und das Spiel in Frankfurt hat sicherlich noch jede(r) in guter Erinnerung – im wahrsten Sinne des Wortes. Was von dieser Saison ebenfalls noch bleibt ist die wunderbare Saisonspende, für die vorallem auf Twitter viele Nutzer*innen vor der Saison vordefinierte Szenarien mit einer entsprechenden Spende an Organisationen würdigen wollten. Insgesamt sind durch die Mainzer Twitter-User*innen mindestens 1300 € an Spenden an das Fanhaus, Ente Bagdad, Mainz 05 Hilft e.V., die Neven Subotic-Stiftung, die Jugendarbeit der SpVgg Ingelheim u.v.m. gegangen. Bei mir geht das Geld an die beiden Organisationen in Sierra Leone und Kenia, die ich auch mit meinem zweiten Buch und dem Turnbeutel unterstützen möchte: dafür dass 16 von 34 Nullfünf-Spielen samstags um fünfzehndreißig angepfiffen wurden und es fünf Auswärtssiege zu feiern gab.

Abpfiff des letzten Auswärtsspiels in Frankfurt
Abpfiff des letzten Auswärtsspiels in Frankfurt

Ein großes Dankeschön an Petra für das Buch führen der Nullfünfer-Twitter-User*innen! Auch ein Dankeschön an den Q-Block, der daheim und auswärts mit kreativen Choreos oftmals ein schönes buntes Bild des Blocks abgibt. Hoffentlich haben sich die Töpfe für die Choreo-Spende während des letzten Heimspiels gegen Hoffenheim gut gefüllt, damit wir alle die Kreativität auch in der nächsten Saison bewundern können. Wer jetzt spenden möchte, der kann die Bankverbindung des Q-Block hier einsehen.

Wahrscheinlich starten wir ja in die Bundesligasaison in der Alten Försterei, wo für mich damals vor 17 Jahren alles begann. Bis dahin wünsche ich Euch eine schöne, entspannte Sommerpause!