Nullfünf-Sucht süß-sauer

 „Ich bin verrückt nach dir, ich bin verliebt in dich, ich lass dich nie im Stich…“ so sangen wir seit Jahren im Block und drückten damit auch eine gewisse Sucht nach unserem Verein aus. Das mit dem Singen im Block stammt aus einer längst vergangenen Zeit. Damals drehten sich noch viele Diskussionen um das Thema Pyro. In der neuen Normalität des Jahres 2020 hat das Thema Geisterspiele das Thema Pyro als Dauerbrenner (hust) definitiv abgelöst. Keine Sorge – dieser Text beschäftigt sich nicht mit Geisterspielen, Stehplatzverboten, Verboten von Gästefans und Alkoholverbot im Stadion – da ja Mainz 05 an all diesen Punkten nach eigener Aussage nichts ändern kann. Und Beiträge von Fanseite zu diesen Themen sollten meiner Meinung nach tatsächlich lieber von Fanorganisationen wie „Unsere Kurve“ oder „Unser Fußball“ kommen, als über unzählige Blogposts, die ohnehin nichts an der Situation ändern werden.

In diesem Text soll es vielmehr um die Dinge gehen, auf die unser Verein Einfluss nehmen kann. An dieser Stelle soll es auch nicht um den neuen Ausrüster gehen, den sich der Verein doch hoffentlich noch selbst ausgesucht hat – oder wurde dieser womöglich auch einfach so vom Zentralkomitee der DFL aus der Stadt am Nebenfluss zugeteilt?

„Nur für das Trikot“ bzw. den Aufdruck am Ärmel hat ein chinesisches Unternehmen einen 7-stelligen Betrag an Mainz 05 bezahlt…

Es soll auch nicht darum gehen, zu hinterfragen, wer die neuen Trikots hergestellt hat, denn fair gehandelte Trikots gibt es im Profisport bisher eigentlich gar nicht. Und dass unser Verein da mal einen USP hätte heraushauen können, also einen „Unique Selling Point“, der aus Marketing-Sicht so wichtig wäre, ist wahrscheinlich „nicht darstellbar“ – wie es immer so schön heißt. Dass die schön anzusehenden Trikots in China produziert wurden – ebenfalls geschenkt, schließlich wird meine Tastatur, auf der ich diesen Text schreibe, ebenfalls dort produziert und das Unternehmen „vaude“ beweist, dass „Made in China“ nicht gleichbedeutend ist mit menschenunwürdiger Arbeit. Es erstellt vielmehr einen Nachhaltigkeitsbericht, in dem man tatsächlich nachlesen kann, wie die Menschen behandelt werden, die vaude-Produkte herstellen. Mainz 05 könnte seine Popularität nutzen, um den Ausrüster dazu zu bringen, wie vaude einen Nachhaltigkeitsbericht zu publizieren – zumal Kappa mit der Partnerschaft direkt auf der Startseite wirbt und sogar eine eigene Rubrik „Mainz 05“ auf seiner Webseite eingeführt hat. Ist aber sicherlich nicht darstellbar…

Kappa ist in Deutschland ein Tochterunternehmen der Schmidt Group GmbH aus Norderstedt bei Hamburg. Diese schreibt auf ihrer Seite „Die unternehmerische Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt nimmt bei SCHMIDT GROUP GmbH einen hohen Stellenwert ein. Mit unserem nachhaltigen Handeln in der Wertschöpfungskette verbessern wir langfristig die sozialen und ökologischen Kriterien. Unser Bestreben die Umwelt anhaltend zu schützen, treibt uns an, mit unseren Geschäftspartnern Programme zu entwickeln, die dazu führen zukünftig noch mehr Wasser und Energie einzusparen und den ökologischen Standard immer wieder in höchstem Maße erfüllen zu können.“ Von daher habe ich da große Hoffnung, dass sich da in der nächsten Zeit tatsächlich etwas tun wird. Ist vielleicht dann doch darstellbar?

Auf jenen angesprochenen Trikots prangt seit Kurzem das Logo eines neuen Anbieters „fb88.com“. Es geht in diesem Text auch nicht um die Zahlenkombination „88“. Die Bedeutung hat Jan Lehmann, Kaufmännischer Vorstand von Mainz 05, in der Allgemeinen Zeitung Mainz erklärt: Das Unternehmen hat seinen Sitz in China und dort gilt diese Zahlenkombi als Glückssymbol. In eben jenem Artikel wird auch erklärt, dass dieses Unternehmen einen siebenstelligen Betrag an Mainz 05 zahlt, um auf dem Trikot präsent zu sein. Der Verein hätte Lehmann zufolge gerne einem regionalen Anbieter den Vorzug gegeben. Es fand sich jedoch kein Unternehmen, das es sich leisten konnte, so viel Kohle dafür abzudrücken.

Es ist bemerkenswert, mit welcher Offenheit mittlerweile so etwas kommuniziert wird. Spätestens mit Corona hat der knallharte Kapitalismus auch bei Nullfünf Einzug gehalten: Derjenige der am meisten bietet, bekommt den Platz auf dem Trikot. Vorbei die Zeiten, in denen man bei Mainz 05 noch mit einem Piccolo die lokale Unternehmer-Prominenz für ein Engagement bei Nullfünf „ködern“ musste. Dass in diesem Fall der Meistbietende ein Unternehmen ist, das Wetten anbietet, ist dem Verein anscheinend egal.

„Allein unter den Spielsüchtigen, die sich in den Beratungsstellen in Bayern melden, sei der Anteil der Sportwetten-Teilnehmer schon auf knapp über 13 Prozent gestiegen, sagt Konrad Landgraf, Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht.“ in einem Bericht des Bayerischen Rundfunks. Schließlich kann man sich gerade in Corona-Zeiten seine Partner wohl nicht aussuchen. Oder sind chinesische Spielsüchtige egal?

Manche von uns waren vor Corona sicherlich schon mal in Asien unterwegs. Dort ist das Zocken „Volkssport“, so dass einige Länder das Glücksspiel gänzlich verboten haben, wie z.B. Thailand. Da radelte ich 2005 herum und über die Grenze nach Kambodscha. Im Niemandsland war ein riesiges Kasino errichtet worden, in denen die Thais ihre Baht, die thailändische Landeswährung, in aller Ruhe verlieren konnten. Ein paar Tage später konnte ich samstags abends in Siem Reap tatsächlich Bundesliga in einer Open Air Kneipe gucken. Auf dem einen Fernseher lief HSV vs. Hertha – ohne Ton. Schließlich standen da noch ein paar andere Fernseher herum, auf denen Premier League-Spiele übertragen wurden. Ich hatte den Eindruck, ich sei der Einzige, der sich tatsächlich für das Spielgeschehen im Volksparkstadion interessierte. Die Kambodschaner um mich herum, Frauen waren nicht anwesend, wetteten was das Zeug hielt und versenkten ihre hart verdienten Kip, die kambodschanische Landeswährung, mit dem größten Vergnügen. Da der Ton eh abgeschaltet war, würden Geisterspiele der Vermarktung der Bundesliga in Asien garantiert nicht schaden – und eine gefakte Tonspur wäre erst gar nicht nötig. Welch herrliche Verhältnisse aus der Perspektive der Vermarkter.

Laut Lehmann und dem AZ-Artikel „hoffen die Mainzer darauf, im attraktiven asiatischen Markt weiter Fuß zu fassen.“ Und das mit Hilfe eines Wettanbieters, dessen Kunden sich sicherlich bald das rote, das weiße und das goldene Nullfünf-Trikot wegen des farblich herrlich passenden grünen „fb88.com“-Logos darauf kaufen werden.

In eben jenem Bericht des Bayerischen Rundfunks wird auch von einer Suchtberatungsstelle berichtet. Diese wird von der Caritas geführt. Gut möglich, dass im Rahmen von „Mainz 05 hilft e.V.“ auch Gelder an die Caritas fließen. Diese stammen dann auch indirekt vom chinesischen Wettanbieter. Das ist dann eine etwas andere Kreislaufwirtschaft, eine wirklich runde Sache und definitiv darstellbar!

Quellen:

VAUDE CSR-Report – Unsere Produzenten:

https://nachhaltigkeitsbericht.vaude.com/gri/menschen/unsere-produzenten.php

Über uns – Schmidt Group: Eco Facts:

https://www.eco-facts.eu/ueber-uns-schmidt-group

Was steckt hinter dem „FB88“-Deal von Mainz 05?

https://www.allgemeine-zeitung.de/sport/fussball/mainz-05/was-steckt-hinter-dem-fb88-deal-von-mainz-05_22118911

Suchtgefahr bei Sportwetten: Experten schlagen Alarm | BR24

https://www.br.de/nachrichten/bayern/suchtgefahr-bei-sportwetten-experten-schlagen-alarm,ReKMCOz

Und sie hatte recht behalten!

Heut finden die Pokalfinale statt und damit endet die Saison 2019/20 – Relegation ist Mist und zählt nicht 😉 „Endlich!“ werden wahrscheinlich viele von uns sagen. Das ist weitgehend Konsens. Manche Puristen des Spiels, denen Fankultur mindestens egal oder gar suspekt erscheint, die niemals in ein Stadion gehen würden, sondern es als das Normalste der Welt ansehen, das Gekicke von 22 Leuten in aller Ruhe am heimischen Fernsehgerät zu verfolgen, haben eventuell sogar noch nicht genug. Sie sind vielmehr oft der Auffassung, dass das Geschehen auf dem Platz besser zu verfolgen sei, ohne diesen Lärm und diese „Selbstdarstellung“ der Stadiongänger*innen.

So in etwa könnte es nächste Saison im Stadion aussehen – Physial Distancing Saison 2020/21

Dies klingt vielleicht ein bisschen gehässig. Es soll nur verdeutlichen, was diese Leute in den sozialen Netzwerken bezüglich der Geisterspiele in den letzten Wochen verkündet haben. Diese Meinung gilt es zu respektieren. Ein Großteil der Menschen, die sich für Fußball interessieren, haben diese Geisterspiele jedoch als Notlösung angesehen: Um die Fernsehgelder fließen zu lassen, die Saison sportlich zu beenden, den Menschen etwas Abwechslung in der Phase der Einschränkungen zu bieten (kein Scherz), im Gespräch zu bleiben und damit weitere Erlöse zu erzielen etc. Vor dem Re-Start der Bundesliga hat sich andererseits ein Teil der Fußballinteressierten gegen Geisterspiele positioniert. Es ist anzunehmen, dass sich dieser Teil an Menschen hauptsächlich aus Stadiongänger*innen zusammensetzt.

Die DFL musste aber auch von Menschen, die mit Fußball nichts am Hut haben, massive Kritik einstecken. Sie brachte es fertig, die Gesellschaft zu spalten. Am Anfang lief es tatsächlich nicht rund, wenn ich insbesondere die Situation von Dynamo Dresden betrachte, deren Mannschaft wegen einiger Corona-Fälle gleichmal in Quarantäne geschickt wurde und dann innerhalb kürzester Zeit wesentlich mehr Spiele absolvieren musste, als die Konkurrenz.

Aber je länger der Ball wieder rollte, desto leiser wurde die Kritik am Konzept der DFL. Genau das hatte sie sicherlich einkalkuliert. Der Großteil der aktiven Fanszenen hatte sich zum Re-Start, wie zu erwarten war, kritisch positioniert und das Pulver an Argumenten verschossen. Danach verstummten viele Szenen – schließlich war die Saison für diesen Personenkreis im März beendet. Zwar wurde während der Geisterspiel-Phase von „Unsere Kurve“, der Interessengemeinschaft der organisierten Fußballfans, zunächst ein Appell verschickt, auf künstliche Stadionatmosphäre im Fernsehen zu verzichten und mit „Quo vadis, Fußball?“ klare Forderungen zur Veränderung des Profifußballs gestellt. Ebenfalls wurde eine Initiative „Unser Fußball“ ins Leben gerufen, die Vereine und Verbände auffordert, „die Zukunft des Fußballs grundlegend neu zu gestalten – basisnah, nachhaltig und zeitgemäß.“ Aber sind wir ehrlich. Haben wir das alles gelesen? Haben wir es geteilt? Gab es eine virale Welle, die auch diejenigen erreicht hat, die Fankultur „nur so“ mitnehmen, wenn es um schöne Choreos geht oder um tolle karitative Ideen, wie die Gänsje-Aktion, die sich aber sonst nicht wirklich positionieren? Wohl weniger.

Auch zahlreiche Medien ließen, anders als früher, Fanvertreter zu Wort kommen – was tatsächlich anzuerkennen ist. Aber das waren eher Pausenfüller, leider.

Wenn ich ab und an in die sozialen Netzwerke geschaut habe, dann wurde zwar immer mal wieder das Bedauern ausgedrückt, nicht ins Stadion gehen zu dürfen, doch es wurde sich viel lieber mit größter Passion über die Performance der Spieler und den Trainer ausgetauscht – so als wäre nichts passiert. Mit jedem spielbezogenen Post, mit jedem Kommentar und jedem Like konnte sich die DFL bestätigt fühlen. Die oben genannten Initiativen erhielten hingegen von vielen Fußballinteressierten kaum virtuelle Zuwendung. Die DFL hatte tatsächlich Recht behalten. Brot und Spiele hat schon vor 2000 Jahren wunderbar funktioniert. Es lenkt wunderbar ab, von den Diskussionen, die vor dem Re-Start allenthalben geführt wurden. Ja, der Fußball müsse sich verändern. Kaum ging es aber los, war wieder eine verpasste Chance im Geisterspiel, eine Fehlentscheidung oder der allseits beliebte VAR das Thema der Stunde. Zum Ende der Saison ging es dann darum, dass einige Vereine wohl keine Ehre mehr hätten, da sie wahlweise gegen Mainz und Hoffenheim oder gegen Bremen sich so lustlos präsentiert hätten. Und wie war das mit Dynamo, wie oben beschrieben? War das ein sportlich fairer Umgang seitens der DFL? Das nur mal am Rande! Scheint aber nicht mehr wirklich interessiert zu haben.

Und für viele Fans, die nie auswärts fahren hatte sich in der Tat nicht viel verändert – höchstens, dass anfangs das Auswärtsspiel auf dem heimischen Sofa und nicht in der Lieblingskneipe mit Pay-TV-Vertrag geschaut werden konnte. Aber zum Ende der Saison war für viele fast alles wieder ganz normal – außer für die Stadiongänger*innen, die auch auswärts fahren.

Und jetzt? Es ist Sommerpause und es wird daran getüftelt, wie es in der nächsten Saison weitergehen kann. Reine Geisterspiele will natürlich außer den oben genannten Puristen niemand. Daher wird es irgendwann in der Saison 2020/21 darauf hinauslaufen, dass Zuschauer wieder dabei sind. Welche Restriktionen ihnen auferlegt werden, wie z.B. ein Verbot zu singen, zu pöbeln und zu grölen, wie in den Niederlanden, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass die volle Kapazität an Zuschauern im Stadion unrealistisch ist. Dadurch werden sicherlich auch nicht alle Inhaber*innen einer Dauerkarte in den Genuss der Spiele kommen. Stehplätze werden sicherlich wie bei Europapokalspielen in Sitzplätze umgewandelt und die Tickets werden mit Sicherheit personalisiert, damit die Zuschauer*innen nachverfolgt werden können, falls es zu Ansteckungen kam. Es wird zu Verlosungen von Tickets kommen. Ob es so krass wird, wie in der Schweiz, bei der die Hälfte der Kontingente an Sponsoren und andere VIP geht, bleibt abzuwarten. Wenn allerdings, wie in der Schweiz, auf Gästekontingente verzichtet wird, dann hat sich der Fußball und das Stadionerlebnis tatsächlich massiv verändert – ob zum Guten oder zum Schlechten bleibt jedem selbst überlassen. Das kann ja dann vom heimischen Sofa aus wunderbar in den sozialen Netzwerken kommentiert werden – zwischen den beiden Halbzeiten als Pausenfüller, während in der Glotze Werbung läuft…

Quellen:

Quo vadis, Fußball? • Unsere Kurve

Unser Fussball – basisnah, nachhaltig und zukunftsfähig – Unser Fussball

Wie Fans in der Schweiz auf Öffnung der Stadien reagierten – Faszination Fankurve

Faires Händewaschen, ja bitte!

Teil 3 – Nachhaltige Handhygiene und mehr

„Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“ stellte kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe statt. Dieser Satz ist in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gerückt. Schließlich wurden Reisen in der Debatte um den Klimaschutz relativ oft auf Ausflüge mit dem Billigflieger nach Malle reduziert. Dass wir beim Reisen unser Bewusstsein mit unseren Sinnen erweitern, Vorurteile abbauen und die Einheimischen vor Ort mit unserem Geld unterstützen und damit letztlich Fluchtursachen bekämpfen, ist in der Klimadebatte komplett untergegangen. Nun ist die Klimadebatte selbst fast vom Bildschirm verschwunden. Mittlerweile dreht sich nun vieles um Verhaltensweisen, die für Reisende bereits vor der aktuellen Krise selbstverständlich waren: Es geht um das Tragen von Masken, das „Hamstern“ von Klorollen, das gründliche Händewaschen und die regelmäßige Auffrischung von Impfungen. Gleichzeitig wird in dieser besonderen Zeit an Solidarität, Disziplin und Respekt appelliert, sprich an ein faires Verhalten den Mitmenschen gegenüber. Rund um die vier genannten Punkte ergeben sich meiner Meinung nach Möglichkeiten, faires Agieren mit sinnvollen Veränderungen des eigenen Verhaltens im Alltag zu kombinieren. Und vielleicht eignen sich manche Verhaltensweisen auch für den Alltag nach der Krise.

In den ersten beiden Teilen dieser Serie widmete ich mich dem Umgang mit Masken und Toilettenpapier. Erstere sind in vielen Weltgegenden bereits vor Covid-19 Standard gewesen. Letzteres gibt es in vielen Regionen unserer Erde gar nicht zu kaufen. Das bedeutet natürlich nicht, dass es in anderen Kulturen unhygienisch zugeht – nur hygienisch auf eine andere Art und Weise. Durch die Verwendung von fair produzierten Masken und anderen Stoffprodukten aus Bio-Baumwolle bzw. die Nutzung von Toilettenpapier auf Recycling- oder Bambus-Basis lässt sich währende und nach der Krise fair konsumieren.

Händewaschen liegt mittlerweile voll im Trend – als Nebeneffekt können wir uns mit anderen Menschen sogar solidarisieren und sie während Covid-19 besonders unterstützen.

Teilweise ging es außerhalb Deutschlands bis zum Ausbruch von Covid-19 sogar ein Stück weit hygienischer zu. Dafür müssen wir nur ein paar Kilometer über die hoffentlich bald wieder geöffnete deutsch-französische Grenze fahren. Bestellten wir dort oder auch in Baku (Aserbaidschan) während des Aufenthalts für das EuropaLeague-Auswärtsspiel bei Qäbälä ein Eis in der Waffel, wurde es in einer kleinen Papiertüte um die Eiswaffel gereicht. Wer sich an die letzten Sommer bei uns erinnert, weiß, dass in den meisten Fällen die Eiskugeln in der Eiswaffel landeten und die Eisverkäufer*innen uns die Waffel mit den bloßen Händen überreichte. Danach wurde mit ihnen abkassiert und die dreckigen Münzen in Empfang genommen, ehe wieder mit den bloßen Händen die nächste Waffel befüllt wurde. Oder nehmen wir den Gang bei uns zur Bäckerei. Auch dort wurde bis dato oft das Brötchen oder Teilchen mit den bloßen Händen angefasst und in die Tüte gesteckt. Auch hier geht es im Ausland bereits seit Jahren oft hygienischer vor, indem Backwaren mit Handschuhen angegriffen werden und eine andere Person abkassierte oder die Handschuhe auf einem sauberen Platz abgelegt wurden, ehe es an das Abkassieren ging. Mittlerweile gibt es auch bei uns unter anderem für Eisdielen und Bäckereien strengere Hygieneauflagen und die genannten ganz simplen Standards, die ich von meinen Reisen her kannte, sind bei uns endlich auch Usus.

Eistüten werden nun auch in Mainz in einer Papiertüte serviert. Schließlich können die Eisverkäufer*innen sich nicht nach jeder verkauften Tüte die Hände waschen.

In vielen Ländern der Welt sind Messer, Gabel und Stäbchen natürlich nicht vollkommen unbekannt, liegen aber eigentlich nicht im Trend, um die leckeren Speisen zu verzehren. Besteck ist dort einfach kein Teil der Esskultur. In Südindien beispielsweise werden viele Currys mit Reis auf einem Bananenblatt ziemlich umweltfreundlich serviert: kein Einweggeschirr, kein Einwegbesteck, keine Servietten. Da das Essen mit der rechten Hand zum Mund geführt wird, ist es vollkommen normal, dass man sich spätestens nach dem Bestellen im Restaurant die Hände gründlich mit Seife wäscht. Denn die Hemmschwelle mit dreckigen Fingern zu Essen liegt natürlich wesentlich niedriger, wenn man kein Besteck zur Hand hat als mit dreckigen Fingern Messer und Gabel zu nutzen. In vielen Ländern der Welt wird auch Fladenbrot zum Essen gereicht, zum Beispiel in den arabischen Ländern. Auch dort brechen die Menschen vor dem Essen vom Tisch auf, um sich die Hände vor dem Essen nochmal gründlich zu reinigen. Auch nach dem Essen ist es vollkommen normal sich die Hände wieder mit Seife zu waschen. Schließlich möchte man natürlich nicht, dass man auch Stunden später am Geruch der Hände erkennen kann, was es zu Mittag oder zum Abendessen gab. Daher gibt es Wasserhähne mit Seife meistens sogar im Speiseraum selbst und nicht nur im Bad.

Essen ohne Besteck ist in Südindien normal. Daher wäscht man sich hier schon immer gründlich vorher und nachher die Hände.

Dass wir uns alle mittlerweile öfter die Hände waschen und Bäckereien und Eisdielen jetzt auch beim Verkauf noch etwas mehr auf Hygiene achten ist prima. Doch leider korreliert Covid-19 nicht nur mit verbesserter Hygiene, sondern auch mit viel mehr Müll. Ich war beispielsweise diese Woche beim Frisör. Wurde bisher mein Oberkörper mit einem Stofftuch abgedeckt, kam jetzt eine Einweg-Plastikfolie zum Einsatz. Theoretisch könnte man das Stofftuch nach dem Gebrauch auch einfach in die Waschmaschine stecken, es bei 60 Grad waschen, und/oder bügeln und es bedenkenlos wiederverwenden. Und natürlich wollte ich in der Zeit, als die Restaurants geschlossen waren, auch die Mainzer Lokale unterstützen und habe „To-Go“ bestellt. Leider wurden viele Speisen in Einwegplastik geliefert – was sich natürlich auch nicht immer vermeiden lässt, wenn Sößchen mitgeliefert werden. Aber ständig Pizza im Pappkarton zu bestellen, war mir ehrlich gesagt des Guten zu viel. Aber beim Händewaschen ist es ziemlich einfach auf Plastik zu verzichten.

Um die Hände gründlich zu reinigen ist Seife ein Muss, da durch die Inhaltsstoffe Bakterien und Viren abgetötet werden. Die ersten die eine Art Seife herstellten waren die Sumerer im heutigen Irak vor 4500 Jahren. Aber auch die Germanen kamen schon auf den Trichter, sich mit Seife zu reinigen. Erfinder der festen Seife, so wie wir sie heute kennen, waren die Araber im 7. Jahrhundert n. Chr. Die bis dahin verwendete Pottasche wurde durch gebrannten Kalk ersetzt, um der Seife ihre Festigkeit zu verleihen. Auch in Europa wurde die Seife der Renner, genauso wie Badehäuser.

Feste Seife ist billiger und besser für die Umwelt. Beim Kauf einer share-Seife wird gleichzeitig eine Seife an eine Organisation gespendet. Über den QR-Code erfährst Du wohin…

Es war eine Epidemie, die dem Seifenkonsum den zwischenzeitlichen Garaus machte. Da man damals nicht wusste, dass die dreckigen Gossen der Nährboden für Pest und Cholera waren, nahmen die Menschen an, das Wasser sei daran schuld. Daher bevorzugte man für viele Jahrzehnte die Trockenwäsche mit Puder. Das Ergebnis: die Pest raffte zirka 25 Prozent der damaligen Bevölkerung Europas dahin. Das Wissen um die Hygiene ließ die Seife ab dem frühen 19. Jahrhundert wieder zu alten Höhenflügen ansetzen. Leider wird das klassische Seifenstück mehr und mehr durch Flüssigseife ersetzt. Diese wird eigentlich immer in Plastikbehältnissen verkauft, wohingegen das Seifenstück bis heute in einer Pappverpackung daherkommt. Die Waschleistung ist bei beiden Produkten identisch. Allerdings ist die Flüssigseife deutlich teurer. Es gibt also eigentlich keinen ersichtlichen Grund, die Umwelt mit Flüssigseifenverpackungen aus Plastik zu belasten. Auch Nachfüllpackungen aus recycelter Plastik sind da nur Greenwashing. Mittlerweile gibt es sogar festes Duschgel und Shampoo aus Naturkosmetik – z.B. auch in den großen Drogeriemarktketten.

Wer sich noch einen Tick nachhaltiger die Hände waschen möchte, dem seien zum Beispiel die „share“ Produkte empfohlen, die es bereits in einer Supermarkt- und Drogeriemarktkette gibt. Zwar bietet „share“ ebenfalls Flüssigseife an, aber eben auch die klassischen Seifenstücke. „Share“ heißt auf Deutsch teilen. Das ist das Prinzip bei allen „share“ Produkten. Wir kaufen zum Beispiel ein Stück Seife. Dadurch spendet „share“ ein Stück Seife an Hilfsbedürftige. „share“ definiert dies als so genannten „sozialen Konsum“. Die Zutaten stammen aus nachhaltigen Quellen und auf jeder Packung können wir mit Hilfe eines QR-Codes nachvollziehen, wohin unser geteiltes Produkt geht. Es werden Initiativen in Deutschland und weltweit unterstützt. Gerade Seife ist in vielen Teilen der Welt keine Selbstverständlichkeit und für manche sogar ein Luxusgut. Daher hat zum Beispiel „Helfende Hände für Nepal Mainz e.V.“ bei den gepackten Notpaketen für Bedürftige in Nepal auch immer Seifen beigefügt. Zwei dieser Pakete konnten wir durch den Erlös mit den Turnbeuteln, den Soulbottles und meinen Büchern im Direktverkauf im April 2020 finanzieren.

Der Kauf der o.g. Seife unterstützt Kinder in Uganda bei der Handhygiene.

Es bieten sich uns also tatsächlich Möglichkeiten, hygienisch einwandfrei durchs Leben zu ziehen und dabei sogar noch grenzenlose Solidarität beim Einkauf im Supermarkt walten zu lassen und auf eine faire Art und Weise unsere Hände zu waschen.

Quellen:

„Die Geschichte der Seife“: https://www.ndr.de/geschichte/Die-Geschichte-der-Seife,seife196.html

„Teilen für eine bessere Welt“: https://www.share.eu/

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Bilder: Meenzer-on-Tour, Pixabay

Teil 1: Fairmummung, ja bitte!

Teil 2: Faire Geschäfte erledigen, ja bitte!