Osteuropa 2007 2. Teil

Dobre Den,

auch der schönste Aufenthalt muss einmal zu Ende gehen und so kehrte ich L’viv mit meinem Drahtesel den Rücken, um auf Entdeckungstour in der Ukraine genauer gesagt in Galizien zu gehen. Denn dieses riesige Land ist aus vielen verschiedenen Regionen zusammengesetzt und diese haben oftmals soviel gemein wie Bayern und Ostfriesland. Galizien ist eine Region, die mittlerweile zwischen Polen und der Ukraine geteilt ist. Diese Region war bis auf ein Jahr nach dem ersten Weltkrieg nie unabhängig. Seine Blüte hatte Galizien, als es zum Habsburger Reich der Österreicher gehörte, also bis zum 1. Weltkrieg. Aus dieser Zeit ist auch der Grossteil der Bausubstanz in L’viv noch zu bestaunen – und der Palatschinken, die Sachertorte und der Kaffee schmecken auch noch im 21. Jahrhundert extrem gut. Aber wie gesagt, irgendwann musste mal Schluss sein mit dem Genießen, der Völlerei und ich wollte nun endlich das Land mit dem Rad entdecken.

Ein letztes Mal quälte ich mich den Kessel von L’viv auf dem unebenen Kopfsteinpflaster empor und war verwundert, dass ich gleich auf die richtige Ausfallstrasse gelangt war. Mittlerweile bin ich des kyrillisch Lesens einigermaßen mächtig und die Beschilderung außerhalb von L’viv ist auch tatsächlich äußerst akkurat. Das ist eine interessante Begebenheit in diesem Land, denn es pendelt permanent zwischen 1. und 3. Welt hin und her: 

Die Strassen ändern ihr Gesicht etwa sooft wie dies eines Mainz 05 Fans während einem Spiel. Mal ist alles perfekt und ein paar Minuten später befindet man sich wieder in der totalen Depression. Die Straßen sind oft ein Flickenteppich sondergleichen, der eher an eine mit Aufnähern überzogene Fan-Kutte erinnert, als an ein Transportweg, der die Beförderung von Waren und Personen einwandfrei garantieren soll. Manche Hinweise muss man auch erst mal richtig interpretieren, wie bspw. Zweige, die aus einer riesigen Pfütze rausragen. Dies bedeutet: Achtung hier fehlt der Kanaldeckel… Zum Glück hatte ich diese bizarren Warnhinweise bereits einmal im trockenen Straßenzustand vorher gesehen. Meine liebste Freundin auf der Strasse war die Spurrille. Dies befindet sich meist ca. 30 Zentimeter vom Randstreifen Richtung Fahrbahnmitte und ragt in gewellter Form bis zu 20 Zentimeter in die Höhe. Auf diesem Abschnitt kann ich dann relativ beruhigt Rad fahren, da diese Rillen von den Autofahrern immer gemieden werden. Rechts des Randstreifen franst die Strasse wie ein von Mäusen angeknabberter Keks aus, so dass ich dort unmöglich fahren kann. Manchmal weiche ich allerdings auf den Schotter noch etwas weiter rechts aus, weil der Teerzustand am Straßenrand noch schlechter für das Weiterrollen wäre als der unbefestigte Untergrund. Von daher träume ich meist von den herrlichen Straßenzuständen in Südostasien. 

Ich glaube, dass die sog. 2. Welt sich tatsächlich dadurch zeigt, dass sie viele Teile der ersten bereits adaptiert hat, aber oftmals dies mit Dingen oder Gewohnheiten der sog. 3. Welt kombiniert wird: Der Geldwechsel, früher in Osteuropa durch Zwangsumtausch ein Horror, geschieht hier ganz einfach an Geldautomaten, die es etwa so häufig hier gibt, wie bei uns Zigarettenautomaten. Auf die Cash-Maschinen wird sogar auf Verkehrsschildern (Bankomat aber in Kyrillisch) hingewiesen. Außerdem gibt es überall Geldwechselstellen, so dass die monetäre Versorgung mit der lokalen Währung Hryvnia tatsächlich theoretisch prima ist. Aber viele Geldautomaten sind kaputt, einige akzeptieren die Karte einfach nicht und manche haben nicht genug Geld im Automat… 

Oder das Geschäftemachen. Es gibt den besten Lavazza-Kaffee, die leckersten Torten etc. aber nicht zum Frühstück außerhalb des Hotels, denn morgens ist die Ukraine noch am schlafen. Die Cafes machen erst um 10.00 Uhr auf. Eine Frühstückskultur existiert nicht. Das macht den Start in den Tag in diesem Land zum Horror, wenn ich mir Brot, Käse und Wasser vom Vortag als Frühstück im Zimmer hineinziehen muss, um genügend Kalorien fürs Radeln zu sammeln, da mein Hotel keine Lust hat Frühstück anzubieten. Das Wort „Service“ ist hier eine chamäleonartige Definition: Manches Personal lebt noch zu Zeiten von Hammer und Sichel und ist Meister im Übersehen, Dösen und Nichtbeachten. Aber viele Ukrainer sind sehr um mein Wohlbefinden bemüht. Das ging bei Vitaly, Bed and Breakfast Besitzer, Fremdenführer und fließend Deutsch sprechender Kosmopolit soweit, dass er mir einen riesigen Rabatt aufs Übernachten gab, da er es einfach schön fand, dass ich sein Land erradele. 

Das Übernachten in den gewöhnlichen Hotels ist wieder eine andere Geschichte. Hostels gibt es nur in ein paar Städten und Hotels sind nur ab ca. 30 Euro die Nacht zu ergattern. Den Hotel-Standard gerade mit Südostasien zu vergleichen, wäre der reinste Horror. Die Aufgänge und Bauten protzen nur so von Grandeur, aber die Zimmer sind mit Rausch-TV und oft ohne WC ausgestattet. Aber alles ist wenigstens sauber und darauf kommt es mir ja am meisten an. Oftmals habe ich den Eindruck, dass es an einem Ort immer noch nur ein Hotel gibt, das dann etwa soviel Gäste empfangen kann, wie unser Bruchwegstadion. Der Typ Homo Sapiens Turisticus wurde wohl in der Sowjetunion ebenfalls zwangskollektiviert – alle Touris in die eine Bettenburg alias Hotel-Kolchose. Und dann gibt es dort noch die besondere Jobbeschaffung. Eingecheckt wird an der Rezeption. Dort erhalte ich dann einen Zettel mit dem Stockwerk drauf. Die nicht gerade vertrauenserweckenden Aufzüge lasse ich links liegen und hechele mit dem Gepäck die pompösen Treppen hinauf. In meinem Stockwerk angekommen sitzt dann im günstigsten Fall eine Babuschka und händigt mir gegen Vorlage des Zettels den Schlüssel aus. Willkommen in der Sowjet-Bürokratie!!!

Das Internet ist auch so eine Sache. Mal DSL, mal Modem aus der Generation 0.0 analog, so dass das Schreiben hier auch manches Mal zum Abenteuer wird, da die Computer kurz vor dem Abstürzen sind – aber Flachbildschirm und Funkmaus, das muss schon sein. Tja und eben gerade ist die Internetverbindung total unterbrochen und alles bisher geschriebenen mal wieder verschwunden. „This is Ukraine“ sagt mein Nachbar im Internetcafe und was soll ich da noch antworten…

Und dass es in diesem Land extrem Reiche gibt, die zum Teil mit der S-Klasse aus der Meisterstadt oder monströsen US-Hummer-Vehikeln durch die Gegend düsen und extrem Arme, die mit Kutschen über Land zuckeln, ist uns ja bereits zur Genüge bekannt. Man bedenke nur, dass wir uns in Deutschland über Schalke 04 (zu Recht) aufregen, da die jetzt das Geld von der russischen Gazprom in den Hintern geblasen bekommen – aber hier bekommt der Club Schachtjor (deutsch Kumpel) Donetsk einfach mal vom reichsten Mann der Ukraine ein Stadion für 200 Mio. US-Dollar hingestellt – um dem Rivalen Dynamo Kiew Paroli zu bieten. Ha, aber Schachtjor hat zum Glück gerade das Pokalfinale gegen Kiew verloren. Hihi diese Werksvereine kriegen es zum Glück auch hier nicht auf die Reihe, wie bei uns der VfL Golfsburg und die Pillendreher aus Leverkusen. 

Das Radeln über die Landstrasse von L’viv nach Ivano-Frankivsk war relativ anstrengend, da die Ukraine nicht flach sondern sehr hügelig ist. Damit war aber auch die Landschaft sehr schön anzusehen. Es ging an Wiesen und Wäldern, kleinen mäandernden Bächen und an Viechern aller Art entlang nach Süden. Irgendwann musste ich dann mal Mittagessen. In einem kleinen Ort kam ich in die Kneipe mit null Ukrainisch Kenntnissen. Aber irgendwie einigten die Bedienung und ich uns auf einen Eintopf. In meinem Reiseführer fand ich dann auch das Wort für Schweinefleisch, das ich in dem Eintopf wieder finden wollte. Es wurden mir noch ein paar kulinarische Vokabeln an den Kopf geworden und ich antwortete der Einfachheit halber mit „da da da“ heißt „ja, ja, ja“. Nach und nach kamen dann ein deftiger Eintopf, Schweinegeschnetzeltes und Kartoffelbrei auf den Tisch. Ich hatte einfach alles bestellt und platzte fast nachdem ich alles aufgegessen hatte. Sind die Hotelpreise gesalzen ist das Essen extrem günstig und somit war dieses „All U can order and eat“ auf ukrainisch finanziell verkraftbar. 

Unterwegs auf der Strasse läuft das Leben wie in Südostasien ab. Überall gibt es kleine Tante Emma Läden, die IMMER auf haben. Dort kann ich Kekse, leckere Schokolade, Säfte und Wasser kaufen. Die Ukraine hat eine unübersichtliche Auswahl an leckerem Sprudel. Das Brot ist entweder ein Laib Weizen oder Roggen und ähnlich gut wie in Deutschland tja und das Bier ist mit 0,30 Euro sehr kundenfreundlich preislich platziert. Überall ist dieser Stoff zu bekommen. Bspw. am Kiosk als Wegbier, was gerade die amerikanischen Peace Corps Volunteers, die hier überall 2 Jahre Sozialdienst leisten, in Verzückung versetzt, da es in den USA undenkbar wäre. Und es wird überall von allen konsumiert. Die ukrainische Fahne besteht aus den Farben Hellblau und Goldgelb die für das fruchtbare Getreide, das hier wächst und den blauen Himmel stehen sollen. Ich würde eher sagen sie stehen für Gerstensaft und den Gemütszustand mancher ukrainischen Bewohner. Die oft nassen Boeden der Kneipen sind auch weniger einer übereifrigen Reinemachefrau zu verdanken als vielmehr den Suffnasen, die permanent schwankend wankend ihr Wodkagläschen verschütten. Die Torkelnden finde ich nahezu ausschließlich in der Kneipe wo sie relativ friedlich ab und zu das Geschirr zerdeppern aber anscheinend werden sie in solchem Zustand nicht mehr auf die Strasse gelassen, denn dort ist mir noch niemand entgegen gefallen. Eigentlich gibt es dabei doch leckere Speisen, um eine Grundlage zu schaffen. Varenyky sind mein absoluter Energiespender. Dies sind so eine Art Maultaschen mit Hüttenkäse gefüllt und werden mit Sauerrahm serviert. Oder Reibekuchen mit Fleisch gefüllt und mit Sauerrahm serviert. Oder Banosch: Das ist so eine Art Polenta als kleine Pyramiden mit…Sauerrahm serviert oder Borscht. Das ist DIE Speise in der Ukraine. Nein, sagt man hier, Borscht ist ukrainisch, nicht polnisch, nicht russisch! Diese Rote-Beete-Suppe wird mit was serviert? Logisch mit Sauerrahm und ist sehr sehr lecker. Es gibt wohl über 300 Rezepte die Suppe zusammenzustellen aber immer mit… Und für Karnivoren gibt es leckere, zarte Hähnchenbrust sowie Schaschlik mit was serviert? Ihr könnt es Euch ja denken…

Auf der Fahrt nach Ivano-Frankivsk bin ich dann auch der globalisierten Krönung begegnet. Denn in einem Kiosk wurde ich von den Damen gleich mal auf einen Kaffee eingeladen. Dieser stammt von Jacobs. Das Produkt heißt hier allerdings Monarch und die Leute kippen das Pulver direkt ins Glas hinein. Das Resultat schmeckt dann wie ein türkischer Mokka und weder diesen noch die Krönung hätte ich irgendwie in der ukrainischen Pampa erwartet. Nachdem ich bereits über acht Stunden am Radeln war, zog dann das mittlerweile täglich einsetzende Gewitter auf und ich bin der Sowjetzeit mal wieder dankbar gewesen. Alle paar Kilometer existieren Bushaltestellen mit einem schönen Dach zum Unterstellen. So wartete ich den Platzregen mit ein paar radelenden Zeitgenossen in der Haltestelle in trockenem Zustand ab, während die Jungs aus ihrem Handy „Offspring“ dudeln ließen, was natürlich exakt meinem Musikgeschmack entsprach. 

Zweiradfahrer sind mit seit dieser Begegnung eigentlich kaum noch aufgefallen. Es gibt hier keine Mofas und eigentlich auch keine Proleten die wie bei uns auf den Käffern damit herumgurken. Überhaupt habe ich hier noch keine ätzenden Typen ausmachen können. Die meisten Menschen beachten mich nicht weiter. Manche Bierrunde am Straßenrand grölt irgendetwas mir hinterher, was sich aber nicht aggressiv anhört. Manche zücken ihr Photohandy und machen ein paar Schnappschüsse aber sonst radele ich meist ungestört über das Land. 

Nach 140 Kilometern erreichte ich Ivano-Frankivsk und ich fragte mich, wie man seine Stadt einfach mal so nach einem der zwei Volkshelden der Ukraine benennen kann. Ivano Franko schrieb in seinen Büchern bis zu seinem Tod 1916 über die Missstände in der Ukraine und landete dadurch zeitweise im Knast. Um die Ukrainer zu besänftigen, die seit dem Ende des 2. Weltkriegs in der Sowjetzeit für eine unabhängige Ukraine zu kämpfen, schleimten die Sowjets sich 1962 ein und benannten Stanislaviv einfach um. Es ist wohl die einzige Stadt in der ehemaligen Sowjetunion, deren Umbenennung auch heute noch besteht. Wenn unser Mohamed Zidan in der Winterpause dann von Hamburg wieder zu uns wechselt, weil er den Hub Stevens nicht so wie den Kloppo herzen darf, könnten wir uns das ja auch mal überlegen. Dann müssten wenigstens bei uns die Nummernschilder nicht ausgetauscht werden. 

Die Stadt hat mich in ihrem Aussehen wie L’viv überrascht, denn das Zentrum war ebenfalls mit seinen Häusern aus der Habsburgerzeit sehr attraktiv. Nur der gigantische Flachbildschirm auf dem Marktplatz auf dem Freddie Mercury „The show must go on!“ sang, dieser passte in dieses österreichische Flair nicht ganz so hinein. Nach einer kurzen Stadtbesichtigung fuhr ich weiter nach Süden in das Karpaten-Gebirge hinein. Immer öfter begegnete ich Pferdefuhrwerken und die Kühe erinnerten mich an ihre Artgenossen in Indien. Schließlich blockierten sie seelenruhig die Strassen und grasten überall herum: im Vorgarten, im Wald, am Fahrbahnrand. Werden in anderen Ländern Hunde Gassi geführt, übernimmt hier die Kuh dieses Ritual. Die Alten nehmen den Vierbeiner oft an die Leine und wandern mit ihm durch Pampa. Hunde streunen hingegen im gepflegten Zustand immer quer durch die übrigens sehr sauberen Innenstädte. 

Im Gewitterregen erreichte ich dann mein nächstes Etappenziel – einen Wintersportort mit Skisprungschanze. Dass man hier im Winter Ski fahren kann, war mir vor dieser Reise auch nicht bewusst, aber als ich am nächsten Tag bei der Besteigung des höchsten Berg der Ukraine Schneewechten sah, war ich doch davon überzeugt, dass dies wohl möglich ist. Zum Ausgangspunkt meiner Wanderung musste ich ein Taxi nehmen. Anders als in allen anderen Ländern dieser Welt, musste ich auf ein Taxi warten. Taxifahrer haben hier den angenehmen Verhaltenskodex Touris nicht permanent anzulabern, ob sie denn nicht ein Taxi bräuchten. Nachdem ich eine halbe Stunde im Dorf gewartet hatte, sprang ich in die Strasse und hielt den alten klapperigen Golf an. Der Fahrpreis war fair und fest – allerdings nicht das Boxenkabel. Dieses musste erst vor der Fahrt noch mal richtig mit den Lautsprechern verbunden werden, so dass mir beim Start fast die Ohren mit „Evanescence“ davonflogen. Danach gab es auf der halbstündigen Fahrt ukrainischen Rap zu hören. Heruntergelassene Bahnschranken sind hier nur zum Slalom üben im Sommer da und ruckzuck war ich am Fuße der Hoverla angelangt. 

Mit zwei Ukrainern die ich auf der Strecke traf, liefen wir die knapp 1.000 Höhenmeter diesen Hügel hoch, der aber doch immerhin 2.060 Meter über dem Meer trohnt. Gesehen haben wir anfangs nichts, da wir total in den Wolken und im Platzregen marschierten. Irgendwann hatte Petrus ein Einsehen und es bot sich dann doch noch ein schöner Blick auf die Hügelkette der ukrainischen Karpaten. Beim Abstieg musste ich unwillkürlich an Malaysia denken, denn der Weg verlief sich wieder im Unterholz. Meine ukrainischen Gefährten wollten querfeldein gehen, doch ich ging mit ihnen wieder hinauf und fand schließlich den eigentlich gut markierten Weg wieder. Hier wäre es mir eindeutig zu ungemütlich gewesen, mal wieder zwei Nächte unfreiwillig am Bergbach zu nächtigen. Die Jungs revanchierten sich mit der Mitnahme in ihrer Skoda-Limousine zurück ins Kaff und ersparten mir 20 Kilometer Rückmarsch. 

Am folgenden Tag rollte ich dann über zwei Pässe durch die Berge weiter nach Osten. Dieses Gebiet wird auch als Wald-Karpaten bezeichnet und stellt einerseits den Mittelpunkt Europas dar und andererseits eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete des Kontinents. Mich erinnerte das Ganze vor allem an das Münstertal im Schwarzwald. Allerdings rennen da die Mädels sicherlich nicht in so aufreizenden Klamotten durch die Gegend. In jedem Dorf waren die Kinder und Jugendlichen in trachtenähnlichen Uniformen an diesem Tag gekleidet. Allerdings gehen Röcke bei Trachten und Schuluniformen normalerweise doch deutlich über das Knie hinaus. Ich kam mir vor, als ob ich 110 Kilometer lang durch ein frühes Brittney Spears Video gefahren wäre mit diesen etwas zu beinbetonten Miniröckchen. Später erfuhr ich, dass der 31. Mai der letzte Schultag im Schuljahr ist und daher die Kids so rausgeputzt waren. Hm andere Länder andere Sitten…

Die Strassen in den Karpaten sind sicherlich mit die schlechtesten auf unserem Kontinent. Zum Teil fehlt auch mal die Hälfte der Strasse oder sie ist mit Kies bedeckt. Beim Ruckeln auf den letzten drei bis vierhundert Kilometern muss dann eine Schraube sich gelockert haben. Auf jeden Fall gab es plötzlich einen Knall und ich merkte, dass etwas in die Hinterradspeichen kam und das Rad blockierte. Irgendwie konnte ich den Drahtesel noch lenken und stoppen. Dann merkte ich dass die eine Hinterradtasche abgeflogen ist. Aber ich hatte dieses Mal wirklich riesiges Glück: Die betroffene Speiche war nur etwa lädiert. Ich zog sie fest und damit war dieser Radteil wieder repariert. Um die Schraube zu ersetzen, nahm ich eine halbwegs überflüssig vom Hinterradreflektor, da meine Taschen auch Reflektoren hatten und so war die Tasche in fünf Minuten wieder auf dem ebenfalls verbeulten Gepäckträger wieder angebracht und ich konnte weiterrollen.

Mittlerweile bin ich in Czernowitz (Cernivci) am Ostrand der Karpaten eingetroffen. Dies ist das Tor zu einer neuen Region Europas: der Bukovina.

Osteuropa 2007

Mittlerweile bin ich ein paar Tage im größten Land Europas mit dem Rad unterwegs und bin von diesem unbekannten Platz auf Erden wirklich fasziniert. Angefangen hatte mal wieder alles mit der Landung in einem mir fremden Land. Schon der Touchdown mit der Embraer 175 von LOT Polish Airlines ließ vermuten, dass Teer in der Ukraine eher ein rares Gut ist, denn ich wurde wie ein Caipi richtig durchgeschüttelt. Dann hielt der Flieger mitten in der Pampa – wo war eigentlich das Terminal? Dieses fand sich dann mit dem Bus recht schnell – erinnerte aber in seinem Aussehen von außen eher einer Oper, mit dem Kuppelgewölbe und den antiken Säulenarkaden. Von innen hatte dieses Gebäude anno dazumal eher den Anschein ein Wartesaal eines Kuhkaff-Bahnhofs zu sein. Dort auf den Bänken verteilte dann die Frau Offizieren, in Stöckelschuh und Militär-Mini-Rock-Uniform die Einreisekärtchen. Die Einreise verläuft für uns EU-Bürger seit 2005 visafrei, was einen Visa-Muffel wie mich erst dazu verleitet hat, hierher zu düsen. Nach dem ich meinen Einreisestempel bekommen hatte, wartete ich mit dem Dutzend Mitreisender auf das Gepäck. Wo war eigentlich das Gepäckband. 

Hm, da der ganze Airport vielleicht so groß war wie ein 16-Meter-Raum im Stadion, gab es dazu natürlich gar kein Platz. Eine Klappe ging auf und dann wurde die Koffer durch diese in das Gebäude gereicht. Mit zwei Packtaschen und Velo quetsche ich mich dann zum Ausgang. Doch halt, hatte ich eine Bescheinigung über Krankenversicherung dabei, wurde ich gefragt. Natürlich nicht – also musste ich 5 Euro zahlen, und werde dafür aber hier nun im Krankheitsfall kostenlos medizinisch versorgt. 

Auf dem Vorplatz setzte ich mein Velo dann zusammen und es hatte den Anschein, dass nichts kaputt gegangen war. So radelte ich Richtung Innenstadt los und musste sofort feststellen, dass es erstens kaum Hinweisschilder gibt und wenn, dann sind diese in Kyrillisch verfasst. Die Strasse mutierte mit dem Erreichen der Außenbezirke von L’viv (russisch Lwow, deutsch Lemberg) zum Schlimmsten was ich in meinem Leben als Strasse habe definieren dürfen. Da wäre zunächst das Kopfsteinpflaster zu nennen, was an sich bereits nicht gerade zum Dahingleiten führt, aber wenn die Quader unterschiedlich hoch, die Fugen breiter als der Reifen sind und dann noch kleine Sanddünen das Ganze garnieren, ist an einfaches daher radeln schon nicht mehr zu denken. Dummerweise liegt L’viv auch noch in einem Kessel, so dass das bergab bzw. bergauf fahren wirklich zur Qual wird. Dazu kommt noch die Tatsache, dass Verwerfungen, Bodenwellen und omnipräsente Straßenbahnschienen, sowie in Fahrtrichtung angelegte Kanaldeckelspalten das ganze Unternehme zu einer äußert delikaten Angelegenheit machen. Wenn es dann noch einen Gewitterplatzregen gibt und man die Untiefen der Pfützen nicht mehr schätzen kann, dann bin ich in der Hölle der Radler angekommen. 

Außerdem haben mich die Parkgewohnheiten der Einwohner bis zu meiner Abfahrt immer wieder irritiert. Da man wegen der Straßenbahn nicht am Rand sein Vehikel abstellen kann, lässt man es einfach in der Fahrbahnmitte stehen. Den immer sich auf der Hut befindenden Radler macht solcher stehender Verkehr natürlich nervös, denn wer rechnet schon damit, dass das Auto nicht im nächsten Moment davon braust und eventuell mir in die Quere kommt. 

Die scheinbar nur noch aus Spachtel bestehenden Straßenbahnen tun ihr übriges, nicht oder nur kaum vorwärts zu kommen. Diese elektrischen Dinosaurier sehen besonders eigenartig aus, da auf Ihnen nur für High-Tech-Produkte geworben wird: Digi-Cams, Intel inside (aber nicht in der Bahn) und fesche NIKE Klamotten. Man könnte meinen die Retro-Welle hätte dieses Land erreicht – doch hier ist vieles noch immer so, wie es lange Zeit gewesen ist. 

Lange Zeit war auch ich nicht mehr im Sattel und aufgrund der genannten kontraproduktiven Radler-Infrastruktur fühlte ich mich auf den Strassen von L’viv zum ersten Mal als Radler tatsächlich überfordert: Bangkok, Marseille, Ha Noi waren alles Städte, die sich recht einfach durchradeln ließen – vor allem im vergleich mit dieser west-ukrainischen Stadt. Bei der Hotelsuche stellte ich plötzlich fest, dass meine Pedale eierte – so wie vor einem halben Jahr in Laos. Aber dieses Mal war es nicht die Pedale, denn die laotische hatte ich schon im Januar gegen eine neue japanische Hightech getauscht – nein es war aus mir unerklärlichen Gründen die Kurbel, denn das Gewinde war völlig abgerieben. Wie passiert so etwas? Keine Ahnung, wirklich nicht. Nur nach 11 km Radeln so eine Panne und das in der Ukraine ist mehr als dämlich. 

Ich hatte bereits mein Hostel vergeblich eine Stunde lang gesucht und nahm erstmal das nächst beste Hotel – ein renovierter schöner Kasten aus der Sowjetzeit mit pompösen Treppenaufgang und drei Meter hohen Decken. Eine nette Sache ist hier im Tiefen Osten Europas der Job des Türstehers, der anscheinend 24 Stunden am Tag sich am Hoteleingang um alles kümmert. Der Rentner ließ gegen kleines Bakschisch meinen kaputten Drahtesel in einem Nebenraum verschwinden, besorgte mir eine gute Karte der Stadt und zeigte mir, wo mein gesuchtes Hostel sich befand. Reiseführer über die Ukraine haben gerade eine Halbwertszeit von einem Fußballspiel, denn die meisten darin aufgelisteten Hotels sind zu – und die Hostels noch nicht drin. 

Ich buchte im Hostel meine folgenden Nächte und das ukrainische, englisch sprechende Hotelpersonal nannte mir eine Adresse eines Radladens. Diesen suchte ich mit einem Taxi und dem Rad im Kofferraum (gegen gutes Bakschisch) am nächsten Morgen auf. Der Laden hätte auch in Deutschland als gut ausgestattet gegolten und nach zwei Stunden hatte ich eine neue Kurbel und die Radreise ging nun doch nicht nach den legendären 11 km zu Ende. Eigentlich hätte ich mir nun die schöne Stadt angeguckt, doch im Hostel trifft man ja immer interessante Leute und so endeten wir in einem Biergarten im Herzen der wunderschönen, japanerfreien Altstadt. Das Leute beobachten ist natürlich immer lustig und die Ukrainerinnen mit ihren High-Heels übers Kopfsteinpflaster daher stolzieren zu sehen war auf jeden Fall es war fürs Auge. Die Stadt ist eigentlich ein einziger Cat Walk für knappe Röcke, figurbetonte Blusen und 16:9-formatige Sonnenbrillen.

Abends führte uns unser Weg in die Clubs der Stadt, um mal zu schauen, wie die Kids hier rocken gehen. Nun ja es war eigentlich alles sehr gediegen und entspannt. Die Vortänzerinnen auf den Tischen erinnerten mich mit ihren Fetzenkostümen an die wohl zurzeit bekannteste Tochter der Stadt: Ruslana, die 2004 den Grand Prix gewann – ihr erinnert Euch? 

Am nächsten Tag hatte ich dann endlich die Muse, die Stadt – natürlich zu Fuß – zu entdecken. Anders als viele so genannte Städte mit toller Altstadt, existiert in L’viv nicht ein klitzekleiner renoviertes Quartier, das von hässlichen Gebäuden umgeben ist. Nein, die ganze Stadt ist ein Juwel mit alter Bausubstanz, hübschen italienisch anmutenden Innenhöfen und reich verzierten Fassaden. Stalin und die Plattenbau-Connection zogen ihren Baustil außerhalb des Kessels hoch und tatsächlich ist praktisch kein hässlicher Betonklotz in dieses Paradies gesetzt worden. So sah wohl auch mal Prag aus, bevor es von uns Touris nach der Wende erstürmt wurde…

Skandinavien 2004 letzter Teil

Goddag,  

oder hallo aus  71°10’21“N oder dem angeblich nördlichsten Punkt Europas – oder noch ehrlicher Guten Morgen aus Mainz! Nach 40stündiger Odyssee vom Nordkap – mit dem Widerøe Bus wegen geschlossenem Flughafen nach Hammerfest –  mit einer Propellerkiste nach Tromsø und dreimal „Stehen bleiben“ und Fahrrad-Fetzen nach – Oslo in den Flughafenwald zum Zelten – und mit „There’s no better way to fly“-Lufhansa nach Frankfurt bin ich wieder auf dem 50. Breitengrad gelandet und reif für die Insel.  

Wie harmonisch hatte dagegen diese Woche für mich in Sapmi, dem Land der Sami am finnischen Inari-See angefangen. Außer ein paar Mücken, die ich mit dem alles bezeichnenden finnischen „Hyttys“ Spray Marke „OFF!“ sehr schnell loswurde, hatte ich dort oben einen angenehmen Ruhetag und endlich mal wieder die Gelegenheit zum Schreiben vom Teil 2.  

Die anschließende Fahrt in Richtung Nordwesten zur norwegischen Grenze brachte eine Neuerung mit: Wind! Da ich bisher praktisch nur durch Wald fuhr, gab es keinen Gegen- oder Rückenwind, der meine Geschwindigkeit irgendwie beeinflusste. Nun auf der Hochlandfläche von Sapmi (Lappland) hatte ich zum 1. Mal mit Gegenwind und Böen zu kämpfen. Gerade Seitenwindböen sind nicht gerade die angenehmsten Naturphänomene, da ich durch sie oft zur Straßenmitte „geweht“ wurde. Wie angenehm war es dann in Finnland zu radeln, wo sich die Autofahrer im Großen und Ganzen sehr rücksichtsvoll Radlern gegenüber verhalten: Man wird als Verkehrsteilnehmer wahrgenommen…und respektiert. Daher wird im großen Sicherheitsabstand überholt und ich wurde nie geschnitten.  

Die Fahrt über die Hochlandebene erweiterte mit einem Mal auch meinen Horizont, der in den letzten 13 Tagen lediglich 3 Meter nach links und rechts bis an den Straßen- bzw. Waldrand reichte. Statt Wald gab’s jetzt Sümpfe und Moore, die das Landschaftsbild bis an den kilometerweit entfernten Horizont prägten. Nun wurde der finnische Name für Finnland „Suomi“ endlich einmal Wahrheit, denn es bedeutet nichts anderes als Sumpf. Finnland selbst kommt wohl vom lateinischen „Fenia“, und bedeutet ebenfalls Sumpf.  

Nach 13 meist wunderschönen und oft sonnigen Radel-Tagen hatte ich den 1.720 km langen „Sumpf“ durchquert und mit Norwegen wieder festen Boden unter den Füßen. Kaum im Land der Fjorde und Berge angekommen, ging es auch schon steil bergan auf eine karge Hochfläche. In kleinen Senken wuchsen die letzten Kiefern und Birken. Da es ca. 25° C im Schatten waren, die Sonne mittlerweile 24 Stunden am Tag schien, kam ich mir mehr wie am Mittelmeer vor, als in der Polarregion. Diese warmen Temperaturen sind im Landesinneren von Nordnorwegen im Sommer durchaus normal – allerdings wird’s im Winter auch normalerweise bis ca. – 45°C  kalt. Durch die klare Luft waren schon die Fjorde umgebenden kahlen Berge des Eismeeres, das noch fast 100 km entfernt war, zu sehen. Je weiter ich nach Norden fuhr, desto weniger verkrüppelte Bäumchen säumten den Weg.  

Neben Fjorden ist Norwegen sicherlich für Lachs bekannt und Lakselv (norwegisch Lachsfluss), der erste Ort nach 74 km des Radelns vom Grenzort Karasjok zum Eismeer machte seinem Namen gleich alle Ehre. Auf dem Dorffest räucherten die Fischer den frisch gefangenen Lachs direkt auf der Gasse und für 3,50 € gab es eine Riesenportion Filet auf den Teller. Endlich mal keine Pasta zum Futtern und mein kulinarisches Desaster, was ich wegen dem etwas arg hohen Preisniveau in Norwegen befürchtet hatte, wurde abgewendet.  

Bisher war diese Radtour problemlos verlaufen, doch kurz vor meinem Ziel, wurde ich vor ein besonderes Problem gestellt: Da Norweger straßenbautechnisch sicherlich die fortschrittlichsten Zeitgenossen auf unserem Planeten sind, bauen sie in diesem bergigen, mit Fjorden durchzogenen Land, Brücken, steile Straßen und leider auch Tunnels en masse. Ein paar hundert Meter durch einen stinkenden Tunnel zu radeln ist sicherlich o.k., aber wie sieht es mit einem fast 7 km langen Tunnel aus, der 212 Meter unter der Meeresoberfläche verläuft und extrem eng ist? Offiziell war die Durchfahrt durch den sog. Nordkapptunnellen für Radler verboten – doch das heißt in Norwegen nicht sonderlich viel. Da ich niemanden getroffen hatte, der dieses stinkende Abenteuer per Velo durchgestanden hatte, musste ich eine Alternative finden. Diese bestand letzten Endes darin, eine kleine Nebenstraße für ca. 100 km zu nehmen, und dann mit dem Postschiff auf die Nordkappinsel Magerøya zu fahren.

Dumm nur, dass das Schiff nur einmal täglich fährt, und dies morgens um 9:45 und mir diese Alternative erst am Abend zuvor um 19:00 einfiel. Da ich irgendwann einmal wieder nach Hause musste, blieb mir nicht viel anderes übrig, als nach 128 gefahrenen Kilometern noch schnell abends die 100 km zum Fährhafen zurückzulegen.  

Aber gibt es was schöneres als freitags nachts um Mitternacht bei Sonnenschein eine kurvenreiche kleine Straße von Fjord zu Fjord entlang zu radeln auf der kein einziges Auto fährt? 5 km vor dem Kaff – es gab auf den 100 km sonst keines – stellte ich mein Zelt neben der Straße auf, denn es störte ja eh niemanden, dank des Jedermansrechts in Skandinavien. Dies besagt, dass jeder auf öffentlichem Land sich zu jeder Zeit aufhalten darf – dies schließt das Zelten glücklicherweise ein. Mit 228 km in den Beinen und einem aus Finnland importierten Dosenbier im Kopf schlummerte ich sofort ein.  

Die Fahrt mit dem Postschiff, das zwischen Bergen im Südwesten Norwegens und Kirkenes an der Grenze zu Russland im Nordosten des Landes pendelt war äußerst angenehm. Das Rad wurde im Frachtraum deponiert und ich hielt mich im Café am Kaffee fest, während die Felskulisse der Eismeerküste an mir vorüber zog. Nach 2 Stunden Fahrt war ich in Honningsvåg, dem Hauptort der Nordkappinsel angekommen. Nach weiteren 34 km extrem bergiger Straße hatte ich dann das Ziel meiner Reise erreicht: Vom Nordkappfelsen aus blickte ich bei strahlendem Sonnenschein auf das ruhig daliegende Eismeer hinaus. Ich hatte jetzt den nördlichsten mit dem Rad anfahrbaren Punkt Europas erreicht – aber Europa endet nicht am Nordkap, wenn man Spitzbergen, das 1.200 km weiter nördlich liegt, zum Kontinent der griechischen Fußballhelden zählt. 2.016 km lagen seit meiner Abfahrt vor exakt 2 Wochen hinter mir und ich dachte mir, das ganze war ja eigentlich bis auf den einen Regentag in Mittelfinnland ganz easy…doch man soll ja nie den Tag vor dem Abend loben!  

Eigentlich wollte ich vom Nordkap aus via Tromsø und Oslo nach Frankfurt fliegen. Per Zufall erfuhr ich, dass das Radar am Flughafen Nordkap kaputt sei und dies seit einer Woche. Das Ersatzteil kommt aus Oslo – irgendwann und bis dahin bleibt der Flughafen geschlossen. Nun setzte die Fluggesellschaft Widerøe, die hier oben mit kleinen Propellerkisten (Dash 8) herumschwirrt, zweimal täglich einen Bus ins dreieinhalb Stunden entfernte Hammerfest ein, wie ich im Internet herausbekam, denn der Flughafen war bis auf ein verirrtes japanisches Ehepaar ausgestorben. Ich wollte ja eigentlich erst am Folgetag fliegen, aber ruckzuck fuhr ich zum Campingplatz, packte meine Sachen  und fuhr zum Flughafen zurück. Irgendwann kam ein Angestellter in Jeans und T-Shirt und meinte der Bus käme gleich. Gesagt getan, der Bus kam und statt zu fliegen rollten wir los. Weit kamen wir nicht, da es so heiß war und Rentiere schlaue Viecher sind. Um sich vor der Sonne zu schützen, lungerten Dutzende Tiere am Tunneleingang herum und blockierten diesen. Auf Hupen reagieren diese Wesen nur mit vollkommener Ignoranz, so dass der Busfahrer aussteigen musste und wie von der Tarantel gestochen laut brüllend in die Herde rannte. Aha…so sah wohl einmal ein Wikingerüberfall aus!!! Na ja, das Gebrülle und Herumlaufen verfehlte seine Wirkung schließlich nicht und weiter ging’s zum Flughafen Hammerfest, wo wir direkt ohne jegliche Sicherheitskontrolle ins Flugzeug nach Tromsø verfrachtet wurden.

Nach einer nicht geplanten Übernachtung im hübschen Tromsø sollte es dann am nächsten Morgen weitergehen, doch nichts ging, da die nächsten drei Maschinen alle voll waren. Nach jedem vollen Flug, auf dem ich nicht mitkam, musste ich erneut einchecken und meine Gepäcketiketts wurden jedes Mal gewechselt, so dass ich die gesamte Belegschaft (mit Schichtwechsel) von Scandinavian Airlines in Tromsø  kennen lernte. Beim vierten Versuch (siehe Mainz 05) klappte mein „Aufstieg“ in die Boeing 737 von Braathens Airlines und ich kam schließlich statt am Mittag halt am Abend in Oslo an. Dumm nur, dass mein Rad diesen Flug nicht so heil überstanden hat. Das gesamte Hinterrad ist völlig verzogen, so als wäre eine ganze Meute Wikinger mit ihren Booten drübergerudert, und ich konnte das Rad nicht mehr bewegen. Shit happens… denn auch der letzt Flug nach Frankfurt war schon weg.  

Also das Rad in die Gepäckaufbewahrung und ich in die Büsche vom Oslo Airport. Denn der Flughafen ist 50 km von der norwegischen Hauptstadt entfernt und in Norwegen herrscht ja das Jedermannsrecht und Wald gibt’s am Oslo Airport genug. Mit meinen Radtaschen beladen, schlug ich mich hinter dem Frachtgebäude in die Büsche und verbrachte ein mehr oder weniger ruhige Nacht neben der Start- und Landebahn, denn leider herrscht hier kein Nachtflugverbot.  

Der Lufthansa sei Dank bin ich nun wieder heil und munter in Meenz am Rhein angekommen und freue mich von Euch zu hören.