Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!
01 Hin und weg:
Die erste Auswärtsfahrt nach dem Ende des „9-Euro-Tickets“ brachte mal wieder ein paar Überraschungen auf der Schiene mit sich. Da es letzte Saison auswärts in Gladbach mit dem Klapprad so gut geklappt hat, ging es mit diesem wieder in den ICE hinein. Wie die treuen Leser*innen der Spätlese sicherlich bereits bemerkt haben, fahre ich relativ häufig Bahn. Bei einem Umsatz von mehr als 2000 Euro pro Jahr erhält man bei der Bahn einen besonderen Status. Dieser hieß bis vor Kurzem „BahnComfort“. In jedem ICE und IC sind Plätze für Leute mit diesem Status reserviert. Vor der Abfahrt des Zuges kann man sich in der App bereits anzeigen lassen, in welchem Bereich des Gleises der Wagen mit den „BahnComfort“-Plätzen zu finden ist – für die 1. und die 2. Klasse. Diesmal gab es allerdings nur „BahnComfort“-Plätze in der 1. Klasse. Die in der 2. Klasse sind normalerweise in der Nähe des Bordrestaurants – aber diesmal war der Bereich der Futterkrippe gemäß „Wagenstandsanzeiger“ in der App der 1. Klasse vorbehalten. Sehr komisch – aber das machte mich natürlich neugierig. Mit dem Klapprad ging es in den Wagen, der unmittelbar vor dem Bordrestaurant angehhängt war. Zu meiner großen Überraschung war das Schild für die 1. Klasse mit einem handschriftlich ausgefüllten Zettel überklebt: 2. – heißt der Wagen war als für das Fußvolk der 2. Klasse bestimmt und mit BahnComfort-Sitzen ausgestattet. Der große Vorteil dieses Waggons bestand darin, das Klapprad genau hinter der Sitzreihe abstellen zu können, bei dem die Sitzplatzrichtung dreht, also in der Mitte des Waggons. Dort ist ein Zwischenraum, der meist ungenutzt bleibt und damit auch in vollen Zügen, wie diesem die Möglichkeit bietet, das Klapprad in Sichtweite abzustellen. Die Sitzplatzkonfiguration 1 – 2 hat vorallem für Freunde der Armlehne Vorteile. Gerade beim Doppelsitz gibt es kein Konfliktpotenzial, da es tatsächlich zwei Armlehnen gibt, allerdings nur eine Steckdose wie in der Holzklasse… Und diese BahnComfort-Sitze dürfen natürlich auch von „gewöhnlichen“ Zugreisenden genutzt werden, so lange kein BahnComfort-Kunde auftaucht.
In Köln schnell den Zug gewechselt und in die leere Regionalbahn nach Mönchengladbach eingestiegen. Im Bereich für Fahrräder, Kinderwagen und Rollstuhlfahrende war nach dem Ende der 9-Euro-Ticket-Zeit wieder Platz zum Atmen. So machte ich es mir mit dem Klapprad auf den Klappstühlen bequem und plötzlich plumpste etwas auf den Boden. Vor mir lag ein Handy, welches weder mir noch den wenigen Mitreisenden gehörte. Als das Handy plötzlich einen eingehenden Anruf anzeigte, war die Situation klar. Ich nahm ab und jemand, der gebrochen Deutsch sprach, erklärte mir er sei in Bonn. Ich beruhigte ihn und sagte, ich würde das Handy in Mönchengladbach abgeben. Den Rest der Bahnfahrt recherchierte ich, was man mit Fundsachen bei der Bahn macht – speziell in Mönchengladbach.
Aus vorherigen Fahrten weiß ich, dass dieser so genannte „Hauptbahnhof“ alles ist, nur kein Bahnhof einer Großstadt. Einen Info-Point der Bahn gibt es nicht, Ein Reisezentrum gibt es nicht. Ein DB-Fundbüro gibt es nicht. Der DB-Service Store hat nur Montag bis Freitag auf und DB-Mitarbeitende gibt es schon mal gar nicht – natürlich auch nicht im Zugabteil. Leider rief der Eigentümer des Handys nicht noch mal an, denn eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass ich an einem der eben genannten Punkte, Leute der DB würde treffen können. Dank Google Maps fand ich um die Ecke des Bahnhofs die Bundespolizei, die das Handy auch in Empfang nahm. Anzunehmen, dass der Eigentümer nochmal anrief, nachdem er ebenfalls keine DB-Leute im Hauptbahnhof angetroffen hatte.
02 (N)immer nuff:
Statt wie letzte Saison in Rheydt auszusteigen, war es nach dem Handy-Fund klar, bis nach Mönchengladbach Hauptbahnhof durchzufahren. Die Radtour von dort zum Stadion ist zwar nicht ganz so attraktiv wie von Rheydt aus, wo es an Feldern und Wiesen entlanggeht. Aber die von Straßen und Fußgängerwegen abgetrennten Radwege waren schon sehr angenehm zu fahren – vorallem am Megastau vorbei raus zum Borussia-Park. Wäre auch mal schön, wenn in Mainz am Rheinufer so eine Trennung zwischen Fußgänger*innen und Radfahrenden möglich gemacht werden würde.
03 Kon-Trolle
Fahrten nach Gladbach sind eigentlich immer angenehm – auch weil es, wie in Augsburg, direkt am Gästeblock eine Abgabestelle für Sachen gibt, die nicht mit ins Stadion dürfen, wie z.B. Powerbanks. Da ich deswegen eh geplant hatte, meinen Beutel abzugeben, steckte ich noch die Fahrradbeleuchtung rein (die mir in Mainz ja immer eh abgenommen wird) und eine Faltflasche mit Wasser. Sich das Leitungswasser in Mainz abzufüllen, mit zum Stadion zu nehmen und Teile davon für die Rückfahrt aufzuheben, ist halt wesentlich nachhaltiger als unterwegs kleine Einwegflaschen mit Mineralwasser zu kaufen. Daher ist es tatsächlich einfach eine gute Idee, Fans die Möglichkeit zu geben, Sachen am Block abzugeben. Das sollte meiner Meinung nach Pflicht für den Heimverein sein, dies Gästefans zu ermöglichen.
04 Kampf um den Mampf
Gladbach bekommt es hin! Also die günstigste Speise als vegetarische Variante anzubieten. Die Pommes mit 2,80 € waren wirklich preiswert. Die Frikadelle kostete 3 €. Warum das im Stadion am Europakreisel wegen mir mit Brezel und Fleischkäsebrötchen so nicht hinzubekommen ist, weiß wahrscheinlich niemand, weil man sich über solches Gedöns keine Gedanken macht. Allerdings machte man sich auch in Gladbach wohl nicht so viele Gedanken, was den Müll angeht. Leider gab es wieder nur Einegbecher und den entsprechenden Müllberg. Dass da Mainz 05 Ende der letzten Saison endlich wieder aufgewacht ist und dank der Fanabteilung jetzt in jeder Halbserie ein anderes karitatives Projekt ausgesucht wird, das mit einer Becherspende bedacht wird, zeigt, wie wichtig die Fanabteilung bei uns im Verein ist – sitzen da doch Menschen, die sich auch über Gedöns Gedanken machen.
05 Käfighaltung
„Willst Du Mainzer Tore seh’n, musst Du in die Ferne geh!“. Dass das am Sonntag trotzdem nur 800 Nasen gewusst haben, ist ein Umstand, den ich bei Mainz 05 nie verstehen werde. Ob es an der fehlenden Weinschorle im Block lag und/oder dass endlich wieder Weinmarkt war? Oder war es das personalisierte Gästeticket, das hier notwendig war und auf das sich ein Spruchband der Gladbacher-Szene bezog „Gegen weitere digitale Datenspeicherung durch E-Tickets“. Auf jeden Fall war die Käfighaltung ideal, denn die beiden Highlights des Spiels aka Monstergrätsche und Traumtor spielten sich direkt vor dem Gästeblock ab – mit jeweils anschließender rot-weißer Eskalation.
Fazit: Der Jahrgang 2022/2023 zeigt, dass Gladbach einfach eine der angenehmsten Auswärtsfahrten ist – vorallem wenn kein Heimtor fällt döp, döp, döp.
Rot-weiße Grüße,
Christoph – Meenzer on Tour