Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!
01 Hin und weg:
In der Länderspielpause zog es mich auf die ostfriesische Insel Juist. Das war natürlich etwas unpraktisch, wenn man weiß, dass direkt danach das Auswärtsspiel im Breisgau ansteht. Aber die Bahn im Nordwesten der Republik scheint zuverlässiger zu funktionieren, als im Rest des Landes, denn ich habe bei meinen zahlreichen Insel-Aufenthalten nie Stellwerksprobleme, Weichenstörungen, Personalmangel etc. erlebt, die zum Beispiel dazu geführt hätten, das einzige Schiff am Tag auf eine der Inseln zu verpassen. So auch diesmal: Schiff pünktlich, Zug pünktlich bis nach Mainz. Dort gab es einen Zugausfall, dann eine Stellwerksstörung – das gewohnte Programm im Rhein-Main-Gebiet halt. Trotzdem klappte es am Ende noch genügend Zeit zu haben, um vom Freiburger Hauptbahnhof nach 18 Jahren in Richtung Osten die Dreisam hoch zu laufen, nun neue Wege gen Westen zu beschreiten.
Anders als bei vielen Clubs produzierte der SC Freiburg noch richtige Eintrittskarten. Während bei vielen Stadien „Print@Home“ Einzug gehalten hat, nutzt der SC Freiburg die Eintrittskarte in Regenbogenfarben als Statement.
02 (N)immer nuff:
An mein erstes Spiel in Freiburg 2004 erinnere ich mich noch gerne. Schließlich schoss Erstligaspieler Rose uns damals kurz vor Schluss zum ersten Auswärtssieg in der Bundesliga-Geschichte von Mainz 05. Danach folgten gefühlt sehr viele Spiele am Montagabend im Breisgau (es konnten aber nur zwei und ein Pokalspiel dienstags oder mittwochs gewesen sein). Den Weg zum Stadion durch die Altstadt fand ich einen der schönsten in der Liga. So war ich gespannt, ob der neue Weg da mithalten konnte. Leider war die Strecke ziemlich unspektakulär. Wenigstens brauchte ich kein Google Maps, da ständig SCF-Fans mit dem Rad an mir vorbeirauschten und mir so den Weg an der Uniklinik vorbei unter der Bahnlinie hindurch auf einen riesigen Parkplatz weißten.
Über unser Stadion und den Weg durch die Felder lästern ja gerne Gästefans. Ob sie das auch in Freiburg machen? Schließlich liegt das Stadion ebenfalls gefühlt am Ende der Stadt direkt neben dem Flugplatz. Flugplatz oder Felder geben sich da nicht wirklich was. Dass sich der Gästeblock allerdings (anders als bei uns) von der Stadt, der S-Bahn und der Tram aus gesehen wirklich in der hintersten Ecke des Stadions befindet, führte bei mir doch zu ein bisschen Wehmut. Was waren das für Zeiten, als man im Dreisamstadion innerhalb von 30 Sekunden von der Hauptstraße in den Block gelangte.
03 Kon-Trolle
Das war, außer dem Ergebnis des Spiels, aber auch das einzige Manko an diesem Nachmittag. Denn in Freiburg fühlte ich mich als Gästefan wirklich willkommen. Das fängt schon damit an, dass man Taschen direkt am Eingang abgeben kann. Tetra Paks mit einem Fassungsvermögen von maximal einem halben Liter dürfen gefüllt sogar mit hineingenommen werden. Diese Möglichkeit gibt es in vielen Stadien nicht. Doch es wurde noch besser. Schließlich gab es Trinkwasserspender vor den Gäste-WCs. Somit ist es für Menschen, die nicht so viel Kohle haben, aber Durst, möglich, gratis Trinkwasser in den mitgebrachten Tetra Pak zu füllen. So ein faires Angebot gibt es meines Wissens in keinem anderen Stadion der Liga.
04 Kampf um den Mampf
Ich sage nur Gutedel! Während es im Dreisamstadion die Regel gab, dass draußen auf der Straße Bier ausgeschenkt werden durfte, im Gästeblock aber nur alkoholfreie Getränke, gibt es im neuen Stadion sogar den lokalen Wein Gutedel zu probieren. Wahrscheinlich haben die Verantwortlichen in Freiburg (wie auch in Sinsheim und Augsburg) bemerkt, dass der Umsatz pro Gästefan erheblich gesteigert wird, wenn es nicht nur alkoholfreie Getränke gibt. Auch beim Futter gab es wieder ein faires Angebot mit einer Brezel für 2 Euro. Das alles war wirklich eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zum Dreisamstadion.
05 Käfighaltung
Barrierefreiheit wird in Freiburg großgeschrieben. Direkt oberhalb des Stehblocks konnten Menschen mit eingeschränkter Mobilität das Spiel verfolgen. Das ist natürlich von den Emotionen her wesentlich toller mit den eigenen Fans mitzufiebern als irgendwo im Stadionrund – weit weg vom Gästeblock. Und natürlich ist der Blick aus dem Stehblock wesentlich besser, als er im Dreisamstadion je war. Die Choreo „Immer unterwegs mit Dir – samstags um halb vier“ im Gästeblock konnte man natürlich mitten im Getümmel nur erahnen, aber das Fahnenmeer war schon wirklich beeindruckend. Der Spielverlauf sorgte natürlich direkt für einen großen Dämpfer.
Leider ließ auch die Lesbarkeit der Spruchbänder auf der Heimseite zu wünschen übrig. Denn das Thema der sexualisierten Gewalt beim Fußball und anderswo ist wichtig. Leider hat es am Ende für den Ausgleich nicht mehr gereicht. Anders als in den sozialen Netzwerken, wurde die Mannschaft nach Spielschluss aber nicht zerrissen, sondern moralisch wieder aufgebaut. Gut so!
Fazit: Der Jahrgang 2022/2023 zeigt, dass Freiburg nicht nur sportlich, sondern auch bei der Willkommenskultur sehr weit oben steht.
Rot-weiße Grüße,
Christoph – Meenzer on Tour