Hier mal meine Meinung zu einem Spiegel Online (SPON)-Artikel bezüglich Fußball-Fans und die angeblich falschen Schlüsse, die wir aus der 4. Meisterschaft der Bayern in Folge ziehen und der Artikel, auf den ich mich beziehe: http://www.spiegel.de/…/mats-hummels-zum-fc-bayern-der-anfa…
Ich lese SPON sehr gerne und auch die Berichterstattung über die Bundesliga ist meiner Meinung nach ausgewogen. Gerade die in dieser Saison eingeführte „Elf des Tages“ anhand fundierter Kriterien ist für mich als Fußball-Interessierter und Fußballfan ein wirklicher Gewinn.
Um so irritierender war für mich vor ein paar Tagen der Kommentar eines SPON-Redakteurs zum Thema Mats Hummels und die angeblich falschen Schlüsse, die wir Fußballfans aus diesem möglichen Transfer in der Sommerpause ziehen, vorallem in Bezug auf die 50+1 Regel.
Ein Wechsel von Mats Hummels vom BVB zum FCB interessiert den gemeinen Fußballfan außerhalb von Dortmund und München wohl so viel, wie wenn der berühmte Sack Reis in China umfällt.
Denn den Fan an sich gibt es ja ohnehin nicht. Ein Ultra, der seinem Verein 365 Tage im Jahr hinterher reist und ein Zuschauer, der abends den Fernseher anschaltet oder samstags die Sportschau guckt, eint vielleicht, dass man sich 90 Minuten dasselbe Spiel anschaut, aber sonst? Nein, es geht nicht um die Besser-Fan-Diskussion, sondern darum, dass es auch innerhalb der Fußballinteressierten verschiedene Gruppen gibt und man vielleicht nicht jede dieser Gruppen als „Fan“ bezeichnen kann. Denn welcher „Fan“ kann schon die folgenden Thesen unterschreiben, die der Redakteur aufstellte?
„Die Bundesliga sei dabei, den Wettbewerb abzuschaffen.“
Wen interessierte gestern Mittag als Fan vor dem 33. Spieltag, wenn er nicht zum BVB oder zum FCB hält, wer Deutscher Meister wird, wenn er mit dem VfB, der SGE, Werder, den Lilien oder auch Mainz 05 sympathisiert? Man ist als Fan auf seinen Verein fokussiert und wieviel geiler ist es eigentlich im Stadion der Bayern am Ende einen Auswärtssieg gegen die „Über-Bayern“ zu feiern, als gegen einen FCB auf Augenhöhe?
„Die 50+1 Regel schützt den FC Bayern vor echter Konkurrenz.“
Ob unser Verein von einem Scheich als Sandkastenspielzeug betrachtet wird oder wir als Vereinsmitglieder zumindest bei den eingetragenen Erstligavereinen in Stuttgart, auf Schalke, in Darmstadt und Mainz ein Mitspracherecht haben, ist für viele Fans Basis dafür, sich mit einem Verein zu identifizieren. Dass die Bayern finanziell den anderen Vereinen überlegen sind, stimmt, aber dafür Investoren, die auf Gewinnmaximierung aus sind, und denen der Fußball an sich am Bobbes vorbei geht, ins Boot zu holen, ist nicht unbedingt das, was sich Fans wirklich wünschen, nur damit die zwei jährlichen Spiele gegen die Bayern auf Augenhöhe stattfinden können.
„Nur Vereine mit Mäzen (Hoffenheim, RB Leipzig) oder Konzernvereine wie Wolfsburg oder Leverkusen können sich hochmoderne Leistungszentren leisten.“
Und wer ist U19 Rekord-Meister (Schalke) und welche U23 spielen aktuell (noch) in Liga 3 (VfB, Werder, Mainz 05)? Gerade Mainz 05 oder Freiburg (beide schon U19 Meister) zeigen, dass hochmoderne Jugendzentren auch bei „Mittelklassevereinen“ möglich sind – ohne Brause- oder Aspirin-Connection.
„So einen Scheinwettbewerb will man in Zukunft nicht mehr sehen.“
Den so genannten „Scheinwettbewerb“ möchte der Fan nicht mehr sehen, wenn er am Montag Abend regelmäßig hunderte von Kilometern durch die Republik fahren muss, um seinen Verein zu unterstützen. Er hat vielleicht auch keinen Bock mehr, wenn er keine Getränke mehr im Block konsumieren darf, es kein Bier mehr zu trinken gibt, Stehplätze abgeschafft werden oder das Stehplatzticket über 20 € kostet. Aber dass Abstiegskampf, Aufstiege oder auch der Kampf um die Europa-League-Plätze durchaus einen Wettbewerb darstellen und durchaus Euphorie auslösen können, hat Augsburg z.B. letzte Saison gezeigt oder diese Saison die Hertha oder auch der Relegationsmeister aus Hamburg in den vergangenen beiden Spielzeiten. Der gestrige Platzsturm in Stuttgart resultiert sicherlich nicht daraus, dass die VfB-Anhänger keine Lust mehr auf einen Scheinwettbewerb haben.
Der ganze Kommentar basiert auf der Annahme, dass die Leute, die Fußball in den Medien konsumieren, mit den Leuten gleichzusetzen sind, die regelmäßig ins Stadion gehen. Dass der Ultra-Sportschau-Gucker diese Thesen unterschreiben kann – geschenkt, aber ich gehe in meiner Fußballromantik immer noch davon aus, dass man als „Fan“ einen Verein unterstützt und nicht einen Wettbewerb. Ich habe noch nie etwas von einem DFL-Fan gelesen oder von einen Bundesliga-Fan gehört. Kuttenfans mit DFL-Logo? Eine Sektion-Bundesliga-Mob?
Womöglich hat der Autor sogar Recht, dass durch das Zulassen von Investoren, die Meisterschaft wieder spannend wird und es ein deutsches Leicester City geben wird. Aber das wird wohl einen Großteil der Fans, die auch nächsten Samstag oder Sonntag letztmals in dieser Saison in die Stadien pilgern und wenigstens zweimal im Jahr einen Spieltag erleben, der sich dann wirklich mal SpielTAG nennen darf, nicht mehr interessieren, denn dann zieht es diese Leute eher zu unterklassigen Begegnungen, wo es dann auch egal ist, wohin es einen Mats Hummels nächste Saison ziehen wird.
Im Schlussteil des Artikels kommt der Autor noch zu einer weiteren These:
„Paarungen wie Hoffenheim gegen Ingolstadt interessieren keinen Menschen.“
Zumindest dieser Aussage können sich wohl dann auch wirklich fast alle Fußballinteressierten und -fans anschließen. Und wie es dann mit Erstliga-Begegnungen unter der Beteiligung von RB Leipzig ab der nächsten Saison aussieht, wird auch interessant sein. Vielleicht möchte diesen Wettbewerb von Vereinen mit Mäzen oder Konzern im Rücken dann wirklich keiner mehr sehen – das wären doch wahrlich schöne Aussichten!
In diesem Sinne lasst uns die Feste (und den Europa-League-Platz) feiern, wie sie fallen – so lange wir noch dabei sind!