Ich hoffe, Ihr habt die letzten Ostereier endlich gefunden und genießt die ersten Sonnenstrahlen im langsam erblühenden Deutschland. Mir war dieses Wetter allerdings viel zu trocken und angenehm, deshalb habe ich mal wieder die Flucht nach Süden ergriffen. Doch statt angenehmen Sonnenstrahlen erblickte ich graue Wolken und heftigen Platzregen! La Guyane vous souhaite la bienvenue!!! Endlich kann ich mir vorstellen, dass in Cayenne echt ätzendes Klima herrscht: 30 Grad und 100% Luftfeuchtigkeit, so dass man ständig gegen eine Mauer aus warmer Feuchtigkeit läuft. Diese klimatischen Bedingungen haben aber zweierlei Vorteil: Null Touris und viel tropischer Regenwald mit den hübschesten Blumen und Hiking Trails, die man ganz alleine entdecken kann. Das Fehlen der Touris macht es allerdings verdammt schwer, hier irgendwie zu rechtzukommen. Keine Hotels, keine Busse, keine Internetcafes, und irgendwie ist man für die wirklich freundlichen Einheimischen die totale Attraktion, wenn man mit dem Rucksack durch die Strassen von Cayenne dackelt. Allerdings wird man hier dadurch auch nicht abgezockt, wie in bekannten Touristenregionen. Die Taxifahrer runden z. B. großzügig die Tarife nach unten ab. Fragt man einen Einheimischen nach einem Hotel, guckt dieser Hilfe suchend um sich, und fährt Dich mit dem Pick up solange durch den Regen, bis man doch was gefunden hat. Kourou ist wirklich ein space-iges Riesendorf, denn bevor hier Raketen abgeschossen wurden, schoss hier höchstens mal einer eine Dose Heineken auf Ex herunter. Das alte Kourou besteht lediglich aus ein paar Hütten. In den 1960er Jahren wurden dann Plattenbauten hochgezogen, um für die Arbeiter Unterkünfte bereitzustellen. Das ganze erinnert ein bisschen an einen tropischen Mainzer Lerchenberg. Die neueren Neubaugebiete sind wesentlich attraktiver und wegen der anscheinend hohen Kaufkraft gibt es hier auch Plattenbauboutiquen der nobelsten Haute Couture, wie in Paris. Das Centre Spatial Guyanais (CSG) wie der Weltraumbahnhof offiziell heißt, wurde in Kourou aufgebaut, da er optimal gelegen ist: Die Nähe zum Äquator ist dabei besonders wichtig um die optimal Schubkraft zu erreichen. Das Kennedy Space Centre z. B., in Florida gelgen, hat durch die nördlichere Lage rund 20% an Einbußen bei der Schubkraft. Dadurch kann weniger Nutzlast bei einem Abschuss mitgenommen werden. Außerdem kann bei dem Abschuss glücklicherweise nicht viel schief gehen, da alle Abschüsse einer Route um den Äquator nach Osten folgen und da lediglich Meer ist. (Ganz Guyana, das so groß ist wie Portugal, hat weniger Einwohner als Mainz). Zur Zeit werden zwei verschiedene Raketen hier abgefeuert: Ariane 4 und Ariane 5. Bei Ariane 5 ist die Abschussrampe fast nicht mehr existent, um bei einer Explosion der Rakete, wie 1996 bereits geschehen (teuerstes Feuerwerk der Welt), nicht 3 Jahre abwarten zu müssen, um eine neue Abschussrampe fertig gestellt zu haben. Diese Raketen werden erst hier in Kourou zusammen gebaut. A propos Euro! Hier ist man natürlich total Stolz, dass auf den Euroscheinen Französisch. Guyana als Teil der Eurozone auf dem Schein abgebildet ist (Rückseite des Scheins neben dem Omega. Die anderen Tupfer sind Guadeloupe, Martinique und Reunion). Es ist schon ein komisches Gefühl, die Leute hier im tiefsten Dschungel mit Euroscheinen bewaffnet auf Einkaufstour gehen zu sehen. Übrigens wir hier alles noch in Französischen Francs kalkuliert und dann lediglich in Euro umgerechnet. Dann kommt es allerdings auch zu keinen versteckten Preiserhöhungen wie wohl in Deutschlands Kneipen geschehen… Den Menschen in Französisch Guyana scheint es im Durchschnitt doch relativ gut zu gehen. Es gibt kaum Papphütten und Bettler. Da macht die Hilfe der EU doch Sinn: Viele Projekte sind direkt aus Brüssel gesponsert. Außerdem haben sich schon einige Wohlstandsgewohnheiten hier eingeschlichen, die ich aus anderen tropischen Regionen überhaupt nicht gewohnt bin: Autowaschen zum Beispiel wird mit äußerster Passion von Freitag mittags bis Sonntag abends betrieben. Dafür muss an anderen Ecken gespart werden, indem anscheinend alle Sammeltaxis nur einen Scheibenwischer für den Fahrer haben. Der andere Scheibenwischer wurde aus Kostengründen abgeschafft… Die historischen Bauwerke haben mehr oder weniger alle mit dem Status als Gefangenenlager der Franzosen bis ca. 1950 zu tun. Dreyfus und Papillon waren die bekanntesten Gefangenen in dieser klimatischen Hölle, nachdem sie nach einer 20-tägigen „Kreuzfahrt“ aus dem Mutterland hierher kamen. Die Gefängnisse, die noch sehr gut erhalten sind, vermitteln einen realistischen Eindruck, unter welchen Umständen hier gelebt werden musste. Die meisten der Gefangenen sind dementsprechend auch nicht mehr lebend von hier weggekommen. Heute werden die Bauwerke von Totenkopfäffchen und murmeltierartigen Viechern bewohnt und erinnern eher an einen Zoo als an ein Gefängnis. Ich konnte Französisch Guyana ohne Probleme als freier Mensch anders als Dreyfus heute über den Maroni Fluss, der sicherlich dreimal so breit ist wie der Rhein, in Richtung Surinam verlassen, von wo Euch diese Mail erreicht. War in Franzöisch Guyana noch alles frankophon ausgerichtet, fühle ich mich nun eher wie in Holland, obwohl es schon etwas strange ist, Afroamerikaner und Indonesier, die hier die Hautfarbenpalette dominieren, Holländisch reden zu hören. Das coole aber ist, dass viele Surinamesen mein Deutsch eher verstehen als Englisch, da sie in der Schule Deutsch gelernt haben. In Surinam gibt es ebenfalls überhaupt keine Touris und dementsprechend ätzend ist es hier überhaupt etwas touristisches anzustellen. Mal gespannt, ob ich das auf die Reihe kriege. Ich wünsche Euch viel Spaß beim ersten Bier im Biergarten, in den ich mich jetzt auch mit einem kühlen Parbo Bier zurückziehen werde. |