Sabaidi…ist laotisch und bedeutet soviel wie „Hallo“. Wie Ihr jetzt treffsicher bemerkt habt, bin ich also zurzeit in Laos unterwegs. Allerdings fing meine Radtour, nach einer 24-stündigen Flugodyssee via Paris und Bangkok, im thailändischen Udon Thani, ca. 450 km nord-östlich der Hauptstadt des Königreichs an. Am Gepäckband des Flughafens entscheidet sich bei jeder Fernradreise, die zunächst mit dem Flugzeug beginnt, ob das Reisen per Drahtesel überhaupt losgehen kann. Vorausgesetzt das Rad kommt an, wäre allerdings so beschädigt gewesen, wie anno 2004 bei der Rückreise in Oslo, als ich die beiden Laufräder in Mainz habe ersetzen lassen müssen, hätte ich das Stahlross gleich wieder nach Hause senden können. Aber Air France und Thai haben das Velo pfleglich behandelt – lediglich das Rücklicht war abgebrochen, ein Getränkehalter angebrochen und der Rahmen erhielt als Souvenir eine kleine Delle. Kurzum ich konnte das Gefährt zusammenbauen und mit Ducktape sogar das Licht wieder fixieren.
Nach der Arbeit, sprich dem Zusammensetzen der einzelnen Komponenten meines Rads, kommt bekanntlich das Vergnügen: Was viele von uns mögen, ist den Thais nicht fremd – den Biergarten! Eigentlich besteht das ganze Land nur aus Biergärten entlang der Ausfallstraßen. Das Bier alleine ist qualitativ schon nicht schlecht und die 0.66 Liter Flaschen sind trinkgerecht doch die Marketingstrategie, das kühle Blonde, von einer sehr attraktiven Hostess nach jedem Nippen gleich aus besagter Flasche ins Glas nachgeschenkt zu bekommen, ist natürlich sehr Erfolg versprechend. „One more o.k.?“ säuselt die thailändische Schankdame, sobald der Inhalt der Flasche im Magen des Gasts gelandet ist. Wer kann da schon „No, thank you!“ sagen. Aber irgendwie war mein Ehrgeiz doch irgendwann größer, als den Rest meiner Reise in einem Thai-Biergarten zu verbringen und ich wendete mich wieder meiner Begleitung aus Stahl und Reifen zu.
Am folgenden Tag fuhr ich auf dem Seitenstreifen des 4-spurigen Thaiways schnurstracks gen Norden durch die gerade noch einigermaßen auszuhaltende Hitze von etwas über dreißig Grad im Schatten. Mit meinem gelben Socceroo-Australien-Trikot lag ich in Thailand jederzeit besonders montags voll im Trend. Denn es hatte am Tag meiner Einreise, dem 4. Dezember, einem Montag, den Anschein, als würde praktisch das ganze Land gelbe Hemden, Blusen und T-Shirts tragen. Der Grund dafür lag mal wieder wie so vieles in diesem Land an König Bumiphol und seiner gelbfarbenen Königsfahne. Die Thais besitzen für jeden Wochentag eine andere Farbe. Der König, der in diesem Jahr sein 60-jähriges Thronjubliäum feierte, war am 5. Dezember, einem Montag vor 79 Jahren geboren worden, und für den Montag steht in Thailand die Farbe Gelb. Seit dem Jubiläum im Juni bis zum 80. Geburtstag des Königs im nächsten Jahr wollen viele Thais jeden Montag gelb tragen – zur Ehre ihres Königs. Hm, in Thailand ist die Verdrossenheit auf „die da oben“ noch nicht sehr weit ausgeprägt – zumal die „lästigen“ Politiker ja allenthalben weggeputscht werden, wie wir im September sehen konnten. Anders als die „Kommerz-Flughäfen“ Paris-Charles de Gaulle und Frankfurt, die ihre Fluggastbrücken zu Werbezwecken an Banken (HSBC bzw. Royal Bank of Scotland) verscherbelt haben, steht auf Bangkoks 2 Monate altem Flughafen auf jeder Brücke „Long live the king!“, genauso wie auf den gelben Gummiarmbändchen, die wir in Mainz doch lieber in roter Farbe mit „1. FSV Mainz 05“ tragen. Tja andere Länder andere Sitten.
Nach 56 Kilometern war mein Ausflug ins gelbe Thailand zunächst vorbei. Über die von den Socceroos gespendete Thai-Lao-Freundschaftsbrücke, die den Mekong überspannt, erreichte ich mein aktuelles Gastland, die Demokratische Volksrepublik Laos. Das hört sich schon arg linkslastig an und nach 2 Metern auf laotischem Boden begegnete ich bereits der ersten roten Fahne mit gelbem Hammer und gelber Sichel. Beim Überqueren der Brücke fand nicht nur ein politischer Systemwechsel von konstitutioneller Monarchie zu real existierendem Kommunismus-Buddhismus-Mischmasch statt – nein es musste auch von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt werden. Da das auf einer Brücke relativ schwierig ist, einigte man sich darauf, die laotischen Meter der Brücke noch links zu fahren. Am Ende der Brücke stand schließlich eine Ampel, die den Kreuzungsverkehr von links nach rechts bzw. von rechts nach links regelte. Wer allerdings die Gleise der Eisenbahn, die auf thailändischem Boden bis zur Brückenmitte gesetzt sind, weiterführt, steht noch in den Sternen, denn hinter der Grenze gibt es keine Gleise mehr. Laos sucht wohl noch nach einem edlen Spender, der die Gleise in die Hauptstadt Vientiane verlegt.
Nachdem ich gegen eine Gebühr von 30 US$ und einem Photo mein Visum in der rekordverdächtigen Zeit von 2 Minuten erhielt und nochmals meine Passdaten auf das Einreiseformular gekritzelt hatte, um neben den Visa-Stempel den Einreisestempel gesetzt zu bekommen, musste ich nur noch 10 thailändische Baht (0,22 Euro) „Entrance Fee“ berappen und schon war ich in die Volksrepublik eingereist. Visa-Gebühren in Dollar, Eintrittsgebühr in Baht – die Kommunisten ziehen die Währungen der Kapitalisten ihren laotischen Kip vor. Für einen Euro gibt es mittlerweile nämlich sehr viel Kip – genauer gesagt fast 13.000! Und der 20.000 Kip-Schein ist die Banknote mit dem höchsten Betrag! Zum Glück habe ich nicht so viel Klamotten auf diese Reise mitgenommen. So bleibt genug Platz für die Kip-Scheine in meinen Taschen!
Ihr merkt, Reisen in Laos mit drei Währungen ist nicht ganz so einfach für uns Europäer. Während wir durch die Hälfte unsere Kontinents reisen können, ohne Geld wechseln zu müssen, ist der Einkauf und die Bezahlung hier immer eine Währungslotterie. Aber auch sonst gestaltet sich das Land anders als seine Nachbarländer. Straßenschilder, die als Wegweiser anzusehen sind, gibt es kaum. Ich war bereits 10 km ins Land hinein gefahren, und unwillkürlich hatte ich mich bereits verfahren, ehe das erste Schild auftauchte. Auf den 20 Kilometern von der Brücke in die Hauptstadt Vientiane traf ich nach 15 km zum allerersten Mal auf ein Hinweis, dass ich mich mittlerweile auf dem Weg in nach „La Capitale“ (frz. Hauptstadt) dieses Binnenlands befand.
Keine Hauptstadt der Welt habe ich in meinem Leben also so schläfrig, gemächlich, ruhig und vor sich hin dämmernd empfunden wie Vientiane, das Wieng Chang ausgesprochen und als „Stadt des Sandelholzes“ übersetzt wird. Die Franzosen, die hier früher mal saßen, haben wie in Indien die Engländer, den Stadtnamen ihrer Sprache angepasst. Anders als im hektischen Indien, kam man im gemächlichen Laos noch nicht auf die Idee, die koloniale Vergangenheit abzulegen und die Stadt wieder umzubennenen. Auch der Name „Laos“ ist eine Kreation der Kolonialisten der Grande Nation. Früher gab es keinen laotischen Staat in den heutigen Grenzen, sondern einzelne laotische Königtümer, die mal mehr mit Thailand, mal mehr mit Kambodscha, China, Myanmar oder Vietnam verbandelt waren. Es gab also nicht ein „Lao“ sondern die Mehrzahl davon und die wurde von den Kolonialherren als „Laos“ definiert.
Zurück in die Hauptstadt Vientiane: Das Radeln in dieser Stadt, wie in den von mir bereits vorher beradelten Hauptstädten der Region Bangkok und Ha Noi, war wieder einmal sehr gewöhnungsbedürftig. Waren es in Bangkok letztes Jahr die 10-spurigen Straßen, die mir das Abbiegen nicht gerade vereinfachten, oder in Ha Noi im Jahr 2004, die Myriaden von gleichgesinnten Zweiradlern, sind es hier vielmehr die Buckelpisten am Stadtrand mit Mini-Dünen in denen es sich schwer steuern lässt, bzw. die Maulwurfshügel-artigen Kanaldeckel oder die Ampeln – die schon mal in „weiß“ leuchten können. Nun gut – „grün“ heißt im Rest der Welt losfahren – „orange“ exisiert hier vor dem „grün“ gar nicht und „rot“ ist allgemein bekannt – aber „weiß“? Zumal sich die Farbe der Ampel gar nicht mehr änderte – zumindest nicht, bis der wenige existierende Verkehr nach dem Gesetz der Logik losfuhr. Anders als bei unseren Kreuzungen rollt der Fluss aus Auspuffgeknattere immer nur aus einer Richtung in die Kreuzungsmitte. Das macht das Linksabbiegen sehr sicher und unkompliziert und somit kann auch die weiße Ampel überlistet werden, da nach der dritten „fremden“ Welle, also nach links, rechts und von vorne wir wieder dran sein müssen. Daher fuhren wir einfach alle los und deshalb stehe ich nun nicht mehr auf die grüne Ampel wartend an dieser Kreuzung.
Die Straßen, wenn sie denn überhaupt einen Namen haben, heißen hier noch „Avenue“, „Quai“ oder „Rue“ , und haben teilweise tatsächlich Boulevard-Charakter, vor allem wenn man in Richtung des monströsen Triumphbogens radelt – der erst nachdem die Franzosen hier 1953 abgehauen sind, da sie in Vietnam genug Probleme hatten, 1964 mit US-Zement errichtet wurde, der eigentlich für den Flughafenbau bestimmt war. Ausländer, die in Vientiane leben, sprechen bei diesem Betonmonster, das von weitem wirklich wie der Arc de Triomphe in die Tropen versetzt aussieht, auch von einer „vertikalen Start- und Landebahn“ – womit sie gar nicht so falsch liegen. In der Stadt finden sich auch noch zahlreiche Villen aus der französischen Kolonialzeit. Hochhäuser sucht man hingegen vergebens – genauso wie Bettler. In welcher Stadt gibt es eigentlich keine Menschen, die auf die Gaben anderer hoffen? Die Stadt befindet sich meiner Meinung nach in einem Zustand zwischen Lethargie und Aufbruch. Es wird überall gebaut – ein 5-Sterne-Hotelkasten, der so gar nicht ins Stadtbild passt, ist auch schon fertig – aber sonst bleibt vieles in den Anfängen stecken. Ein Bürgersteig ist 50 m gepflastert, dann liegen die Pflastersteine wahllos zwischen Straßenrand und Mauer herum und ein paar Meter weiter ist dann nur noch Sand zu sehen. Es sieht auch nicht danach aus, als wolle hier jemand noch mal weiterpflastern.
Wo Franzosen waren, wird auch gut gegessen. Das bewahrheitet sich in allen frankophonen Ländern dieser Erde – so auch in Laos. So beginnt hier der Tag auch mit gutem Kaffe – hergestellt aus laotischen Kaffeebohnen aus dem Hochland und mit zäher süßer Kondensmilch versetzt. Dazu gibt es natürlich Croissants oder Baguette wahlweise belegt mit Eiern oder laotischer Pastete, Frühlingszwiebel und diversen Kräutern – einfach köstlich. Aber auch das wirklich einheimische Laarp ist sehr lecker. Es besteht aus Hackfleisch (Rind, Schwein, Fisch, Hühnchen) und vielen Gewürzen. Dazu werden riesige Salatblätter und in Bambusschachteln verpackter Klebreis serviert. Es wird entweder kein Besteck oder nur Löffel und Gabel gereicht. Hm, wie isst man das ganze jetzt eigentlich ohne als totaler Laarp-Novize dazustehen? Also den Klebreis, der auch als Feuerlöscher wegen der scharfen Gerichte dient, kugelt man zusammen und befördert ihn in den Mund, was bei der Konsistenz, wie der Name schon sagt, kein Problem ist. Man könnte diesen sicherlich auch als Spachtelersatz in der Auto-Werkstatt einsetzen. Die Salatblätter füllt man mit dem wunderbar gewürzten Fleisch und führt dies direkt zum Mund. Falls man nicht mit den Händen essen möchte, hat die Gabel die Funktion, das Essen auf den Löffel zu hieven und mit diesem das ganze in den Mund zu befördern. Auch das Bier hat seinen Namen hier verdient. Die Fass-Variante wird wahlweise in der 1-Liter-Version oder im Glas gereicht und das Preisniveau von ca. 0,75 Euro pro Liter in der Kneipe ist als sehr kundenorientiert zu bezeichnen.
Die Restaurant, die für Touristen eröffnet wurden, sehen sehr gemütlich und einladend aus. Allerdings sind diese meist leer, da zurzeit noch nicht viele von uns hier sind. Die laotischen Restaurant, wo auch die Einheimischen hingehen, sind vom Dekor her eher als nüchtern zu bezeichnen bei denen das Flair eher an eine Turnhalle erinnert. Die kleinen Plastikhocker erinnern mich dann auch noch eher an Nachttöpfe wenn man meine Statur kennt. Aber dafür ist das Essen super und darauf kommt es ja schließlich auch an.
Nachdem ich mich genug gestärkt hat, habe ich es nun mit meinem Velo rund 200 km nach Norden verschlagen und ich bin im Backpacker-Hauptquartier Vang Vieng angekommen. Was ich auf meiner Reise hierher und hoffentlich auch weiter erlebt werden habe, erzähle ich Euch dann das nächste Mal.