Wie’s kimmt, wird’s gefresse!

Nachhaltigkeit wird bei Mainz 05 immer wieder betont. Dass sich der Verein auf einem guten Weg befindet zeigt seine Bereitschaft, sich mit der Klimaproblematik auseinanderzusetzen. Der Verein unterstützt die Fridays for Future Aktivist*innen und schreibt sich selbst auf die Fahnen, der erste klimaneutrale Verein der Bundesliga zu sein.

Ferner gibt es im Fanshop mittlerweile viele Klamotten, die fair produziert wurden und das GOTS-Siegel tragen. Ob sich mit dem neuen Trikotsponsor Kappa ab der nächsten Saison Fair Fashion-Projekte realisieren lassen, bleibt abzuwarten. Dies hatte ich ja bereits in einem Blog-Beitrag thematisiert.

Beim Thema Wirtschaftsbeirat tut sich der Verein zwar gerade keinen Gefallen, da die mehr als 15 Beiräte allesamt männlich sind. Aber hier ist hoffentlich nicht alles in Stein gemeißelt und es finden sich bestimmt kompetente Frauen, die diesen Beirat bereichern.

In meinem ersten Blog-Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit bei Mainz 05 ging es auch um das Thema Stadionverpflegung. Habe ich mich damals hauptsächlich mit der Abfallvermeidung und der Frage Mehrweg oder Einweg beschäftigt, möchte ich heute das Hauptaugenmerk mal auf das Thema Speisen legen. Auch wenn Mainz 05 beim PETA-Ranking des vegetarierfreundlichsten Stadions nicht ganz vorne liegt, ist das Angebot an fleischfreien Speisen in den letzten Jahren gewachsen. Es kann sich sicherlich niemand mehr beschweren, dass man im Stadion als Vegetarier oder Veganer nur die Brötchen rund um die Feuerwurst essen könne, was leider in manchen Stadien der Republik heute noch im Gästeblock Alltag ist.

Preisdifferenzierung zwischen Brezel und Fleischkäsebrötchen – Fehlanzeige

Allerdings stellt sich die Frage, ob das Angebot nachhaltig ist und der Verein hier tatsächlich als „Klimaverteidiger“ auftritt. Natürlich wäre es revolutionär, wenn Mainz 05 komplett auf Fleisch verzichten würde. Aber das würde die meisten Menschen schlichtweg überfordern. Die Bratwurst gehört für viele Leute zum Stadionbesuch dazu. Das wäre gegenwärtig alles andere als zielführend. Um Nachhaltigkeit in den Alltag möglichst vieler Menschen hineinzubekommen, muss dies in kleinen Dosen geschehen. Das ist keineswegs zynisch oder ironisch gemeint – wir sind so wie wir sind 🙂

Auf Biofleisch bei Wurst und Co. zu setzen würde hingegen den Geldbeutel vieler Stadiongänger*innen überfordern. Denn eine Wurst wäre sicherlich nicht für unter 5 € zu haben. Was also tun? Vielleicht mal über den Tellerrand schauen:

Rote Beete aus Gonsenheim – regionaler geht es nicht

Ein großes Hotel in Finthen bietet seit Jahren 4-Gänge-Menüs in seinem Restaurant an. Soweit so gut, soweit so normal. Aber das 4-Gänge-Menü mit Fleisch kostet 59 € – das Menü mit ausschließlich vegetarischen Speisen 41 €. Sprich es kostet ca. 30 % weniger. Auf das Stadion übertragen, könnte man diese Preisdifferenzierung ebenfalls einführen. Aktuell werden für eine Riesen-Brezel, die gar nicht so riesig ist, 2 € verlangt. Ebenfalls 2 € kostet ein Fleischkäsebrötchen. Natürlich soll die Brezel im Stadion ruhig ein wenig mehr kosten als an der Bude in der Stadt. Aber dieser Aufschlag sollte auch für das Fleischkäsebrötchen gelten – möchte man als Verein den Unterschied in Sachen Nachhaltigkeit machen.

Zurück ins Hotel. Dort wurde auf der Speisekarte angegeben, wo die Zutaten angebaut wurden. Die Rote Beete stammte beispielsweise aus Gonsenheim, der Spätburgunder für die Mousse von einem Weingut aus Saulheim. Sprich es wurde Wert auf regionale Produkte gelegt. Auf das Stadion übertragen stellt sich die Frage, ob es Avocado-Sandwiches wirklich geben muss? Schließlich wächst die Avocado nicht in Rheinhessen und braucht ziemlich viel Wasser um zu gedeihen – oft in Ländern mit Wasserknappheit. Der Transport dieser Beere (kein Witz) verhagelt natürlich die Klimabilanz von Mainz 05 extrem.

Spitzkohl aus Ginsheim – ein Beispiel für saisonales (Winter)-Gemüse

Und wieder zurück ins Hotel.  Dort wurde als Hauptgang Spitzkohl aus Ginsheim serviert. Spargel ist sicherlich auch lecker, aber die Saison kommt halt erst in ein paar Monaten. Auf das Stadion übertragen wären beispielsweise Schwarzwurzeln oder anderes frittiertes Wintergemüse aktuell eine Möglichkeit – neben den tatsächlich angebotenen Kreppeln natürlich. Warum nicht später im Jahr eine Spargelcremesuppe anbieten und im Herbst Reibekuchen mit Apfelmus? Alles halt zu gegebener Zeit. Aber natürlich tun es auch die kredenzten Pommes oder Kartoffelecken mit Kräuterquark. Es bleibt zu hoffen, dass nicht demnächst Süßkartoffel-Pommes den Avocadosandwich ablösen.

Um ein nachhaltiges Catering im Stadion anzubieten ist es folglich nicht damit getan, einfach ein paar vegane Gerichte anzubieten. Gemüse aus der Region, das teilweise nur saisonal geerntet wird, sollte hier die Lösung sein – zu einem Preis, der deutlich unter dem für Fleischgerichte liegt. Dann klappt’s nicht nur mit der Nachhaltigkeit im Nachwuchsleistungszentrum sondern auch beim Futtern!

Fair Fashion for Future

Was haben Zagreb und Dijon gemeinsam? Richtig, sie sind Partnerstädte von Mainz. Und in beiden Städten rüstete der italienische Sportartikelhersteller Kappa bereits einen lokalen Fußballverein (FCO Dijon, NK Zagreb) aus. Allerdings verbinde ich persönlich Kappa mehr mit deutschen Vereinen, denn mir sagte Kappa erstmal recht wenig: St. Pauli, Lautern, Werder, die Münchner Löwen, VW und beide Borussias wurden oder werden von Kappa ausgestattet.

Zeitgleich mit der Bekanntgabe des neuen Ausrüsters, bekannte sich Mainz 05 zum wiederholten Male, die Fridays for Future-Klimaaktivist*innen zu unterstützen. Wer dabei jetzt ganz ruhig bleibt, keine Schnappatmung bekommt und es einfach mal als gegeben hinnimmt, dass der selbsternannte erste klimaneutrale Verein der Bundesliga sich für den Klimaschutz einsetzt, der kann dann versuchen, Kappa und Fridays for Future unter einen Hut zu bringen.

2009 war Nike-Trikotsponsor

Schließlich sollte man davon ausgehen, dass der Verein eine Strategie hat, bei der Auswahl seiner Partner. Und diese Partner sollten in ähnlicher Weise ticken, wie der Verein selbst. Auf die Gefahr des Greenwashings bin ich ja bereits im meinem Artikel „Nächster Halt: Nachhaltigkeit im Fußballbusiness“ eingegangen.

Löblicherweise gibt es ja mittlerweile im Fanshop zahlreiche Produkte, die GOTS zertifiziert sind. Der Global Organic Textile Standard (GOTS) steht u.a. dafür, dass als Materialien Rohstoffe aus Bioanbau genutzt werden. Wenn es um Nachhaltigkeit geht – und ich nehme mal stark an, dass Mainz 05 sich diesem Ziel verschrieben hat – dann sollte neben dem ökologischen auch der soziale Aspekt nicht zu kurz kommen.

Gerade in der textilverarbeitenden Industrie gibt es leider immer noch genügend Beispiele von Ausbeutung der Näher*innen und Arbeiter*innen auf den Feldern, die die Rohstoffe für die Textilien herstellen. Zudem werden bei vielen Anbaumethoden auch noch giftigen Chemikalien eingesetzt.

Oft werden bei uns Klamotten nur einmal getragen, weil sie halt so schön billig sind. Daher kam für diese Art der Kleidung der Begriff „Fast Fashion“ auf. Quasi als Gegenentwurf gibt es so genannte „Fair Fashion“. Hier soll fair mit der Natur (Stichwort GOTS) aber auch mit den Menschen umgegangen werden, die die Klamotten herstellen.

Déjà vu – 2007 war Lotto Trikotsponsor

Wenn es jetzt darum geht, Fair Fashion-Hersteller für Sportklamotten zu finden, ist die Sache ziemlich einfach. Patagonia und Vaude sind da ganz weit vorne, wie mehrere Quellen belegen. Aber wenn es um Fußballtrikots geht, wird die Sache ziemlich schwierig. Da findet sich leider kein Ausrüster darunter, der so richtig aus der Masse heraussticht.

Im „Lexikon der Nachhaltigkeit“ finden sich sehr viele Modemarken und auch Sportausrüster. In der besten Kategorie A gibt es keinen Sportartikelhersteller. Da sind Marken wie Freitag oder Hess Natur vertreten. In Kategorie B finden sich allerdings Nike, Trigema und Puma. In Kategorie C entdeckt man Adidas, in D New Balance und das sehr beliebte und auch von mir getragene The North Face. In Kategorie E finden sich unter anderem Kappa und Lotto. Leider stammt die Studie von 2015 und ist vielleicht nicht mehr so aussagekräftig.

Auf „Rank a brand“ wurde Kappa ebenfalls geprüft. Das Fazit fiel 2017 allerdings ähnlich ernüchternd aus. Kappa kommuniziert zum Thema Nachhaltigkeit nicht. Daher machte ich nun den Test auf der Kappa Seite. Dort findet man zum Thema Nachhaltigkeit erstmal…nichts. Aber es gibt ja eine Suchmaschine, in der ich dann das Wort „fair“ eingegeben habe. Das Suchergebnis „OOOPS! Deine Suche hat leider keine Ergebnisse geliefert.“

Das muss alles nichts heißen. Allerdings werben immer mehr Unternehmen mit ihren Maßnahmen in Sachen Nachhaltigkeit. Mainz 05 ist ja das beste Beispiel dafür. Wenn nun schon der Ausrüster gewechselt wird, der ja auch eine Art Aushängeschild für den Verein ist, dann sollte doch die Chance ergriffen werden, hier bewusst ein Zeichen in Sachen Fair Fashion zu setzen.

Ich hoffe, Mainz 05 wird gemeinsam mit Kappa, bzw. dessen deutschen Franchisenehmer ab der kommenden Saison Ergebnisse in Sachen Fair Fashion gemeinsam präsentieren. Denn nicht nur Fridays for Future ist unterstützenswert, sondern auch der faire Umgang mit Mitarbeiter*innen in der textilverarbeitenden Industrie!

Update 20. Januar 2020: Natürlich schließt GOTS auch soziale Nachhaltigkeit ein – das war in der ursprünglichen Version so nicht erkennbar.

Quellen:

Lexikon der Nachhaltigkeit: https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/nachhaltige_mode_und_luxusmarken_1965.htm

Rank-a-brand: https://rankabrand.de/sport-outdoormode-schuhe/Kappa

Der offizielle Online Shop von Kappa Deutschland: https://www.kappa-shop.de/

1. Mai – Gefällt mir!

Viele von uns haben heute frei. Heute vor genau 100 Jahren ist das in Deutschland zum ersten Mal passiert. Die Nationalversammlung der Weimarer Republik erklärte einmalig den ersten Tag im Mai zum gesetzlichen Feiertag. Der 1. Mai war schon länger ein Kampftag für Arbeitszeitverkürzungen, der seinen Ursprung in den USA nahm. Ende des 19. Jahrhunderts kämpften amerikanische Gewerkschaften für einen 8-Stunden-Tag. Auch in Europa wurde hierfür gekämpft und für den 1. Mai 1890 ein Streiktag avisiert. Unternehmerverbände drohten im Gegenzug mit Entlassungen. Es gab aber auch Unternehmer mit Weitsicht wie z.B. Ernst Abbe bei Zeiss in Jena, der den 1. Mai als Feiertag bei sich im Betrieb einführte. Noch heute heißt das Stadion in Jena Ernst Abbe Sportfeld.

Blick auf das Ernst-Abbe-Sportfeld nach dem Spiel von Mainz 05 bei Carl-Zeiss-Jena.

Blick auf das Ernst-Abbe-Sportfeld nach dem Spiel von Mainz 05 bei Carl-Zeiss-Jena.

Wenn wir heute von Streiks hören, sind wir oft genervt. Natürlich ist es ätzend, wenn der Flieger nicht geht, der Zug ausfällt oder sonst etwas in unserem durchgeplanten Leben mal wieder nicht so funktioniert, wie wir das vorher allzu knapp einkalkuliert hatten. Aber ein Streik muss halt weh tun. Er ist das legitime Mittel der Arbeitnehmer, ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen. Das Streikrecht ist eine große Errungenschaft in Deutschland und viele Arbeitnehmerrechte, die für uns heute selbstverständlich sind, wurden durch engagierte Gewerkschafter*innen hart erkämpft.

Überhaupt machen wir uns sicherlich über viele Dinge rund um die Arbeit, die uns so im Alltag begleiten, keine großen Gedanken, da diese nicht wie eine Push-Mitteilung aufblinken. Gleichzeitig reden heute viele von Nachhaltigkeit. Oft geht es da um ökologische Nachhaltigkeit. Aber zu diesem Begriff gehört auch die soziale Nachhaltigkeit. Ich persönlich gebe lieber mein Geld für Produkte aus, bei denen ich das Gefühl habe, dass die Leute, die sie hergestellt haben, fair behandelt werden.

Teeplantage Sri Lanka
Teepflückerinnen in Sri Lanka – Toiletten sind dort nicht unbedingt Standard

In vielen Ländern außerhalb der westlichen Industrieländer sind Acht-Stundentage noch kein Normalzustand. Selbst Toiletten gehören manchmal nicht zum Standard. Als ich letztes Jahr durch die Teeplantagen Sri Lankas gewandert bin, sah ich im Feld ein kleines weißes Häuschen, auf das das Fairtrade-Logo drauf gemalt war. Es handelte sich um eine Toilette für die Teepflückerinnen. Bei konventionellen Plantagen sei eine Toilette kein Standard, wie mir unser Guide erklärte.

Das Fairtrade-Logo finden wir auch bei vielen tropischen Obstsorten z.B. bei Bananen, bei Kaffee und Wein z.B. aus Südafrika. Oft kosten uns diese Produkte gar nicht mehr Geld, aber es kommt mehr Geld bei den Produzenten vor Ort an und der Zwischenhändler oder der Discounter/Supermarkt um die Ecke streicht einen Tick weit weniger ein. Auch fair gehandelte Kleidung kann man mittlerweile an Siegeln der Fair Wear Foundation oder am GOTS-Logo erkennen. Auf der Seite „Der nachhaltige Warenkorb“ findest Du alle Siegel, die aktuell existieren, auch zu Bio-Produkten und Energieklassen.

Aber auch bei uns direkt vor der Haustür kann man etwas bewusster durch die (Arbeits)-Welt streifen. Die Artikel, die wir lesen, die Podcasts die wir hören, die Bilder, die wir anschauen, können wir, wenn sie uns gefallen, mit einem Like versehen und soweit möglich vielleicht auch teilen. Viele Unternehmen schauen gerade in der Online-Welt auf Klicks, Seitenbesuche etc. Die Kreativen stehen dadurch unter einer besonderen Beobachtung. Über Blogs und Rubriken, die keine Likes einbringen, schwebt ein Damoklesschwert. Dabei lesen wir vielleicht viele Beiträge sehr gerne, möchten uns gleichzeitig nicht outen, dass uns etwas gefällt. Am Ende sind dann alle die Dummen: Die Kreativen erhalten keine Möglichkeit mehr, mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen und wir keine Beiträge mehr, die uns doch eigentlich so gut gefallen haben.

Die meisten Kreativen sind darüber hinaus Freiberufler*innen, die keinen Acht-Stunden-Tag, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und keinen bezahlten Urlaub haben. Einige wenige können sehr gut von ihrer Arbeit leben. Für viele aber geht es ständig darum, den nächsten (bezahlten) Job zu erhalten. Da sollte es doch für uns alle möglich sein, uns die Arbeit zu machen und Likes zu verteilen…und das nicht nur am Tag der Arbeit.