Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!
01 Hin und weg:
Freitagabend Augsburg hieß mal wieder Bahn fahren. Und da das Augsburger Stadion tatsächlich gefühlt am Ende der Welt liegt, ging es wieder mit dem Klapprad an den Mainzer Hauptbahnhof. Ich war eigentlich viel zu früh am Gleis, aber entdeckte gleich zwei ICE an den beiden gegenüberliegenden Bahnsteigen 4 und 5, von denen Züge in der Regel nach Süden weiterdüsen. Da war die Chance groß, dass einer der beiden in Richtung Augsburg fahren würde. Dem war auch so, nur saßen in dem Zug bereits die Menschen im Gang – selbst in der 1. Klasse ,und es tat sich erstmal nichts. Es stellte sich kurz darauf heraus, dass der Zug wegen Überfüllung nicht weiterfahren durfte. Leider sind wir Menschen so programmiert, dass wir immer alle im Rudel in den Zug steigen – schließlich war am Ende des Zuges in der 2. Klasse laut Ansage tatsächlich noch Platz. Irgendwann bewegte sich die träge Masse Mensch so durch den Zug, dass die menschliche Fracht besser verteilt war und der Zug losfahren konnte. Nachdem sich das Theater in Mannheim wiederholte, stiegen gefühlt alle Menschen in Stuttgart aus, und der Zug war plötzlich als angenehm leer zu bezeichnen. Dass ich überhaupt in den Zug einsteigen konnte, war der Aufhebung der Zugbindung geschuldet, die mir bereits Tage zuvor mitgeteilt wurde. Warum wusste ich nicht, denn mein gebuchter Zug war nicht gestrichen. So kam ich mit rund 30 Minuten Verfrühung in Augsburg an – immer diese unpünktliche Bahn 😉
02 (N)immer nuff:
In Augsburg ließ sich die gewonnene Zeit gut nutzen, zum Beispiel durch eine schicke Fahrradtour am Lech flussaufwärts. Anders als in Mainz gibt in Augsburg gute Radwege in der Stadt, die ins Grüne führen. Und natürlich wird in Augsburg auch der Verkehr zwischen Fußgänger:innen und Radfahrenden getrennt. Das ist eigentlich in fast ganz Deutschland möglich – nur nicht am Mainzer Rheinufer. Und natürlich gibt es am Lech-Ufer auch traditionelle Biergärten mit Selbstbedienung, die zu einer Pause einladen, zum Beispiel auf eine pflanzenbasierte Currywurst. Radwege und vegane Wurst – willkommen im tiefschwarzen Söder-Land!
03 Kon-Trolle
Anders als viele andere Vereine ermöglicht es der FC Augsburg immer noch, Gästetickets am Spieltag vor Ort zu erwerben. Leider ist das bei vielen Clubs seit der Pandemie nicht mehr möglich. Spontan zu entscheiden, auswärts zu fahren, wird so fast ein Ding der Unmöglichkeit. Und dass es eine kostenlose Aufbewahrungsstelle gibt, ist ebenfalls sehr fanfreundlich. So lassen sich Fahrradlampe, Powerbank und Trinkflaschen easy abgeben. Nachdem ich vor zwei Jahren noch mit dem Rad zum Gästeblock fahren durfte, musste ich es im letzten Jahr schieben – auf einer zweispurigen Straße, die mit Autos und Bussen zu befahren ist. Dieses Jahr durfte ich mein Fahrrad erst gar nicht zum Gästeblock mitnehmen. So ein bisschen Schikane muss wohl immer sein.
04 Kampf um den Mampf
Das kulinarische Angebot wurde in Augsburg um eine Wurst-Semmel erweitert und die sinnbefreite FCA-Bezahlkarte endlich abgeschafft. Was waren das noch für Zeiten so kurz vor der Pandemie, als jeder Club seine eigene Karte entworfen hatte, die man zunächst erwerben musste, um dann damit Speis und Trank zu bezahlen und später vergaß das Restgeld wieder zurückbuchen zu lassen? Zum Glück bekam Fußballdeutschland diese Karten-Pandemie relativ schnell in den Griff und die Dinger landeten über kurz oder lang auf dem Müll.
Es hatte auch den Anschein, dass alle Catering-Stationen geöffnet waren und somit längere Schlangen vermieden wurden. Das ist ja mittlerweile auch eher eine Seltenheit. Und die Herzlichkeit des Personals war ebenfalls wirklich hervorzuheben.
05 Käfighaltung
Bis kurz Anpfiff herrschte im Gästeblock gähnende Leere – schließlich gab es eine Autobahn-Vollsperrung und freitags nachmittags am Tag vor dem Start des Münchner Oktoberfests in Richtung südliches Bayern zu reisen, ist halt schon schwierig. Zu spät kam dann wohl trotzdem niemand, um 05 plötzlich 2:0 auswärts führen zu sehen. Wann es das das letzte Mal gab? Keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Dass es trotzdem noch ein nervenaufreibender Abend wurde, liegt sicher an der Mainz 05-DNA, die ja vielleicht durch den Einstieg von Biontech jetzt dergestalt verändert werden könnte, dass Zuschauende nicht ständig Gefahr laufen, vom Adrenalinkick umgehauen zu werden 😉
Wenn man nach über 20 Jahren Auswärtsfahrt meint, alles erlebt zu haben, gibt es aber immer noch einen oben drauf. Bizarrer Elfmeterpfiff vor dem Gästeblock in Augsburg? Haddemer scho. Aber schlimmer geht halt immer und es ist einfach ein megaätzendes Gefühl, 10 Sekunden vor dem Ende der Nachspielzeit so einen Pfiff zu hören und dann gefühlt 10 Minuten warten zu müssen, bis dieser Pfiff wieder zurückgenommen wird.
Aber egal – Auswärtssieg in Augsburg schmeckt – in welcher Form auch immer…
Fazit: Der Jahrgang 2024/2025 zeigt, dass Auswärtsfahrten nach Augsburg auch schön sein können – das entsprechende Nervenkostüm vorausgesetzt.
Rot-weiße Grüße,
Christoph