Spätlese Berlin Jahrgang 2018/19

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Auch in die Hauptstadt brachte mich mal wieder die Deutsche Bahn. Diese war natürlich…unpünktlich. Allerdings nicht so, wie man es gemeinhin annimmt: Der ICE erreichte den Bahnhof Berlin-Spandau mit 20 Minuten Verfrühung: Eine Baustelle, die im Fahrplan einkalkuliert worden war, gab es nicht. Der Schaffner verkündete diese an sich freudige Nachricht so kurz vor dem Eintreffen, dass ich größte Mühe hatte, meinen Reiseplan umzusetzen. Die meisten von Euch, die auswärts mit der Bahn unterwegs sind, wissen um die Annehmlichkeit eines Zuges: Die Bordtoilette, die es möglichst effizient zu nutzen gilt, um einen Bogen um die mittlerweile relativ teuren Bahnhofsklos zu machen. Sprich man ist versucht, sich möglichst kurz vor dem Erreichen des Zielbahnhofs auf dem stillen Örtchen zu erleichtern, um es dann möglichst bis zum Stadion ohne weitere Zwangsentleerung zu schaffen. Diesen Reiseplan hätte die erwähnte Verfrühung um ein Haar durchkreuzt. Aber ruckzuck die Sachen gepackt und ab aufs WC und raus aus dem Zug *check*

13:19 Uhr statt 13:38 Uhr Ankunft in Berlin-Spandau
13:19 Uhr statt 13:38 Uhr Ankunft in Berlin-Spandau

02 (N)immer nuff:

Am Fastnachtssamstag als Meenzer zum Auswärtsspiel nach Berlin zu fahren, kommt mir fast wie ein Verrat vor, verlässt man doch das geliebte Städtchen und begibt sich stattdessen ins Preußenland. Am Fuße der Theodor-Heuß-Brücke steht ja ein altes Stück der Berliner Mauer und ein Hinweisstein „Berlin 537 km“ mit dem Berliner Bär drauf. Beide Berlin-Souvenirs wurden durch die Fastnachtsfahnen des Karneval Clubs Kastel umringt und so konnte ich mich wenigstens mit einem Schnappschuss vom Hinweisstein mit Fastnachtsschal für den Tag von der goldenen Stadt verabschieden, zu Fuß über den Rhein nach AKK marschieren und die Bahn nach Berlin nehmen. In Spandau angekommen, war es dann auch nur noch ein S-Bahn-Sprung bis zum Olympiastadion.

Tschüss goldene Fassenachtsstadt am Rhein

Tschüss goldene Fassenachtsstadt am Rhein

03 Kon-Trolle

Das Security-Personal am Haupteingang war recht gut aufgelegt und so erfolgte die Kontrolle trotz viel Kostümgedöns recht easy. Mit Verkleidung nach Berlin? Gerne! Verkleidet nach Berlin im ICE? Lieber nicht – denn nicht jeder hat die Meenzer Fassenacht verstanden. Nachdem ich mir die Kommentare von so manchem Multiplikator in den sozialen Netzwerken nach „Mainz bleibt Mainz“ zum Protokoller und zum Obermessdiener durchlese, zog ich es vor, mich erst vor Ort zu verkleiden.

Aber nochmals fürs Protokoll: Fassenacht war und ist die Möglichkeit, den Großen und Mächtigen der Republik die Leviten zu lesen. Sie sollte allerdings kein Mittel sein, um Minderheiten zu verunglimpfen. Im Nahen Osten von Mainz aus gesehen, sprich in AKK, saugt dieses närrische Grundgesetz jede Närrin und jeder Narr bereits mit der Muttermilch auf. Aufgrund der meist vorherrschenden Westwind-Wetterlage in Mainz ist dieses Grundgesetz leider noch nicht bis zu AKK in den Wilden Westen der Republik geweht worden – wo wir zugleich wieder bei den Toiletten angekommen wären:

Kein anderes Stadion der Republik bietet so viele stille Örtchen wie das Olympiastadion. Und bevor es in den Gästeblock ging, den man nur durch eine zweite Kontrolle erreichte, zog ich es vor, mich auf dem Klo umzuziehen. Im Olympiastadion gibt es noch den Job des Toilettenmanns bzw. der Toilettenfrau, die sich darum kümmern, dass wir uns auch an diesem Ort halbwegs wohlfühlen können. An besagtem Mann lief ich nun in dunkler Hose und brauner Regenjacke vorbei in die Herrentoilette…und kam wenig später, getreu dem vom Q-Block ausgerufenen Motto, als kunterbunter Clown wieder heraus. Der Toilettenmann traute seinen Augen nicht, lächelte sehr freundlich und schüttelte ein wenig ungläubig den Kopf. Natürlich flogen als Anerkennung seiner Arbeit ein paar Groschen in seinen bereit stehenden Teller. Schließlich sind die Toiletten in keinem Stadion so gut gepflegt wie hier.

Blick ins Olympiastadion
Blick ins Olympiastadion


04 Kampf um den Mampf

Während auf den letzten beiden Auswärtsfahrten nach Augsburg und Wolfsburg dem Fan die Lust auf Essen und Trinken im Stadion mittels Kartenzahlpflicht und alkoholfreiem Bier so richtig vermiest wurde, zahlst Du bei der Hertha bar und bekommst Bier, Wurst, Süßkram etc. Berlin ist groß, das ist klar, aber ein großes Bier ist in der Hauptstadt eine Maß – das musst Du dann auch erstmal wissen. Schon süß, dementsprechend eine kleines Bier zu bestellen, und einen halben Liter kredenzt zu bekommen. Berlin ist somit ein wenig das Anti-Köln mit seinen mit Kölsch gefüllten Fingerhütchen – aber gut, manche Nasen behaupten ja auch, Kölsch sei gar kein Bier…

Vierfarbfroher Gästeblock in Berlin
Vierfarbfroher Gästeblock in Berlin

05 Käfighaltung

Bei der Hertha gibt es keinen Stehblock – dafür aber einen riesigen Sitzplatz-Gästeblock. Die 700 Fans des FSV waren zu ca. 90 % verkleidet. Nur wird damit vielleicht ein Drittel des Blocks gefüllt. Dieses Manko wurde durch den Q-Block visuell ganz eindeutig ins Gegenteil verdreht, in dem innerhalb von 30 Minuten der Bereich auf einmal vierfarbfroh erstrahlte. Gut, unter ökologischen Gesichtspunkten war das Überziehen der Klappsitze mit gelben, blauen, weißen und roten Plastiktüten sicherlich eine Sünde – aber ich zitiere jetzt mal aus Gutenbergs ersten gedruckten Buch namens Bibel: „Wer von Euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ (Johannes 8,7). Amen!

Fazit: Die Fastnachts-Edition Jahrgang 2018/2019 war aller Ehren wert und punktete zumindest durch die Möglichkeit der schnellen Verwandlung so etwa wie von Wasser in Wein, schoppetechnisch gesprochen – zum Wohl!

Spätlese Wolfsburg Jahrgang 2018/19

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

In die Autostadt geht es natürlich mit dem…Zug. Da die vergangenen Reisen wieder genug BahnBonus Punkte eingebracht hatten, und die DFL auf keine dumme Gedanken kam, was die Terminierung angeht, konnte ich wie schon bei der Fahrt nach Schalke mal wieder das Samstag-Freiticket der DB nutzen. Alles war pünktlich, so dass ich mehr als zwei Stunden vor dem Anpfiff in der fünftgrößten Stadt Niedersachsens ankam.

Schlossgarten von Wolfsburg
Schlossgarten von Wolfsburg

02 (N)immer nuff:

Die Stadt Wolfsburg hat letztes Jahr ihren 80 Jährigen Geburtstag gefeiert. Wann haben wir den eigentlich in Mainz gefeiert? Hm, da waren wir wohl alle noch nicht wirklich geplant. Da die Bahn, wie bereits erwähnt, pünktlich war, konnte ich meinen Plan umsetzen, sprich, der Schwarz-Weiß-Malerei mal wieder einen visuellen Haken schlagen. Wolfsburg? Da gibt’s ja nur das VW-Werk und ein paar Stadien! Nö – Wolfsburg hat sogar Tradition! Glaubt man nicht wirklich, ist aber so…also abseits des Platzes. Während wir teilweise Hamburg, Berlin und München so toll finden, dass wir da gleich ein ganzes Wochenende verbringen, was tatsächlich auch wirklich nicht die schlechteste Idee ist, fahren Otto-Normal- Meenzer*innen gefühlt nur für 93 Minuten nach Wolfsburg. Dabei bietet die Stadt tatsächlich mehr als ein paar Stadien und eine Autoproduktionsstätte. Nein, ich rede jetzt nicht über die zahlreichen Shopping-Outlets, sondern über Alt-WOB! Ja, das gibt es tatsächlich! Das Schloss Wolfsburg, gefühlt einen Klorollenwurf vom Stadion entfernt, ist bereits 700 Jahre alt. Schließlich haben in der Region schon vor der Stadtgründung Menschen gelebt – gut, 1938 waren es zirka 900, aber so what?! Und dort gepflegt im vom Wind geschützten Biergarten ein Kaltgetränk zu sich zu nehmen? Kommt ähnlich gut wie an der Außenalster, am Wannsee oder im Englischen Garten.

Innenhof des Schlosses von Wolfsburg
Innenhof des Schlosses von Wolfsburg

03 Kon-Trolle

Wenn Du weißt, dass Du praktisch nichts mehr mit ins Stadion nehmen darfst, bietet sich natürlich das Schließfach am Bahnhof an – denn dann bist Du schließlich sicher, dass Laptop, iPad und der ganze andere Elektrokram unbehelligt bleiben. Für zwei Euro bietet der VfL Wolfsburg diesen Service auch an – in den meisten Stadien der Republik ist das übrigens gratis möglich. Nix für ungut, aber direkt am Bahnhof das Schließfach für drei Euro genommen und feddisch…

Vorfrühling in Wolfsburg
Vorfrühling in Wolfsburg


04 Kampf um den Mampf

Auch in Wolfsburg darfst Du nur noch mit EC-Karte (via Chip) oder via Bezahlkarte zahlen. So weit, so normal in den Bundesliga-Stadien. Dass beim VfL aber 10 € Pfand für die Karte aufgerufen werden, ist dann doch ein bisschen dreist. Als Ausgleich gibt’s dann frisch Gezaptes vor dem Gästeblock, wohingegen im Stadion nur alkfreie Plörre ausgeschenkt wird – Wolfspunsch inklusive. Aber wenigstens gibt es für die Sektion Fleischlos Pommes mit Ketchup/Mayo – was leider in vielen Stadien nicht mehr Standard ist.

Chillen am Stadion
Chillen am Stadion

05 Käfighaltung

Der Stehblock in Wolfsburg ist nicht wirklich grandios, da das Mundloch für den Notausgang auf Spielfeld-Niveau diesen praktisch in zwei Teile bricht. Daher erstand der Großteil der Szene Karten für den Sitzplatzbereich direkt daneben in Richtung Tor. Dafür gab es eine perfekte Sicht aufs Spielgeschehen. Dumm nur, dass es dort eigentlich nicht wirklich was zu sehen gab. Dafür gab es am Ende am Wolfsburger Hbf. die Überraschung: Keine Ahnung, wofür die drei Euro fürs Schließfach galten – auf jeden Fall wurden von mir noch sechs Euro zusätzlich gefordert, ehe ich meinen Kram aus dem Schließfach wieder bekam. So musste ich im Schreibwarenladen erstmal irgendetwas kaufen, um sechs Euro in Münzen zu erhalten. Merke: Entscheidend ist auf’m Platz – wenn’s da schlecht läuft, gilt das auch fürs Schließfach der Bahn. Als Ausgleich dafür habe ich es mit der Bahn 30 Minuten früher nach Mainz als geplant geschafft – einer Miniverspätung des ICEs in Hannover sei Dank, den ich so noch erreichten konnte. Folglich kam ich zur lokalen Fastnachtssitzung ein wenig früher als geplant und konnte zum Torverhältnis von 1:11 in den letzten drei Spielen ein dreifach donnerndes Helau anstimmen. Und so kam ich erst gar nicht in die Versuchung, die Kommentare zum Spiel, zum Verein und zu den Verantwortlichen bei Nullfünf in den sozialen Netzwerken zu lesen 😉

Bahnhofsromantik am Wolfsburger Hbf.
Bahnhofsromantik am Wolfsburger Hbf.

Fazit: Die Abschaltautomatik-Edition Jahrgang 2018/2019 führt zu versteckten Kosten, was aber in Wolfsburg nicht wirklich verwundern sollte – zum Wohl!

6. Jahreszeit raus!

Habt Ihr sie schon bemerkt? In unserer goldenen Stadt haben wir ja ohnehin eine Jahreszeit mehr, als der Rest der Welt. Gestern Abend gab es ja sechs Buden zu bewundern, betrauern oder zur Kenntnis zu nehmen. Da fünfsechstel davon auf der falschen Seite geschossen wurden, ist für einige Internetnutzer die Zeit der sechsten Jahreszeit mal wieder gekommen.

Q-Block im Stadion am Europakreisel
Q-Block im Stadion am Europakreisel

Seit dem letztem Heimspiel gegen die Dosen, spätestens aber seitdem der Klassenerhalt in Dortmund gesichert wurde, war die sechste Jahreszeit beendet. Es gab einen souveränen Auftritt zu zehnt bei den Veilchen in Aue zum Start in die neue Spielzeit und ruck zuck wurden 7 Punkte in den ersten drei Spieltagen eingesackt. Das waren wahrlich harte Zeiten für die Fans der sechsten Jahreszeit. Selbst als die rot-weißen Jungs traditionell beim Don auf Schalke in alter Verbundenheit als Aufbaugegner dienten und sie in Gladbach bzw. Leipzig jeweils vier Tore kassierten, war die Zeit für die sechste Jahreszeit noch nicht da. Vielleicht wäre sie vor Weihnachten gekommen, wenn die Diva vom Main mehr als den üblichen Punkt mit zurück zum Nebenfluss genommen hätte – so aber wurde erstmal der Winter in Ho$$enheim mit Last Christmas begrüßt.

Wintersport können Bayern ohnehin besser als Rheinhessen, aber seit letztem Sonntag konnten sich die Anhänger der sechsten Jahreszeit langsam darauf einstimmen, dass nun ihre Stunde gekommen ist. Die Jungs aus der Farbenstadt waren wie sooft eine Wundertüte und gestern Abend hat auf deren Seite einfach alles gepasst. Es geht im Fußball nicht immer nur darum, warum jemand angeblich so schlecht ist, sondern auch darum, dass ein anderer einfach etwas saugut hinbekommen hat – und das sollten wir einfach alle mal akzeptieren, bis auf die Fans der sechsten Jahreszeit natürlich. Denn sie haben sie jetzt ausgerufen. 9 Monate hatten sie darauf wahrscheinlich sehnsüchtig gewartet – es war am Ende dann gar keine schwere Geburt, denn die zweithöchste Heimniederlage in der Bundesliga – Vizekusen halt 😉 – machte es richtig einfach, mal wieder „Schwarz und Schröder raus!“ rauszublöken.

Haddemer schon…? Genau, ist eigentlich so ähnlich wie letzte Saison, denn da korrelierte die fünfte teilweise mit der sechsten Jahreszeit, wenn ich da an die beiden Fastnachtsspiele denke bzw. an die beiden Auftritte am Nebenfluss. Neu für mich ist eigentlich nur, dass die Anhänger der sechsten Jahreszeit anscheinend auf Facebook mittlerweile so wenig Aufmerksamkeit erhalten, dass sie jetzt rüber zu Instagram pilgern und da ihren Frust ablassen. Vor lauter Pöbelei wird da ganz vergessen, dass Instagram eine Bildplattform ist, die mehr vom Visuellen als vom Textlichen lebt. Da aber das Bild für die Anhänger der sechsten Jahreszeit gar keine Rolle spielt, lassen sie direkt ihre Ergüsse in den Kommentaren ab, noch bevor sie überhaupt ein Profilbild erstellt oder gar einen eigenen Bildbeitrag gepostet haben. Doof ist’s halt, wenn man zwar mit den passenden Bildern viele Likes auf Instagram erhält, die Kommentare von den Igers (Instagram Nutzer*innen) aber gar nicht gelesen werden. Und dann kann man die Posts noch nicht mal teilen, damit der Shitstorm so schön groß wird wie in besten Facebook-Hatespeech-Zeiten. Das ist natürlich doof…für die Anhänger der sechsten Jahreszeit. Für alle anderen bleibt die Hoffnung, dass das Netz sich am Ende tatsächlich selbst reguliert und die Fans der sechsten Jahreszeit irgendwann die Finger von der Tastatur nehmen, weil ihre Kommentare eh keine Beachtung mehr finden und bereits das nächste tolle Motiv auf Instagram so viel spannender ist, als die Pöbelei in der sechsten Jahreszeit!