Auseinandergelebt zusammenhalten

Wie immer geht es auch in diesem Text nicht um die aktuelle sportliche Situation der Männer-Profifußballmannschaft von Mainz 05. Bei Scrabble würde der eben genannte Begriff der „Männerprofifußballmannschaft“ 59 Punkte einbringen, im wahren Leben zeigt er, dass der eingetragene Verein vielfältiger ist, als das Team, das gegenwärtig in der 1. Männer-Fußballbundesliga gegen den Ball tritt und weit davon entfernt ist, in der aktuellen Saison 59 Punkte einzufahren (58 Punkte ist der Rekord in der Saison 2010/2011).

Zahlreiche Spruchbänder drehten sich beim Spiel gegen Heidenheim um das Votum des 05-Vorstands bei der DFL-Mitgliederversammlung am 11. Dezember 2023

Gestern im Stadion am Europakreisel war auf einem Plakat die „Den-Fan-zum-Obst-machen“-Stempelkarte zu sehen. Darauf waren verschiedene Felder abgebildet und der Vermerk „Alle 05 Stempelfelder voll = 1 Obstkorb“. In jedem Stempelfeld wurde eine Handlung des aktuellen Vorstands der letzten Jahre beschrieben, die wohl der großen Mehrheit der Fans übel aufstößt. Die Ansetzung des Testspiels gegen Newcastle (deren Eigentümer aus Saudi-Arabien stammen), das „Heimspiel“ in Hoffenheim, das einfach ein deplatzierter Slogan war, das Abtun von Kritik als Ideologie – immer wenn es um die noch weitere Kommerzialisierung des Fußballs geht, das Ja zu Investoren in der DFL, das sogar zweimal gegeben wurde und das Übergehen der Vereinsstrukturen, da so ein Votum bezüglich Investoreneinstieg über eine Mitgliederversammlung eingeholt hätte werden können.

Gründe, warum man mit Mainz 05 sympathisiert, können vielfältig sein. Anzunehmen ist, dass die bereits genannte Männer-Profifußballmannschaft sicherlich bei den meisten von uns einen entscheidenden Teil dazu beiträgt. Ein Teil derjenigen, die es mit Mainz 05 halten, wird einzig und allein wegen der Männer-Profifußballmannschaft den Club toll finden. Dieser Teil ist mal größer mal kleiner und steht und fällt sicherlich mit dem sportlichen Erfolg. Es ist anzunehmen, dass eine stärkere Bindung an Mainz 05 mehr braucht als den sportlichen Erfolg. Wenn diese Bindung existiert, dann engagiert man sich im besten Fall auch mehr für den Verein. Man wird Mitglied, zum Beispiel in einem Fanclub, man stößt zu den Supporters und im besten Fall wird man auch Vereinsmitglied. Innerhalb des Vereins wendet man sich der Fanabteilung zu und hilft in einer der vielen AGs Mainz 05 zu leben – nicht nur am Spieltag für 93 Minuten.

Wenn es einmal sportlich nicht so dolle läuft, dann ist es für Vereine wie Mainz 05 wichtig, dass sie Rückhalt haben – eben durch jene Menschen, die sich natürlich auch am sportlichen Erfolg erfreuen, für die aber Mainz 05 so viel mehr bedeutet und für die Mainz 05 wie eine (zweite) Familie ist.

Vielleicht ergeht es manchen Menschen so wie mir. Ich bin 05er, weil es sich um einen eingetragenen Verein handelt, in dem die Mitglieder das Sagen haben. Natürlich können die Mitglieder nicht bei jeder Entscheidung eingebunden werden. Daher wählen Mitglieder eines Vereins einen Vorstand, der demokratisch legitimiert, das Tagesgeschäft übernimmt. Die Entscheidung, dass zum Beispiel gestern das Fleischkäsebrötchen für 2,50 € nicht mehr angeboten wurde, bedarf sicherlich keiner außerordentlichen Mitgliederversammlung. So ähnlich lief dies auch mit dem Newcastle-Fauxpas und dem Heimspiel-in-Hoffenheim-Debakel. Das sind Aktionen, die passieren, die Emotionen hervorrufen aber die zu „heilen“ sind. Man lernt daraus und das nächste Mal läuft es anders, im besten Fall besser.

Allerdings wird an dem Hoffenheim-Debakel erkennbar, dass sich die handelnden Personen schon ziemlich sicher sind, was gut für 05er*innen ist: Hier zum Beispiel Hauptsache billig und prägnant – zum Spiel samt „dazugehörigen“ Motto-Shirt und dazu ein etwas abgehobener, wenn nicht sogar arroganter Slogan – wenn man bedenkt, dass Mainz 05 nicht gerade berühmt dafür ist, auswärts in übermäßig großer Zahl aufzulaufen.

Mit dieser Abgehobenheit beschäftigt man sich anscheinend auch bei strategischen Entscheidungen, die nicht zum Tagesgeschäft gehören. Wenn man sich die Kommunikation der Supporters bereits im Mai 2023 zu dem Thema durchliest, wird ersichtlich, dass im kleinen Zirkel bei Mainz 05 vorab eine Entscheidung gefällt wird. Man trifft sich zwar pro forma mit Fanvertretenden, um am Ende von Ideologien zu sprechen und die vorab getroffene Entscheidung keinesfalls zu revidieren.

Was bedeutet eigentlich Ideologie? „Der Begriff steht für sogenannte Weltanschauungen, die vorgeben, für alle gesellschaftlichen Probleme die richtige Lösung zu haben. Menschen, die solche weltanschaulichen Ideen oftmals starr und einseitig vertreten, nennt man „Ideologen“. Das sagt die Bundeszentrale für politische Bildung. Und ich denke, dass im Männer-Profifußball dieser Begriff eher Verbände und Institutionen gilt: Denn es geht immer nur ums Geld. Das Geld ist die richtige Lösung. Allerdings würde von den Fans nie jemand auf die Idee kommen, den Verbänden eine Ideologie vorzuhalten.

Den Fans Ideologie vorzuwerfen, wenn man eigentlich selbst ideologisch eingestellt ist, ist komplett fehl am Platz. Damit werden genau jene Fans diskreditiert, mit denen sich Mainz 05 ansonsten schmückt, wenn sich Fans aktiv gegen Diskriminierungen jeder Art und für Minderheiten einsetzen.

Der am Montag von der DFL-Mitgliederversammlung beschlossene Weg, diesen für einen Investor freizumachen, hat im schlimmsten Fall, Einfluss auf die Ein- und Ausgabenseite des Vereins Mainz 05 für die nächsten 20 Jahre. Eine solche Entscheidung, ohne eine außerordentliche Mitgliederversammlung im kleinen Kreis zu fällen, wirkt schon arg abgehoben. Dabei hat Mainz 05 gerade erst im letzten Jahr seine Satzung dahingehend geändert, dass Mitgliederversammlungen im Hybrid-Verfahren durchgeführt werden können. So hätte man zum Beispiel zwei oder drei Tage vor der DFL-Entscheidung eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen können, bei der man auch online hätte votieren können.

Warum dies nicht gemacht wurde, dürfte klar sein, denn schließlich weiß der Vorstand, was gut für 05er*innen in der Adventszeit ist. Sollen sie doch lieber ihren Glühwein in kuscheliger Atmosphäre auf dem Weihnachtsmarkt im Schatten des Doms trinken, als in die Kaltluftschneise zu ziehen, um über gerade mal einen Punkt zu entscheiden. Denn sie wissen genau, dass wohl nur engagierte Mitglieder an dieser Versammlung teilgenommen hätten. Und da der WLAN auf dem Weihnachtsmarkt ja grottig ist, hätte wohl keiner von dort online mitgestimmt. Gut möglich, dass am Ende die stimmberechtigten Mitglieder sich für ein Nein entschieden hätten. Und wenn es vom Timing her nicht gepasst hätte, fragt man sich, warum so eine gravierende Entscheidung übers Knie gebrochen werden muss?

Ein Nein von Mainz 05 hätte am Montag den Weg versperrt für einen Investoren-Deal – fürs Erste. Denn dann hätten nur 23 von 36 DFL-Mitgliedern dafür gestimmt und die notwendige Zweidrittelmehrheit wäre verpasst worden. Ein Nein von Mainz 05 hätte eine dritte Möglichkeit ergeben, für einen Investor zu werben, nachdem der erste Versuch im Mai gescheitert war. Man hätte die berechtigte Kritik an dieser zweiten Variante in Ruhe durchgehen können und vielleicht eine tragbarere dritte Variante entworfen oder diese Pläne verworfen, eben weil fast ein Drittel der Clubs dagegen gestimmt hat, darunter Multi-Ownership-Konstrukte wie der FCK. Mainz 05 erklärte derweil „Durch das Votum demonstrieren auch wir unseren gemeinsamen Willen, dieses Geschäftsmodell zu entwickeln und zukunftsfähig aufzustellen“.  Bei zwölf Gegenstimmen/Enthaltungen ist das eine sehr gewagte Prognose mit dem gemeinsamen Willen. Der einzige Wille, der die Clubs eint, ist der Egoismus noch mehr Geld in die immer klammen eigenen Kassen zu spülen. Wird die DFL Mainz 05 im Falle einer Niederlage vor dem Arbeitsgericht in der Causa El Ghazi monetär unterstützen? Sicherlich nicht. Pech gehabt FSV. Warum man als Mainz 05 den Großen der Liga mit dem Ja noch mehr Geld in die Kasse spült, ist mir schleierhaft. Und das Geschäftsmodell mancher Clubs, komplett überschuldet durch die beiden Ligen zu dümpeln, wird mit mehr Geld auch nicht besser. Denn wer mit dem aktuellen Budget nicht haushalten kann, wird es auch mit mehr Geld nicht hinbekommen. Es ist eigentlich ein Unding, dass im Profifußball so viel Geld im Umlauf ist, aber die meisten Clubs kaum Eigenkapital vorzuweisen haben. Verbindliche Kriterien zum nachhaltigen finanziellen Agieren wären aktuell wesentlich angebrachter als dieser Investoren-Deal.

Man bekommt aktuell den Eindruck, dass wir uns bei Mainz 05 auseinandergelebt haben. Der Vorstand handelt, wie man es von einem Konstrukt in Leipzig erwarten könnte. Dort gibt es nur eine geringe Zahl handverlesener Vereinsmitglieder – wie praktisch… umgekehrt kann man fast neidisch nach Freiburg blicken, wo es ein eingetragener Verein hinbekommt, Mitglieder mitzunehmen, mit Nein stimmt und ähnlich seriös wirtschaftet wie Mainz 05. Sind in Freiburg etwa Ideologen am Werk?  

Die Entscheidung gestern 12 Minuten zu schweigen und eben in der Sekunde den entscheidenden Treffer eingeschenkt zu bekommen, in dem begonnen wurde, das Team wieder anzufeuern, ist mal wieder eine der Geschichten, die nur der (Fußball-) Sport schreibt.

Da die Entscheidung vom Montag nicht revidierbar ist, ist tatsächlich viel kaputt gegangen – zwischen Fans und Vorstand. Uns eint wohl aktuell nur das Ziel, das Team weiter zu unterstützen. Das sollte Basis genug sein, um am Dienstag die Jungs in Rot-Weiß zu supporten. Dies sollte vom Vorstand allerdings nicht missverstanden werden – ob das bei der aktuell gezeigten Abgehobenheit gelingt, sei dahingestellt.

Quelle:

DFL-Investor 2/3 Mehrheit für einen Einstieg in Verhandlungen wird verfehlt – Supporters Mainz

Spätlese 1. FC Köln Saison 2023/2024

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

Mainz 05-Fans im Gästeblock des Müngersdorfer Stadion

01 Hin und weg:

Die Sparpreise der Deutschen Bahn schreiben eine Zugbindung vor. Dadurch ist man als zugreisende Person etwas unflexibel unterwegs, da man nicht einfach in den nächsten Zug springen kann (es sei denn der gebuchte Zug ist mindestens 20 Minuten verspätet). Daher bietet es sich immer an, noch einen Regionalzug oder eine S-Bahn an die Fahrt dranzuhängen. Schließlich soll es durchaus vorkommen, dass diese mal kurzfristig gestrichen werden. So auch am Sonntag. Der Regionalexpress von Köln Messe/Deutz zum Kölner Hauptbahnhof war bereits am Sonntagmorgen gestrichen. Aufgrund dieser nicht stattfindenden 2-Minuten-Fahrt war die Zugbindung für die komplette Fahrt von Mainz bis Köln aufgehoben. Dies macht das Reisen mit der Bahn gleich einen Deut entspannter – zumal es auf der Strecke Mainz-Köln doch relativ viele Züge zur Auswahl gibt. Ich nutzte am Ende dennoch geplanten Zug und kam pünktlich am rechtsrheinischen Bahnhof in Deutz an.

Der Wegfall der Zugbindung bringt zusätzliche Flexibilität

02 (N)immer nuff:

Da ich mit dem eigenen Klapprad unterwegs war und die Bahn dieses als Gepäckstück akzeptiert, konnte ich erstmal ein kleines Weihnachtsmarkt-Hopping einlegen. Mit dem Rad von der falschen auf die richtige Rheinseite gestrampelt, landete ich direkt neben dem Autostau am Heumarkt. Der dortige Weihnachtsmarkt war so dermaßen überfüllt, so dass es gleich zum zweiten Weihnachtsmarkt auf den Neumarkt ging. Dieser lies noch Platz zum Luftholen. Wie auf Weihnachtsmarkt #1 waren auch bei #2 die Standard-Sprachen eher Englisch und Niederländisch. Scheinbar sind Weihnachtsmärkte ein Touristenmagnet Deutschlands – wie aktuell auch noch die Fankultur in unseren Stadien. Ist die irgendwann wegen dubioser Investoren-Deals kaputt gemacht worden, gibt es ja mit dem Oktoberfest und den Weihnachtsmärkten wenigstens noch die Möglichkeit, sich in Deutschland die Lichter auszuschießen, während in Ho$$enheim am Stadion an der Autobahn vielleicht noch weniger als 16 000 Nasen den Kraichgau-Kick geben als letzten Freitag. Über Weihnachtsmarkt #3 am Rudolfsplatz radelte ich weiter in Richtung Müngersdorfer Stadion.

Weihnachtsmarkt #3 am Rudolfsplatz

03 Kon-Trolle

Leider gibt es in Köln keine Abgabestelle für Dinge, die man nicht mit ins Stadion nehmen darf. Fahrradbeleuchtung gehört jedoch genau zu jenen Dingen, die einem an der Kontrolle garantiert abgenommen werden, da sie als Wurfgeschosse gelten. Also musste ich kreativ werden und die Beleuchtung so verstecken, dass sie vor Gelegenheitsdieben geschützt war. Schließlich gibt es wenigstens in unmittelbarer Nähe des Gästeblocks genügend Abstellmöglichkeiten für Räder. Da ist das Waldstadion am Nebenfluss mit seinem bewachten Fahrradparkplatz tatsächlich Pionier in der Liga. Ob etwas von der Kohle, die die DFL mit ihrem Investoren-Deal einnimmt, in die Infrastruktur in Form von Abgabestellen oder bewachten Radparkplätzen fließt? Fraglich…sie möchte ja mit dem Geld eigentlich nur das Angebot für Sofafans digitalisieren. Wer würde denn auf die Idee kommen, noch Geld in diejenigen zu investieren, die ins Stadion gehen?

Fahrradparkplatz direkt vor dem Gästeblock

04 Kampf um den Mampf

Während im Rest des Landes pflanzenbasierte Optionen wie Pilze aus dem Boden schießen, gibt es auch in Köln wieder nur Brezeln als Alternative zur Wurst. Und auf die Idee eine vegane Wurst anzubieten, kommt man in Köln halt nicht. In Fans zu investieren, die sich vegan ernähren? Voll aus der Mode gekommen. Sollen sie doch das zukünftige tolle digitale Angebot der DFL reinziehen und dazu Tofu-Burger in einem pflanzenbasierten Restaurant futtern.   

In den Farben getrennt, in der Sache vereint, gegen Investoren in der DFL

05 Käfighaltung

Wie wenige Vereine in der Liga vermittelt der Effzeh Werte. Zum internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember setzte der Club unter dem #ZesammenFürMenschen  ein Zeichen, dass Menschenrechte weltweit geachtet und geschützt werden müssen. Der Musiker Stephan Brings spielte vor dem Anpfiff das Lied „Liebe gewinnt“ und die Stadionbesuchenden setzten mit ihren Handykameras ein leuchtendes Zeichen in diesen dunklen Zeiten. Ich stelle mir das jetzt schwierig vor, wie sich der digitalisierte Fan an so etwas am anderen Ende der Welt beteiligen soll.

#ZesammenFürMenschen – im Stadion wird am Tag der Menschenrechte an eben diese erinnert

Wie in der letzten Woche die Fans des FSV und des SC Freiburg, positionierten sich auch die Fans des Effzeh klar gegen einen Einstieg von Investoren bei der DFL. Und ihre Clubverantwortlichen votierten, wie Freiburg, am Montag dagegen. Und was machte Mainz 05 als eingetragener Verein? Setzte keine außerordentliche Mitgliederversammlung an, votierte dafür und rechtfertigte das Votum noch mit einem „gemeinschaftlichen Willen, dieses Geschäftsmodell zu entwickeln und zukunftsfähig aufzustellen.“ Bei mindestens 10 Gegenstimmen und Enthaltungen (bei 36 Stimmen) ist das schon eine sehr gewagte Aussage mit dem gemeinschaftlichen Willen. Daher heißt es auch abseits des Platzes: Weiter kämpfen für das, was Mainz 05 ausmacht. Eine fehlende Mitnahme der Mitglieder bei einer Entscheidung, die Auswirkungen auf die DFL in den nächsten 20 Jahren hat, gehört sicherlich nicht dazu.

Fazit: Der Jahrgang 2023/2024 zeigt dass man durchaus den Eindruck gewinnen kann, dass ein Stadionbesuch anscheinend zum Auslaufmodell der DFL-Oberen gehört und unser Vereinsverantwortlichen das auch noch richtig toll finden.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Krasser Rabatt auf die 05-Nachhaltigkeit

Das Verhalten von Mainz 05 in der Black Week

Viele von uns treibt nach den vergangenen turbulenten Wochen die Frage um, wofür Mainz 05 (noch) steht. Das Sportliche blende ich, wie meistens, komplett aus, da es für diese Fragen sicherlich Profis gibt, die das beantworten können. Als Verein steht Mainz 05 seit der letzten Mitgliederversammlung für Nachhaltigkeit. Sie wurde in den Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales als Vereinszweck (!) §1 der Vereinssatzung aufgenommen. Doch was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit und wie wird sie gerade in der Black Week gelebt?

Tweet von Mainz 05 zum Thema Black Week

Die Bundesumweltministerium definiert Nachhaltigkeit folgendermaßen: „Wir sollten mit den begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen sorgsam umgehen und nicht auf Kosten der Menschen in anderen Regionen der Erde und auf Kosten zukünftiger Generationen leben. Nachhaltigkeit betrifft unsere Umwelt, alle Bereiche unseres Lebens und Wirtschaftens. Nachhaltiges Handeln ist also eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft – national und international. Wir müssen unsere Erde für alle und auf Dauer bewohnbar erhalten.“

Kurz gesagt, unser Verein sollte Ressourcen schonen. Wie er von A nach B kommt, kann man kritisch hinterfragen, aber bei der Zuverlässigkeit der Bahn und Dauerstaus aufgrund maroder Brücken kann man das innerdeutsche Fliegen immerhin noch nachvollziehen. Es verlangt auch niemand, dass jetzt nur noch vegan gefuttert wird, da die pflanzliche Ernährung am klimaschonendsten ist und Tierleid erspart. Aber was man schon verlangen kann, ist, dass der Verein seine Außenwirkung bei manchen Aktionen hinterfragt – gerade nach der Satzungsänderung vor einem Monat.

Flock erneuern, statt ein neues Trikot - eine Idee, nachhaltig den Black Friday zu begehen
Flock erneuern, statt ein neues Trikot – eine Idee, nachhaltig den Black Friday zu begehen

Letztes Jahr habe ich das Einsteigen in die Rabattschlacht in der so genannten „Black Week“ bereits kritisiert. Dieser Blogpost ist bei manchen meinungsstarken Menschen auf Kritik gestoßen. Schließlich ist es tatsächlich ein Privileg, wenn man aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten auf Rabattaktionen verzichten kann. Diesen Punkt sehe ich und er hat in diesem Jahr sogar einen eigenen Hashtag erhalten: #BuyNothingIfYouCan Den „Buy Nothing Day“, der am heutigen Samstag begangen wird, gibt es sogar schon seit mehr als 30 Jahren. Er folgt auf den Black Friday, den mittlerweile auch in Deutschland wohl umsatzstärksten Tag des Jahres.

Natürlich soll niemand dafür kritisiert werden, dass er mit seinem begrenzten Budget sich am Black Friday rabattierte Dinge zulegt, für die das Geld normalerweise nicht reicht. Daher zielte meine letztjährige Kritik auch nicht auf die, die sich Dinge aufgrund von Sonderangeboten leisten können.

Vielmehr zielte die Kritik auf die Marketingverantwortlichen des Vereins, die es für notwendig hielten, in die Rabattschlacht in der Black Week einzusteigen. Letztes Jahr waren einzelne Posten um bis zu 70 Prozent reduziert. Dieses Jahr gibt es Eintrittskarten zu reduzierten Preisen. Gegen diese Aktion der reduzierten Eintrittspreise ist auch nichts einzuwenden, bietet sie tatsächlich Menschen mit geringerem Einkommen die Möglichkeit, Spiele der Männer-Profi-Mannschaft im Stadion zu sehen.

Wäre dies die einzige Rabattaktion gewesen, hätte man meinen können, der Verein hätte sein Agieren, der Vereinssatzung angepasst. Doch leider gibt es auch Rabatte im Merchandising-Bereich. Anders als letztes Jahr, als es starke Rabatte für einzelne Artikel gab, werden diesmal „Boxen“ angeboten. Das ist der neue Marketing-Trend und nennt sich „Bundling“, also das Bündeln von Artikeln, die dann in ihrer Gesamtheit günstiger zu erwerben sind, als die Produkte im Einzelverkauf. Durch diese gewählte Strategie wird der Überkonsum noch weiter angeheizt. Denn für uns Menschen gilt nun mal grundsätzlich erstmal die Devise „Geiz ist geil“, mussten wir vor Jahrtausenden ja noch sammeln, was wir außerhalb unserer Höhle bekommen konnten – so viel hat sich da bei uns in der Evolution noch nicht im Hirn geändert. Wenn man nun sieht, dass es im Bündel Rabatte gibt und im Einzelverkauf nicht, dann nimmt man halt den Pulli und die Mütze, obwohl man vielleicht für das eine oder andere Teil gar keine Verwendung hat.

Und wie war das nochmal mit der Schonung der Ressourcen, die sich nun in der Satzung des Vereins findet?

Und wie war das nochmal mit dem Argument, dass zahlungsschwächere Menschen die Möglichkeit bekommen, etwas zu kaufen, was sie sich zum Normalpreis nicht leisten können?

Durch diese Bundling-Strategie werden Ressourcen vergeudet, weil nicht nur das gekauft wird, was man vielleicht wirklich mag oder braucht, sondern auch das, was man halt nimmt, weil es im Bündel günstiger ist. So wird am Ende Mainz 05 mehr verkaufen, Menschen mehr kaufen, mehr Ressourcen verbraucht und womöglich Menschen mit weniger Budget mehr ausgegeben haben, als sie eigentlich eingeplant hatten.

Natürlich kann man auf den Black Week-Zug aufspringen und das Thema Nachhaltigkeit trotzdem hochhalten. Firmen wie Globetrotter, die gebrauchtes Equipment aufkaufen und einen Second Hand-Markt etablieren oder Maier Sports, die eine Spendenwanderung initiierten, zeigen, dass gewinnorientiere Unternehmen sich gegen den Konsumwahn kreativ positionieren. Und natürlich gibt es bei diesen Unternehmen auch mal Angebote. So ist auch an den Spieltagsangeboten bei Mainz 05 nichts auszusetzen.

Auf Mainz 05 umgemünzt wäre es doch eine tolle Möglichkeit, sich hier als Verein, der dem Gemeinwohl und nicht den Aktionären einer Kapitalgesellschaft verpflichtet ist, entsprechend abzuheben:

  • Eine Trikottauschböre oder ein Second Hand Markt für Trikots – damit diese nicht nur im Schrank herumliegen, sondern ihrem eigentlichen Bestimmungszweck, Rot und Weiß in die Welt zu tragen, wieder gerecht zu werden.
  • Eine Kooperation mit Mainzer Schneidereien, die kaputten Merch wieder reparieren, damit man um eine Neuanschaffung herumkommt.
  • Und eine transparente Berichterstattung, wer die 05-Klamotten zu welchen Bedingungen mit welchen Materialien herstellt. Statt prozentualen Rabatt könnte man auch eine temporäre Erhöhung der Gelder denjenigen zukommen lassen, die die Teile hergestellt haben.
  • Und warum nicht auch einen Spendenlauf initiieren, bei dem Geld für Mainz 05 hilft e.V. generiert wird?

Gutes Marketing besteht darin, zu besonderen Anlässen einzigartige Aktionen anzustoßen. Die Black Week zu einer „Konsumbildung“ zu nutzen und darüber aufzuklären, warum Überkonsum alles andere als nachhaltig ist, würde der umformulierten Satzung gerecht.

Dann könnten wir tatsächlich sagen, Mainz 05 steht für Nachhaltigkeit – in der Black Week besonders!