Vielleicht habt Ihr über Hoi An, wo die letzte Mail endete, gerade vor 3 Wochen etwas in der Zeitung gelesen. Wenn nicht, habt Ihr nichts verpasst, denn dort wurde berichtet, dass die gesamte Stadt wegen Hochwasser zu 80% vom Einsturz bedroht ist. Bis jetzt ist hier noch nichts eingestürzt und wenn ich den Einheimischen Glauben schenken darf, kommt das mit dem Hochwasser öfters vor und war nicht einfach mal die Sensation von Ende November 2004. Ein Grund mehr, unseren Medien etwas kritisch(er) gegenüber zu sein, wie ich finde.
Hoi An ist eine alte Hafenstadt, die seit dem 2. Jhdt. Handel mit ganz Ostasien und bis zum Nahen Osten trieb. Dementsprechend sind viele edle Handelshäuser von reichen chinesischen und japanischen Kaufleuten im Laufe der Jahrhunderte errichtet worden. Wegen der jährlichen Hochwasser wurde im letzten Jahrhundert der Hafen in die Millionenstadt Da Nang verlegt und Hoi An schlummerte von da an im Dornröschen-Schlaf, ehe die UNESCO es zum Weltkulturerbe erklärt hatte und wir Touristen auf der Bühne erschienen. Das angenehmste an der Stadt ist das autofreie Zentrum, in dem sogar die Mofas geschoben werden müssen. Was wäre die tropische Welt um einiges schöner, wenn motorisierte Vehikel aus den Innenstädten allgemein verbannt werden würden? Ich genoss die Ruhe und nahm die Spezialität der Stadt in Anspruch: Hier soll es versierte Schneiderinnen geben und in der Tat sind diese im imitieren westlichen Kleidergeschmacks sehr geschickt. Von irgendwoher bekamen sie einen britischen Versandhauskatalog und ich konnte den Schnitt aus den bunten Seiten wählen, während die Stoffe in großen Ballen im Laden lagen. Dann wurde noch auf meine Spezialwünsche wie Taschenanzahl, -verschluss und -größe eingegangen, ehe ich gründlich vermessen wurde. Das gute Stück wurde mir bis zum nächsten Tag natürlich geschneidert und war überpünktlich fertig! In der Zwischenzeit machte ich einen Tagesausflug zu einem anderen Weltkulturerbe nach My Son.
Diese alte Ruinenstadt ist vielleicht die unbekannteste unter den südostasiatischen alten Metropolen, wie Angkor in Kambodscha, Ayuttayha in Thailand, Bagan in Myanmar und Borobodur in Indonesien. Aber dafür war sie am längsten besiedelt. Bevor die Vietnamesen von Norden her das heutige Südvietnam besiedelten, waren hier die Cham des Königreiches Champa seit dem 2. Jhdt. n. Chr. heimisch. Diese kamen in Kontakt mit indischen Seefahrern und wurden zum Großteil Hindus. My Son war ein religiöses Zentrum der Cham und hat eine ähnliche Lage wie die Mayastadt Palenque in Chiapas, Mexiko: Die Ruinen, zum Teil bis heute vom dichten Grün überwuchert, erheben sich vor einer ebenfalls grünen Hügellandschaft. Morgens um halb neun war ich nach 2-stündiger Radtour, der erste Besucher und hatte die mystische Stimmung für mich alleine. Der umgebende Regenwald dampfte noch vom Dauerregen der in der Nacht heruntergeprasselt war. Nebelschwaden durchzogen das Ruinenfeld und die grünen Hügel verschwanden in den weißen Wolken. Leider ist ein Grossteil der Stadt anders als die anderen Ruinenstädte Südostasiens völlig verwüstet. Die Gebäude, die zum Teil aus dem 10. Jhdt. stammen, wurden während des „amerikanischen Kriegs“ von der US Luftwaffe einem Dauerbombardement ausgesetzt, da sich Viet Cong in den Tempeln verschanzt hatten.
Archäologen von höchstem Rang intervenierten damals bei US-Präsident Nixon, der die US Truppen veranlasste, My Son nicht mehr zu bombardieren, Viet Cong aber weiterhin zu töten. Noch heute ist es angeblich lebensgefährlich abseits der Trampelpfade herumzuirren, da überall noch Minen und Bomben herumliegen.
Gerade als die erste Touristengruppe ankam und ich von diesen äußerst unfreundlich aufgenommen wurde, da ich versehentlich quer durchs Bild der zwei Dutzend Digitalkameras lief, war mein Besuchsprogramm „beendet“, und ich konnte gemütlich wieder nach Hoi An zurückfahren und mein Rad vom schlammigsten Teil meiner Reise befreien. Viet Nam baut anscheinend nicht nur im Norden sondern auch hier permanent neue Strassen und daher fuhr ich wieder kilometerlang durch Baustellen, die nach dem Dauerregen natürlich eine einzige Schlammpiste waren. Manches Mal waren die Schlammlöcher so tief, dass ich bis zur Kette bzw. zur Achse der Räder im Schlamm vorwärts zuckelte. Nach diesem Schlammbad war ich froh, dass mein Hotel einen Gartenschlauch besaß und die Dusche wie übrigens in ganz Vietnam bisher immer funktionierte.
Überhaupt ist Vietnam wesentlich „zivilisierter“, als ich es vorher angenommen habe. Bei uns gilt das Land als sog. „Entwicklungsland“. Im Gegensatz zu den meisten anderen so kategorisierten Ländern ist Vietnam aber ein Exot, da zum Beispiel der Müll nicht permanent in die Strassen gekippt wird. Vielmehr sehe ich hier oft Müllabfuhren westlichen Standards oder Straßenkehrer, die alles blitzblank sauber machen. Die Betelnuss, die sich in Südostasien eigentlich in jedem Mund zum Kauen befindet, wird nur noch von den Alten auf dem Land gekaut. Dementsprechend ist hier, im Gegensatz zu Myanmar oder Indonesien, die Gasse auch nicht ständig mit roter Spucke verdreckt. Überhaupt spucken VietnamesInnen im Gegensatz den ChinesInnen überhaupt nicht. Vielmehr fahren hier viele mit Mundschutz durch die Gegend, um sich vor den Abgasen der Mofas und Trucks zu schützen, aber auch um hellhäutig zu bleiben, denn ein heller Teint ist das Schönheitsmerkmal vietnamesischer Frauen!
Selbst geraucht wird hier relativ wenig, in Asien wahrlich eine Ausnahme. Lediglich die ganz alten Damen, deren Gesicht schon völlig mit Falten durchsetzt ist, paffen riesige Zigarren, selbst hinten auf dem Motorrad! Das sieht echt grotesk aus und ich muss immer schmunzeln, wenn ich die Ladies qualmen sehe! Innerlich grinsen muss ich auch, wenn die VietnamesInnen mir abends ein Bier servieren, das nicht richtig kalt ist: Ich bekomme das Bier ins Glas gekippt und mit Eiswürfeln aufgefüllt! Oder vietnamesisches Fast Food ist noch schneller als McDonald’s und Co.: Einmal hatte ich gerade Platz genommen und da stand schon das Essen auf dem Tisch, denn in diesem Etablissement gibt es den ganzen Tag nur eine Mahlzeit, die COM GA heißt und die Spezialität der Provinz Quang Ngai ist. Vielleicht erinnert Ihr Euch noch eine Pollo y arroz Phobie (Hühnchen mit Reis) aus Ecuador? Nun ja COM GA ist genau das: Hühnchen mit Reis – aber die SüdamerikanerInnen sollten mal nach Vietnam fahren, um Pollo y arroz kochen zu lernen: Die Hühnchenbrust kommt ohne Knochen, der Reis ist mit Safran gewürzt. Dazu gibt es eingelegtes Gemüse und das ganze schmeckt wirklich gut!
Ich verließ das autofreie Hoi An, um weiter auf dem Quôc Lô 1 (QL1), dem National Highway 1 weiter nach Süden zu fahren. Kaum hatte ich mich wieder an den Verkehr gewöhnt, wurde das Radeln auf dem QL1 etwas unangenehmer. Da die Medien mit dem Hochwasser nicht ganz unrecht hatten, waren über mehr als 50 Kilometer weite Teile des QL1 von einer Schlammschicht bedeckt, und es wird wohl noch Wochen dauern, bis diese wieder weggeräumt ist. Der ansonsten auf dem QL1 übliche Seitenstreifen fehlte, so dass das Fahren neben stinkenden röhrenden LKWs, hupenden dröhnenden Bussen, noch lauter hupenden Minibussen, flitzenden Pkws, überladenen Mofas und im Schneckentempo fahrende RadlerInnen etwas ermüdend, und ich hoffte permanent auf eine Änderung dieser Situation. Es war wirklich anstrengend, hundert Meter auf sehr guter Strasse zu fahren und dann in eine finnische Seenplatte von Schlaglöchern abzutauchen und mir den Weg hindurchzubahnen. Doch schließlich erreichte ich immer das rettende Ufer in Form eines weiteren Stücks guter Strasse und bald machte ich eine neue positive Erfahrung mit dem Straßenbau in Vietnam: Man konstruiert jetzt sogar Umgehungsstrassen um die Städte! Was bei uns seit Jahrzehnten Bürgerinitiativen für und gegen Umgehungen auf den Plan ruft, wird hier einfach ins Reisfeld gebaut, und keiner fährt drauf ab!
Die chaotischen Hupbusse heizen lieber mit 80 km/h durch die Ortschaften und bringen deren Bewohner entweder ins Jenseits oder zumindest einen Hörschaden zu, denn nur in den Städten und Dörfern können sie neue Passagiere aufgabeln und den Bus mit menschlichem Frachtgut noch voller laden. Die Mofas und wenigen privaten PKW befinden sich wohl auch nur für den lokalen Gebrauch auf der Strasse, so dass ich manches Mal einen vierspurigen Highway für mich alleine habe, denn sogar die LKWs fahren sehr selten auf dieser autobahnähnlichen vierspurigen Strasse!
In der Mittagszeit ist für den motorisierten Verkehrsteilnehmer auch trotz Dauerhupens in den Ortschaften aber kein Durchkommen, denn dann sind die Verkehrsadern von tausenden von RadfahrerInnen in Form von Schulkindern und StudentInnen blockiert. Ganz Lärm-Vietnam wird von Lern-Vietnam blockiert, da alle Rad fahren. Dadurch gibt es hier auch keine übergewichtigen Game Boy spielenden Rumlunger-Kids, sondern nur die fitte mobile Asia Version! Die Uniform der Studentinnen ist in vielen Schulen noch der „ao dai“, das traditionelle Kleidungsstück der vietnamesischen Dame! Das Kleid ist ein elegantes Stück Seide das vorne und hinten beim Radfahren über den Sattel hängt und von daher immer mit der Hand am Lenker gehalten wird. Die Mädels, natürlich vermummt um ja nicht braun zu werden und mit Hütchen auf dem Kopf, fahren wie Prinzessinnen kerzengerade noch über die schlammigste Piste mit einer Eleganz, bei der ich mir mit meinen Shorts und T-Shirt ganz schön fehl gekleidet vorkomme!
Zur Eleganz passen in dieses herrliche Land auch die wunderbaren Kaffeepavillons, die meist einen eigenen kleinen Garten mit Springbrunnen und künstlichem Fluss besitzen und in denen man den vorzüglichen Kaffee made in Vietnam kosten kann! Der Kaffee schmeckt zwar anders als bei uns und das liegt nicht daran, dass man diesen hier meist in einer Konzentration zu sich nimmt, bei der im Vergleich ein Espresso zu Nescafé wird. Auch genießt man die schwarze Flüssigkeit meist aus einem Longdrinkglas oder Whiskeyglas auf dem der Kaffee in einem speziellen Gefäß vor Deinen Augen durchläuft. Dazu werden Eiswürfel gereicht, denn VietnamesInnen lieben den eiskalten Koffeinschock! Bezahlt wird nach Tässchen, wobei eine Tasse etwa einem Fingerhut des schwarzen Golds entspricht.
Ein Vorteil, als Radler unterwegs zu sein, liegt in der Tatsache, dass man Essen in den abgelegendsten Käffern zu sich nimmt und die Leute Touristen wahrscheinlich äußerst selten begegnen. Anders als in touristischen Gegend (hauptsächlich außerhalb von Vietnam) zahlt man als Ausländer oft das Doppelte oder Dreifache des Preises, den ein Einheimischer zahlt. Hier scheint das wirklich noch anders zu sein. Für umgerechnet 0,38 Euro bekam ich das folgende Menu in Binh Dinh zusammengestellt: Manioksuppe, ein Kännchen grüner Tee, All-U-Can-Eat Reis, einen Teller Gemüse, einen Teller Tofu und zwei kleine Steaks! Mir ist es manches Mal fast unangenehm, diese Preise zu bezahlen, aber den Leuten etwas mehr zu geben, ist vielleicht auch falsch. Also mache ich mich mit einem Lächeln aus dem Staub und bin von der Ehrlichkeit der Menschen in diesem Land ein weiteres Mal sehr angetan.
Weniger angetan bin ich von dem Wetter, denn hier ist es oft alles andere als trocken. Die Sonne kam diese Woche bis Mittwoch etwa so oft zum Vorschein, wie ein Sieg von Mainz 05 während meiner Abwesenheit vom Bruchwegstadion – also gar nicht. Am Samstag konnte ich dann wenigstens mit den vietnamesischen Fußballfans gemeinsam traurig sein, denn auch Vietnam hat gegen Indonesien 3 zu 0 verloren. Ich kam in meine Fußballkneipe einige Minuten zu spät, hatte aber praktisch auf dem gesamten Weg immer die Möglichkeit, das Spiel zu sehen, da JEDES Haus offen stand und in fast jedem Haus die Menschen gebannt auf den Fernseher starrten. Vom Kleinkind bis zum Greis fasziniert hier die Menschen das runde Leder! Der Kneipenwirt war anfangs im Zwiespalt, denn bei meinem Erscheinen wusste er, dass der Radfahrer hungrig ist und Kohle verdient werden kann, aber es spielt doch Vietnam. Ich bestellte aber zunächst nur ein Bierchen und machte ihm klar, dass er das Spiel gucken soll und danach das Futter richten kann. Darauf gab es bis zum 1 zu 0 mehrere Runden Reisschnaps, Erdnüsse und Wassermelone aufs Haus! Fußballfans müssen doch wohl zusammenhalten und Prioritäten setzen, oder?
Besser als im Fußball sind VietnamesInnen im Badminton, das immer und überall gespielt wird. Viele öffentliche Plätze, Parkplätze und sonstige ebene Flächen sind mit Farbmarkierungen übersäht, die das Spielfeld markieren. Das Netz, den Federball und die Schläger bringen die Leute selbst mit und spielen dann mitten im Gewühl. Volleyball wird zwischen auf Dock gelegten Fischerbooten am Strand gespielt und Fußball sogar manchmal im feuchten Reisefeld, meist auf dem omnipräsenten Fußballacker oder in der Strasse, wobei die Mädels meistens das Hochhalten in der Gruppe mit einem Indiaca-ähnlichen Ding spielen. Einen Actionsport der Marke Total Durchgeknallt üben hier einige Kids auf den QL1 aus. Bei Steigungen bei denen die LKWs mit ca. 30 km/h hoch kriechen hängen sie sich mit ihren Fahrrädern dran. Dieses LKW-Surfen war mir doch eine Nummer zu gefährlich. Aber Mofa-Surfen war auch des Öfteren angesagt, in dem ich dem Mofafahrer im Windschatten hinterher geradelt bin, während er versuchte an mir sein Englisch mit den Standardfragen „What is your name? Where do you come from? Are you married?“ aufzufrischen. Manchmal erhalte ich auch eine Sondereskorte insbesondere nach Schulschluss. Dann radeln vor mir mindestens 3 Kids, links und rechts mindestens jeweils eines und hinter mir der Rest. Dieser Bienenschwarm zuckelt dann durchs Ländle, und die Kids versuchen mit mir auf vietnamesisch zu kommunizieren, was mit ein paar Schlagworten, die ich mittlerweile gelernt habe, auch zur Belustigung aller funktioniert.
Diese Unbeschwertheit der heutigen Jugend steht im krassen Gegensatz zur jüngeren Geschichte der vorhergehenden Generation. Der Küstenstreifen Südostvietnams war im 20. Jhdt. immer ein Widerstandsnest gegen die fremden Mächte Frankreich und USA. Im amerikanischen Krieg wurde das Dorf My Lai auf schockierende Art und Weise berühmt, da die 504 Einwohner meist Frauen, Kinder und Alte von US-Soldaten allesamt am Morgen des 16. März 1968 getötet wurden, da die Amerikaner vermuteten, dass die Einwohner die Viet Cong, die südvietnamesische Guerilla unterstützten. Meist blieb den Einwohnern der Dörfer damals gar nichts anderes übrig, da die Rachefeldzüge der Viet Cong bei „Nichtkooperation“ genauso grausam waren, wie dieses Massaker. Das Geschehene wäre wohl nicht an die Öffentlichkeit geraten, wenn nicht einige Soldaten nach der Rückkehr in die Heimat, von diesem Tag berichtet hätten. Erst mehr als ein Jahr später kam dieses Kriegsverbrechen in Weltpresse. Ein Leutnant wurde in den USA zu lebenslänglichem Gefängnis 1971 durch ein Kriegsgericht verurteilt, aber bereits 1974 wieder freigelassen.
Am Platz des damaligen Dorfes steht ein unscheinbares Denkmal, wie es sich in vielen südvietnamesischen Orten zum Gedenken an die Opfer des Krieges gibt. Ich habe aber den Eindruck, dass die Menschen hier das Geschehene hinter sich lassen möchten und gegenüber dem ehemaligen Feind keinerlei Ressentiments mehr zeigen. Die USA hat ihr Wirtschaftsembargo gegen Vietnam vor 10 Jahren aufgehoben. Es gibt nun auch gemeinsame Forschungsprojekte bspw. wir untersucht, ob die damals versprühten Giftstoffe wie Agent Orange (wegen der Farbe der Behälter) zu Miss- und Fehlgeburten führen.
Die damals verantwortlichen amerikanischen Politiker haben den Krieg als Fehler mittlerweile bezeichnet, Reparationszahlungen an Vietnam blieben dennoch aus. Aber es gibt auch Amerikaner die aktiver in der Vergangenheitsbewältigung sind, wie beispielsweise die Organisatoren des My Lai Peace Park Projects. Ein unscheinbares Pappschild in den Reisfeldern hat mich auf dieses Projekt aufmerksam gemacht, das von einem Vietnamveteran geleitet wird. Heute sind insbesondere die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den ehemaligen Feinden wieder im Aufwind. Coca-Cola folgte Pepsi schon kurz nach Aufhebung des Embargos. Ich tippe diese Mail mit Microsoft Software, die vietnamesische Polizei fährt FORD und Vietnam Airlines kauft Boeing Flugzeuge.
Die sichtbaren Wunden des Krieges bemerkt man kaum noch. Heute bestimmt wieder ein Idylle aus hellgrünen Reisfeldern, dunkelgrünen Pinien- und Palmenwäldern die Landschaft in der sich vor 30 Jahren die Menschen bekriegten. Auf meiner Radtour kam ich, nachdem ich My Lai verlassen hatte, dank der freundlichen Menschen wieder auf andere Gedanken. Hellgelber Sandstrand ziert die vielen Buchten, an der sich der QL1 nach Süden schlängelt. Kulinarisch bin ich endgültig im Paradies hier an der Küste des Südchinesischen Meeres angekommen. Es gibt immer frischen Fisch und Shrimps, selbst im kleinsten COM PHO Reis- und Nudelshop. Dank des Radeln kann ich natürlich so alle 3 Stunden mal ein kleines Mittagessen mit Meeresfrüchten zu mir nehmen ohne dass dies zu stark Magen oder Geldbeutel belasten würde.
Die Fischer, die die kulinarischen Leckerbissen an Land ziehen, sind mit buntbemalten Holzschiffchen permanent on tour. Die Schiffe werden abends in den Buchten vertäut und danach wird in geflechteten runden Bötchen, die wie überdimensionierte Wallnussschalen aussehen an Land gepaddelt. Das Radfahren an der Küste war nicht allzu anstrengend, wäre da nicht ab und an das eine oder andere technische Problem gewesen, denn Speichenbruch Nummer 3 stellte sich im Laufe der Woche genauso ein, wie ein Kettenriss zwei Tage später. Die Kette hat bei dem schlammigen Untergrund und dem vielen Sand natürlich besonders gelitten und daher wunderte ich mich über den Riss nicht mehr allzu sehr. Die Pannen nehmen zwar immer ein bisschen Zeit zur Reparatur in Anspruch, aber für die neugierigen Einheimischen ist es immer wieder eine Abwechselung, mir beim Speichenauswechseln oder Kettennieten zuzugucken.
Mittlerweile gibt es auch wieder das natürliche ISOSTAR überall an allen Ecken: Frisch gepresster Zuckerrohrsaft mit Limette ist der flüssige Energiespender schlechthin und ein Glas ist für ca. 4 Euro Cents zu haben! Wer braucht da noch GATORADE, um die manches Mal recht steile Küstenstrasse nach Süden zu erradeln. Die kleinen Pässe haben es hier wirklich in sich. Für LKW ist an den Steilstrecken alle paar hundert Meter ein Bremskühlanlage á la Vietnam eingerichtet: Wie Gartensprenger spritzt das Wasser permanent in die Höhe, bis der Truck kommt und dann der Schlauch auf die dampfenden Bremsen gerichtet wird. Heute ging es noch einmal 131 km auf dem QL1 nach Süden. Die Nachtruhe war um 5 Uhr durch den fast schon üblichen Lautsprecher-Terror beendet. Dieses Mal gab es klassische Musik – echt super! Nun bin ich am südöstlichsten Punkt Vietnams in Nha Trang angekommen. Das ist so eine Art Mallorca Vietnams, denn hier gibt es überall Happy Hour, schnelles Internet, englisch sprechende VietnamesInnen, Party und Touristen…genau das, was ich in den vergangen 23 Tagen nicht hatte. Grund genug, nach 1.641 Kilometern des Radelns durch dieses herrliche Land meine Tour zu beenden, und wieder gen Heimat zu düsen, sofern alles klappt!
Zum Schluss sage ich CAM ‚ON oder DANKE insbesondere den vietnamesischen Verkehrsteilnehmern, die meist, ob man es glaubt oder nicht, sehr rücksichtsvoll gegenüber mir als Radler waren. Und natürlich DANKE dem vietnamesischen Straßenbauern – ich hatte keinen einzigen Platten auf dieser Tour!