Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!
01 Hin und weg:
Es gibt sie noch, die Tage, bei denen bei der Bahn eigentlich alles planmäßig läuft. Zumindest wenn man es als normal empfindet, dass der gebuchte Zug bereits Tage zuvor gestrichen und die lästige Zugbindung bei Sparpreistickets aufgehoben ist. So ist auf der Strecke Frankfurt – Berlin möglich, auch einen Sprinter-ICE als Erstatz nehmen, der immerhin 30 Minuten schneller ist als der gewöhnliche ICE. Und so kamen wir fast pünktlich in der Hauptstadt ein, denn den eigentlich gebuchten ICE hatten wir da schon fast aus unserem Bewusstsein gestrichen und was sind schon 20 Minuten…
02 (N)immer nuff:
Bewegt man sich im Jahr 2023 durch Berlin, so fällt auf, wie die Stadt die Verkehrsflächen neu aufgeteilt hat. Auf 6-spurigen Straßen gibt es in der Innenstadt pro Fahrtrichtung eine Spur für Autos, eine für Busse und eine für Radelnde. Auf 4-spurigen Straßen teilen sich Bus und Rad die Spur. Und was passiert in Mainz? Es gibt einen Aufschrei, weil dieses Konzept testweise für ein paar Tage auf der Rheinstraße umgesetzt wurde.
Der Streit um Radspuren – selten habe ich meine Heimatstadt als provinzieller wahrgenommen als die Tage – wenn man gleichzeitig sieht, dass das Spurenkonzept von allen am Verkehr teilnehmenden in Berlin problemlos akzeptiert wird. Das Radeln auf Berlins Straßen – wir radelnden in drei Tagen zirka sechs Stunden und etwa 70 km durch die Stadt – war zum Großteil ein purer Genuss. Und auch die Autos kamen voran – genauso wie die Menschen, die mit dem Bus unterwegs waren.
03 Kon-Trolle
Da es die Tickets nur im Vorverkauf zu kaufen gab, blieb mir die Situation, die ich sonntags zuvor in Erfurt erlebt hatte, erspart. Beim Spiel der 05erinnen wurde ich tatsächlich von den Kids des 1. FFV Erfurt am Einlass gefragt, ob ich vielleicht Rentner sei. Dann würde das Ticket nur 3 statt 4 Euro kosten. Die Situation wurde auch dadurch nicht wirklich besser, dass sie danach pflichtschuldig fragten, ob ich alternativ vielleicht Student sei… 😉
Vor der Kontrolle am Stadion an der Alten Försterei nahm ich den Ort des Geschehens zum ersten Mal seit 21 Jahren wieder wahr. Hier begann meine Auswärtsfahrer-Karriere am 5. Mai 2002. Nach etwas mehr als 250 Auswärtsspielen mit Mainz 05 ging es am Sonntag mal wieder nach Köpenick. Die Kontrollen waren recht unstressig und direkt dahinter sah ich den Grashügel, den ich bereits 2002 hochgegangen war, in der Hoffnung ihn als Erstligist wieder hinunterzuschreiten.
Mittlerweile haben die Fans von Union zumindest einen Teil des Stadions selbst umgebaut und ein Dach auf den Gästeblock gezimmert. Bei Union wird ja viel von Kult gesprochen. Bis ich hierher zurückgekehrt war, ging mir dieser Hype schon ein bisschen auf den Keks. Aber Picknicktische am Bierstand, ein Grashügel hoch zum Gästeblock hinauf und ein Grill im Gästeblock selbst – ja, das ist schon fein und ja, das finde auch ich ziemlich kultig. Chapeau Union – gut gemacht (nicht alles umzubauen).
04 Kampf um den Mampf
Warum Unions Präsident so eine Phobie vor veganen Würstchen hat, weiß ich nicht. Jedenfalls möchte er sie nicht bei Union sehen. Ich frage mich schon, was sein Problem ist. Soll doch jede*r futtern was er/sie will (Gendern lehnt er ebenfalls ab). Vielleicht muss dieser Stammtischparolen-schwingende Präsi sie irgendwann doch anbieten, wenn die DFL ihre Nachhaltigkeitskriterien um die vegane Quoten-Wurst erweitert. Dass die Bratwurst 3 Euro und die Brezel 3,50 Euro kosten, ist an Dreistigkeit eigentlich auch nicht mehr zu überbieten. Zum Glück bietet Berlin, wie keine andere Stadt in Deutschland, vegane Optionen en masse, so dass zumindest ich gut gestärkt zum Spiel aufbrechen konnte. Nur Auswärtsfahrende, die direkt mit dem Bus am Block ankommen, gucken halt in die Röhre. Wenigstens war die Preispolitik bei den Getränken in Ordnung. 2,50 € für 0,5l Sprudel war schon fair – und die Preisdifferenz zum Bier (4,50 €) auch recht groß.
05 Käfighaltung
Ein voller Block mit motivierten Menschen, dazu die Lust auf die neue Saison – es hätte echt was werden können. Aber leider war halt nach einer Minute die Euphorie schon wieder ein wenig dahin – zumindest im Gästeblock. Drüben wurde eine schicke Choreo präsentiert und die Heimfans hatten natürlich mächtig was zu feiern: „Unser Schlüssel zum Erfolg: nie zu vergessen woher wir kommen“ könnte man natürlich auch umformulieren in „Unser Schlüssel zum Erfolg – die Mittelherkunft vergessen und sich auf die Mittelverwendung fokussieren“. Denn Unions Erfolg ist auf Schulden aufgebaut, alles fremdfinanziert und die Mitglieder dieses eingetragenen Vereins sind entweder nicht willens, die „Strategie“ ihres Präsi zu hinterfragen oder sie wissen es einfach nicht besser. Warnende Beispiele wie Schalke 04, Bielefeld (beide ebenfalls überschuldet) und Zwickau (es droht die Löschung aus dem Vereinsregister) werden in Köpenick ignoriert. Stattdessen freut man sich wie Bolle über den Erfolg und führt alles auf den Trainer, den Verein, die Nicht-Einführung der veganen Wurst und das Umfeld zurück. Nach dem persönlichen Austausch mit Unioner*innen möchte man ihnen das Gelingen dieser eigenartigen Planwirtschaft ja fast schon gönnen – wenn nicht direkt Vereine wie Nullfünf dadurch benachteiligt werden. Denn Financial Fairplay ist das natürlich nicht: Schulden anzuhäufen und hoffen, dass maximaler Erfolg das nicht vorhandene Geld irgendwann einspielt, das mit vollen Händen auch diese Saison wieder ausgegeben wird.
Fazit: Der Jahrgang 2023/2024 zeigt Kontinuität in der Niederlage an der Alten Försterei
Rot-weiße Grüße,
Christoph – Meenzer on Tour