Leider kann ich von meiner jüngsten Tour, die ich mit meinem Freund Hanni unternahm, erst im Nachhinein berichten, da es glücklicherweise noch Flecken auf unserem Planeten gibt, an denen es kein Internet etc. gibt. Dieses Mal hat es uns auf die „Isle de beauté“ verschlagen, besser bekannt unter dem Namen Korsika. Dass Korsika diesen Beinamen zu Recht verdient, versuche ich Euch kurz zu beschreiben.
Die Insel, die grob zwischen Nizza und Sardinien liegt, ist die geographisch diversifizierteste Insel des Mittelmeers (Schwemmland an der Ostküste, Hochgebirge im Zentrum, 1.000 km Küstenlinie mit Buchten und Stränden, Wüste im Nordwesten). Von Nord nach Süd teilt ein Höhenrücken die Insel in zwei Teile „Pumonte“ (das Land diesseits der Berge) und „Cismonte“ (das Land jenseits der Berge). An diesen Begriffen merkt man schon, dass die korsische Sprache mit dem Französischen nichts gemein hat. Überhaupt haben die Korsen mit dem französichen „Kontinent“, wie sie sagen, nicht viel am Hut. Ähnlich wie im Baskenland gibt es eine Separatistenbewegung, die glücklicherweise nicht ganz so brutal ihre Ziele verfolgt wie die ETA in Spanien. Erreicht haben die Aktivisten des sog. FLNC allerdings, dass Korsisch als Amtssprache anerkannt wird. Die Ortsschilder sind nun theoretisch überall zweisprachig. In der Realität ist aber der französische Name übersprayt. Während unseres Aufenthalts haben wir auch keine „Trikolore“ Fahne wehen sehen.Trotz dieser etwas beunruhigenden Situation, haben wir uns auf Korsika nie bedroht gefühlt, auch nicht wenn wir auf französisch mit den Einheimischen kommuniziert haben. Manchmal ist der deutsche Akzent anscheinend doch hilfreich.
Angekommen sind wir in Ajaccio (korsisch Aiacciu) dem Geburtsort Napoleons! Mit einer Bimmelbahn, die sicherlich 2 Generationen vor dem TGV in Betrieb genommen wurde, ging es dann 900 m nach „oben“ über Brücken und durch Tunnels in die korsischen Berge. Das Zugticket wurde natürlich nicht von der SNCF sondern von den „Chemin de Fer de Corse“ ausgestellt. Ziel der Fahrt war der Weiler Vizzavona, das eigentlich nur aus der Bahnstation besteht.
Von Vizzavona ging es mit voll gepackten Rucksäcken (insgesamt 17kg Essen!) auf den sogenannten „GR20 Sud“. Dieser Fernwanderweg war von nun an unsere „Heimat“ für die nächsten 6 Tage außerhalb jeglicher Zivilisation. Zwei Merkmale prägen den GR20: Entweder geht es auf äußerst steinigen Terrain steil bergauf oder bergab, denn die meiste Zeit verläuft der Weg auf dem Grat der höchsten Berge Korsikas entlang. Zunächst führte der Pfad noch durch Laubwälder, die an diesen wunderschönen sonnigen Herbsttagen natürlich traumhaft aussahen. Nachdem wir die Baumgrenze bei etwa 1.750 m erreicht hatten, kämpften wir uns die meiste Zeit durch Geröll bergauf und bergab. Die Blicke von den Bergen waren wirklich beeindruckend, da ich bisher meist in den Alpen mit dem Rucksack unterwegs war. Dort sieht man von den Bergen halt auf andere Berge herauf bzw. herab. Auf dem GR20 kann man meist das Meer irgendwo am Horizont erkennen und rund 2.000 m in die Tiefe schauen. Oft sahen wir auf einen Blick im Osten das Thyrenische Meer mit den Inseln Elba und Monte Christo und im Westen das Mittelmeer. Dank des PNRC (Parc Naturel Régional de la Corse) stehen im Abstand einer Tagesetappe immer wieder urgemütliche Hütten in der Landschaft herum, die im Oktober zwar nicht mehr bewirtschaftet sind, aber für Wanderer zur Selbstversorgung offen gelassen werden. Hier, außerhalb der Zivilisation, hat man „endlich“ mal wieder mit wirklich wichtigen Alltagsproblemen zu kämpfen: Feuerholz organisieren ohne Axt und Säge, Feuermachen im Ofen, da die Gasflaschen in der Hütte schon leer waren, Wasserkalkulation bei versiegenden Quellen: 1 Tropfen pro Sekunde kommt aus der Quelle, wobei 10 Tropfen einen Milliliter ergeben; wann ist der 2 Liter fassende Topf voll?.
Den wenigen Menschen, denen wir in den 6 Tour-Tagen begegnet sind, waren angenehme Zeitgenossen, die uns zum Pastis-Trinken einluden (Anisschnaps), doch glaubt es oder auch nicht, wir blieben auf der Tour trocken, wie die vielen Quellen, die sich im Dauerstreik befanden und kein Wasser mehr ausspuckten! Der akute Wassermangel war letztendlich auch das einzige Problem auf der gesamten Tour. Chefkoch Hanni hatte kulinarische Experimente der besonderen Art auf Lager: Das 99 Pfennig. Aldi Vollkornbrot hält sich aus Erfahrung nur ein bis zwei Tage, ehe es in den totalen Zerkrümelungszustand übergeht. Deshalb backte Hanni jeden Abend leckeres Vollkorn-Kümmel-Speck-Zwiebel- Knoblauch-Fladenbrot für den folgenden Tag. Selbst die Baguette verwöhnten Korsen und Franzosen waren von dieser Qualität begeistert, so dass sie uns zum oben erwähnten Pastis einluden.
Was den Alk anbetrifft, haben wir natürlich am Tourende dann den guten korsischen Wein probiert, der hier übrigens in Fässern aus Kastanienholz reift. Von den Schafen, die ähnlich wie auf den Färöer-Inseln das Landschaftsbild normalerweise prägen, war nichts mehr zu sehen, denn den Winter über weiden die Schafe in den Niederungen der Insel, da es im Hochgebirge bitterkalt werden kann. Anhand der Skilifte, die wir sahen, gibt es anscheinend auf Korsika sogar genug Schnee, um Wintersport zu betreiben. Allerdings bekamen wir andere Bewohner Korsikas zu sehen: Wildschweine gibt es zu Hauff, obwohl auch ein „Asterix auf Korsika“ existiert, Salamander, eine Gottesanbeterin, sowie zahllose Eidechsen säumten unseren Weg.
Am Ende der Tour im Bavella Gebiet erreichten wir den landschaftlichen Höhepunkt der Tour: Granitfelsen, ähnlich denen in den Dolomiten, prägten zunehmend die Landschaft. Da die Vegetation immer mehr zurückging, gleichzeitig der Fels rötlich schimmerte, kamen wir uns wie in Arizona beim Marlboro Cowboy vor. Dann ging es über einen Pass und schon befanden wir uns im Nebelwald des Kilimandscharo: Durch den aufkommenden Herbstnebel kamen wir uns im dichten Pinienwald wirklich vor, wie bei den „Gorillas im Nebel“. Am Ende der Tour erreichten wir endlich ein typisches korsisches Dorf, nachdem wir viele Dörfer von „oben“ betrachten konnten, jedoch nie in eines gelangten, da der GR20 ja meist auf dem Höhenrücken entlangführte.
Die meisten dieser Dörfer liegen wie Vogelnester auf den vorgelagerten Hügeln. In den Dörfern kann man noch für ein paar Francs seinen Pastis mit Wasser schlürfen und dem Leben auf der Straße nachschauen. Stress scheint es hier wirklich nicht zu geben. Wenn Ihr also mal Lust auf einen unstressigen Trip mit wunderschöner Natur, gutem Essen und Trinken habt, fahrt auf die „Isle de beauté“!!!