Könnt Ihr Euch noch an diesen Claim erinnern? Dieser stammt von dem Rüsselsheimer Autobauer, dessen Name am Stadion am Europakreisel prankt. Wieso kam es zu diesem Werbespruch? Das Unternehmen galt als bieder, muffig und unkreativ – und wollte weg von diesem Image. Visuell sollte Kloppo mithelfen, dass dieses Umdenken bei den Autokäufern tatsächlich stattfindet.
Ich weiß nicht, ob diese Werbekampagne tatsächlich von Erfolg gekrönt war, wenn ich heute in der einzig verbliebenen Mainzer Tageszeitung lese, dass die Verträge mit allen Vertragshändlern gekündigt und neu verhandelt werden. Doch die Idee, mal gewohnte Klischees zu überdenken, halte ich für sehr gut. Und da ist der eine oder andere Journalist herzlich eingeladen mitzumachen.
Man kann ja für Montagsspiele sein. Schließlich sind die Vereine Mainz 05 und SC Freiburg auch bei der entsprechenden Abstimmung dafür gewesen. Man kann den Protest gegen Montagsspiele schlecht finden. Schließlich gibt es einen entsprechenden Fernsehvertrag, der bis 2021 die aktuelle Regelung von fünf Spielen am Montag pro Saison vorsieht und daran wird sicher nicht gerüttelt. Man kann es kontraproduktiv finden, die eigene Mannschaft in so einem wichtigen Spiel nicht in der gewohnten Art und Weise verbal zu unterstützen. Schließlich unterstützten die Fans der restlichen 16 Vereine an diesem Spieltag von Freitag bis Sonntag ihre Teams trotzdem. Man kann das Pfeifen über 90 Minuten unerträglich, die Klatschpappen für unsäglich und das Werfen von Klorollen für kindisch halten. Gründe habe ich ja oben genannt.
Allerdings sollte man sich als Journalist auf jeden Fall und auch gerne als Kommentator-Troll in den sozialen Netzwerken noch ein paar weitere Gedanken machen, bevor man mit den Fingern auf der Maus ausrutscht oder seine Meinung per Videobotschaft in die Welt sendet.
Die Kritik für den Protest ziehen spätestes seit Dienstag Nachmittag einzig und alleine die Ultras (wahlweise nur aus Mainz oder aus Mainz und Freiburg) auf sich. Wenn man nun schaut, dass beim Einlaufen der Mannschaften fast 26.000 Zuschauer die schwarzen Klatschpappen „GEGEN MONTAGSSPIELE“ hochhielten, dann wird das Ultra-Bashing unglaubwürdig. Oder glauben die Kritiker wirklich, dass es Ultras gibt, die auf der Haupttribüne sitzen (!) und darüber wachen, dass die Pappen ja hochgehalten werden?
Auf den Pappen stand übrigens auch nicht drauf, wer diese entworfen hat. Woher haben die Kritiker eigentlich die Information, dass das die Ultras waren? Die verhalten sich doch angeblich so konspirativ, dass da nichts nach außen dringt. Das übliche „aus gut unterrichteten Kreisen“ habe ich nirgends gelesen und dass Ultras nicht gerne mit Journalisten sprechen, ist mittlerweile selbsterklärend. Neben den Supporters gibt es seit ein paar Monaten die Fanabteilung bei Mainz 05, zwei Organe, die die Faninteressen der Ultras, aber auch aller anderen Fangruppen vertreten. 26.000 Klatschpappen, hunderte Klorollen, sehr viele Trillerpfeifen bringt eine Gruppe nicht einfach so ins Stadion. Das lässt den Schluss zu, dass diese Aktionen von offizieller Seite vorbereitet worden sind. Und die Pappen wurden von nahezu jedem Zuschauer zum Protest verwendet.
Und da sind wir dann beim Umparken im Kopf angekommen: Mittlerweile gibt es in Mainz eine aktive Fanszene, die sich aus weit mehr Köpfen speist, als aus der Ultraszene Mainz. Es gibt noch nicht einmal einen Dauerkonsens innerhalb der Szene. Einzelne Fangruppen positionieren sich regelmäßig zu aktuellen Themen teilweise auch mit kontroversen Ansichten. In der Fanszene gibt es kein Meinungsmonopol. Anders als in der Mainzer Medienlandschaft, wo mittlerweile im Print-Bereich ein Monopol existiert, und dieses auch genutzt wird, um Stimmung zu erzeugen – wohlgemerkt nach einem Sieg der Nullfünfer in einem „Sechs-Punkte-Spiel“. Aber das war ja letztes Jahr bei der Vorstandswahl schon die gleiche Leier. Aber zurück zum Spiel: Man kann bald zu dem Schluss kommen, dass hier klammheimlich einige auf eine Niederlage gehofft haben, garniert nach Möglichkeit mit viel Pyro – da hätte sich der im Kopf perfekt eingeparkte Text noch schneller abfassen lassen.
Aber bereits im gestrigen Zeitungsbericht besagter Tageszeitung, der nicht als Kommentar gekennzeichnet war, wurden die ersten verbalen Giftpfeile abgeschossen: Die Fehler im Spielaufbau wurde aber noch allgemein den „Fans“ angelastet. Wäre dieser Bericht als Kommentar abgefasst worden, in dem natürlich ein Journalist seine Meinung sagen kann, wäre die Chose nicht ganz so krass gewesen. Aber in einem Spielbericht, der doch eher ausgewogen sein sollte, so (ab)wertend über die Fans herzuziehen war bereits grenzwertig. Dass da zwei Mannschaften mit den gleichen Begleitumständen zu kämpfen hatten, wurde völlig ausgeblendet. Dass der Freiburger Torhüter womöglich wegen der Begleitumstände den Ball Levin in die Beine spielte…hat der Verfasser entweder nicht mitbekommen (weil er noch die Klorollen aufwickelte) oder bewusst weggelassen. Wohlgemerkt benutze ich das Wort „womöglich“, denn niemand kann den Grund kennen, warum Schwolow so ein Blackout hatte.
In dem Spielbericht wird der Protest als Störfeuer abqualifiziert. Dass solch ein Text genau ebendies im Verein erreichen kann, ist dem Autor anscheinend egal oder den Klickzahlen geschuldet und damit sogar gewünscht. Statt verbal abzurüsten, wurde am Dienstag Nachmittag die allgemeine Kritik an den Fans nun auf die Ultras fokussiert – Mittels Videobotschaft und einem Begleittext, der von Selbstinszenierung der Ultras spricht. Das verspricht wieder garantiert tolle Klickzahlen, denn mit so ein paar Stichworten wie „Ultra“, „Pyro“ etc. werden die Kommentartrolle wieder zum virtuellen Leben erweckt. Die Kritik an den Aktionen fällt unter die Meinungsfreiheit, aber aus fehlendem Willen zum Umparken im Kopf oder aus purer Lust am Klickzahlen nach oben treiben, eine Menschengruppe so an den medialen Pranger zu stellen geht gar nicht. Aber das ist halt auch unsere Scheinheiligkeit im Fußballgeschäft. Die Sportmedien leben vom an den Pranger stellen. Spieler werden nach jedem Spiel benotet – ein Unding sondergleichen. Sollte das nach dem Tod von Robert Enke nicht alles besser werden? Die Nullfünf Mixed Zone hat auch Spieler bewertet, aber bewusst auf Noten verzichtet. Viele Sportmedien lechzen aber nur danach, dem einen Spieler am einen Spieltag in den Himmel zu loben und am nächsten Spieltag eine „5“ oder „6“ zu attestieren. Und so wurde den „Ultras“ einfach mal eine „6“ mitgegeben und diese praktisch zum medialen Abschuss freigegeben.
A propos Spieler. Es wurden ausschließlich Spielerkommentare abgedruckt, die die Atmosphäre im Stadion beklagten. Ein Blick auf den Instagram Account von Leon zeigt nachkicks folgende Bildunterschrift: „Amazing support from the fans“. Der Spieler fand die Unterstützung phantastisch und gedruckt wird schön ausschließlich das Gegenteil. Mag ja sein, dass es viele Spieler nicht gut fanden, aber diesen Satz hätte Leon sicher nicht geschrieben, wenn er nicht auch dahinter stehen würde. Oder diktieren jetzt auch die Ultras, was Leon zu schreiben hat? Dass ein Spieler lieber mehrmals montags als in der zweiten Liga (wo er auch montags spielt) spielt, ist nachvollziehbar. Aber hier interviewt ein Profi-Journalist einen Fußballprofi. Beide hängen am Tropf der Bundesliga. Und vielleicht ist es dem einen oder anderen Journalisten sogar ganz Recht, montags statt samstags oder sonntags zu arbeiten. Nur für die, die der Profi-Fußball mal gemacht wurde, die Fans, die sind leider noch keine Profi-Fans, die mal schön das Wochenende vorglühen können, um dann am Montag Abend im Block steil zu gehen und den von manchem Journalisten geforderten Support abzuliefern, wie der Zeitungsbote morgens das frisch gedruckte Printmedium. Proteste sind ein Bestandteil unserer Demokratie wie die Presse- und Meinungsfreiheit. Nur sollte man mit diesen immer verantwortungsvoll umgehen. Die Proteste richteten sich nicht gegen eine spezielle Gruppe von Menschen, sondern gegen Organe wie DFB oder DFL – die Kritik gegenüber den Protestierenden allerdings schon.
Den verursachten verbalen Scherbenhaufen durfte dann Wortpiratin Mara heute in ihrem Blogbeitrag zusammenkehren. Als gelernte Journalistin sollte sie vielleicht mal eine Schulung bei manchen Kollegen in Sachen Fankultur und Demokratieverständnis durchführen – so quasi als Frühjahrsinspektion, damit das Umparken im Kopf vielleicht doch noch gelingt.