Im Mai 2019 veröffentlichte die DFL nach dem Beschluss der Mitgliederversammlung Ende 2018 erstmals die Finanzkennzahlen der Bundesliga-Vereine. Da wir bei der Bundesliga nicht erst seit den Geisterspielen wissen, dass es nur ums Geschäft geht, hatte ich im vorletzten Jahr die „Finanz-Bundesliga-Tabelle 2018/19“ veröffentlicht. In dieser habe ich die Finanzkennzahlen, die die DFL pro Verein veröffentlicht hat, mit Hilfe von Leistungskennzahlen, so genannten „Key Performance Indicators“, kurz KPIs, analysiert. Daraus ergaben sich für die einzelnen Vereine viele interessante Ergebnisse. Da sich die Vereine untereinander in einem Wettbewerb befinden, war es bereits 2019 extrem spannend zu sehen, wie es tatsächlich um „Financial Fairplay“ bestellt ist. Im letzten Jahr wurde es noch einen Tick interessanter, weil es erstmals möglich war, Veränderungen im Vergleich zum vorangegangen Geschäftsjahr zu ermitteln und die „Finanz-Bundesliga-Tabelle 2019/20“ zu veröffentlichen. Im Sommer 2020 befand sich die Pandemie noch in einem frühen Stadium, so dass Corona bei den meisten Bundesligisten die Bilanz nur zu einem Drittel (4 Monate) verhageln sollte, da der Bilanzstichtag der 30. Juni 2020 ist. Allerding bilanzieren Eintracht Frankfurt, Bayer 04 Leverkusen, Borussia Mönchengladbach, der VfB Stuttgart und der FC Schalke 04 zum 31. Dezember 2020. Dadurch sind die Ergebnisse in diesem Jahr ziemlich verzerrt, da diese fünf Clubs 10 Monate Corona in der Bilanz stehen haben.
Zum Bilanzstichtag 30. Juni 2020 spielte Arminia Bielefeld in der 2. Liga, der VfB Stutgart spielte die Hälfte seines Geschäftsjahres in der 2. Liga (bis zum 30. Juni 2020). Im vorangegangen Jahr (Bilanzstichtag 30. Juni 2019) spielten der 1. FC Köln, Arminia Bielefeld und Union Berlin in der 2. Liga.
Da sich Fans zahlreicher anderer Vereine für diese Tabelle interessieren, gehe ich auf alle 18 Erstligisten der Saison 2020/21 ein und beleuchte am Rande in diesem Jahr auch erstmals die Aufsteiger also Spielvereinigung Greuther Fürth und den VfL Bochum. Dadurch macht es meiner Meinung nach Sinn, dieses Thema in Abschnitte zu unterteilen:
Teil 1: Einführung und die KPIs Anlagendeckungsgrad und Eigenkapitalquote
Teil 2: Die KPIs Eigenkapitalrendite und Umsatzrentabilität
Teil 3: Die KPIs Personalaufwandsquote und Verschuldungsgrad
Teil 4: Die Finanz-Bundesliga-Abschlusstabelle 2020/21
Aus den folgenden von der DFL veröffentlichten Kennzahlen habe ich die unten stehenden Unternehmenskennzahlen hergeleitet:
- Anlagevermögen
- Eigenkapital
- Verbindlichkeiten + Rückstellungen (=Fremdkapital)
- Bilanzsumme
- Jahresüberschuss
- Personalkosten
- Rohergebnis (als Umsatz genutzt)
Daraus habe ich die folgenden Leistungskennzahlen hergeleitet:
- Anlagendeckungsgrad
- Eigenkapitalquote
- Eigenkapitalrendite
- Umsatzrentabilität
- Personalaufwandsquote
- Verschuldungsgrad
Anmerkung in eigener Sache: Unter den Leser*innen dieses Blogs gibt es sicherlich versiertere „Bilanzbuchhalter*innen“ als ich es bin. Man hätte zum Beispiel die passiven Rechnungsabgrenzungsposten dem Fremdkapital hinzurechnen können. Dazu hätte ich dann allerdings auch wissen müssen, um was es sich da tatsächlich handelt. Ziel dieser Analyse ist es daher nicht, für 18 Vereine wasserdichte Finanzgutachten zu erstellen. Vielmehr soll sie den Fußballfans dazu dienen, sich ein grobes Bild des eigenen Vereins in Bezug auf die finanzielle Situation zu machen – im Vergleich zum Konkurrenten genauso wie zum Vorjahr. Wie bei vielen anderen „Fan-Aktionen“ auch, ist dieser Artikel in der Freizeit entstanden, ohne finanzielle oder sonstige Kompensation. Eine noch detaillierte Aufstellung hätte den zeitlichen Aufwand deutlich gesprengt.
1. Anlagendeckungsgrad (Eigenkapital zu Anlagevermögen)
Je höher der Deckungsgrad, desto besser steht es um die Finanzierung des Clubs. Wie 2018 und 2019 gibt es wieder Clubs mit negativem Eigenkapital, sprich diese Clubs sind bilanziell überschuldet. Das Vermögen des Vereins deckt nicht mehr die Schulden. 2018 waren es Hertha BSC Berlin, der SC Paderborn und Union Berlin, die negatives Eigenkapitel aufwiesen. 2019 betraf es Union Berlin, Arminia Bielefeld und den FC Schalke 04. Hertha hatte 2019 die Kurve durch den Einstieg eines Investors bekommen. 2020 wiesen Union Berlin, Arminia Bielefeld und die beiden späteren Absteiger der Saison 2020/21 Werder Bremen und Schalke 04 negatives Eigenkapital auf. Auch der Aufsteiger VfL Bochum hat ein geringes negatives Eigenkapital vorzuweisen.
Der FC Augsburg (16,9 Mio. Euro), RB Leipzig (32 Mio. Euro) und der 1. FSV Mainz 05 (2,3 Mio. Euro) haben wie im Vorjahr Investitionszuschüsse (wahrscheinlich für das jeweilige Stadion) erhalten, die man dem Eigenkapital zurechnen kann. Ich habe diese Zuschüsse weggelassen, um eine bessere Vergleichbarkeit zu erzielen. 2018 Jahr war dieser Zuschuss bei RB Leipzig größer als damals das eigentliche Eigenkapital in Höhe von 27 Mio Euro. Plötzlich standen 2019 in der Bilanz von RB einfach 100 Mio. Euro mehr Eigenkapital. Diesem sind wahrlich Flügel gewachsen! In 2020 sind nur noch 5 Mio. Euro Eigenkapital hinzugekommen. Die Flügel bekamen diesmal Hertha BSC und die TSG Hoffenheim.
Der Eigenkapitalzuwachs bei Hertha BSC in Höhe von 70 Mio. Euro war schon 2019 nicht „normal“ – dem Investor sei Dank! In 2020 kamen nochmals 28 Mio. Euro hinzu – das entspricht einem Zuwachs von 350 Prozent! Um sagenhafte 53 Mio. Euro ist das Eigenkapital der TSG Hoffenheim in 2020 gewachsen – das sind allerdings nur 24 Prozent. Leichte Zuwächse verzeichnen auch der FC Augsburg (2 Prozent), der SC Freiburg (< 1 Prozent),
Keine Veränderungen gab es wie jedes Jahr beim VfL Wolfsburg und bei Bayer 04 Leverkusen, da es bei diesen Vereinen eigentlich egal ist, wie sie wirtschaften, da am Ende alles durch den Pharmariesen bzw. den Autokonzern augeglichen wird.
Wer immer über die Bayern schimpft…deren Eigenkapital ist im selben Zeitraum um 5 Mio. Euro gesunken. Das entspricht 1 Prozent. Ebenfalls leicht gesunken ist das Eigenkapital bei Mainz 05 (-4 Prozent). Das Eigenkapital hat sich bei der Eintracht und dem VfB grob halbiert – beide Vereine bilanzieren allerdings zum Jahresende, sprich 10 Monate Pandemie haben am Eigenkapital gezehrt. Womöglich hat sich das Eigenkapital auch bei den anderen Clubs inzwischen extrem reduziert.
Hatte der SV Werder Bremen 2019 noch positives Eigenkapital in Höhe von 10 Mio. Euro so ist der Verein mittlerweile mit 23 Mio. Euro negativem Eigenkapital überschuldet. Union Berlin hat sein negatives Eigenkapital verdoppelt, Arminia Bielefeld verdreifacht – gleiches ist Schalke 04 passiert. Allerdings bilanziert Schalke zum 31. Dezember, sprich die Pandemie ist schon fast komplett „eingepreist“.
Das Anlagevermögen sind die so genannten Steine eines Vereins, sprich diese sollen dem Verein dauerhaft dazu dienen, den Spielbetrieb durchzuführen. Dieses hat sich bei Hertha BSC um 92 Mio. Euro mehr als vervierfacht. Um gut ein Fünftel ist es beim FC Augsburg, bei Union Berlin, Arminia Bielefeld, Borussia Dortmund, dem SC Freiburg, der TSG Hoffenheim und RB Leipzig gestiegen. Gesunken um mehr als 10 Prozent ist es bei Borussia Mönchengladbach, dem SV Werder Bremen und dem FC Schalke 04. Gleiches trifft auf Aufsteiger Greuther Fürth zu.
Es ergibt sich die Anlagendeckungsgrad-Tabelle 2020/21 (in Klammern das Ergebnis vom Vorjahr)
1. TSG Hoffenheim (2.)
2. SC Freiburg (1.)
3. FC Bayern München (3.)
4. Bayer 04 Leverkusen (5.)
5. 1. FSV Mainz 05 (6.)
6. Borussia Dortmund (4.)
7. FC Augsburg (7.)
8. Borussia Mönchengladbach (11.)
9. RB Leipzig (10.)
10. Hertha BSC Berlin (13.)
11. Eintracht Frankfurt (8.)
12. VfL Wolfsburg (15.)
13. VfB Stuttgart (neu)
14. 1. FC Köln (9.)
15. SV Werder Bremen (16.)
16. FC Union Berlin (18.)
17. FC Schalke 04 (17.)
18. Arminia Bielefeld (neu)
Baden dominiert diese Tabelle. Sowohl die TSG Hoffenheim, als auch der SC Freiburg haben einen Deckungsgrad weit über 1 – d.h. die Steine sind also mehr als vollkommen selbst finanziert. Auch der FC Bayern hat eine leichte Überdeckung. Komplett fremdfinanziert, da überschuldet sind die Steine bei der Platz 15 bis 18. Bei Platz 4 bis 7 ist die Mehrheit der Steine eigenfinanziert. Gleiches gilt für Greuther Fürth, während der VfL Bochum mit leichter Überschuldung auf Platz 15 käme.
2. Eigenkapitalquote (Eigenkapital zu Bilanzsumme)
Je höher die Eigenkapitalquote desto mehr finanzielles Engagement bringt der eigene Club auf, sprich desto mehr finanziert sich der Verein selber und desto geringer ist die Chance, dass der Verein pleite geht. Das sind die Rücklagen, die von den Clubs in Bezug auf die Pandemie gefordert wurden, um Krisenzeiten länger als ein paar Wochen durchzustehen. Da kam die finanzielle Spritze durch den Investor bei der Hertha gerade rechtzeitig.
Um die „Größe“ der Clubs miteinander zu vergleichen eignet sich die Bilanzsumme ganz gut. Sie zeigt das Gesamtvermögen eines Unternehmens auf – und gleichzeitig auch das Gesamtkapital, das notwendig ist, um den Laden am Laufen zu halten. Das Verhältnis der Clubs untereinander, das sich unter anderem aus dem finanziellen Gebaren der Vorjahre herleitet, ist auch ganz interessant zu betrachten. Der größte Verein (FC Bayern) ist fast 60-mal größer als der kleinste Verein (Arminia Bielefeld). Trotz Corona konnte Hertha BSC immer noch um fast 50 Prozent wachsen (2019 lag der Zuwachs noch bei 300 Prozent). Ansonsten waren die Steigerungen im Vergleich zum Vorjahr relativ niedrig. Um ein Fünftel legten Union Berlin, Arminia Bielefeld (als Zweitligist), die TSG Hoffenheim, RB Leipzig, Bayer 04 Leverkusen und der VfB Stuttgart (als halber Zweitligist) zu. Um rund ein Viertel sind Eintracht Frankfurt und Werder Bremen geschrumpft. Mainz 05 ist um 5 Prozent gewachsen.
Hinter dem unangefochtenen Spitzenduo aus München und Dortmund (Unterschied aber trotzdem fast 200 Mio. Euro) liegen mit RB Leipzig, Bayer 04 Leverkusen und der TSG Hoffenheim drei Vereine, die sich „traditionell“ auf bekannte Geldgeber stützen können. Der VfL Wolfsburg verliert hier ein wenig den Anschluss und bildet nun mit Borussia Mönchengladbach und der neureichen Hertha ein neues Trio hinter den fünf Platzhirschen. Den Anschluss verliert hier auch immer mehr der FC Schalke 04, der nun eine Vierergruppe mit dem FC Augsburg, der Eintracht und dem VfB Stuttgart im oberen Mittelfeld bildet. Ihr eigenes Biotop haben der SC Freiburg und Mainz 05, gefolgt vom 1. FC Köln. Dahinter liegen der SV Werder Bremen und Union Berlin. Mit weitem Abstand folgt dann Arminia Bielefeld. Die beiden Aufsteiger lägen dazwischen, sprich Bochum in der Bilanzsumme etwas oberhalb der Arminia und Greuther Fürth weist eine etwa halb so große Bilanzsumme wie Arminia Bielefeld auf. Damit ist der FC Bayern 100-mal größer als Greuther Fürth.
Anmerkung: Bei der Bilanzsumme handelt es sich nicht um eine Finanzkennzahl, die ich erst kalkulieren musste. Sie steht auf der Seite der DFL zu Verfügung. Sie bildet nur die Basis, um die Eigenkapitalquote zu ermitteln. Groß bedeutet nicht stark, solide oder solvent. Wenn das so einfach zu ermitteln wäre, dann könnte man sich die Analyse der Kennzahlen mit KPIs auch sparen. Daher fließt die Bilanzsumme als solche nicht in die in Teil 4 zu erstellende Finanz-Bundesliga-Tabelle direkt ein, sondern nur über die Eigenkapitalquote.
Es ergibt sich die Eigenkapitalquote-Tabelle (in Klammern das Ergebnis vom Vorjahr)
1. TSG Hoffenheim (1.)
2. SC Freiburg (2.)
3. Bayern München (4.)
4. Borussia Dortmund (3.)
5. Bayer 04 Leverkusen (5.)
6. 1. FSV Mainz 05 (6.)
7. Borussia Mönchengladbach (7.)
8. FC Augsburg (10.)
9. RB Leipzig (9.)
10. Eintracht Frankfurt (11.)
11. Hertha BSC Berlin (16.)
12. VfB Stuttgart (neu)
13. 1. FC Köln (8.)
14. VfL Wolfsburg (14.)
15. SV Werder Bremen (13,)
16. Arminia Bielefeld (neu)
17. FC Union Berlin (18.)
18. FC Schalke 04 (17.)
Wie beim Anlagendeckungsgrad dominiert Baden die Liga auch bei der Eigenkapitalquote. Die TSG Hoffenheim und der SC Freiburng sind finanziell weiterhin gut aufgestellt . Durch die massive Erhöhung des Eigenkapitals steht die Hertha mittlerweile im Mittelfeld. Die Tabelle der Eigenkapitalquote gibt wohl am ehesten Auskunft auf die Frage, bei welchen Vereinen die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass sie eine neue Einstellung des Spielbetriebs wegen Corona überleben könnten. Daher hat wahrscheinlich auch Union Berlin so auf eine Öffnung der Stadion für die Zuschauer gedrungen, da der Verein finanziell so schlecht darsteht. Für Bremen und Schalke kam der Abstieg einem Desaster gleich. Während Greuther Fürth auf Platz 7 landen würde, käme der leicht überschuldete VfL Bochum auf Platz 15.
Im zweiten Teil der Finanz-Bundesliga-Tabelle 2020/21 wird es unter anderem um die Eigenkapitalrendite (Jahresüberschuss zu Eigenkapital) gehen und zu dramatischen Resultaten wegen Corona führen.