Du planst auf dem Heidschnuckenweg zwischen Hamburg und Celle zu wandern? Vielleicht möchtest Du diesen beliebten Weitwanderweg sogar mit Gepäck komplett bewältigen? Wir sind den Heidschnuckenweg in mehreren Abschnitten zwischen Ostern 2023 und Ostern 2024 komplett abgewandert. Vielleicht helfen Dir diese fünf Tipps bei der Planung Deines Outdoor-Abenteuers. Es existiert eine hilfreiche Seite zum Heidschnuckenweg. Diese gibt einen ersten guten Einblick, lässt meiner Meinung nach allerdings an manchen Stellen zu Wünschen übrig, was die Nutzung der Seite in der Praxis angeht.
Teilung der vorgeschlagenen Etappen beim Wandern auf dem Heidschnuckenweg
Der Weg ist 223 km lang. Das Wandern auf dem Heidschnuckenweg ist absolut lohnend. Auf der offiziellen Webseite wird er in insgesamt 13 Etappen von Nord (Hamburg-Fischbek) bis Süd (Celle) unterteilt. Die Länge der Etappen variieren deutlich. Zwischen 7 km (Etappe 9) und 27 km (Etappe 13) ist alles dabei. Wer zum ersten Mal einen Weitwanderweg gehen möchte, ist vielleicht noch nicht richtig fit und möchte nicht gleich über 20 km am ersten Tag laufen. Genau das erwartet dich allerdings, wenn du dich strikt an die vorgeschlagenen Etappen hältst. Das kann zu einer echten Herausforderung werden, denn sowohl die Etappe 1 (26 km) als auch Etappe 13 (27 km) sind sehr lang.
Der Grund für diese langen Etappen liegt an der fehlenden Infrastruktur für Weitwandernde. Es gibt zwischendrin keine Gasthöfe. Allerdings lassen sich beide Etappen so erwandern, dass man zwischendrin „abbrechen“ kann und die Tour am Folgetag an der „Abbruchstelle“ fortsetzen kann.
Die Etappe 1 führt von Hamburg-Fischbek in 26 km nach Buchholz. Konkret bedeutet das, dass du diese Etappe in Nenndorf nach 16 km unterbrechen kann. Von der Bushaltestelle „Schulstraße“ fährt ein Bus zum Bahnhof in Klecken. Von dort geht es mit der Bahn entweder nach Buchholz (Etappenende) oder zurück nach Hamburg geht. Am Folgetag kannst du die 10 km von Nenndorf nach Buchholz weiterwandern. So wird aus einem sehr anstrengenden ersten Tag ein guter Einstieg in den Heidschnuckenweg. Wir sind die Etappe 1 komplett gewandert und waren entsprechend fertig nach dem ersten Tag.
Wer in Celle startet, kann es noch ein wenig gemütlicher beginnen. Die Etappe 13 führt von Celle in 27 km nach Dehningshof. Warum Dehningshof auch ein schlecht gewählter Etappenort ist, dazu später mehr. Auch diese Etappe kannst du teilen. Dank des CeBus, der Celle mit Vororten und Nachbargemeinden verbindet, kann du die Tour zum Beispiel hinter Scheuen an der Haltestelle „Reiherberg“ nach ca. 13 km unterbrechen. Du kannst nach Celle zurückfahren und am nächsten Tag die Tour fortsetzen.
In umgekehrter Richtung ist das ebenfalls möglich. Sprich du startest bei Etappe 1 in Buchholz und wanderst 10 km nach Nenndorf. Am letzten Tag auf dem Heidschnuckenweg wanderst du dann 16 km nach Hamburg-Fischbek. Auf der Etappe 13 wanderst du von Dehningshof 14 km nach Scheuen und steigst in den Bus nach Celle. Am Folgetag liegen dann noch 13 km bis zum Ende des Heidschnuckenwegs vor dir. Ob du teilweise mit Tagesgepäck oder dem gesamten Gepäck unterwegs wanderst, bleibt dir natürlich selbst überlassen.
Übrigens ist es nach unserer Auffassung egal, in welcher Richtung den Heidschnuckenweg gehst. also von Hamburg nach Celle oder von Celle nach Hamburg. Warum wir ihn teilweise in umgekehrter Richtung, also von Süd nach Nord gewandert sind, obwohl wir von Hamburg nach Celle unterwegs waren, erfährst du später.
Zusammenlegung von Etappen beim Wandern auf dem Heidschnuckenweg
Wie bereits beschrieben sind die unterschiedlichen Etappenlängen der fehlenden Infrastruktur in Form von Gasthöfen unterwegs geschuldet. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Etappen teilweise zusammenzulegen. Natürlich kannst du mehrere Etappen an einem Tag zurücklegen, wenn du entsprechend fit bist. Es ist aber auch möglich, mit ein wenig Kondition 3 Etappen an zwei Tagen zurückzulegen. Dies bietet sich zum Beispiel hinter Buchholz an. Die Etappe 2 führt in 15 km von Buchholz nach Handeloh. Auf der Etappe 3 geht es von Handeloh in 17 km nach Undeloh. Die Etappe 4 führt von Undeloh in 14 km nach Niederhaverbeck.
Wir sind am zweiten Tag von Buchholz (Beginn Etappe 2) nach Wesel (auf der Etappe 3) gewandert. Nach den 15 km der Etappe 2 haben wir noch 9 km der Etappe 3 absolviert. Am dritten Tag legten wir die 8 km der Etappe 3 und die 14 km der Etappe 4 zurück. In Wesel gibt es einen Gasthof der dazu noch direkt am Heidschnuckenweg liegt und sich somit für eine Unterbrechung eignet.
Die Krux mit der Übernachtung beim Wandern auf dem Heidschnuckenweg
Auf den Etappen 5 (Niederhaverbeck bis Bispingen 17 km) und 6 (Bispingen – Soltau 23 km) sind die Etappen aus unserer Sicht gut geplant und mangels Infrastruktur nicht wirklich anders durchzuführen. Die Etappe 6 lässt sich gegebenenfalls teilen, wenn du im Heidepark Soltau nach 16 km übernachtest und am nächsten Tag die 7 km bis Soltau läuft. Wir sind diese Etappe jedoch durchgewandert.
Dass man in Hamburg, Buchholz oder Celle zweimal übernachtet, um die Etappe 1 bzw. 13 zu teilen, habe ich ja bereits erwähnt. Allerdings ist die Infrastruktur, wahrscheinlich durch die Pandemie, weiter reduziert worden, so dass es teilweise am Etappenende gar keine Übernachtungsmöglichkeiten mehr gibt. Auf der offiziellen Webseite des Heidschnuckenwegs werden immer wieder Übernachtungsmöglichkeiten suggeriert, die sich in der Realität als nicht nutzbar herausstellen. Sei es, weil es sich nicht um klassische Gasthöfe handelt, sondern um Ferienhäuser mit sehr geringen Zimmerangeboten. Sei es, dass drei Tage Mindestübernachtungen gefordert werden, was auf einem Weitwanderweg natürlich komplett an der Realität vorbeigeht.
Dies betrifft zum Beispiel die Etappe 7 von Soltau nach Wietzendorf (18 km). Die Länge der Tour ist ideal, jedoch wird es schwer, am Zielort der Etappe einen Gasthof zu finden. Daher haben wir in Soltau zwei Nächte verbracht. Zur Etappe 10 (Faßberg – Oberroher Heide) schreibe ich weiter unten etwas.
Auch am Ende der Etappe 12 ist es unmöglich, für eine Nacht eine Herberge zu finden. Daher mussten wir in Oldendorf übernachten, was 3 km vom Heidschnuckenweg entfernt liegt. Wer genau aufgepasst hat, weiß, dass die Etappe 13 mit 27 km ohnehin schon lang ist. Schlägt man nun 3 km obendrauf, können diese 30 km sehr lang werden, wenn man nicht in Scheuen die Tour unterbricht und am nächsten Tag die Tour fortsetzt.
Terminierung ist alles
Wie bereits an mehreren Stellen erwähnt, haben wir die öffentlichen Verkehrsmittel mehrmals genutzt, um den Heidschnuckenweg komplett zu absolvieren. Das neu eingeführte Deutschland-Ticket ist natürlich ein Segen, denn es wird überall auf dem Heidschnuckenweg akzeptiert. Wenn du dich entschieden hast, den Heidschnuckenweg zu absolvieren und Öffis als Lösung des Übernachtungsproblems nutzen möchtest, versuche sie so einzusetzen, dass du sie an Werktagen nutzt.
Auf den Etappen 7 (Soltau – Wietzendorf) und 8 (Wietzendorf – Müden) ist dies besonders wichtig. Wenn du in Soltau zwei Nächte verbringst, ist es ratsam, die Etappe 7 von Wietzendorf nach Soltau werktags zu laufen – also gegebenenfalls in umgekehrter Richtung, selbst wenn du eigentlich von Hamburg nach Celle unterwegs bist. Warum? Weil die Öffis hier so selten fahren und es werktags morgens auf jeden Fall eine Verbindung gibt. Nachmittags am Ende der Etappe 7 musst Du gegebenenfalls lange auf einen Bus von Wietzendorf nach Soltau warten. Wir sind sowohl für die Etappe 7 und die Etappe 8 morgens mit dem Bush von Soltau nach Wietzendorf an einem Donnerstag und Freitag gefahren, so dass wir jedes Mal direkt mit dem Wandern beginnen konnten.
Möchtest Du den Heidschnuckenweg nicht komplett laufen und ihn unterbrechen, bietet sich Soltau als Unterbrechung an. Von Hamburg nach Soltau sind es 110 km, von Soltau nach Celle 113 km. Einen besseren Ort zum Unterbrechen gibt es nicht, da von Soltau täglich genügend Züge nach Norden und Süden fahren. Möchtest Du erst in Weesen oder schon vorher in Bispingen unterbrechen, ist es durchaus möglich, dass es keinen Bus am Sonntag gibt, der dich zum nächsten Bahnhof bringt.
Nutzung von Fahrrädern
Vielleicht möchtest du nicht fast zwei Wochen auf dem Heidschnuckenweg wandern? Dann ist die angesprochene Teilung sinnvoll. Beide Teile haben wunderschöne Abschnitte aber auch monotone Strecken, gerade vor und hinter Soltau. Daher können wir nicht sagen, dass der nördliche oder der südliche Teil lohnenswerter ist. Aber 13 Tage sind immer noch eine lange Zeit, auch wenn man die Tour auf mehrere Reisen aufteilt.
Im Bereich der Südheide führt der Heidschnuckenweg alles andere als zielstrebig nach Süden in Richtung Celle. Allerdings sind diese Etappen auch die schönsten des südlichen Teils des Heidschnuckenwegs. Die Etappe 9 führt 7 km von Müden nach Faßberg, die Etappe 10 in 19 km von Faßberg in die Oberroher Heide und die Etappe 11 von der Oberroher Heide in 11 km nach Weesen. In der Oberroher Heide gibt es überhaupt keine Übernachtungsmöglichkeit. Daher gibt es auch eine Variante von Müden, dem Beginn der Etappe 9 nach Weesen dem Ende der Etappe 11. Diese 12 km lassen sich leicht erwandern, es gibt in beiden Orten Gasthöfe, aber man verpasst einen schönen Teil der Heide. Diese Variante führt durch Herrmannsburg, einen vergleichsweise großen Ort mit zahlreichen Gasthöfen.
Wir haben Etappe 8 (Wietzendorf – Müden 14 km) um die Wanderung von Müden nach Herrmansburg um 8 km verlängert. Sowohl in Müden als auch in Herrmannsburg gibt es die Möglichkeit, Fahrräder zu mieten. In einer großen Runde von zirka 41 km lassen sich mit dem Rad die Etappen 9 bis 11 absolvieren. Von Herrmannsburg sind es zu Fuß zirka 4 km nach Weesen. Von dort kannst du die Etappe 12 nach Dehningshof (13 km) starten. Insgesamt wären es 17 km, die du an einem Tag zurückzulegen musst.
Fazit zum Wandern auf dem Heidschnuckenweg
Das Wandern auf dem Heidschnuckenweg ist ein tolle Erfahrung. Von Ostern bis Oktober sollte es nicht zu kühl sein. Die Sommermonate könnten aufgrund der Hitze problematisch sein. Wir sind an Ostern und rund um den 3. Oktober gewandert. Zu beiden Zeiten gab es genügend Zimmerkapazitäten, was vielleicht rund um die Mai-Feiertage schon wieder anders aussehen kann. Dass die Heide an Ostern noch nicht blüht, ist natürlich ein Manko, was uns allerdings nicht so sehr störte. Die Ruhe und Einsamkeit auf diesem Fernwanderweg haben uns sehr zugesagt. An manchen Tagen sind uns nur eine Handvoll Menschen unterwegs begegnet, was wir sehr zu schätzen wussten.
Die Gasthöfe, in denen wir übernachtet haben, können wir allesamt empfehlen. In Niederhaverbeck, Weesen und Oldendorf (Dehningshof) gab es außerhalb des Gasthofs kaum eine kulinarische Alternative. Dadurch ist der Heidschnuckenweg kein günstiges Vergnügen. Es ist zwar immer mal möglich, auch auf einen Campingplatz zu zelten, aber ob das in allen Orten möglich ist, müsstest du entsprechend recherchieren.
Auf der Webseite des Heidschnuckenwegs findest du Informationen zu Trinkwasserstellen und zu Verpflegungsmöglichkeiten auf der Strecke. Bei der optimalen Terminierung solltest du auch bedenken, dass die Supermärkte in Buchholz, Handeloh, Bispingen, Soltau, Herrmannsburg und Celle sonntags und an Feiertagen geschlossen sind und somit nur Tankstellen eine Alternative zu Restaurants sind. In allen Gasthöfen gibt es Angebote für Menschen, die sich vegetarisch ernähren. Meist gab es auch eine vegane Option.
Wir hatten eine tolle Zeit auf dem Heidschnuckenweg. Heidschnucken sind wir auch immer mal wieder begegnet, so zum Beispiel in der Nähe von Wilsede, auf der Oberroher Heide und in der Nähe von Scheuen. Ich hoffe, die Tipps helfen dir bei deiner Planung einer Wanderung auf dem Heidschnuckenweg weiter.
Die schönste Art eine Reise zu beginnen, ist für mich persönlich die, bei der ich mich quasi von der Haustür ab im Reisemodus befinde – ohne Anfahrt zu einem Startpunkt der Reise. Autofahrten zählen da für mich genauso wenig dazu wie Flüge, Bahn- oder Busfahrten. Bisher ist mir das erst einmal gelungen: Meine Weltreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu der ich 2002 aufbrach. Ich startete in einem Mainzer Vorort mit dem Bus, fuhr zum Hauptbahnhof und setzte mich in den Regionalexpress nach Saarbrücken und übernachtete die erste von 365 Nächten im französischen Reims. Aber sonst war es mir bisher nicht gelungen, mich von der Haustür ab auf eine Reise zu begeben – bis zum Sommer 2020.
In diesem ersten Pandemiesommer kamen wir auf die Idee, über die Mainzer Theodor-Heuß-Brücke nach Mainz-Kastel zu radeln und von dort den MainRadweg flussaufwärts entlang zu fahren. Dieser Premiumradweg beginnt quasi direkt vor unserer Haustür und schlängelt sich durch die drei Bundesländer Hessen, Baden-Württemberg und Bayern über mehr als 500 Kilometer quer durch die Mitte Deutschlands. Im ersten Pandemiesommer waren Tests und Impfungen noch unbekannt, die Inzidenzen niedrig und der Glaube groß, das Schlimmste hinter sich gelassen zu haben. So starteten wir auf unsere erste Etappe nach Frankfurt am Main. Damals nahmen wir alle an, dass die AHA-Regeln ausreichten, um sich nicht anzustecken. Mutationen gab es noch nicht und die Übernachtung im Hotel und das Essen in Innenräumen galten als nicht wirklich riskant.
Die Fahrt in Richtung Bankenstadt mal nördlich, mal südlich des Mains war abwechslungsreich und führte quasi immer über Radwege und immer gut markiert in Richtung Osten. Das Rhein-Main-Gebiet über Offenbach bis nach Aschaffenburg mit dem Rad zu durchqueren ist meiner Meinung nach eine Reise, die sich für alle Radelnde aus der Region sehr lohnt. Natürlich hat nicht jede:r die Zeit, sich mehrere Wochen auf den Drahtesel zu setzen. Aber der Abschnitt Mainz – Aschaffenburg lässt sich in zwei Tagen wunderbar bewältigen. Belohnt werden Radelnde mit flachen Wegen durch viel Natur und an recht wenig urbanen Tücken wie Ampeln, Stau, Menschenmengen und motorisierten Verkehrsteilnehmenden vorbei.
Gerade die Uferpromenaden in Frankfurt und Offenbach waren sehr beeindruckend. Danach ging es über Wiesen, Felder und durch Wäldchen direkt am Main entlang bis zum imposanten Schloss Aschaffenburg. Hinter der Stadt wurde das Maintal recht schnell enger und manchmal führte der MainRadweg neben der Bundesstraße auf der Spessart- oder Odenwaldseite entlang. Miltenberg war uns persönlich ein wenig zu überlaufen, unser dritter Übernachtungsstopp Wertheim hat uns hingegen sehr zugesagt. Hier mündet die Tauber in den Main und eine Burg wartet, erklommen zu werden.
Wir radelnden die vielen Mainschleifen nach Norden und Süden und kamen am vierten Tag in Lohr am Main an. Wie in Wertheim war es auch hier nicht so hektisch – das war Ende August 2020 aber auch dem Wetter geschuldet, denn es regnete den ganzen Nachmittag und Abend munter drauf los. Regen auf Fernradtouren in Deutschland ist eigentlich normal. Daher ist es wichtig, sich mit dem richtigen Gepäck aufs Rad zu schwingen. Waren früher auch Taschen aus Segeltuch bei Radlern sehr beliebt, bieten mittlerweile viele Hersteller Taschen aus einer Art „LKW-Plane“ an, die hundertprozentig wasserdicht und sehr robust ist. Allerdings ist das durch die Verwendung von PVC nicht unbedingt die umweltfreundlichste Variante. Aber mittlerweile bieten Hersteller auch PVC-freie Varianten an, die etwas teurer sind.
Am nächsten Tag war das Wetter wieder besser und wir radelten von Lohr über das schöne Gemünden, das zum Glück nicht so überlaufen war, weiter bis nach Würzburg. Die immer häufiger auftauchenden Weinberge erinnerten ein wenig an die Mosel und wir waren in Weinfranken angekommen. Im Nachhinein ist die Strecke von der Mündung bei Mainz bis nach Würzburg für uns eindeutig der schönste Teil des MainRadwegs. Die Route folgte fast permanent dem Fluss und die Blicke in den Odenwald und Spessart zwischen Aschaffenburg und Würzburg waren oft wunderschön.
In Würzburg unterbrachen wir die Tour und fuhren mit dem Zug nach Mainz zurück. Das Schöne an den relativ kurzen Etappen des MainRadwegs ist die Möglichkeit, Arbeit und Freizeit perfekt zu kombinieren. So war es mir möglich morgens zu arbeiten und nachmittags zu radeln. Alle Etappenorte boten 4G/LTE und so war das Arbeiten mit Laptop und Internet problemlos möglich zumal auch die meisten Hotels mittlerweile einigermaßen schnellen WLAN anbieten. Eigentlich wollten wir bereits ein paar Wochen später im Herbst 2020 von Würzburg aus den MainRadweg weiterradeln, doch das Wetter machte unserer Planung einen Strich durch die Rechnung. Der September war zu durchwachsen und der Oktober für uns schon ein wenig zu kühl zum Radeln. Daher vorschoben wir den zweiten Teil auf das Frühjahr 2021.
Allerdings machte uns die Pandemie zunächst einen Strich durch die Rechnung, da touristische Reisen von November 2020 bis in den Mai 2021 untersagt waren. Auch das Sicherheitsempfinden hatte sich geändert. Im Mai 2021 reisten wir daher zunächst durch Modellregionen Schleswig-Holsteins und empfanden es in jenen Regionen als angenehm, in denen wir das Frühstück im eigenen Zimmer zu uns nehmen durften.
Für mehr als 7 Monate waren touristische Übernachtungen verboten, geschäftliches Reisen war allerdings nie untersagt. Und plötzlich Mitte Mai ging alles ganz schnell. Die Hotels durften Tourist:innen wieder empfangen und auch die Innengastronomie durfte wieder öffnen. Es gab zwar Testverpflichtungen bzw. die Nachweispflicht für Geimpfte und Genesene, aber es ist auch klar, dass Tests keine hundertprozentige Sicherheit bieten, da es ja immer ein Zeitfenster gibt, zwischen Testung und Aufenthalt im Innenraum eines Restaurants. Und dass Geimpfte und Genesene das Virus womöglich weitertragen können, ist bisher auch nicht ausgeschlossen. Daher wollten wir die Innengastromie unbedingt meiden, gleichzeitig aber die Radtour fortsetzen.
Daher waren für uns nun ganz andere Kriterien bei der Hotelauswahl entscheidend. War es möglich, draußen zu frühstücken? Dazu schauten wir uns die Bilder der Hotels im Netz an, waren aber manchmal auch nicht wirklich daraus schlau geworden. Leider schreiben Hotels grundsätzlich wenig bis gar nichts dazu, ob sie die Möglichkeit bieten, draußen zu frühstücken.
Wenn wir uns das Verhalten der anderen Reisenden anschauten, die sich einfach an die Regeln hielten, sich aber anscheinend ansonsten keinen Kopf um eine mögliche Ansteckung machten, kamen wir uns schon ein wenig übervorsichtig vor – hielten unserer Verhalten dennoch für angemessen.
Ende Juni 2021 machten wir uns schließlich daran, den zweiten Streckenabschnitt zu absolvieren. Mit den Rädern in der Bahn ging es mit dem Quer-durchs-Land-Ticket nach Würzburg. Hatten wir es im letzten Jahr mit der Bahn noch geschafft, ein oder zwei Tage vor der Rückfahrt eine Radreservierung für einen InterCity von Würzburg nach Mainz vorzunehmen, waren dieses Mal alle Verbindungen bereits Tage zuvor ausgebucht. Das Quer-durchs-Land-Ticket der Bahn ist für zwei Leute mit 49 Euro eine gute Alternative, da man am Reisetag am Wochenede alle Züge des Nahverkehrs nehmen kann und werktags ab 9 Uhr morgens. So waren wir flexibel und brauchten keine Angst vor Zugausfällen oder verpassten Anschlüssen zu haben. Dazu kauften wir noch eine Fahrrad-Karte Deutschland für 6 Euro pro Rad.
Vom Hauptbahnhof in Würzburg aus sind es nur wenige Hundert Meter bis zum Mainufer und zum MainRadweg. An unzähligen Wiesen geht es flussaufwärts aus der Stadt hinaus nach Süden. Mit Ochsenfurt, Marktbreit und Kitzingen warteten die nächsten kleinen Städte mit schönem mittelalterlichen Stadtbild darauf, entdeckt zu werden.
Hinter Kitzingen zieht der Main wieder viele Schleifen, die Berümteste ist die Mainschleife bei Volkach. Diese lässt sich vom Rad auf dem MainRadweg nicht wirklich erkennen. Vor Jahren sind wir hier gewandert und tatsächlich laden viele Orte am MainRadweg zu einem Zwischenstopp ein, um die Region per Pedes zu entdecken. Die ersten Wallfahrtskirchen zeigen, dass wir längst in der weiß-blauen Idylle Bayerns angekommen sind. Gar nicht so idyllisch kommt dann die Industriestadt Schweinfurt daher. Sie bietet allerdings die Möglichkeit, auf einer Maininsel zu übernachten. Die ersten Kilometer hinter Schweinfurt verläuft der MainRadweg paradiesisch anmutend an zahlreichen Picknickplätzen vorbei. Manchmal ist allerdings die Wegführung des MainRadwegs etwas fraglich, insbesondere hinter Haßfurt. Dort führt der Weg nach Zeil am Main auf einem Radweg entlang einer vielbefahrenen Bundesstraße. Vom Main war hier überhaupt nichts zu sehen, obwohl es von Haßfurt einen Radweg zum Main gibt, der weiter nach Sand am Main am Fluss entlangführt. Denn auch von Zeil am Main führt der MainRadweg nach Sand am Main. Später geht es auf Radwegen zwischen den Orten neben einer Straße entlang an weiter flusaufwärts. In den Orten verschwindet der Radweg und Radfahrer werden dauernd daran erinnert, dass hier „rechts vor links“ gilt, während Autofahrer die Ortsumgehung nutzen können. Das war für uns eindeutig der unattraktivste Teil der Tour, schließlich gab es auch kaum nette Einkehrmöglichkeiten am Wegrand, die wir seit Aschaffenburg bis kurz vor Schweinfurt so genossen haben.
Kurz vor Bamberg in Bischberg dreht der MainRadweg nach Norden ab, da Bamberg gar nicht am Main, sondern an der Regnitz liegt. Die Einfahrt in die schöne Stadt versöhnt ein wenig mit den vorherigen Kilometern. Durch viel Grün geht es quasi bis zum Rathaus, das auf eigener Miniinsel im Fluss liegt. Die Stadt entdeckten wir zu Fuß im strömenden Regen. Sie war trotz des schlechten Wetters recht gut besucht. Es ist anzunehmen, dass sie bei schönem Wetter besonders am Wochenende völlig überlaufen ist. Glücklicherweise warteten flussaufwärts weitere kleinere Städte darauf, von uns besucht zu werden. So gelingt es den Fernradfahrenden auf dem MainRadweg immer wieder den Massen zu entkommen.
Am nächsten Tag ging es für uns die 5 Kilometer wieder zurück nach Bischberg und über die Regnitz zurück zum Main, der hier ein Vogelparadies par excellence ist. Wenige Kilometer weiter nördlich sticht schon das Kloster Banz ins Auge, das westlich vom Main auf einem Berg thront. Auf der anderen Flussseite taucht wenig später die Basilika Vierzehnheiligen auf, die nur ein Kilometer vom MainRadweg entfernt bergan liegt. Ein paar Kilometer weiter erreichen wir die Korbstadt Lichtenfels. Anders als das rummelige Bamberg, konnten wir hier in aller Ruhe die kleine Altstadt durchstreifen.
Tags drauf wurde es etwas wilder, da der MainRadweg zum ersten Mal überhaupt mit Steigungen aufwartete. Bisher konnte die Tour eigentlich mit einem Rad ohne Gangschaltung zurückgelegt werden, oder wie in meinem Fall mit einer arg ausgeleierten Kette. Leider sind in Mainz Fahrradwerkstätten dauerausgelastet. Als meine Kette zwei Wochen vor der geplanten Tour anfing, Probleme zu bereiten, war mir klar, dass ich keinen Termin mehr bekommen würde. Ich kürzte die Kette um vier Glieder und konnte so die Tour wenigstens antreten. Zwischen Hochstadt und Burgkunstadt bekam ich allerdings die Quittung. Schon bei einer Umleitung, die anders als alle anderen nicht richtig ausgeschildert war, ging es steil bergauf und ich konnte auf den jeweils größten Ritzeln vorne und hinten nicht mehr hochfahren. So musste ich an diesem Tag mehrmals schieben.
Daher wuchs in mir der Entschluss, spätestens in Kulmbach eine Werkstatt aufzusuchen. Glücklicherweise werden auf der Webseite des MainRadwegs alle Fahrradläden mit Werkstatt aufgelistet. So begab ich mich am nächsten Morgen im strömenden Regen zur Öffnung des Ladens zu besagter Werkstatt. Das Team war extrem hilfsbereit und brachte mein Rad innerhalb von drei Stunden wieder auf Vordermann. Da es ohnehin den ganzen Morgen regnete und auch die Strecke nach Bayreuth mit 35 Kilometern ziemlich kurz war, passte dieser Reparaturstopp ideal.
Die Bierstadt Kulmbach liegt bereits am Weißen Main. Der Main besteht aus zwei Quellflüssen, dem besagten Weißen Main und dem Roten Main. Mit frisch repariertem Drahtesel ging es wenige Kilometer wieder flussabwärts zum Mainzusammenfluss von Weißem und Roten Main. Die Farbgebung liegt an den unterschiedlichen Gesteinszusammensetzungen, die für eine hellere bzw. eine rötlichere Färbung sorgen. Am Zusammenfluss selbst ist davon allerdings wenig zu sehen.
Ist der Main bereits seit Bamberg nicht mehr schiffbar (die Schiffe fahren auf der Regnitz durch Bamberg und dem Main-Donau-Kanal weiter in Richtung Schwarzes Meer), wird er auf dem Weg nach Bayreuth tatsächlich zu einem Bach, der durch die berühmte Festspielstadt fließt. In Bayreuth gönnten wir uns zwei Hotelnächte, was nach den vorangegangenen fünf Nächten in fünf verschiedenen Unterkünften an sich schon eine Wohltat war. Allerdings läuft das Packen für Radreisen auch wesentlich einfacher ab, als für Wanderungen oder sonstige Touren, da die Radtaschen relativ klein und dadurch übersichtlich bleiben.
Ohne Gepäck ging es die letzten Kilometer hinauf zur Rotmainquelle. Der offizielle MainRadweg machte hinter Bayreuth einen riesigen Schlenker vom Main weg. Dafür führte der Pegnitz-Radweg in der Nähe des Mains bis ins Städtchen Creußen, der letzten Ortschaft vor der Quelle. Dort trafen wir wieder auf den MainRadweg, der von der Rotmainquelle kommend hier in dem Ort mit Bahnanschluss endet. Wie in Mainz-Kastel fehlt hier in Creußen ein Übersichtplan, den es unterwegs zu Hauf gibt. Eigentlich schade, wenn man fast zwei Wochen auf einem Premium-Radweg unterwegs war und dieser an einem Bahnhof so einfach endet.
Wir fuhren nun in umgekehrter Richtung den MainRadweg über die Rotmainquelle in Richtung Bayreuth zurück. Ging es zwischen Bayreuth und Creußen auf dem Pegnitz-Radweg schon mächtig berghoch, so wurde der Feldweg in Richtung Quelle richtig steil. Andere Radelnde waren überhaupt nicht zu sehen. War der MainRadweg im letzten Jahr insbesondere durch E-Bike-Radelnde manchmal richtig überlaufen, hatten wir dieses Mal den Weg fast immer für uns alleine. Das galt auch für die unscheinbare Rotmainquelle. Das Wasser läuft aus einem Rohr aus dem Fels und der wichtigste Nebenfluss des Rheins nimmt hier seinen Anfang, eher er gegenüber meiner Heimatstadt in den Rhein mündet.
Die Fahrt auf dem MainRadweg war fast durchweg ein Genuss. Autofahrende waren immer rücksichtsvoll, die Menschen, denen wir begegnet immer hilfsbereit und zuvorkommend. Der Internetauftritt des MainRadwegs ist tatsächlich sehr nützlich, sei es für die Streckenplanung, für die Hotelauswahl mit Bett & Bike Zertifizierung oder die Auflistung der Werkstätten am Wegrand. Es waren 12 wunderbare Tage auf diesem Radweg und eine schöne Möglichkeit, die Reise quasi vor der Haustür zu beginnen und das mitten in der Pandemie mitten in Deutschland.
Corona-Disclaimer:
Folgende aktuellen Erfahrungen haben wir im Sommer 2021 auf dieser Reise gesammelt:
Übernachtungen
Gemäß den lokalen Verordnungen, mussten wir bei jeder Unterkunft einen Antigen-Schnelltest beim Einchecken vorweisen, der frühestens 24 Stunden vorher durchgeführt wurde bzw. einen Genesenen- bzw. Impfnachweis präsentieren. Leider wurde dies nicht bei allen Unterkünften tatsächlich geprüft. Umso mehr achteten wir darauf, dass wir die AHA+L-Regeln einhalten konnten, sprich, wir haben abends ausschließlich draußen gegessen und beim Frühstück darauf geachtet, entweder draußen zu frühstücken oder direkt am offenen Fenster bzw. der offenen Terrassentür. Das hat in fünf von sieben Übernachtungen im Sommer 2021 geklappt. Die zwei Mal, bei denen es nicht geklappt hat, erklärte uns das Hotel, sie hätten keine Konzession für Außengastro. Nach Rückfrage bei der Stadt Mainz ist eine Konzession nur notwendig, wenn auch Alkoholausschank stattfindet. Daher ist diese „Ausrede“ des Hotels also nicht ganz stimmig. Wahr ist allerdings, dass das mit der Stadt abgesprochen werden muss. Ob das überhaupt angefragt wurde, sei dahingestellt. Ich finde es wichtig, Unterkünfte zu sensibilisieren, dass es sehr wohl Gäste gibt, die gerne draußen frühstücken, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren, auch wenn es behördlich genehmigt ist, Innengastro anzubieten. Denn nur weil etwas erlaubt ist, heißt es nicht, dass es auch gesundheitlich unbedenklich ist.
Zugfahrt
Auf der Zugfahrt von Mainz nach Würzburg bzw. von Bayreuth nach Mainz waren die Züge nicht überfüllt. Praktisch alle Fahrgäste haben Maske getragen. Maskenvereigernde wurden vom Personal darauf hingewiesen, eine Maske zu tragen. Um das Infektionsrisiko zu minimieren, saßen wir mit unseren Rädern in der Nähe der Türen. Gegessen und getrunken haben wir nur am Bahnsteig.
In Deutschland endlich einmal irgendwo anders als in den eigenen vier Wänden die Seele baumeln lassen? Das war seit Anfang November ein Ding der Unmöglichkeit und zwar in allen Bundesländern. Doch Mitten in der dritten Welle der Pandemie tat sich plötzlich etwas, zu einem Zeitpunkt, an dem es gerade so schien, als sei das Licht am Ende des Tunnels der Pandemie gerade wieder in weite Ferne gerückt.
Der Föderalismus wurde in unserer Republik in der Pandemie teilweise recht hart kritisiert, etwa wenn zum Beispiel auf der rechten Rheinseite bei höheren Inzidenzen Fitnessstudios öffnen durften und linksrheinisch die Türen für Sportler*innen verschlossen blieben.
Ein zweiter Kritikpunkt, der uns in Deutschland sicherlich zu Recht trifft, ist oftmals der fehlende Pragmatismus. Wir möchten das Leben in geregelte Bahnen bringen. Das funktioniert in „normalen“ Zeiten größtenteils ganz gut, in einer Pandemie ist es allerdings schwerlich möglich, jeder Situation, die teilweise vollkommen neu für alle war, mit klar definierten Regeln zu begegnen.
Wenn allerdings die Chancen, die der Föderalismus den Entscheidungsträger*innen in unserem Land bietet, mit einer Prise Pragmatismus angereichert wird, können Projekte realisiert werden, wie sie das Land Schleswig-Holstein Anfang April angeschoben hat.
Wer die Deutschlandkarte mit den 7-Tage-Inzidenzen in den letzten Monaten genau studiert hat, sah, dass ganz oben immer eine Farbe dominierte, sei es grün, hellgelb oder grau, die im Rest der Karte fehlte. Die Inzidenzen in vielen Landkreisen Schleswig-Holsteins waren schon zu Beginn des Frühjahrs so niedrig, dass sich hier tatsächlich die Möglichkeit bot, der Tourismusbranche einen Weg aufzuzeigen, wie Reisen in der Pandemie für Ungeimpfte möglich sein kann, ohne unvorsichtig oder riskant zu handeln.
So habe ich an einem Freitag Anfang April in einer touristischen Fachzeitschrift das erste Mal von Modellprojekten im Tourismus gelesen, mit denen Schleswig-Holstein der Branche und vielen Urlaubsinteressierten einen Weg aufzeigen wollte, um touristische Reisen wieder möglich zu machen. Für dieses Projekt haben sich viele Landkreise des nördlichsten Bundeslands beworben. Das Land hat schließlich vier Regionen mit unterschiedlichen Sicherheits- und Hygiene-Konzepten ausgewählt.
Bereits ab Mitte April sollten die ersten Regionen an den Start gehen. Der Landkreis Nordfriesland mit seinen wunderschönen Inseln wollte Anfang Mai folgen. So wurde plötzlich mein immer gleiches Wochenende, das seit Frühjahrsbeginn immer samstags mit einer Tageswanderung im erweiterten Umkreis von Mainz etwas aufpoliert wurde, plötzlich um den Faktor „Reiseplanung“ erweitert. Für mich und meine Partnerin war klar, dass wir unbedingt auf eine der Inseln wollten. Das bedeute auch, dass wir unsere Tour erst Anfang Mai starten würden und noch etwas Zeit hatten. Zeit hatte allerdings damit auch die Pandemie, um diese Projekte infolge etwaiger steigender Infektionszahlen wieder zu beenden. Schließlich galt die Regel, dass, falls die Inzidenz über 100 steigen sollte, alles wieder dicht gemacht wird und alle wieder hätten abreisen müssen.
Während ich samstags den Lahnwanderweg erwanderte, begab sich meine Partnerin virtuell auf die Suche nach einer Ferienwohnung auf Amrum. Dorthin wollten wir schon immer – der wilden Natur wegen. Und kurz vor dem Ende meiner Wanderung teilte sie mir ihren Favoriten mit. Da wir nicht wussten, wie hoch die Nachfrage nach Ferienwohnungen war, sendete ich noch auf der Wanderung meine Anfrage ab. Zu dieser Zeit fand sich in den überregionalen Medien allerdings noch gar keine Meldung zu den Modellregionen.
Gleichzeitig wussten wir zu diesem Zeitpunkt gar nicht, ob wir überhaupt nach Schleswig-Holstein einreisen durften. Schließlich gab es im letzten Jahr Bundesländer, die zunächst nur ihren Landeskindern eine Reise erlaubten. Auf den informativen Seiten der schleswig-holsteinischen Landesregierung fand sich ein solcher Passus nicht. Beruhigt hat uns das allerdings auch nicht wirklich, denn die Pandemie hat immer wieder gezeigt, dass man mit Überraschungen zu rechnen hatte.
Dafür meldete sich das vermietende Paar recht schnell bei uns. Wir waren eigentlich davon ausgegangen, dass jede vermietende Person bei diesem Projekt würde mitmachen. Dem war zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht so. Wir hatten aber Glück, denn das Paar zeigte sich über unsere Anfrage erfreut und nahm die Reservierung unter Vorbehalt entgegen – schließlich waren es noch drei Wochen bis zur Anreise und in Deutschland war die dritte Welle gerade am hochschwappen.
Um ehrlich zu sein, hatten wir Mitte April auch nicht wirklich damit gerechnet, dass dieses Projekt wirklich startet. Schließlich hatte auch Ende März die Außengastronomie in Mainz geöffnet – für genau fünf Tage, ehe alles wieder schließen musste und während ich meine Buchung für das Ferienhaus auf Amrum am Koblenzer Hauptbahnhof vornahm und die Bahn wegen Personen im Gleis Verspätung hatte, musste ich mir danach erstmal Gedanken machen, was eigentlich passiert, wenn ich in Mainz arg verspätetet ankommen würde – schließlich galt damals ab 21 Uhr eine Ausgangssperre. Schließlich erreichte ich unsere Wohnung um halb neun Uhr abends.
Wir beobachteten in der Folgezeit jeden Morgen die Inzidenzen in Nordfriesland. Sie verharrten weiterhin auf einem Level, von dem wir in Mainz nur träumen konnten: plus minus 30! Gleichzeitig machten wir uns Gedanken, wie wir in einem Tag von Mainz auf die Insel Amrum gelangen könnten. Mit dem Zug war das theoretisch möglich. Allerdings hatten wir wenig Lust, auf 12 Stunden Zugfahrt mit Maske und der Ungewissheit am Ende einen Anschluss zu verpassen und es nicht am selben Tag auf die Insel zu schaffen.
Gleichzeitig war es unmöglich, die Reise mit dem Auto unterwegs irgendwo zu unterbrechen. Touristische Übernachtungen waren weder in Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachen oder Hamburg Ende April/Anfang Mai erlaubt. Wir mussten es daher auf jeden Fall in einem Tag von Mainz bis nach Schleswig-Holstein schaffen. Glücklicherweise gab es mit den Regionen Büsum, Innere Lübecker Bucht und Schlei/Eckernförde weitere Landesteile, die sich für Tourist*innen öffnen durften – und das bereits ab Mitte April. Diese waren auch nicht von der Bundesnotbremse mit ihren Ausgangssperren betroffen, so dass wir auch zu später Stunde hätten anreisen können – bis 22 Uhr die Landesgrenze Hamburgs hinter uns zu lassen, sollte machbar sein.
Daher wollten wir bereits ein oder zwei Tage vor dem 1. Mai gen Norden fahren und in einer der anderen Regionen übernachten. Wir buchten über eine Buchungsplattform ein Hotel in Büsum – diese Region war von Mainz aus gesehen die nächst gelegene. Das Hotel meldete sich relativ schnell und meinte, sie müssten unsere Reservierung stornieren, da das mit der Modellregion noch nicht sicher sei. Wie sich später herausstellte sollte das Hotel Recht behalten. Aufgrund steigender Fallzahlen öffnete Büsum tatsächlich erst Wochen später.
Der nächste Versuch in der Inneren Lübecker Bucht und die nächste Absage: Das Hotel möchte bis auf Weiteres weiterhin nur Geschäftsreisende beherbergen. In der Tat waren Übernachtungen von Geschäftsreisenden in der Bundesrepublik nie verboten. Dass da das Hotel erstmal abwarten wollte, wie sich die Lage entwickelt war verständlich, zumal auch diese Region tatsächlich erst später als Mitte/Ende April öffnete – ebenfalls wegen steigender Inzidenzen.
Beim dritten Versuch gingen wir nun anders vor. Von Eckernförde hatte ich zuvor schon gehört und konnte es grob an die Ostsee in die Nähe Kiels verorten. Die Region Schlei kannte ich allerdings überhaupt nicht. Dass es sich dabei um einen über vierzig Kilometer langen Ostseefjord handelte und dass es überhaupt einen Fjord in Deutschland gab, war völlig neu für mich. Glücklicherweise bietet diese Regionen eine gute Internetseite an, auf der auch Beherbergungsbetriebe gelistet waren, die an dem Modellprojekt teilnehmen würden. So fanden wir über diese Seite eine Unterkunft und buchten direkt auf der Hotelseite.
Unsere Ferienhausvermieter auf Amrum waren anfangs auch nicht sehr optimistisch, was die Vermietung anbetraf. Trotzdem setzten sie den Vertrag auf, meinten aber, das mit der Zahlung könnten wir noch aufschieben – da ja alles so unsicher sei. Außerdem kannten sie auch noch nicht alle Bedingungen, unter denen sie überhaupt wieder vermieten durften. Wir waren trotzdem froh, überhaupt mal einen Beherbergungsvertrag unterschreiben zu dürfen, denn das Hotel aus der Schlei-Region meldete sich überhaupt nicht – was vielleicht aber auch ein gutes Zeichen war?
Die Inzidenz in Nordfriesland stieg nicht und auch in der Schlei-Region, die Mitte April öffnete, war die erste Woche nach der Öffnung gut verlaufen. Auch die Bedingungen für die Reisenden standen mittlerweile fest. Es musste eine Verpflichtungserklärung zusätzlich zum Beherbergungsvertrag unterschrieben werden. In dieser gaben wir unser OK, dass wir uns vor der Abfahrt einem Corona-Test unterziehen würden, die Kontakt-Nachverfolgungs-App „Luca“ herunterladen würden und in regelmäßigen Abständen weitere Tests in der Region würden vornehmen lassen. In der Schlei-Region und in Eckernförde gab es tausende von Testungen und die Positiv-Rate lag im Promillebereich. Die wenigen positiv Getesteten verteilten sich auf Urlauber und Einheimische, so dass man von einem Einschleppen der Pandemie nicht reden konnte.
Diese Verpflichtung zur Luca-App-Nutzung und zu regelmäßigen Testungen empfanden wir als nicht wirklich aufwendig, störend oder abstoßend. Schließlich befinden wir uns immer noch in einer Pandemie, bei der Reisen spätestens ab dem Spätherbst 2020 verpönt waren.
Gleichzeitig war das Testen seit März in Deutschland allgemein relativ einfach möglich, zumal nur ein Antigenschnelltest gefordert wurde und nicht der aufwendigere PCR-Test. Letzterer gilt allgemein als sichererer, aber auch teurerer. Dieser spielte in den von den Modellregionen entwickelten Sicherheits- und Hygienekonzepten allerdings eine entscheidende Rolle: Würde man positiv getestet, sollte mit Hilfe eines PCR-Tests geklärt werden, ob das Testergebnis tatsächlich korrekt war oder nicht. In der bereits genannten Verpflichtungserklärung war auch klar geregelt, was passiert, wenn wir positiv getestet werden: Entweder Quarantäne im Beherbergungsbetrieb oder sofortige Abreise im PKW. Auch aus diesem Grund war die Idee, diesmal mit dem Auto zu fahren, statt den Zug zu nehmen, die richtige Entscheidung, auch wenn ich persönlich in „normalen“ Zeiten lieber Zug statt Auto fahre und Bahnreisen natürlich nachhaltiger sind.
Ein paar Tage vor der geplanten Abfahrt kontaktierte ich unser Hotel in der Schlei-Region. Dieses meldete sich zurück und sendete eine ähnliche Verpflichtungserklärung wie unsere Vermieter auf Amrum. Diese musste innerhalb von 48 Stunden zurückgeschickt werden – ansonsten wäre der Beherbergungsvertrag gegenstandlos gewesen. Also schnell das Blätterwerk durchgelesen, ausgedruckt, unterschrieben, mit dem Handy abfotografiert und zurückgeschickt. Die Reise sollte jetzt nicht am Papierkram scheitern.
Dann das erste Mal seit Monaten endlich wieder Packen, denn die Reise durfte tatsächlich angetreten werden, da unser Test, den wir in einer Mainzer Apotheke machten, negativ war. Diesen schickten wir, wie vereinbart, an unser Hotel in der Schlei-Region. So ganz konnte ich es allerdings immer noch nicht fassen, dass es endlich losgehen konnte.
Auf der Autobahn nach Norden war tatsächlich relativ wenig Verkehr – schließlich galt ja eigentlich immer noch ein Lockdown und in den meisten Regionen Deutschlands mittlerweile die Bundesnotbremse. Je näher wir der Landesgrenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein kamen, desto mehr fielen uns die vielen Autokennzeichen aus allen Teilen Deutschlands auf – Bayern war eindeutig Spitzenreiter – und Schleswig-Holstein zu diesem Zeitpunkt Ende April das einzige Bundesland, das sich teilweise für Tourist*innen öffnete.
Dann die Ankunft im Hotel: Das letzte Mal, dass wir in einem Hotel in Deutschland übernachteten, datierte auf Anfang September 2020, als wir den Mainradweg von Mainz bis Würzburg radelten. Die FFP2-Maske auf, die Tür geöffnet, die Hände desinfiziert und gespannt gewesen, was jetzt passiert. Schließlich gab es Weltregionen während der Pandemie, in denen Tourist*innen alles andere als mit offenen Armen empfangen wurden – galten sie doch machen als Treiber der Pandemie. Meine Bedenken waren aber unbegründet. Die Dame an der Rezeption, die uns mit Maske hinter der Plexiglasscheibe freundlich begrüßte, überprüfte in ihren Unterlagen, die von uns eingereichten negativen Testergebnisse und die unterschriebenen Verpflichtungserklärungen. Sie händigte uns den Schlüssel aus und erklärte uns das Prozedere fürs Frühstück.
Jede Modellregion in Schleswig-Holstein hatte, genauso wie für Testintervalle, ein eigenes Konzept, das auch wissenschaftlich begleitet wurde. Durch die unterschiedlichen Handhabungen, auch was das Öffnen von Innengastronomie angeht, versprach man sich genügend Daten, um daraus Schlüsse für das ganze (Bundes)Land zu ziehen. In der Schlei-Region war vorgesehen, das Frühstück auf dem Zimmer einzunehmen. Wir empfanden diese Regel als sehr beruhigend. Schließlich wollten wir wieder reisen – aber nicht zu jedem Preis. Wir wollten uns einer zusätzlichen Ansteckungsgefahr durch diese Reise nicht aussetzen. Ob wir nun in einem Supermarkt in Schleswig-Holstein (mit Inzidenz 30) oder in Mainz (mit Inzidenz weit über 100) einkaufen würden, sprach ja sogar eher für Schleswig-Holstein. Aber ein Frühstück gemeinsam mit anderen Gästen in einem geschlossenen Raum wäre uns zu riskant gewesen. Schließlich sind Schnelltests höchstens tagesaktuell einigermaßen sicher. Aber die geforderten Testintervalle für Übernachtungen lagen bei 48 bis 72 Stunden.
Worauf wir uns neben der Übernachtung in einem Hotel auch ewig gefreut haben, war die Möglichkeit, endlich wieder Essen zu gehen. Dabei waren die Voraussetzungen an diesem April-Abend alles andere als einladend: Es war kalt, es regnete, es war windig – und dennoch genossen wir es, mit unseren mitgebrachten Klapprädern am Ostseefjord Schlei ein paar Kilometer zu einem Biergarten zu fahren, der ein großes Zelt aufgestellt hatte, bei dem alle vier Seiten geöffnet waren und es somit als „außen“ galt. Vor dem Betreten des Zelts, setzten wir zum ersten Mal die Luca App ein. Schnell den QR-Code abgescannt und schon waren wir im Biergarten eingecheckt und konnten die Speisekarte durch Scannen eines weiteren Codes auf dem Smartphone in aller Ruhe studieren. Die Luca-App wird von vielen Menschen, die sich mit Datenschutz auseinandersetzen, kritisch betrachtet. Der Landesbeauftragte von Rheinland-Pfalz bezeichnete in der Allgemeinen Zeitung Mainz vom 22. Mai 2021 die „Luca-App besser als Zettelwirtschaft“ und hält die Anwendung aber für nutzbar.
Bereits seit Mitte April hatte die Außengastronomie in Schleswig-Holstein landesweit wieder geöffnet – generell war die Nutzung der Luca-App die einzige Bedingungen, um wieder Essen und Trinken außer Haus auf Mehrweggeschirr zu sich zu nehmen. Tests waren grundsätzlich nicht vorgeschrieben. Die Tische im Zelt standen in weitem Abstand und aufgrund der Wetterbedingungen waren wir fast die einzigen Gäste an diesem Abend. Wir genossen es aber trotzdem, endlich mal wieder auszugehen. Speis und Trank waren zudem sehr lecker – so startete die Reise wirklich wunderbar. Nach dem Verlassen des Biergartens mussten wir uns noch schnell in der Luca App auschecken – dazu wurden wir auch mittels Push-Mitteilung entsprechend bereits nach einer halben Stunde im Biergarten hingewiesen. Den Einsatz der Luca-App empfinden wir weder als störend noch als kompliziert.
Am nächsten Morgen stand das Projekt „Frühstück holen“ an. Maskiert ging es hinunter in den Frühstücksraum. Dort war schon unser Tablett vorbereitet. Am Vorabend konnten wir unsere Sonderwünsche (vegetarische Speisen) nennen und alles war auf dem Tablett wunderbar „eingedeckt“. Käse, Ei, Marmelade und Honig, Brötchen, Besteck und Geschirr. Die Thermoskanne Kaffee bzw. heißes Wasser gab es „obendrauf“. Aufgrund der geräumigen Zimmer mit zwei Stühlen und einem großen Tisch war das Frühstücken traumhaft angenehm. Diesen Test haben das Hotel und das Frühstück bei uns auf jeden Fall bestanden.
Wer diesen Blog schon länger verfolgt, weiß, dass wir gerne zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind. Dazu kaufen wir uns oft Wanderführer, die es mittlerweile für fast jede Region Deutschlands gibt. Allerdings macht es natürlich nicht viel Sinn, für eine Region, in der man nur einen Tag bleibt, einen neuen Wanderführer zu kaufen. So entdeckten wir dank des Ostseefjords Schlei eine neue Art, der Tourenvorbereitung: In der App „Komoot“ hat der Tourismusverband der Region so genannte „Collections“ hinterlegt. Diese können von registrierten Anwender*innen eingesehen werden. Die Wanderroute ist auf einer guten Karte hinterlegt und die Tour kann mit Hilfe des Smartphones abgegangen werden. Eine Wunschregion kann gratis heruntergeladen werden, falls man in Regionen unterwegs ist, bei denen man keine Flatrate oder keinen Mobilfunkempfang hat. Alle Weltregionen gibt es für einmalig ca. 30 Euro zum Download.
So starteten wir zu einer der in den Collections vom Ostseefjord Schlei hinterlegten Touren. Auf dem dreistündigen Rundweg sind wir nur wenigen anderen Wander*innen begegnet. Wir genossen die weite, offene Landschaft und konnten wunderbar abschalten. Corona war plötzlich ganz weit weg.
Für den Freitagabend hatten wir bereits Tage zu zuvor von Mainz aus per WhatsApp einen Platz in einem Restaurant in Schleswig reserviert, da wir davon ausgegangen waren, dass die Außengastronomie in einer solch hübschen Stadt an einem Freitagabend nach so viel Monaten des Lockdowns wohl vollkommen überlastet sein würde – das Gegenteil war der Fall. Viele Plätze blieben auch an diesem Abend leer. Abholung und Lieferservice dominierten auch weiterhin in unserem Restaurant. Die Menschen hatten sich wohl im Lockdown eingerichtet und zögerten noch, wieder Speisen in einem angenehmen Ambiente an der zugegebenermaßen sehr frischen Luft zu genießen.
Am nächsten Morgen, dem 1. Mai, war es nun auch in Nordfriesland soweit. Der Landkreis mit seinen Inseln öffnete sich wieder für Tourist*innen. Wir befürchteten einen Dauerstau auf der Landstraße nach Dagebüll, doch nur wenige Autos mit auswärtigem KfZ-Kennzeichen fuhren in Richtung Fähranleger. Allerdings gab es bereits zwei Wochen vorher für die avisierte Mittagsfähre keinen Autostellplatz mehr. Wir entschieden uns daher, das Auto in Dagebüll zu lassen und vielmehr unsere Klappräder mit rüber nach Amrum zu nehmen. Das war natürlich auch die wesentlich nachhaltigere Variante.
Bevor wir übersetzen wollten, stand der nächste Schnelltest an. Glücklicherweise gab es sowohl am Fähranleger als auch am Parkplatz in Dagebüll Testmöglichkeiten. Ein verpflichtender Test, um die Fähre zu nehmen gab es allerdings nicht. Vielmehr mussten wir uns testen lassen, um in unser Ferienhaus hineinzukommen. Tage zuvor hatten wir uns bereits für die Teststelle am Fähranleger online registriert und die dazu notwendigen Papiere ausgedruckt und ausgefüllt. Am Testzentrum angekommen hatte man allerdings in der Zwischenzeit komplett auf digitale Erfassung umgestellt. Ein QR-Code musste eingescannt werden und danach konnten wir die Daten im Smartphone eintippen und absenden. Ein Bestätigungscode wurde per SMS zurückgeschickt. Nach der Eingabe erhielten wir auf unserem Smartphone einen individuellen QR-Code, den wir zur Testung bereit halten mussten. Anwenderfreundlicher geht es eigentlich nicht. Allerdings hatten einige Menschen, die mit Smartphones nicht so vertraut waren, ihre Probleme. Dafür stand hilfsbereites Personal zur Verfügung, so dass alle Reisenden umgehend an ihren Test kamen, da mehrere Testcontainer geöffnet hatten.
Zum Testen rät sich ein paar Münzen für die Kaffeekasse mitzubringen, denn ich empfand es wirklich als Privileg, endlich wieder reisen zu dürfen. Dass die Modellregionen ihren Test starten konnten liegt auch an den vielen Menschen, die dieses Testsystem innerhalb kürzester Zeit aufgebaut haben. Da darf auch gerne mal ein Trinkgeld gezahlt werden. Das Testergebnis (negativ) wurde rund 15 Minuten später direkt aufs Smartphone geschickt und wenig später ging es dann auch schon auf die Fähre.
Bisher ließen sich auf dieser Reise zusätzliche Kontakte wunderbar vermeiden – vor allem in geschlossenen Räumen. Das sah auf der Fähre ein bisschen anders aus. Unsere Klappräder konnten wir im Freien auf dem Autodeck abstellen. Um allerdings auf das Sonnendeck zu gelangen, mussten wir drei Etagen im Innenbereich der Fähre hinaufsteigen. Natürlich galt hier Maskenpflicht, die auch von allen praktiziert wurde. So war es möglich, den Innenraum innerhalb von ein paar Minuten nach oben hin zu durchqueren.
Trotz Wind und Regen hielten wir uns auf dem offenen Deck auf – was allerdings nur wenige andere Gäste ebenfalls machten. Gleichzeitig war das Bordrestaurant geöffnet. Das war für uns ein Punkt, den wir nicht ganz verstanden. Gegebenenfalls ungetestete Menschen hielten sich für maximal 90 Minuten in einem geschlossenen Raum auf, um ohne Maske Essen und Trinken zu sich zu nehmen. Das war uns persönlich zu riskant.
Natürlich soll es in einer Pandemie Regeln geben. Gleichzeitig sollte aber auch der gesunde Menschenverstand eigentlich für eine gewisse Eigenverantwortung sorgen. Daher blieben wir auf dem Sonnendeck und stiegen bei der Ankunft in Amrum auch erst die Etagen zu den Rädern hinab, als die Innendecks bereits geleert waren. So war es wieder möglich, diesen Bereich innerhalb von einer Minute zu durchqueren.
Mit Sack, Pack und Rad marschierten wir in Wittdün auf Amrum die wenigen hundert Meter zu unserem Ferienhaus. Das Testergebnis hatten wir unseren Vermietern bereits von der Fähre aus per WhatsApp zugeschickt. Auf Amrum war es unsere Pflicht, nun jeden zweiten Tag einen Test zu machen und das Ergebnis wieder an die Vermieter zu übermitteln. Dazu hatten wir bereits Termine in einer Apotheke in Wittdün eine Woche vor der Ankunft reserviert. Innerhalb der letzten Woche vor der Öffnung wurden allerdings weitere Testzentren auf Amrum etabliert, so dass alle drei Gemeinden auf Amrum Gästen kostenlose Testmöglichkeiten anbieten konnten – natürlich auch sonn- und feiertags.
Wie in der gesamten Modellregion Nordfriesland üblich, waren auch auf Amrum die Innenräume der Gastronomie geöffnet. Anders als auf der Fähre musste zum Besuch allerdings ein tagesaktuelles negatives Testergebnis präsentiert werden. Das galt auch für die Außengastronomie und natürlich auch für Insulaner*innen. Auch das Personal wurde täglich getestet. Trotzdem saßen wir in Amrum immer draußen. Uns persönlich war es zu riskant, innen zu speisen.
Doch zunächst mussten wir in Erfahrung bringen, welche Lokale überhaupt geöffnet waren. Der Landkreis Nordfriesland hatte dazu ein „Board“ erstellt, welches er am 28. April auf seiner Facebook-Seite mit einem Post vorgestellt hat. Allerdings ist diese Übersicht bis heute nicht über Smartphones einsehbar. Anhand dieser Liste, die wir auf dem Laptop einsehen konnten, war dann die Wahl der Restaurants möglich. Als Reisende, die auf Fisch und Fleisch verzichten, sind aussagekräftige Speisekarten essenziell. Leider haben das noch nicht alle Gastronom*innen auf dem Schirm. Und leider bieten auch viele Restaurants immer noch nur ein „vegetarisches Quotengericht“ an. Das schränkte die Auswahl der Restaurants bereits ein wenig ein.
Es wurden allerdings auch Faktoren wichtig, die vor der Pandemie nicht so wirklich zählten. Ein Dach über dem Kopf zum Beispiel, sprich eine Außengastronomie, die auch bei Regen genutzt werden kann. Ein Windschutz ist an der Nordsee auch keine schlechte Idee und Personal, das motiviert ist, auf die aktuellen Umstände einzugehen, ist auch nicht verkehrt, zum Beispiel wenn es um die Versorgung mit Decken geht. Schließlich war es die erste Mai-Woche über doch ziemlich frisch auf Amrum.
Auf dieser Insel wurde der anfangs angesprochene Pragmatismus wunderbar gelebt. Zwar mussten tatsächlich immer Termine für den nächsten Schnelltest gebucht werden. Da aber Anfang Mai das Testangebot die Testnachfrage eindeutig überstieg, durften wir auch schon mal eine oder zwei Stunden vor dem eigentlichen Termin die Maske absetzen, damit in unserer Nase ein Abstich vorgenommen werden konnte. So ließen sich die Tests wunderbar in das Tagesprogramm einbauen. Das ist natürlich in der Hochsaison sicherlich nicht möglich – aber so lange es die Kapazitäten zulassen, ist dieser Pragmatismus einfach angenehm.
Wunderschön waren die Tage auf Amrum auch durch die Gründe, die bereits vor der Pandemie für die Beliebtheit dieser Insel sprachen: Die Weite der Landschaft mit ihren unzähligen Dünen, Wäldern, Tümpeln, Teichen und Seen. Oder der breite Kniepsand-Strand, der gefühlt die Hälfte der Insel bedeckt. Die idyllischen Dörfer und das sich ständig verändernde Wattenmeer sowie die vielen gefiederten Bewohner taten ein übriges, dass wir uns hier sehr wohl fühlten.
Es war auf Amrum tatsächlich möglich, abzuschalten. Natürlich galt es morgens beim Bäcker die Maske aufzusetzen, die Luca-App zu nutzen und sich regelmäßig testen zu lassen. Aber das waren alles Kleinigkeiten, die wir gerne für den Aufenthalt auf der Insel in Kauf nahmen.
Auch wenn wir die autofreien Ostfriesischen Inseln wie bspw. Baltrum lieben – haben uns die Autos auf Amrum nicht gestört. Die zahlreichen Wanderwege sind so angelegt, dass wir praktisch nie die Straße queren mussten. Für Radfahrende stehen zwei Nord-Süd-Routen zur Auswahl, bei denen man nur am Anfang und am Ende auf einer Straße entlangradeln muss. Der Verkehr war so gering, dass es tatsächlich ein Miteinander der Teilnehmenden am Verkehr problemlos möglich war.
Nach ein paar Tagen auf Amrum stand für uns fest, dass wir keine sonderlich große Lust hatten, allzu schnell wieder in das von der Bundesnotbremse betroffene Mainz zurückzukehren. Stattdessen entwickelte sich unsere Reise zu einem Road Trip durch Schleswig-Holstein. Nach der Woche Amrum blieben wir noch zwei Tage in Nordfriesland und machten in Husum Station. Dort nahmen wir einen Hotelservice der besonderen Art in Anspruch. Statt geschlossenem Wellness-Bereich stand ein hoteleigener Corona-Test zur Verfügung. Während wir in Mainz und auf Amrum bereits zwei Varianten des Nasenabstrichs kennengelernt hatten (einmal tief in die Nase gefühlt bis ins Hirn und einmal im vorderen Nasebereich), war hier der Spucktest angesagt. Das war in der Theorie natürlich die angenehmste Variante, denn das Nasenkitzeln ist natürlich alles andere als eine tolle Erfahrung. Man möchte die Tester*innen ja auch im schlimmsten Fall nicht noch als Dank für ihre Arbeit annießen (obwohl man natürlich in die Armbeuge nießen soll). Aber für den Spucktest muss erstmal genug Spucke vorhanden sein, diese muss auch zielgerichtet ins Röhrchen gelangen und letzteres soll natürlich beim Verschließen auch nicht überlaufen. Unser Favorit war danach eindeutig der Nasenabstrich im vorderen Teil des Riechorgans.
Eine weitere Neuerung wartete in Husum auf uns. Wir hatten eine Reservierung für ein Restaurant gemacht, in der Annahme, dass nur der Außenbereich geöffnet sei. Schließlich stellte sich heraus, dass wir im Innenbereich Platz nehmen sollten. Das war uns, wie bereits erwähnt, zu riskant und wir hatten daher bereits eine Stunde vorher angefragt, ob wir auch in einem Strandkorb draußen Platz nehmen dürften. Das wurde vorab bejaht, später bei unserem Erscheinen dann vom Chef verneint. Pragmatismus ist nicht jedem in die Wiege gelegt und wir waren froh, nach ein paar Minuten Suche auch am Samstagabend noch ein Pub gefunden zu haben, das uns draußen einen trockenen Platz ohne Reservierung anbieten konnte.
Am nächsten Morgen die nächste Überraschung. Es sollte Frühstückbüffet geben. Das Besorgen von Essen mit Maske störte uns wenig, aber auch hier hatten wir ein mulmiges Gefühl, da ja im Frühstücksraum mehrere Menschen gemeinsam ohne Maske gegessen hätten. Und wir alle hätten dort mit Tests sitzen können, die weitaus älter als 24 Stunden waren, während vor der Hoteltür 24 Stunden am Tag Maskenpflicht galt. Auch hier siegte am Ende der Pragmatismus des Hotelpersonals. Wir fanden eine Lösung, die dem Personal nicht zu viel Aufwand bereitete und uns das Gefühl der relativen Sicherheit gab.
Da wir uns am Ostseefjord Schlei mit seinem Sicherheit- und Hygienekonzept so wohl gefühlt hatten, verbrachten wir noch ein paar erholsame Tage an der Schlei-Mündung in der Nähe von Kappeln. Es war in der Zwischenzeit gar nicht mehr so einfach, eine Herberge zu finden, da fast alles ausgebucht war. Glücklicherweise waren wohl immer mehr Übernachtungsbetriebe davon überzeugt, dass es was wird mit dem Modellprojekt. Und so kamen wir in einem Gasthof unter, der tatsächlich erst drei Wochen nach dem Start des Projekts in der zweiten Mai-Woche öffnete und dadurch noch kurzfristig ein Zimmer für uns hatte. Auch hier gab es wieder das Frühstück auf dem Zimmer, das wir uns zuvor an einem Büffet mit Bedienung zusammenstellen konnten. So konnten wir mit gutem Gefühl jeden Morgen den Tag gut gestärkt beginnen, ehe es dann doch wieder irgendwann zurück nach Mainz gehen musste…in einen Landkreis mit geschlossener Gastronomie und Ausgangssperre um mittlerweile 22 Uhr für Ungeimpfte wie wir es sind.
Fazit: Jeder Mensch hat ein anderes Sicherheitsempfinden. Die wenigen Situationen, in denen wir uns unwohl gefühlt haben, konnten wir entweder mit Hilfe von Pragmatismus durch das Hotelpersonal lösen oder durch optimiertes „Zeitmanagement“ auf der Fähre, in dem wir allen anderen den Vorrang beim Aussteigen ließen. So war es für uns persönlich möglich, eine wunderbare Reise durch Schleswig-Holstein zu verbringen. Dass Mobilität gleichzusetzen ist, mit erhöhter Gefahr, sich und andere anzustecken, wenn man praktisch nur an der frischen Luft unterwegs ist und die ansonsten die AHA-Regeln einhält, gilt mittlerweile ja auch als wiederlegt.
Wir wurden zehnmal getestet – zehnmal negativ. Wir empfanden es als ein Privileg, die erste Maihälfte zu reisen – ungeimpft aber trotzdem mit einem guten Gefühl der Sicherheit – den Testmöglichkeiten und dem zumeist gelebten Pragmatismus der sehr offenen und freundlichen Menschen Schleswig-Holsteins sei Dank.
Transparenz: Alle Kosten für Transport, Essen, Trinken und Übernachtung wurden selbst bezahlt. Die Komoot-App nutze ich in der Gratis-Version. Die Werbung für die Komoot- und Luca-App erfolgt unbeauftragt und unbezahlt.