Nein, nein ich bin nicht an der Meenzer Fassenacht in eine Flasche Madeira geplumpst, und gebe erst jetzt wieder ein Lebenszeichen von mir. Da aber diese fünf Tage in meiner geliebten Heimat doch äußerst anstrengend waren, und zudem mein Studium nun hoffentlich der Vergangenheit angehört, musste es jetzt endlich wieder rausgehen, aus dem allseits geliebten deutschen Nebelregensturmwetter, auf eine kleine Insel im Atlantik, die dem berühmten Wein seinen Namen gab.
Da das närrische Treiben natürlich auch meine grauen Zellen arg in Mitleidenschaft gezogen hat, war ich natürlich dankbar, an diesem Fleckchen Erde, rund 700 km südwestlich von Portugal gelegen, mit unserer neuen Währung zahlen zu dürfen, und damit jegliche Umrechnungsanstrengungen meinen Denkapparat zu ersparen. Die portugiesischen Euromünzen haben übrigens alle das selbe Motiv aus nicht näher identifizierbaren Zeichen.
Beim Anflug auf diese, aus einem Unterwasservulkan entstandenen Insel, wird sofort klar, dass Ebenen hier ein Fremdwort sind. Dementsprechend ist der Flughafen auf Stelzen ins Meer gebaut worden, und die Berghänge sind mit Scheinwerfen und Blitzlichtern ausgestattet: Ein kleines Abweichen von der unmittelbar vor der Landung zu fliegenden Kurve hätte fatale Folgen. Da die Startbahn etwa halb so kurz ist, wie die in Frankfurt muss sofort nach „Touch Down“ die Schüssel eine Vollbremsung hinlegen, um nicht auf direkten Wege in die Brandung oder auf den schwarzen Lava-Strand zu rutschen. Das Anlegen von Sicherheitsgurten ist bei dieser Art von Landung ein äußerst nützlicher Ratschlag.
Die Hauptstadt Funchal (von portugiesisch Wort für Fenchel) erinnert wegen der fehlenden Ebenen stark an ein riesiges Amphitheater, das von der Meereshöhe bis auf ca. 1.200 m empor ragt. Die anderen Dörfer der Insel sind wie mit Pattex irgendwie in die steilen Hängen geklebt. Jedes Dorf ist durch eine Straße mit der Außenwelt verbunden. Dadurch erinnern die Straßen, die sich kreuz und quer durch die Hänge mit Haarnadelkurven und nicht enden wollenden Serpentinen an Buchten und Schluchten entlang schlängeln, an einen Haufen Spaghetti.
Die höchsten Berge dieser sogenannten Blumeninsel erreichen rund 1.800 m, aber die Gipfel liegen praktisch die ganze Zeit unter einer dichten Wolkendecke. Trotz der relativ südlichen Lage (selber Breitengrad wie Ägypten oder Marokko), wird es hier nie wärmer als 25°C, und mit Regen hauptsächlich auf der Nordwestseite ist ständig zu rechnen.
Dadurch sticht die Farbe grün überall hervor: Oben in den Bergen existiert ein Nebelwald, in dem die Bäume mit Flechten überzogen sind. Weiter unten blühen das ganze Jahr über Blumen auf Wiesen, die man hier nur als Einzelexemplare für ein paar Euro beim Floristen bekommt (Callas, Strelizien, Orchideen etc.). Aber auch Früchte, die selbst ich noch nie vorher gesehen habe (Englische Tomate, Chirimoya etc.), gedeihen das ganze Jahr. Allerdings muss man als Landwirt auf Madeira doch relativ schwindelfrei sein. Die Äcker sind zwar alle in Terrassenform angelegt, doch meist im Steigungswinkel von mindestens 45°! Seil und Gurt wären sicherlich beim Bestellen mancher Äcker echt angebracht.
Obwohl die Insel nur 57 km lang ist, herrscht in den verschiedenen Teilen jeweils ein anderes Mikroklima. Im Nordwesten regnet es täglich, während hinter den Bergen im Süden es oft trocken ist. Da die Hauptorte mit den Feldern im Süden liegen, bauten die Bewohner Madeiras vor hunderten von Jahren sog. Levadas. Das sind Bewässerungskanäle, die um die ganze Insel herum angelegt wurden, um das Wasser aus dem Quellen- und Wasserfallreichen Nordwesten, in den trockenen Südosten zu leiten. Noch heute werden die Levadas von sog. Levadores von Gestrüpp gereinigt und repariert. Dazu wurde neben der eigentlichen Levada ein kleiner Trampelpfad angelegt, der für den Traveller aus Deutschland natürlich als perfekter Wanderweg umfunktioniert wird. An den Levadas lässt sich wunderbar und ohne große Mühe stundenlang auf gleicher Höhe um die Insel herumwandern, Schwindelfreiheit vorausgesetzt.
Oft kommt man hier zu Fuß eh schneller voran als mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Denn die Busse keuchen bergauf bergab von Dorf zu Dorf und erreichen Höchstgeschwindigkeiten von 30km/h. Dazu existieren alle 200 m Haltestellen und zwischendrin wird man natürlich auch aufgegabelt. Für die 60 km Fahrt in den äußersten Westen der Insel brauchte das alte Ungetüm dreieinhalb Stunden – von Frankfurt nach Lissabon brauchte die gute Lufthansa 2 Stunden und 40 Minuten. Aber das Bus fahren hat den Vorteil, dass man mal kurz Aussteigen kann, um ein Schwätzchen zu halten: Viele der Dörfer sind nur durch Stichstraßen zu erreichen. Dadurch zuckelt der Bus erstmal durch das ganze Kaff nach oben (oder unten), um dann am Straßen-Ende Wenden in 30 Zügen zu üben, ehe es dann in umgekehrter Richtung wieder zurück zur Hauptstraße geht. Die geschwätzigen Passagiere steigen einfach an der Hauptstraße vorher aus, halten ihren Plausch und nachdem die Neuigkeiten ausgetauscht wurden, steigen sie wieder in den Bus ein, um im nächsten Dorf diesen Vorgang zu wiederholen.
Leider heißt es nun auch für mich: Adeus Madeira – Willkommen Mainz und der Alltag hat mich bald wieder. Doch die nächste Reise steht hoffentlich schon bald wieder vor der Tür!