Spätlese Hoffenheim 2021/22

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Seit meinem ersten Besuch im Kraichgau im Herbst 2007 ging es immer motorisiert dorthin – entweder mit dem PKW gemeinsam mit Freund:innen oder wahlweise mit dem Bus des Vereins oder dem der Supporters. Zu den meisten anderen Bundesliga-Auswärtsspielen fahre ich seit Jahren meist mit der Bahn. Warum ich bisher nicht auf die Idee gekommen bin, dorthin mit dem Zug zu fahren? Es liegt wohl hauptsächlich an einer gewissen Bequemlichkeit – schließlich liegt die Rhein-Neckar-Arena direkt in einer Autobahnausfahrt und lässt sich vom Mainzer Ring allzu leicht in etwas mehr als einer Stunde erreichen. Dass man nachkicks mit dem PKW teilweise ebenfalls eine Stunde im Stau auf dem Parkplatz steht, bevor man die Autobahn wieder erreicht, habe ich irgendwie immer verdrängt, egal ob ich eine Niederlage („Fastnachtsspiel“), ein Unentschieden („Last Christmas“) oder einen Sieg („haddemerauchscho“) zuvor erlebt hatte.

Auf dem Weg nach Hoffenheim lohnt sich ein Zwischenstopp in Heidelberg

Da ich durch einen Umzug innerhalb unseres Städtchens mittlerweile eine S-Bahn-Station fast vor der Nase habe und umgekehrt der Busparkplatz des Wolfgang-Frank-Campus (danke für die Namensgebung lieber Verein) relativ weit weg liegt, wollte ich jetzt mal die Bahn ausprobieren.

02 (N)immer nuff:

Dass bei den meisten Eintrittskarten in der Bundesliga der ÖPNV außer beim klammen FC Bayern im Verkaufspreis eingeschlossen ist, hatte ich in mehr als 580 Tagen Bundesliga-Auswärtsabstinenz irgendwie vergessen. Daher kaufte ich mir eine Fahrkarte ab Mainz bis Sinsheim – bis Guntersblum hätte auch gereicht, denn dort beginnt der Verkehrsverbund Rhein-Neckar und auch die Gültigkeit der Eintrittskarte für den Zug. Geldverbrennung olé…

Der Vorteil an der Bahnfahrt an die Autobahnausfahrt ist die von mir sehr geschätzte Möglichkeit, die Fahrt an netten Orten zu unterbrechen, wie z.B. dieses Mal in Heidelberg. Auf knapp drei Kilometern Fußmarsch vom Hauptbahnhof bis zum Bahnhof „Heidelberg Altstadt“ lässt sich die Stadt ganz gut per Pedes entdecken und schöne Blicke auf das über der Stadt thronende Schloss erhaschen.

Willkommen im Schilderwald Sinsheims

Vom Bahnhof „Heidelberg Altstadt“ brachte mich ein Fußball-Sonderzug in knapp 30 Minuten via Hoffenheim nach Sinsheim Museum/Arena. Diese Möglichkeit nahmen insgesamt rund ein Dutzend Zuschauer in Anspruch. Die Leute im Kraichgau stehen wohl nicht so wirklich auf die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Vom Bahnhof aus lagen nur 10 Minuten Fußmarsch vor mir, an einem Schilderwald vorbei, an der Air France-Concorde entlang, unter der Autobahn hindurch, direkt zum Gästeblock – ohne lästiges Einmal-Rund-Ums-Stadion-Gegurke.

03 Kon-Trolle

Wie schon in Elversberg war es wunderschön, gleich auf dem Busparkplatz vor dem Gästeblock wieder die ersten mir bekannten Gesichter getroffen und gemeinsam noch ein Kaltgetränk geleert zu haben und dort tatsächlich einen der Kigges-Oldies zum ersten Mal live und in Farbe persönlich kenngelernt zu haben – nach fast zwei Jahrzehnten Online-Begegnungen in diesem legendären Forum.

Obwohl mehr als 600 Gästefans erwartet wurden, bildeten sich vor den zweigeteilten Kontrollen keine ellenlangen Schlangen. Rechts von den Treppen hoch zum Gästeblock wurde mein digitaler Impfausweis gecheckt. Danach gab’s ein Bändchen und es wurde geprüft, ob ich mich mit der Luca App registriert habe. Leider führt die Pandemie zu ziemlich viel Müll – was ich ja bereits beim Leipzig-Heimspiel kritisiert habe. Viellicht bin ich da ein bisschen „übers Ziel“ hinaus geschossen und diese Bändchen machen „die Sau auch nicht mehr fett“ – aber es ist halt echt mega Mist, noch mehr Müll zu produzieren, statt mal mit der Müllvermeidung zu beginnen. Glücklicherweise findet am nächsten Samstag der „World Clean Up Day“ statt, an dem sich auch der Entsorgungsbetrieb der Stadt Mainz beteiligt und alle Mitmachenden mit Hilfsgerät unterstützt. Der Entsorgungsbetrieb möchte diesmal hauptsächlich auf die achtlos weggeworfenen Hygienemasken hinweisen.

b3G-Check bestanden und wieder ein bisschen mehr Müll produziert.

Mit dem Bändchen am Handgelenk ging es die Treppe um die Wellenbrecher hoch zur recht lässigen Kontrolle und ich war im Gästeblock angekommen. Interessanterweise sah ich an diesem Tag auch nirgends Polizeibeamte in Uniform, weder am Bahnhof, noch vor dem Stadion oder im Block – Deeskalation pur an diesem sonnigen Samstagnachmittag.

04 Kampf um den Mampf

Die Catering-Abteilung der TSG trug dazu bei, dass wieder 3 € #Saisonspende fließen, da die günstigste Speise, die angeboten wurde, vegetarisch war. Allerdings hat man im Kraichgau einen etwas bizarren Geschmack, denn das vegetarische Angebot bestand hauptsächlich aus Süßkram und Nüsschen. Aber ich möchte gar nicht meckern, denn vor Corona gab es auch immer eine leckere Pommes Spezial, also Pommes Frites mit Ketchup, Mayo und Röstzwiebeln – das bot die TSG bis dato als einziger Verein in der Liga an. Pommes Spezial haben den Vorteil der Müllvermeidung, da die Toppings bei der Zubereitung drauf geklatscht werden. Und die Pommes Spezial standen auch wieder der Speisekarte.

Es gab sie aber nicht. Ob der Wegfall der Pommes Spezial dem Hygniekonzept geschuldet oder die Röstzwiebellieferkette in den Kraichgau unterbrochen war – ich weiß es nicht. Dafür gab es Pommes mit Ketchup und Mayo in Plastiktütchen abgepackt. Daneben lagen Holzgäbelchen verstreut herum und jede:r konnte mit seinen Händen da hineinlangen. Dass die bargeldlose Zahlung an den entsprechenden Geräten im SAP-Land nicht funktionierte (Gerät kaputt), war ein weiteres interessantes Mosaiksteinchen im TSG-Hygienekonzept.

Pommes waren deutlich günstiger als die Currywurst – damit fließen 3 Euro in die Saisonspende

Aber sei’s drum. Es gab etwas zu futtern. Zu trinken gab es im Gästeblock, wie in Hoffenheim üblich, keinen Alkohol – das Verbot wurde diesmal aber wohl auf das gesamte Stadion ausgedehnt. Auch das ist für mich persönlich ziemlich zweitrangig. Ob es hilft, die Pandemie zu bekämpfen, müssen andere entscheiden.

05 Käfighaltung

Die Speisen und Getränke durften nicht im Catering-Bereich zu sich genommen werden, da dort genauso wie auf dem Weg zum Platz im Gästeblock Maskenpflicht herrschte analog zu den Regeln im Stadion am Europakreisel. Warum es gefährlich ist, im ausgedehnten Catering-Bereich unter Einhaltung der Abstandsregeln Pommes und alkoholfreies Bier zu konsumieren und sich über den grandiosen Spielverlauf zu unterhalten, es aber vollkommen ungefährlich ist, dies im Block zu tun, weiß ich nicht. Schließlich sei daran erinnert, dass dieser Gästebereich mal für 3 000 Menschen konzipiert wurde und sich nun 600 Leute dort aufhielten. Abstandsregeln unter Genesenen, Getesteten und Geimpften einzuhalten wäre also kein Problem gewesen.

Aber auch hier: egal. Mit der Maske im Gesicht ging es in den Block und zwar in den Stehblock! Yes! Dort war es möglich, zu futtern, zu trinken und die Mannschaft lauthals zu unterstützen. Das hat wirklich Spaß gemacht und bei aller oben beschriebenen Kritik, war es einfach ein großartiges Gefühl, wieder in einem Block zu stehen und situativ auf das Spielgeschehen zu reagieren bzw. die Jungs in rot und weiß nach vorne zu peitschen.

Beste Stehplatz-Stimmung im Gästeblock

Der Großteil der mitgereisten Fans sah das wohl ähnlich, denn es wurde ziemlich laut im Block und das bereits vor dem Spiel. Der etwas ungeordnete Support hatte die Folge, dass meine Stimmbänder nach dieser langen Auswärtsabstinenz schon zur Halbzeit in Mitleidenschaft gezogen waren, denn vor der Pandemie war immer ein Leichtes, wenn der Gästeblock eh schon die Dezibelzahl hochgeschraubt hatte, mal der Stimme eine Pause zu gönnen. Diese Pausen gab es nicht und während unten auf dem Platz Vollgasfußball made in Meenz präsentiert wurde, ruinierte ich mir in Halbzeit zwei mir die Stimme endgültig.

Von der Heimseite kam relativ wenig verbale Unterstützung – aber auch die Zahl der Zuschauenden mit etwas über 8 000, was einer zirka sechzigprozentigen aktuell zulässigen Auslastung entsprach, lässt die Erkenntnis wachsen, dass im Kraichgau Bundesliga-Fußball nach 13 Jahren nicht mehr wirklich attraktiv ist – ob es an der Pandemie liegt oder daran, dass es halt doch ein bisschen ein Kunstprodukt ist, was da an der Autobahnauffahrt entstanden ist, kann ja mal die Marketingabteilung der TSG klären.

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 der Kraichgau-Edition bietet unterm Strich gute Bedingungen für Gästefans die Auswärtsfahrt zum Heimspiel zu machen!

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Mehrweg meets mehr Müll

Kaum besucht man mal 20 Monate nicht das heimischen Wohnzimmer hat es schon wieder den Namen gewechselt. Bis auf Weiteres firmiert das Stadion am Europakreisel jetzt also als MEWA-Arena. Wofür diese vier Buchstaben stehen? Vielleicht für MEhrweg WAgen? So kann man sich zumindest den Namen ganz gut merken. Und tatsächlich wagt der Verein ja endlich wieder Mehrweg.

Schließlich konnte ich am Sonntagnachmittag meinen Augen kaum trauen…hauptsächlich natürlich aufgrund der Leistung der Jungs auf dem Platz, aber auch, weil bei den Verantwortlichen in der Zeit der Geisterspiele wohl die Einsicht kam, dass es doch besser ist, Becher nach deren Gebrauch zum Beispiel mit dem Bio-Frosch-Spülmittel vom legendären Sponsor Erdal  zu spülen, statt sie der Verantwortung der Stadionbesucher:innen zu überlassen, die diese im schlechtesten Fall auch mal in den Bretzenheimer Äckern deponieren. Selbst bei korrekter Entsorgung in den zahlreichen gelben Mülleimern im Stadion sind diese Dinger aus Mais bestenfalls der thermischen Verwertung zugefügt – also verbrannt worden, statt sie dem Recycling-Prozess zuzuführen, wie ursprünglich gedacht (warum das so ist, steht weiter unten).

Mehr als 10 000 dieser Plastik-Bändchen wurden für das Spiel am Sonntag ausgegeben.

Abgesehen davon, dass es schon bizarr anmutet, Ackerflächen dafür zu nutzen, Einwegprodukte herzustellen, die nach kurzem Gebrauch schon wieder entsorgt werden, sollte es unser aller Ziel sein, Müll zu vermeiden und eine Kreislaufwirtschaft zu fördern – das hat ja bereits viele Jahre am Bruchweg auch prima geklappt.

Diese Müllvermeidung habe ich am Sonntag vermisst. Viel wurde über die Corona Warn App geschimpft. Zu spät, zu teuer, zu wenig Daten, zu wenig Datenschutz, zu viel Datenschutz…aber die App bietet die Möglichkeit, Test- und Impfnachweise digital zu hinterlegen.

Diese werden in Fitnessstudios, am Flughafen, in Hotels und bald wieder in Restaurants ebenfalls mittels einer Lese-App gecheckt und wir könnnen anschließend trainieren, wegfliegen, übernachten oder futtern. Und was machte Mainz 05 am Sonntag? Mich erstmal fragen, wo die zweite Impfung sei…was natürlich bei Johnson & Johnson („Einmal hin, alles drin“) nicht so sinnig ist. Denn einen Scanner, der der 05-Mitarbeiterin diese Nachfrage hätte ersparen können, hatte sie leider nicht. Dafür aber ein wetterfestes Klebebändchen aus Plastik, das sie mir schließlich um das Handgelenk klebte. Willkommen im digitalen Zeitalter bei Mainz 05.

Im Fanshop von Mainz 05 gibt es Rucksäcke des Mainzer StartUps GotBag, die aus Meeresplastik hergestellt werden. Mit dieser Bändchen-Aktion liefert Mainz 05 indirekt Nachschub für die Produktion der nächsten Rucksäcke, denn sicherlich fliegen die mehr als 10.000 Bändchen vom Sonntag nicht immer in den Müll, sondern in die Äcker oder in den Rhein und von dort dann irgendwann in die Nordsee, wenn sie nicht vorher schon von irgendwelchen Tieren angeknabbert wurden. Warum errichtet der Verein keine Gassen mit Hilfe von Absperrgittern vor der eigentlichen Kontrolle, um die Nachweise mittels App zu kontrollieren? Das erspart Nachfragen und Müll.  

Papierticket statt digitaler Eintrittskarte oder Hinterlegung in der App

Aber die vermeidbare Müllproduktion fing eigentlich schon einen Schritt früher an, beim Ticketing. Während es die Kulturschaffenden der Stadt hinbekommen, selbst für die kostenlosen Konzerte auf der Zitadelle und im Schlossbiergarten Tickets zu generieren, die auf dem Smartphone hinterlegt werden können, besteht Mainz 05 explizit darauf, die „Print@Home“ Tickets auszudrucken, damit sie von den Scannern gelesen werden können. Ja ja die Digitalisierung…

Gut, viele von uns werden sich das Ticket als Souvenir an diesen denkwürden Nachmittag sicherlich an die Wand hängen, doch der nächste Gegner in der MEhrweg-WAgen-Arena heißt bekanntlich Greuther Fürth – und da besteht dann doch die Gefahr, dass man nachkicks keine Souvenirs mehr behalten möchte? Fürth halt!. Also was tun? Am besten im Papiermüll entsorgen und vorher vielleicht die Rückseite als Einkaufszettel verwenden…. Aber vielleicht investiert der Verein doch mal in die Digitalisierung oder bekommt die Scanner so eingestellt, dass der Code auch von Smartphone abgelesen werden kann. Welche Funktion hat eigentlich die Mainz 05-App? Außer, dass sie seit dem letzten Update ihre „Stabilität verbessert“ hat? Mainz 05 stabil – das ist aller Ehren wert – aber ein Ticket fürs Spiel abzuspeichern, wäre auch schon schön!

Die weiße Tüte für Speisen kann noch als Abfalltüte für organische Abfälle genutzt werden

So sehr ich mich über die Mehrwegbecher gefreut habe, so sehr verwundert war ich wiederum, dass alle Speisen in Papierbeutel verpackt wurden. Ob das Hygienekonzept so stichhaltig ist, wenn das Cateringpersonal mit den Händen die Brezel oder das Wurstbrötchen in die Papiertüte packt oder nicht die bisherige Methode weiterhin anwendet, also eine Serviette nimmt und das Essen damit an die Kaufenden übergibt – sei dahingestellt, aber mehr Müll entsteht so in jedem Fall. Natürlich ist die Tüte aus Papier besser als die aus Plastik, aber auch deren Produktion ist recht energieintensiv. Wie wäre es da mit einem Beutel aus Bio-Baumwolle, fair gehandelt, mit Mainz 05-Logo drauf, den es für einen Euro zu erwerben gibt, um diesen öfters zu befüllen? Den Beutel könnte man auch beim Einkaufen in der Stadt zum Beispiel auf dem Markt nutzen, zum Erwerb von Obst und Gemüse, statt dort ebenfalls wieder Papiertüten zu verwenden.

Aber die Papiertüte kann in Mainz wenigstens noch einem guten Zweck zugeführt werden. Nutzen wir sie einfach für die organischen Abfälle, denn die dafür vorgesehenen Mülltonnen werden regelmäßig vom Wirtschaftsbetrieb der Stadt dahingehend geprüft, ob auch tatsächlich nur organische Abfälle darin entsorgt werden. Solche „Wunder“-Tüten, genauso wie die Einwegebecher aus Mais, die angeblich biologisch abbaubar sind (bestenfalls in ein paar Monaten), werden schließlich nicht akzeptiert. Und wie im Fußball gibt’s auch hier nach der gelben Karte (Aufkleber auf die Tonne und schriftliche Verwarnung) dann die rote Karte und die Abfalltonne wird eingezogen. Das ist natürlich mega Mist, aber verständlich, denn ansonsten kann das Kompostwerk in Essenheim den Kram nicht verwerten. Im Gegenzug muss gegebenenfalls eine größere Tonne Restmüll bereitgestellt werden, und die Entsorgungsgebühren pro Haushalt steigen – genauso wie der Puls der Leute, die es vorher nicht gebacken bekommen haben, die Tonne richtig zu befüllen.

Screenshot der Mainz 05-Umfrageseite zum Spiel gegen Leipzig

Also lasst uns die Tüten mitnehmen und hoffen, dass Mainz 05 bald mal in die Digitalisierung statt in mehr Müll investiert und neben Coke Zero auch Zero Waste im Angebot hat – das wäre wirklich N’Eis, das es tatsächlich seit Sonntag unter Block A gibt. Und lasst uns an der Umfrage zum Spiel vom Sonntag mitmachen, um dem Verein vielleicht den einen oder anderen der genannten Punkte mitzuteilen, um hier an dem einen oder anderen Rädchen zur Müllvermeidung mitzudrehen. Denn auch das wäre ein Stück des Mainzer Wegs – nachhaltiger aufzutreten als andere Konstrukte, deren Lebenselexir aus Einwegdosen besteht.  

Spätlese Elversberg 2021/22

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg

Nach 561 Tagen war es wieder soweit: A u s w ä r t s f a h r t . Auch wenn eine große MainzerTageszeitung behauptet, dass das letzte Mainz 05-Auswärtsspiel mit eigenem Anhang im Oktober 2020 an der Alten Försterei in Köpenick stattfand, war es in Wirklichkeit das Fastnachtsspiel in Wolfsburg am 23. Februar 2020. (Kein) Fun fact am Rande: Sowohl das Spiel bei Union als auch das in Wolfsburg gingen damals 4:0 für die Heimmannschaft aus. Von daher…hat sich die Zeitung nur um 8 Monate vertan 😉 Für Sportjournalist:innen hatte sich ja auch nicht wirklich etwas verändert – sie kamen ja die letzten Monate immer ins Stadion rein; zumal es stimmte, dass das Spiel bei Union das letzte mit Zuschauern war – aber halt ohne Gästefans, ein kleiner aber feiner Unterschied. Auf den Fehler aufmerksam gemacht, kam keine Reaktion seitens der Zeitung…

Vor letztem Sonntag war für mich persönlich bereits das Spiel in Gladbach Ende Januar das letzte Mal, dass es hieß, Schal einpacken und ab quer durch Deutschland den rot-weißen Jungs hinterher reisen.

Erstmals überhaupt ging es mit dem Klapprad und der Bahn auf ein Auswärtsspiel – Elversberg hat keinen Bahnanschluss

In der Zwischenzeit wurde meinem Impfpass ein weiterer Stempel hinzugefügt, neben denen für Gelbfieber, Japanische Encephalitis, Meningokokken und Co. Nachdem die DFL bestimmte, dass an den ersten beiden Bundesliga-Spieltagen der neuen Saison Gästefans nicht unbedingt zugelassen werden müssen, machte ich mir eigentlich keine großen Hoffnungen , dass es endlich mal was wird, mit dem Besuch des Waldstadions an der Kaiserlinde in Elversberg.

Aber im Saarland ticken die Uhren anders und es gab plötzlich doch Karten für das Erstrunden-Spiel im DFB-Pokal. Ich konnte mein Glück kaum fassen, denn wer mich kennt, der weiß, dass diese Erstrundenspiele immer zu meinen persönlichen Highlights der Saison zählen – weniger, wegen der Ergebnisse, denn ich war zum Beispiel in Lübeck, Lautern und Chemnitz dabei – nein, es handelt sich ja meistens Stadien, die man jahrein jahraus nicht in der Bundesliga besucht, die nicht den Anschein erwecken, als seien sie allesamt aus dem selben 3-D-Drucker entstanden. Und leider hatte ich es bisher auch nie geschafft, mir mal ein U23-Spiel von Nullfünf hier anzugucken.

02 (N)immer nuff

Der Besuch bei der SV Elversberg stellte mich nach 17 Jahren auswärts fahren überhaupt zum ersten Mal vor ein logistisches Problem: Der Ort hat keinen Bahnanschluss! Den haben selbst Aue, Ahlen oder Unterhaching. Wer die InstaLives in diesem Winter und Frühjahr verfolgt hat, weiß, dass ich es liebe, mit der Bahn an- und abzureisen. Doch wie sollte es nun nach Elversberg gehen? Der nächstgelegene Bahnhof Friedrichsthal war 3 km entfernt, aber am Sonntag gab es von Neunkirchen Hbf. nur einen SEV (Schienen-Ersatz-Verkehr). Der Neunkirchner Hbf. selbst liegt 6 km entfernt und es gab nur ab und zu mal einen Bus, der in die Nähe des Stadions fuhr. So kam ich auf die Idee, das Fahrrad mitzunehmen.

Schließlich habe ich im letzten und in diesem Sommer etliche Touren mit dem Rad und der Bahn unternommen. Allerdings habe ich da gelernt, dass es keine Garantie auf Rad-Mitnahme im Nahverkehr gibt. Da auf die Idee mit der Kombi Rad/Zug mittlerweile auch viele E-Bike-Fahrer:innen gekommen sind, grenzt es immer an russisches Roulette, ob man mitkommt oder nicht. Mal eine Stunde irgendwo mit dem Rad hängen zu bleiben, ist schon auf Radferntouren doof, aber wenn man es zum Anpfiff pünktlich schaffen möchte und deswegen aus dem Zug rausfliegt, macht das ganze spätestens dann keinen sonderlich großen Spaß mehr.

Kein WLAN im Zug kein Problem – das Rausgucken aus dem Fenster klappt auch analog.

Daher entschied ich mich am Ende, mein Klapprad mitzunehmen. Das Ding lässt sich so klein machen, dass man gar nicht ins Gehege mit der E-Bike-Fraktion kommt und beim Einsteigen gleich in Richtung Sitzplatzreihen abdreht.

Eine Fahrt mit den Zügen der privaten vlexx zeigt, dass Privatisierung nicht gleich Fortschritt bedeutet. Während es in Zügen der Deutschen Bahn mittlerweile fast immer WLAN und immer und überall Stromanschluss gibt, musste ich mich hier auf meine Mobilfunkverbindung verlassen und kam in den Genuss, die vielleicht letzten Funklöcher Deutschlands zu entdecken. „Kein Netz“ war auf jeden Fall relativ häufig auf dem Display zu sehen. Und Stromanschlüsse waren zunächst erstmal keine zu entdecken. Allerdings wusste ich bereits, dass diese oft unter den Sitzen versteckt waren. Doch mein Getaste unter den Sitzen blieb erstmal erfolglos.

In einem Moment mit Netzabdeckung erhielt ich über Twitter und übers Googeln den Hinweis, dass an den Vierer-Sitzen zwischen einem der beiden gegenüberliegenden Sitze zwischen den Sitzen eine Steckdose verbaut sei. So hielt ich fortan Ausschau nach einem freien Vierer, den ich irgendwann ergattert hatte und abtasten durfte – mit Erfolg. So war sichergestellt, dass mein digitaler Impfpass am Stadioneingang noch abrufbar war, genauso wie mein Online-Ticket für die Rückfahrt.

Neunkirchen erinnert stark an Gelsenkirchen – es war quasi eine Ersatz-Schalke-Fahrt

In Neunkirchen angekommen ging es erstmal nuff – den Berg zum Stadion. Wer über den sanften Hügel von der Tanke hoch zum Bruchweg flucht, sollte mal in Neunkirchen zum Ellenfeldstadion laufen. Hier geht es fast 150 Höhenmeter hoch – und das mit dem Klapprad. Aber wieso eigentlich Ellenfeldstadion?

Es gab mal eine Bundesliga ohne Brauseklub, WOB, LEV und Ho$$enheim – in der zum Beispiel drei Jahre lang auch Borussia Neunkirchen spielte. Mich erinnerte der Weg dorthin ein bisschen an den Marsch quer durch Gelsenkirchen. Die Kohle, also die aus der Erde, dominierte hier viele Jahre und stillgelegte Hütten erinnern an diese Vergangenheit. Die Radtour kam mir wie eine Kompensations-Schalke-Fahrt vor.

Eben jenes Ellenfeldstadion bot mal Platz für 30.000 Zuschauer. Heute ist es noch für 21.000 Zuschauer zugelassen, doch die Borussia kickt mittlerweile in der Saarlandliga in der sechsten Spielklasse. Die Südtribüne ist aber immer noch ein beeindruckendes Zementbauwerk und vom Neubaugebiet im Norwesten bietet sich ein netter Blick auf das riesige Rund.

Blick hinein ins Ellenfeldstadion von Borussia Neunkirchen

Kaum weitergeradelt, schüttete es plötzlich wie aus Kübeln – 5 Minuten später hörte es auf und weiter ging es die restlichen Kilometer raus aus Neukirchen weiter nach Elversberg. Radwege sind in den meisten Teilen Deutschlands mittlerweile fester Bestandteil der Verkehrswege-Infrastruktur – im Saarland wohl leider noch nicht. Auf der Landesstraße im erneut einsetzenden Platzregen neben PKWs, die mit Tempo 100 an einem vorbeidonnern nach Elversberg zu fahren, war dann doch nicht wirklich witzig. Radfahren im Saarland? Da ist mal wohl noch Pionier…

Irgendwann erreichte ich dann doch die Kaiserlinde, bzw. deren Nachfahre, denn die Original-Kaiserlinde, die sogar einen Wikipedia-Eintrag hat, ist vor 6 Jahren entwurzelt worden. Seit einem halben Jahr steht jetzt ein neuer Baum vor dem Stadion, der dem Waldstadion an der Kaiserlinde seinen Namen gab.

03 Kon-Trolle

Schnell auf dem Gästeparkplatz das Rad angeschlossen und dann habe ich schon die ersten Nasen wieder getroffen, die ich seit etwa einem Jahr, seit der Jahresversammlung der Fanabteilung nicht mehr gesehen habe. Das war unabhängig vom Ergebnis sowieso das Schönste an dem Ausflug hierher gewesen. Menschen wieder persönlich treffen – live und in Farbe!

Veggie-Angebot (fast) verzweifelt gesucht

Die Kontrolle des digitalen Impfausweises und das Einchecken mit der Luca App funktionierten problemlos. Die Sicherheitskontrolle lief anders herum ab, sprich man drehte ich sich mit der Maske im Gesicht nach hinten, damit kontrolliert wurde. Alles in allem hat das problemlos funktioniert.

04 Kampf um den Mampf

Wie seit einigen Jahren auf Twitter üblich legen Fans zahlreicher Vereine vor der Saison ihre #Saisonspende fest. Es werden Ziele und Geldbeträge fixiert, die man beim Erreichen der Ziele an einen guten Zweck spendet. In diesem Jahr kam ich unter anderem auf die Idee 3 Euro pro mitgemachtes Auswärtsspiel zu spenden, wenn die günstigste Speise im Gästeblock vegetarisch ist.

Ich finde, dass jede:r selbst entscheiden soll, was gegessen wird. Allerdings finde ich es befremdlich, wenn ein Worscht-Weck billiger ist als eine Bretzel. Da stimmt dann wirklich etwas nicht. Aber Elversberg machte es diesbezüglich erstmal ganz einfach. Es gab gar keine vegetarischen Speisen… Da ich allerdings aufgrund des Groundspottings am Ellenfeldstadion keine Zeit hatte, mir vorher etwas zu Essen zu kaufen, hatte ich nun doch ziemlichen Hunger und wollte etwas futtern – aber möglichst ohne Fleisch.

1-Liter-Becher reduzieren die Gänge zum Getränkestand erheblich. Saarländische Effizienz!

Die Leute am Wurststand verstanden die Problematik, zeigten sich pragmatisch und verkauften mir zwei Weck für je 0,50 Euro. Damit flossen dann auch 3 Euro Saisonspende in die Kasse.

Nebendran am Getränkestand war die Schlange schon ziemlich lang. Auch hier war Pragmatismus angesagt. Es gab wie im Olympiastadion in Berlin 1 Liter-Becher, was natürlich die Zahl der Gänge zum Getränkestand für mache Besucher:innen reduzierte.

05 Käfighaltung

Erste Runde DFB-Pokal, dunkle Gewitterwolken, Donnergrollen und ein Gästeblock ohne Dach – das hatten wir schon einmal: 2014 in Chemnitz. Ich sagte noch vorkicks – das erinnert mich an das Stadion an der Gellerststraße – mal gespannt ob es wieder 10:9 ausgeht. Nun ja, der Rest ist bekannt.

Viele Emotionen nach über eineinhalb Jahren ohne Auswärtsfahrt und nun 120 Minuten plus Elfmeterschießen

Der Block war gut gefüllt, die Regenwolken auch – leerten sich zum Glück nur noch zum Anpfiff und natürlich brachte es der Spielverlauf mit sich, dass man Minute um Minute mehr emotional vom Geschehen auf dem Platz erfasst wurde. Über 120 Minuten und 16 Elfmeter lernte man mit der Zeit wieder ein bisschen zu eskalieren, die Sitztribüne zum Aufstehen zu bewegen und nasse Schuhe Basis für eine feucht fröhliche Auswärtsfahrt in der ersten Runde DFB-Pokal zu akzeptieren. Was für ein Einstieg in die Saison, oh Johnny!

Fazit

Der Jahrgang 2021/2022 lässt sich gut an. Hoffen wir, dass es kein kurzes Intermezzo war.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour