Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!
01 Hin und weg:
Die Fahrt nach Dortmund mit der Bahn verlief relativ unspektakulär. Lediglich die Ansage der zwischenzeitlichen Verspätung ließ aufhorchen: „Wir haben eine Ausbildungsgruppe auf der Lokomotive“. Und kurz darauf „Die Lokomotive hat eine technische Störung“. Schließlich „Die Ausbildungsgruppe arbeitet an einer Lösung“ und bald darauf ging es mit sehr geringer Verzögerung im Betriebsablauf weiter. Was jetzt Ursache und was Wirkung war, bleibt ein Geheimnis der Bahn. Aber wenigstens bildet die Bahn noch aus, was leider nicht jeder größere Betrieb in Deutschland von sich behaupten kann.
02 (N)immer nuff:
Über 80.000 Zuschauer müssen alle zwei Wochen in Dortmund aus allen Ecken Nordrhein-Westfalens ins größte Stadion der Republik gekarrt werden. Mittlerweile habe ich jedwede Variante ausprobiert. Mit Ausnahme der Variante zu Fuß vom Hauptbahnhof oder per Fanzug zum Stadion zu gelangen, sind alle anderen Optionen ein ziemlich stressiges Vergnügen. Diesmal wählte ich wieder die U-Bahn. Damit sich die Leute am Hauptbahnhof nicht gegenseitig auf die Gleise stoßen, wird bereits eine Etage oben drüber ein Eingang zu den Gleisen komplett gesperrt und beim zweiten Eingang gibt es eine Einlasskontrolle des Sicherheitsdienstes. Diese Kontrolle gilt für alle Nutzer der U-Bahn, egal ob sie mit der U45 zum Stadion fahren möchten oder mit Fußball gar nichts am Hut haben und wo ganz anders hinfahren möchten. Dortmund lebt Fußball – diesem wird am Spieltag wohl komplett alles untergeordnet. Man kann den Ballspielverein Borussia gut oder schlecht finden, der Großteil der Menschen in der Region ist einfach herzlich und dieses abgedroschene Motto „Echte Liebe“ kommt hier wirklich noch echt rüber. Vier Tage blieb ich diesmal in der Stadt und jeden Tag sah ich Dutzende von Menschen mit BVB-Trikots und anderen Utensilien durch die Straßen ziehen.
Mit stoischer Gelassenheit wurde nachkicks am Stadionbahnhof auf den Zug gewartet. An den beiden unendlich langen Bahnsteigen tummelten sich mehrere hundert Menschen im einsetzenden Schneeregen. Die Ansage verstand niemand. Es hielten hintereinander mehrere Regionalbahnen in Richtung Sauerland mit einem Fassungsvermögen von vielleicht 100 Plätzen – am anderen Ende des Bahnsteigs. Im Aushang stand etwas von Sonderzügen – die Minizüge gab es gar nicht auf dem Fahrplan, weder auf dem Sonder- noch auf dem regulären Fahrplan. Irgendwann fuhr ein extrem langer, leerer Zug ein. Statt anzuzeigen, wohin dieser fährt, war „Fußballsonderzug“ angegeben. Wieder knackste und kruschelte die Ansage und die Menge stieg ein. Die einen wollten nach Soest, die anderen nach Unna, manche nach Hamm. Es war sicher, dass ein Teil dieser Gruppe im falschen Zug gelandet war. Die Gelassenheit, einfach mal einzusteigen und zu schauen was kommt, fand ich schon ziemlich sympathisch. Ich musste nur eine Station fahren und auf mein Nachfragen hin, ob der Zug in Hörde halten würde, bejahten dies alle Umstehenden. Tatsächlich kam ich pitschenass nach ein paar Minuten an meinen Zielbahnhof an. Wohin der Zug weiterfuhr, erfuhr ich dann nicht mehr.
03 Kon-Trolle
„Die Zuschauerzahl des heutigen Abends beträgt 81.365. Damit ist das Stadion wieder ausverkauft“. Traditionell wird diese Ansage so um die 60. Minute vom Stadionsprecher verkündet. Norbert Dickel sprache sie mit ein bisschen Patos in der Stimme aus. Das größte Stadion der Republik wieder bis auf den letzten Platz gefüllt! Alles super!? Keineswegs! Der Gastmannschaft stehen 10% des Fassungsvermögens zur Verfügung, sprich 8.136 Plätze. Nach Aussage von Mainz 05 haben 4.500 Fans des FSV die rot-weißen Jungs in den Pott begleitet. Nun stellt sich die Frage, wer die anderen 3.600 Menschen sind, die sich im Gästeblock aufhielten.
Die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA ist natürlich ihren Shareholdern verpflichtet – sprich den Aktionären. Diese drängen auf Gewinnmaximierung. Dies setzt wiederum eine möglichst hohe Auslastung des Stadions voraus. Jeder Platz, der nach dem Anpfiff leer bleibt, ist, um im schwarz-gelben Umfeld zu bleiben, wie eine Banane die braun und damit unverkäuflich geworden ist. Wenn es nun Mainz 05 nicht auf die Reihe bekommt, mit über 8.000 Menschen nach Dortmund zu ziehen, verkauft Borussia Dortmund die Karten an andere Interessierte.
Da es im Fußball nur noch ums Geschäft geht, ist diese Maßnahme nachvollziehbar. Aus diesem Grund steht auf den Eintrittskarten des Gästeblocks auch deutlich drauf „Kein Zutritt in BVB-Fankleidung“. Damit sichert sich die schwarz-gelbe Kapitalgesellschaft prima ab. Die Tickets werden verkauf. Es gibt keine Umsatzeinbußen und die Gästefans bleiben zumindest visuell unter sich. Soweit die Theorie.
Für jedes Fußballspiel stellt der gastgebende Verein eine Anzahl an Ordnern, die die existierende Stadionordnung mittels Kontrollen durchsetzen sollen. Allerdings ist es in Dortmund Tradition, dass Zuschauer in schwarz-gelben Fanutensilien in den Gästeblock gelassen werden. Dies sollte doch mit dem Hinweis auf dem Ticket eigentlich ausgeschlossen sein. Dass die Realität ganz anders aussieht, bewies wieder einmal der Samstagabend. Unzählige Groundhopper und Touristen mischten sich unter das Publikum im Gästeblock. Dagegen ist eigentlich nicht viel einzuwenden, denn wenn wir den Block nicht voll bekommen und die Leute dort nicht durch Provokationen auffallen, hält sich da die Schwellung meiner Halsschlagader in Grenzen. Aber leider ließen die Ordner jeden Zuschauer in die beiden Blöcke, der eine entsprechende Eintrittskarte vorweisen konnte.
Lediglich die Ordner von Mainz 05 versuchten bereits vor dem Anpfiff die Sache halbwegs zu regeln. Sie forderten einerseits die BVB-Ordner auf, ihre Arbeit zu machen, und baten höflich schwarz-gelb gekleidete Leute, sich aus dem unteren Bereich des Gästeblocks in den oberen Bereich zurückzuziehen. Spätestens nach dem Dortmunder Führungstreffer hätten die BVB-Ordner dafür sorgen müssen, schwarz-gelbe Provokateure aus dem Block zu geleiten. Aber sie taten nichts. Frei nach Uli Hoeneß sind natürlich die Fans für die Stimmung verantwortlich. Diese war nach dem Führungstreffer merklich verdorben, was aber weniger am sportlichen Geschehen denn am Versagen der BVB-Ordner lag. In der zweiten Halbzeit dominierten die rot-weißen Jungs das Geschehen auf dem Platz und der Funke sprang tatsächlich vom Platz auf den Block über und die Stimmung im Block kochte im positiven Sinne über.
Mit etwas Abstand betrachtet, frage ich mich, warum der BVB nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernt? Sicherlich fahren nicht nur die Nullfünfer sondern auch andere Vereine nicht mit 8.000 Leuten nach Dortmund. Gleichzeitig gibt es zwei Fanblöcke 60 und 61. Wieso ist es nicht möglich, dem Gastverein zunächst nur einen Block für den Vorverkauf zuzuweisen? In diesem Block wären dann die, die immer fahren und die die halt schon früh planen, nach Dortmund zu fahren. Das wäre sicherlich ein Großteil der 4.500 Leute gewesen, die die Nullfünfer begleitet haben. Den anderen Block kann man dann später mit Fußballtouristen und schwarz-gelben Sympathisanten locker auffüllen. Somit hätten alle mehr vom Spiel gehabt. Schließlich flüchteten nach dem Führungstreffer auch schwarz-gelbe „Normalos“ aus dem Block, die nur Karten für diesen Bereich ergattern konnten, weil sie sich im Gästeblock natürlich nicht wirklich wohl fühlten.
04 Kampf um den Mampf
Mehr als 80.000 Menschen mit Futter und Getränken zu versorgen ist eine Kunst für sich. Dass das in Dortmund im Gästebereich auch mit Barzahlung funktioniert, beweist, dass die Einführung von Kartenbezahlsystemen, zumindest im Gästeblock, einfach eine verdeckte Abzockmöglichkeit ist. Nicht jede(r) gibt seine Kate nach Spielschluss zurück. Die Karten haben auch nur eine begrenzte Gültigkeit oder die Firmen, die hinter den Bezahlsystemen stecken, gehen einfach mal Pleite.
Der Sonderschalter für Bier sucht Seinesgleichen in der Republik – orientiert sich aber wenigstens nicht nur an der Gewinnmaximierung sondern auch am Grundbedürfnis vieler Stadionbesucher*innen. Eine vegetarische Frikadelle, die schmeckt und nicht gleichzeitig mit Knoblauchwürze gepimpt wurde, sucht man in den anderen Gästeblöcken der Republik vergebens.
05 Käfighaltung
Anders als in München, wo es als Gast nur „Ameisenfußball“ (Copyright by Rolf) zu sehen gibt, bietet der Block 61 eigentlich eine recht gute Sicht aufs Spielfeld. Leider allerdings auch eine perfekte Sicht auf die Gelbe Wand. Das ist vielleicht ein weiterer Grund, warum es viele Touristen in den Gästeblock zieht. Das Photobombing der Szene mit ihren rot-weiß-goldenen Fahnen verdarb dann doch das eine oder andere Bild, das doch eigentlich das schwarz-gelbe Chaos-Intro zeigen sollte.
Fazit: Der Jahrgang 2018/2019, schmeckte etwas schal, da schwarz-gelbe Zutaten in einem guten Tropfen nichts zu suchen haben.
Sehr schön geschrieben mein Lieber.
Am Samstag dachte ich ehrlich gesagt, dass geb ich mir nicht mehr.
Letztes Jahr war schon bitter, dieses Jahr war es kaum zum Aushalten.
Wir waren eingekesselt von BVB Fans die mit „Heja BVB “ Rufen mich fast zum Schläger werden ließen.
Man singt und zappelt sich einen ab um seine Mannschaft anzufeuern und kommt sich vor wie ein Aussätziger.
Da ist auch unsere Fanabteilung gefragt sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Aber trotz allem, haben wir wieder super nette Dortmunder kennengelernt und spontan Übernachtungsmöglichkeiten angeboten bekommen .
Ja, Melanie, sehe ich auch so, dass das von Seiten der Fanabteilung mal angegangen werden sollte. Hoffentlich liest diese mit 😉
War das Spiel in unserem Shop nicht ausverkauft? Ich meine das gesehen zu haben. Dann wurde das Kontingent gar nicht unseren Fans angeboten.
Dann wäre das natürlich nochmals eine Stufe krasser. Kann ich leider nicht beurteilen, weil ich das Ticket sehr früh gekauft habe.
Ich wollte am 3.4. Tickets fürs Spiel kaufen, da waren die Karten offiziell ausverkauft im Ticketshop. Kann es mir nur so erklären, dass Mainz gar nicht das volle Kontingent bekommen hat. Wie kann das sein?!
Ich wäre sehr gerne mal wieder hingefahren…
Das ist eine gute Frage, Marcel. Normalerweise läuft der Vorverkauf ja bis wenige Tage vor dem Spiel.
Genau Jürgen das Spiel war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.
Das ist genau das was wir nicht verstanden haben
Mit der Fankleidung ist das in den Meenzerblöcken leider oft auch nichts anderes (F/G)
Sind das offizielle Heimblöcke, bzw. steht da, ob man mit Fankleidung des Gastvereins in den Block darf. Ich frage so naiv, da ich in Mainz in M stehe.