Nepal 2013

Namaste,

ist die traditionelle Begrüßungsformel in Indien und Nepal und in den folgenden Zeilen schildere ich Euch den ersten Teil der Erlebnisse unserer jüngsten Reise auf den Subkontinent.

Angefangen hatte die Tour wieder einmal in Delhi. Während es bei unserer Ankunft 2008 gerade Bombenanschläge gab und wir 2011 vom top modernen Terminal 3 fast umgeworfen wurden und die Berliner Flughafen-Planer vielleicht mal hier vorbeischauen sollten, überraschte uns dieses Mal die Preispolitik der Nobelhotels der Metropolregion Delhi. Für 23 Euro buchten wir im Internet eine Übernachtung mit gigantischem Frühstücksbuffet in einem Fünf-Sterne-Haus südlich des Flughafens in der so genannten „Bildungs- und Komforthauptstadt“ Gurgaon. Diesen Titel trägt dieser „Vorort“, der bereits fast 900.000 Einwohner zählt, sicherlich zurecht, denn hier grenzt ein Luxushotel an das andere.

Natürlich kann man jetzt eine Debatte starten, dass es ja wohl dekadent sei, in diesem armen Land in solch einem Haus unterzukommen. Nur dieser extreme Gegensatz zwischen bitterer Armut auf der einen (Straßen-)Seite und protzigem Luxus direkt nebenan besteht im Indien der 2010er Jahre permanent. Außerdem erhoffe ich mir vom Übernachten in diesen Herbergen, dass es den Angestellten der globalen Hotelketten, doch ein wenig besser geht, als dem Personal in einen 30-Cent-Hotel im Herzen der Hauptstadt. Alleine die Zahl der Angestellten in einem dieser Hotels übertrifft sicherlich die meisten mittelständischen Betriebe daheim in Deutschland. Ich nehme an, dass dadurch wiederum sehr viele Familien ein einigermaßen Auskommen haben.

Verkehrschaos in Gurgaon
Verkehrschaos in Gurgaon

Aber eigentlich waren wir ja nicht hier, um im Luxus zu schwelgen, sondern irgendwann einmal in Nepal anzukommen. Da Anfang Oktober die Festival-Zeit in dieser Weltregion beginnt und viele Nepalesen mittlerweile außerhalb ihres Landes ihr Glück suchen, schossen die Preise für Flüge nach Kathmandu, Nepals Hauptstadt, dermaßen in die Höhe, so dass wir uns entschieden, mal wieder das Reisen an sich in den Vordergrund des Urlaubs zu stellen. Schließlich lief das Unterwegs sein in der letzten Zeit oftmals recht unspektakulär ab, da uns bereits am Flughafen ein Mietwagen erwartete, wir den Zündschlüssel (sofern es überhaupt noch einen gab) umdrehten und davon brausten. Daher flogen wir stattdessen am nächsten Tag mit einer Propellermaschine von Delhi 700 km nach Süd-Osten in die Metropole Gorakhpur. Wie Ihr kennt Gorakhpur nicht? Nun ja, der Eigenwerbung des Hotel Ganges zu Folge würden wir tatsächlich in einer Metropole übernachten. Aber auch wir kannten diese Stadt im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh zunächst nur vom Flugplan der indischen Jet Airways. Mit 670.000 Einwohnern ist sie allerdings so groß wie Frankfurt am Main. Uns fiel in der brummenden ATR72 nur auf, dass außer uns nur eine Australierin nicht indisch-nepalesischer Herkunft war. Dabei liegt Gorakhpur nur ca. 100 km südlich der nepalesischen Grenze und der Flugpreis dorthin war fast zwei Drittel niedriger als der nach Kathmandu. Gab es da womöglich einen Haken an der Sache?

Nach der Landung auf dem Militärflughafen, wurden wir zunächst von einer Horde Affen begrüßt. Nun gut, Militärs standen auch Gewehr bei Fuß, aber auf den Mauern der Baracke saß tatsächlich eine Herde beim Essen von Früchten der daneben gedeihenden Bäume. Check-in, Gepäckausgabe, Warteraum – alle Einrichtungen eines Flughafens konzentrierten sich auf das klitzekleine Gebäude, das etwa so groß wie unser Hotelzimmer in Gurgaon war. Dahinter standen bereits die Taxi- und Rikscha-Fahrer und warteten auf die ankommenden Passagiere. Wir stellten uns genauso wie die Australierin die Frage, ob wir an diesem Spätnachmittag noch zur Grenze reisen sollten oder doch lieber eine Nacht in Gorakhpur verbringen sollten. Sie entschied sich für Ersteres wir hingegen tuckerten mit dem dreirädrigen Tuk-Tuk gen Innenstadt. Und da war es auf einmal wieder, das Gefühl ‚on tour‘ zu sein: Einem Autoscooter ähnlich navigierte der Fahrer uns zwischen Kühen, Fahrrädern, Mofas und dauer-hupenden Autos durch den fast zum Erliegen kommenden Verkehr. Der Fahrpreis war vorher vereinbart worden, aber unser Fahrer hatte eigentlich gar keine Ahnung wo das Hotel lag – so kam es natürlich, wie in Indien üblich, noch zu Nachverhandlungen, denen mittels eines kleinen Trinkgelds ein wenig entsprochen wurde, nachdem unserer Fahrer sich durchfragend uns zum Hotel brachte. Mittlerweile schaut man ja öfter mal bei Hotels vorher bei Tripadvisor nach, um einen Eindruck von einem Laden zu erhalten. Uns verwunderte vorher bereits, dass sich zu Gorakhpur kaum Einträge fanden und auf den meisten Hotelseiten die Stadt gar nicht abrufbar war. Umgekehrt erledigt der Lonely Planet diesen Ort auch in wenigen Zeilen, so dass wir ohne Reservierung in der Stadt aufkreuzten, mit dem sicheren Gefühl, ja notfalls ein anderes Hotel vor Ort finden zu können, falls das angestrebte voll war oder sich zum Übernachten nicht „eignete“. Der Internetauftritt (!) unseres Hotel Ganges weckte in uns die Erwartung, dass es sich um eine einigermaßen gediegene Unterkunft hielt, was man in Indien mittlerweile auch tatsächlich erwarten kann – aber nicht in Gorakhpur. Ein Alternativ-Hotel? Wir sahen ein paar Kilometer vorher aus dem Tuk-Tuk noch ein weiteres Haus, das einigermaßen nach Hotel mit einem Minimum-Standard aussah, hatten aber bei dem Lärm und Gestank nicht wirklich Lust, nochmals durch dieses Labyrinth an Gassen und Stink-Straßen zu fahren. Also rein ins „Ganges“, das mit den Bildern im Internet ja tatsächlich eine entfernte Ähnlichkeit besaß, aber halt auch nicht wirklich. Schon das Einchecken war ein Akt größter Bürokratie. In diese Zeichenblock-großen Gästebücher musste sich zunächst nur eine Person eintragen – allerdings mit doppeltem Durchschlag in einem separatem Buch. Es wurde auch nur ein Pass gescannt (!), doch dieser Prozess dauerte schon 10 Minuten, dann wurde entschieden, dass auch die Daten der Mitreisenden erhoben werden müssten – nochmals 10 Minuten. Gut, wir hatten Zeit und nach der Inspektion der Zimmer entschieden wir uns für einen Raum mit Fenster zum Hinterhof, denn in den Zimmern zur Straße hinaus, verstand man aufgrund des Hupkonzert draußen sein eigenes Wort nicht mehr. Kaum lagen die Rucksäcke im Zimmer fiel der Strom aus und der Lärmpegel erreichte neue Werte, der einsetzenden Generatoren sei Dank.

Farrad-Rikschahs als Taxi-Ersatz
Farrad-Rikschahs als Taxi-Ersatz

Das anschließende Spazieren auf der Straße gelang und irgendwie fühlte ich mich in diesem Dreck, Gestank und Chaos wie zu Hause. In Gorakhpur gab es definitiv nichts zu sehen, aber das Leben auf der Straße in Indien ist sowieso schon eine Inszenierung an sich, so dass man einfach bei jedem Schritt schon genug damit zu tun hat, nicht in Kuhmist oder in die Gosse zu stapfen, so dass sich die Lust auf Sightseeing sowieso erledigt hatte. Das anschließende Abendessen zeigte dann wieder, warum die Liebe zu Indien durch den Magen geht, denn die Curries und Joghurts, die aufgetragen wurden, waren extrem lecker, obgleich die Menge unseren Hunger übersteigerte, da schließlich aufgrund fehlender Kommunikation oder gewolltem Missverständnis noch Speisen aufgetragen wurden, die wir gar nicht bestellt hatten. Irgendwann am Abend ließ der Lärm dann doch ein wenig nach und wir konnten einen einigermaßen erholten Schlaf finden.

Am nächsten Tag stand eine relativ lange Reise von ca. 350 km inklusive Grenzübertritt an. Eigentlich wollten wir von unserem Hotel aus direkt mit dem Taxi zur Grenze fahren, aber es gab gar keine Taxis in der Gegend – nur Fahrrad-Rikschas. Daher mussten wir uns zunächst zum Bahnhof radeln lassen und es entstand natürlich das nächste gewollte (?) Missverständnis. 50 und 15 hören sich im Englischen nahezu gleich an und ein Rikscha-Fahrer, der garantiert kein Englisch und höchsten Hindi spricht oder doch eher eine der rund 20 verschiedenen Landessprachen, weiß natürlich nicht um diese sprachliche Ähnlichkeit. Uns war es auch ziemlich egal, ob wir nun 80 oder nur 20 Euro-Cent bezahlen sollten, aber ein Passant mischte sich plötzlich ein und machte den Rikscha-Fahrer zur Schnecke, er dürfe höchstens 30 Rupien verlangen. Dies war mal wieder „Incredible India“ – dass sich wildfremde Menschen, in Verhandlungen über Pfennig-Beträge einmischen, damit der Tourist ja nicht übers Ohr gehauen wird. Wir wollten eh nur weg aus Gorakhpur und waren froh, dass wir mit unserem Pack nicht nicht bis zum Bahnhof laufen mussten. Am Ende steckte ich dem Fahrer dann 40 Rupien zu und alle waren wieder glücklich.

Am Bahnhof war dann schnell ein Taxi gefunden, das uns in rund zwei Stunden die 100 km zur Grenze brachte. Oder fast zur Grenze, denn die letzten hundert Meter zum Schlagbaum verstellten LKW und wuselnde Menschen die Straße komplett. Die Ausreise aus Indien, unsere erste zu Land überhaupt, gestaltete sich einfach und unkompliziert. Natürlich musste wieder ein Papier ausgefüllt werden, aber das ist in diesem Teil der Erde ja vollkommen normal und fällt eigentlich gar nicht mehr auf. Einreisen im „Schengen-Stil“ wird es außerhalb von Europa wohl auf absehbare Zeit weltweit kaum geben. Dann ging es zu Fuß auch schon rüber zu den Nepalesen, die anders als die Inder bereits so unbürokratisch waren, von Deutschen kein Visum vorab zu verlangen, sondern sich in der Lage sehen, ein Visum bei der Ankunft auszustellen. Im Büro der Einreisebehörde gab es eine „Menü-Übersicht“ an der Wand, einem McDonalds nicht unähnlich. Je nachdem wie lange man bleiben möchte, also 15, 30 oder 90 Tage, mussten unterschiedliche Beträge plus Passphoto ausgehändigt werden. Interessantestes Angebot waren die aufgelisteten Forderungen für das Überziehen des Visums: Geldbetrag pauschal, plus Betrag pro Tag plus Kopie des Visums plus Passphoto!

Unterwegs im Terai, dem Flachland Nepals
Unterwegs im Terai, dem Flachland Nepals

Kaum aus dem Büro der Grenzbeamten hinausgetreten, wurden wir schon von zahlreichen Schleppern begrüßt. Diese genießen ja allgemein unter Reisenden meist einen miesen Ruf, doch ich finde diese Buben (Frauen üben diesen Job nie aus) eigentlich immer ziemlich praktisch, auch wenn ich weiß, dass ich gegebenenfalls eine kleine Provision bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung mitbezahlen muss. Aber diese Leute müssen ja auch von etwas leben und wer kann mir in Sonauli an der indisch-nepalesischen Grenze eigentlich sonst im Handumdrehen einen Geldautomaten zeigen und ein „Reisebüro“, das in Windeseile einen Wagen für die Weiterfahrt organisiert? Geldautomaten sind für mich die große Erleichterung beim Reisen der letzten Jahre. Endlich keine Reiseschecks und Unmengen Bargeld durch die Gegend schleppen! Der Fahrpreis für den Wagen war auch ruck zuck ausgehandelt, denn der Benzinpreis war in Nepal höher als in Indien und Nepalesen scheinen nicht unbedingt darauf zu stehen, anfangs astronomische Unsummen für diverse Dienstleistungen abzurufen – das machte die Menschen hier gleich sehr sympathisch.

Abendstimmung in Sauraha
Abendstimmung in Sauraha

Die 250 km auf relativ guten Straßen verliefen recht unspektakulär, bis auf den wirklich bemerkenswerten Besuch einer Zementfabrik irgendwo im Terai, der nepalesischen Tiefebene. Denn jedes Mal, wenn man einen Wagen irgendwo in der Welt organisiert, macht der Fahrer immer irgendwie noch zusätzlich sein Ding. So auch dieses Mal, wo wir eine halbe Stunde an der Zementfabrik warten mussten, da unser Fahrer irgendetwas regeln musste. Das nervte zwar gewaltig, aber seit der Ankunft in Gorakhpur, „funktioniere“ ich in einer Art „Gelassen“-Modus und mich bringt dann nichts mehr so schnell aus der Fassung. Schließlich befand ich mich im Urlaub und da gehört in Nepal der Besuch einer Zementfabrik definitiv dazu…

Am Spätnachmittag erreichten wir dann Sauraha, ein Dorf am Chitwan-Nationalpark gelegen, der mich mit seinem Artenreichtum stark an Afrika erinnerte. Da wir mit Rucksäcken im gewählten Hotel zu Fuß ankamen, entgegnete man uns, es gäbe nur recht teure Zimmer. Gut das Wort „teuer“ ist dann doch Definitionssache, denn 20 US$ für ein großes gepflegtes Zimmer mit Klimaanlage und großem Bad, Terrasse und Blick auf die Reisfelder des Dorfes plus Gartenanlage, fällt bei mir zumindest nicht unter den Begriff „teuer“. Es war aber irgendwie schön zu sehen, dass ich mit meinen 40 Jahren und dem Rucksack immer noch für einen Pfennig fuchsenden Backpacker gehalten werde. Da fühlt man sich doch gleich ein paar Jahrzehnte jünger!

Panzernashorn im Chitwan-Nationalpark
Panzernashorn im Chitwan-Nationalpark

Während die Unterkunft perfekt war und ich auch, dem Wifi sei Dank, den späten Ausgleich von Mainz 05 gegen Hoffenheim mitbekam, spielte das Wetter nicht so richtig mit. Es nieselte und von der eigentlich jetzt vorherrschenden Trockenzeit war nichts zu sehen. Aber das Wetter spielt ja eh seit Jahren weltweit verrückt und Regen im Dschungel zu haben war jetzt auch nicht so schlimm. Am nächsten Tag gingen wir mit Führer auf Entdeckung im Nationalpark und es war schon beeindruckend so viele Reptilien (Krokodile), Vögel (alles mögliche) und Säugetiere (Nashörner, Affen) auf unserer Safari im Boot und zu Fuß zu entdecken. Das morgendliche Elefanten-Baden und der Besuch der Elefanten-Aufzuchtstation waren weitere Highlights unseres Ausflugs ins tropische Nepal, das mit unserem Bild dieses Himalaya-Anrainers so gar nicht zusammenpasst.

Portugal 2013

Bom dia,

heißt „Guten Tag“ im Portugiesischen. Gerne würde ich auch auf Portugiesisch Euch ein frohes neues Jahr wünschen, doch leider lassen dies meine begrenzten Kenntnisse dieser schönen Sprache nicht zu. Gleichfalls wisst Ihr jetzt genau, wohin es uns die letzten Tage zog.

Bei der Reiseplanung sind uns natürlich mehrere Faktoren im deutschen Winter wichtig. Es soll schon ein wenig wärmer sein als bei uns, die Sonne sollte öfters erscheinen als am grauen Januar-Himmel zwischen Elbe und Isar und aufgrund der Kürze des Aufenthalts sollte die Reise nicht ans andere Ende der Welt führen. Natürlich sollte auch das Budget nicht unbedingt überstrapaziert werden, denn in vielen Ländern weltweit kam es zu massiven Preisanstiegen – auch weil der Euro im Vergleich zur jeweiligen Landeswährung an Wert verlor.

Also wieder Portugal, denn dort gefiel es uns bereits zur Jahreswende 2011/2012 sehr gut. Das Land liegt nicht weit weg von uns und die Sonne überwintert dort tatsächlich und sorgt wenigstens am Tag für wohlige Temperaturen knapp unter 20°C. Der Tourismus scheint dort allerdings sehr zyklisch zu verlaufen, denn es herrscht nach Weihnachten tiefste Nebensaison. Außer Rentnern von den britischen Inseln trifft man dort kaum andere Reisende an und der Geldbeutel wird tatsächlich sehr geschont – dem Euro sei Dank!

Denken wir an Portugal, denken manche vielleicht zum Glück noch an Cristiano Ronaldo oder Luiz Figo – die Nicht-Fußball-Fans allerdings eher an die Schuldenkrise. Dass Portugal wirklich in der Misere steckt, erkennt man eigentlich schon bei der Landung mitten in der Stadt. Der altertümliche Flughafen Portela platzt aus allen Nähten und zeigt dann doch den Unterschied zu Griechenland gleich auf: In Athen steht ein nagelneuer Flughafen und dort wurde die Notbremse, was Investitionen angeht, wohl zu spät gezogen, wenn sie überhaupt bereits gezogen wurde. Auch Portugal wollte einen neuen Airport bauen; „wollte“ ist hier wohl das wichtige Wort, das den Unterschied macht.

Allerdings trifft man auf der Fahrt durchs Land auf Projekte, die teilweise abgeschlossen sind, deren Sinn sich allerdings dem Durchreisenden nicht so ganz erschließen.Da gibt es vierspurige Straßen mit weit ausholenden Auf- und Abfahrten – aber keine Autos, die diese Straßen nutzen, obwohl diese gratis zu befahren sind. Die vormals genutzte zugegebenermaßen engere, aber schlaglochfreie Straße, wird ihrem Schicksal überlassen und dient als großer Bürgersteig. Leider trifft man auch immer wieder auf unfertige Projekte, deren Sinn sich gar nicht erschließt: Brücken ohne Zufahrten, verwaiste Brückenpfeiler und platt gewalzte Flächen für eine Autobahn (?) darben in der Landschaft dahin. Hier wurde wohl zu spät die Notbremse gezogen und man ahnt, warum das Land tatsächlich ein Problem hat und das heißt nicht „Verkehrsinfarkt“, wie zum Beispiel in vielen Ländern Asiens.

Das Reisen auf Portugals Straßen im Jahr 2013 erinnert mich fast schon an Reisen in Burma oder durch Afrika, wo es Minuten oder noch länger dauerte, ehe sich mal Gegenverkehr blicken ließ. Bei Benzinpreisen die denen in Deutschland entsprechen, kann es sich wahrscheinlich niemand mehr leisten, mal einfach so auf vier Rädern durch die Gegend zu düsen. Auf den Autobahnen, die nur gegen Gebühr zu nutzen sind, kommt man sich dann endgültig wie in der Autowerbung vor: kilometerlange vierspurig ausgebaute neue Fahrbahnen ohne jeglichen Mitbenutzer – bei 20 € für 250 km auch nicht wirklich ein Wunder. Wie sich die Kosten für diese Infrastrukturmaßnahmen je wieder einspielen lassen sollen, wage ich nicht zu beurteilen.

Außerdem schreckt dann noch die Art der Zahlung zahlungskräftigere Kunden wie uns von der Nutzung ab. Durften wir die Euros für die Nord-Süd-Trasse direkt vor Ort entrichten, wie dies auch z.B. in Frankreich üblich ist, wenn es Maut gibt, die nicht pauschal wie in der Schweiz erhoben wird, dachte man sich für die Querverbindung an der südlichen Algarve-Küste ein noch moderneres Modell aus, so wie es auf den deutschen Autobahnen für LKW vorgeschrieben ist. Dumm nur, dass viele Mietwagen gar keine Box zur Registrierung der gefahrenen Kilometer an Bord haben. So mussten wir die Maut im Postamt entrichten – allerdings nicht unmittelbar nach der Nutzung, sondern erst zwei Tage später und spätestens nach 7 Tagen, sonst begeht man eine Straftat bei Nichtzahlung! Goethes Satz „Reisen bildet“ gilt auch 2013 noch, denn so ein kompliziertes System kannte ich bisher noch nicht und es wird auch nirgends darauf hingewiesen, dass die Gebühren erst zwei Tage später der Post vorliegen. Bezahlung online? Im Offline-Land Portugal nicht möglich…

Trotzdem macht das Reisen in Portugal einen großen Spaß, gerade weil man schnell vom Fleck kommt und mit neuen Navigationsgeräten, auch sehr schnell direkt von A nach B dirigiert wird. Manche Navis sind sogar auf Feldwege programmiert, so dass wir ruckzuck von der vierspurigen jungfräulichen Schnellstraße auf eine unbefestigte Schlaglochpiste geleitet wurden, da wir die Option „ökonomischte Route“ zuvor eingegeben hatten. So wird das Reisen dann sogar noch zum kleinen Abenteuer und das in Europa.

Abgesehen von den Investitionsruinen am Fahrbahnrand oder auf der Fahrbahn finden sich kaum Anzeichen für ein nahezu bankrottes Land. Wohnhäuser scheinen nicht geräumt zu werden, wie dies in Spanien leider der Fall ist, auch die öffentliche Infrastruktur funktioniert – es fahren Busse und der Müll wird abgeholt – und die Armut ist kaum offen zu sehen. In Mainz gibt es mehr bettelnde Menschen als in allen in einer Woche bereisten portugiesischen Städten zusammen. Auch Ressentiments gegen Deutschland oder Deutsche sind überhaupt nicht zu finden – anders als die TV-Bilder beim Besuch von Kanzlerin Merkel in Lissabon suggerierten.

Für alle bezogenen Waren und Dienstleistungen erhielten wir Rechnungen auf denen die 23 % Mehrwertsteuer ausgewiesen waren, für uns eine Selbstverständlichkeit, für andere südeuropäische Länder aber anscheinend ja nicht unbedingt und für den Rest der Welt wirklich nicht üblich. Diese kleinen Zettelchen sind für mich aber auch der Hoffnungsschimmer, dass es Portugal bald wieder besser geht, denn so fließen tatsächlich Gelder in die Staatskasse und anhand der Tatsache, dass Projekte, die vielleicht nicht unbedingt wirklich durchzuführen sind, aktuell gestoppt werden, findet wohl ein Umdenken im Staate Portugal statt, der dem Land hoffentlich die Wende bringt. Denn zum Glück werden weiterhin auch Straßen und andere Infrastruktureinrichtungen repariert – was zwar auch Geld kostet aber den Menschen auch Arbeit bringt und somit auch wieder Konsum, der zu 23 % versteuert wird.

Wir planen auch Ende des Jahres wieder nach Portugal zu fahren – nicht, weil es besonders günstig ist, dort dem Winter zu entkommen, sondern weil die wunderschöne Küste, die sehr netten Menschen und das gute Essen immer wieder Gründe sind, dorthin zu fahren und wenn man mit seinem Geld ein wenig die arg gebeutelte Staatskasse aufbessert…um so besser.

Indonesien 2012

Selamat Pagi,

heißt so viel wie „guten Morgen“ auf Bahasa Indonesia. Nach neun Jahren habe ich es in diesen Tagen endlich mal wieder nach Indonesien geschafft, genauer gesagt auf die wohl berühmteste Insel des Archipels schlechthin: nach Bali.

Gespannt war ich schon, was sich in neun Jahren auf dem Eiland getan hat, das ich damals noch klassisch mit öffentlichen Verkehrsmitteln bereiste. Ein Blick in den aktuellen „Lonely Planet“ wunderte mich doch sehr, als dieser riet, Bali am besten per Mietwagen zu entdecken! Der „Lonely Planet“, die „Bibel“ der Individualtouristen, schlägt vor, einen biederen Rent-a-Car-Urlaub zu machen? Zugegebenermaßen war 2003 das Reisen mit Bemos (Minibussen) und Ojeks (Motorradtaxis) alles andere als komfortabel, schnell und lungenfreundlich. Dafür war es extrem billig und halt die Art des Reisens, die ich immer mit der australischen Reisebibel gleichgesetzt habe. 2003 stand im „South-East-Asia Travel Survival Kit“ des Lonely Planets wohl auch nichts von Mietwagen im Kapitel „Getting around“.

Nun gut, die Monate vor der Reise planten wir dann mal mit einem Mietwagen…in Indonesien…im Linksverkehr – aber so Recht daran glauben wollten wir doch noch nicht so, zumal es außer Avis keine bekannte Mietwagenrepräsentanz auf der Insel gibt. In den letzten Jahren hatte sich allerdings meine Art des Reisens bereits geändert. Nach der Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln um die Welt 2002-2003, strampelte ich zunächst durch Süd-Ost-Asien, Skandinavien und Osteuropa mit dem Fahrrad; sozusagen der erste Schritt weg von Kühlschrankbussen und Abgasschleudern. Dann 2010 der erste zaghafte Versuch auf Mauritius mal einen Tag lang den Linksverkehr mit einem Auto zu entdecken. Das ging damals erstaunlich gut, der lokale Vermieter hatte einen verständlichen Vertragstext mit Vollkaskoversicherung inklusive aufgesetzt und auch das Fahren im Chaos von Mauritius‘ Straßen funktionierte einwandfrei. Im Frühjahr 2012 schließlich der erste „Langzeitfahrversuch“ in einem tropischen Land für zwei Wochen in Costa Rica funktionierte ebenfalls prima. So entstand dann so langsam tatsächlich der Plan, dem Rat des „Lonely Planet“ zu folgen, mit dem Mietwagen die Insel zu entdecken.


Unser Suzuki Katana in den Bergen Balis
Unser Suzuki Katana in den Bergen Balis

Ich fürchtete allerdings erst gar keinen Mietwagen zu bekommen, da dummerweise die beste Reisezeit für Bali in unseren Sommermonaten liegt und die Insel dann von Touristen aus Süd und Nord in die Zange genommen wird. Australier haben die Möglichkeit in wenigen Stunden für recht wenig Geld mit dem Billigflieger von Downunder auf die Insel zu fliegen und waren natürlich präsent. Aber auch Europäer scheint es nach Bali zu ziehen. Die KLM-Maschine, die uns von Singapur nach Denpasar brachte, war jedenfalls proppenvoll und Franzosen und Holländer sollten wir auf der gesamten Reise an allen Orten wieder treffen. Eurokrise hin oder her, auch Spanier fanden wir zuhauf – Deutsche hingegen im Vergleich zu früheren Reisen außerhalb Europas recht wenige.

Die Einreise nach Indonesien verlief dieses Mal weitaus entspannter als 2003, da man sich sein Touristenvisum am Flughafen für 25 US$ kaufen konnte. Der erste Versuch, indonesischen Boden zu betreten, scheiterte vor neun Jahren noch kläglich, da ich von Ost-Timor über Land einreisen wollte und ich nicht wusste, dass das Inselreich seine abtrünnige Provinz nicht als eigenen Staat anerkannte. Damals musste ich zurück nach Dili in die Hauptstadt Ost-Timors fahren und mir bei der Ständigen Vertretung Indonesiens in Dili ein Visum besorgen, da die visafreie Einreise nur bei offiziellen Grenzübergängen möglich war. 2012 musste ich nur die relativ lange Schlange an Mitreisenden erdulden, die ebenfalls auf die Idee kamen, mal auf Bali Urlaub zu machen – eine weit angenehmere Erfahrung als zwei Tage mit Visa-Kram zu verschwenden.

Mit dem Mietwagen durch den äußeren Krater des Vulkan Batur
Mit dem Mietwagen durch den äußeren Krater des Vulkan Batur

Google sei Dank findet man mit dem Suchbegriff „Bali Car Rental“ viele Angebote lokaler Unternehmen und meine Befürchtung, kein Auto mehr zu bekommen, war ziemlich unbegründet – dies schrieb allerdings auch schon wer? Natürlich, der „Lonely Planet“. Letztlich lag es wohl daran, dass auf Bali kaum ein Tourist ein Auto mietet, zumindest nicht zum selber Fahren. Wir trafen überall auf Touristen, die sich über die Insel kutschieren ließen, von einheimischen Fahrern wohlgemerkt. Daher konnte man im Internet bereits zwischen „self drive“ und „with driver“ wählen. Ebenfalls recht viele junge Reisende wählen ein Mofa zum Fortkommen und Entdecken der Insel. Eigentlich auch eine gute Idee, nur mit einem großen Rucksack auf dem Rücken, die kurvenreichen, steilen Straßen Balis zu erleben, war dann doch nicht so ein prickelnder Gedanke. Allerdings unternehmen die meisten Touristen sowieso nur Tagesausflüge vom Süden der Insel mit seinen Sandstränden ins Landesinnere. Dafür ist dann ein Mofa sicherlich auch die perfekte Wahl – allerdings nur wenn man die Abgase im Straßenverkehr der Insel erfolgreich ignorieren kann. Nach der Ankunft auf Bali schrieben wir dann den BCR an, den „Bali Car Rental“ und orderten ein Auto für den nächsten Tag und für die nächsten knapp zwei Wochen. Wir entschieden uns für die günstigste Variante, einen betagten Suzuki Katana. Das ist eine Art Placebo-Geländewagen. Er sieht so aus wie einer, ist aber gar keiner, da er erstens kein Allradantrieb hat und zweitens völlig unter-motorisiert ist. Punkt 1 ist gar kein Problem, da alle Straßen auf Bali asphaltiert sind. Punkt 2 ist ebenfalls zu vernachlässigen, da man meist eh nur mit 40 km/h auf den Straßen entlang zuckeln kann. Kein Placebo-Effekt hingegen ist der Platz zwischen Boden des Autos und der Straße, der gar nicht groß genug sein kann, da man oftmals auf den engen Straßen vom Fahrbahnrand abkommen muss, um den Gegenverkehr auszuweichen und auch Schlaglöcher gibt es auf den Nebenstraßen zuhauf.

Fahrt zu den Reisterrassen in Jatiluwih
Fahrt zu den Reisterrassen in Jatiluwih

Der „Bali Car Rental“ weckte bei mir positive Erinnerungen an Balis Einwohner. Eine grenzenlose Freundlichkeit und vorbildliche Servicementalität. Auf meine Email-Anfrage wurde umgehend geantwortet und natürlich war es selbstverständlich, dass uns das Auto auf dem Hotelparkplatz zugestellt wird und bei der Abgabe später auch wieder dort entgegengenommen wird. Dass die Abgabe an einem ganz anderen Hotel stattfinden sollte – auch kein Problem. So stand dem Abenteuer Autofahren in Indonesien nichts mehr im Wege und die 10 Meter Fahren auf dem Hotelparkplatz in Quarantäne waren wunderbar. Danach wurden wir in die Freiheit des indonesischen Verkehrs entlassen, der mich bereits 2003 teilweise völlig entnervte. Das mit dem links fahren war gar nicht mal so schlimm, da ja die Fahrerseite rechts liegt und man intuitiv links fährt. Das ist auch ein Vorteil gegenüber dem Mofa-Leihen. Eines morgens hätte ich fast eine Touristin auf dem Mofa platt gefahren, da diese als Geisterfahrerin wohl etwas gedankenverloren mir in einer Kurve direkt vor die Windschutzscheibe fuhr. Dass indonesische Mofa-Fahrer einem links vom Wagen entgegenkommen ist natürlich, nur wissen diese auch, dass ihr Terrain gefühlt 30 cm vom Fahrbahnrand Richtung Fahrbahnmitte liegt – die Touristin hingegen fuhr mitten auf der von mir aus gesehen linken Fahrbahn fast ins Verderben.

Die Unsicherheit der Mofa fahrenden Touristen ist wohl auch tatsächlich das schwierigste Unterfangen beim Autofahren auf Bali. Denn der große Rest der Verkehrsteilnehmer fährt getreu dem Motto „immer nach vorne schauen“. Alles was vor einem liegt hat Vorfahrt. Diese unsichtbare Verkehrsregel hatte ich zum Glück bereits bei meinen Fahrradreisen durch Süd-Ost-Asien gelernt. Alle anderen gewöhnlichen Regeln, so auch der Linksverkehr, haben sich dieser Regel unterzuordnen. Daher sind einheimische Geisterfahrer auch nichts besonderes genauso wie das omnipräsente „links vor rechts“. Sprich, es ist ganz normal, dass von links auch neue Verkehrsteilnehmer hinzustoßen, ohne dass diese auch nur schauen, ob in diesem Moment der Herr aus Deutschland mit seinem Suzuki angefahren kommt. Daher sollte man seine Zeit auch erst gar nicht mit dem Schauen in Seitenspiegel oder Rückspiegel verschwenden. Das ganze hat schon fast etwas philosophisches: Als Autofahrer blickt man grundsätzlich nur nach Vorne. Die Vergangenheit in Form von Blicken in Spiegel bleibt ausgeblendet. Natürlich kann ich die europäische Fahrweise nicht vollkommen über Bord werfen und gerade bei Überholmanövern ist ein ganz schneller Schulterblick nach links hinten nicht zu verachten – nur hat man dazu eigentlich in Indonesien gar keine Zeit – es könnte sich ja schon längst wieder eine neue Verkehrssituation vor der Windschutzscheibe ergeben haben.

Linksverkehr war eigentlich kein Problem
Linksverkehr war eigentlich kein Problem

Die ersten Meter in freier Wildbahn waren schließlich problemlos zurückgelegt. Ein Kreuz- und Querfahren findet auch zur Rushhour im vom Verkehrsinfarkt bedrohten Süden Balis nicht statt – genauso wenig wie Dauerhupkonzerte. Die Hupe findet hier sogar recht wenig Einsatz, lediglich beim Überholen von Verkehrsteilnehmern der selben oder einer höheren Kaste – schließlich ist auf Bali der Hinduismus quasi Inselreligion, sprich wenn man als Autofahrer ein Auto oder einen LKW überholt. Die Hupe ist quasi einem Klingelton gleichzusetzen, der einfach darauf aufmerksam macht, dass jetzt überholt wird.All das hatte ich bereits nach einem Kilometer verstanden und wir machten uns daran, von Sanur im Süden der Insel zunächst nach Westen fortzukommen. Es stellte sich das wohlige Gefühl ein, alles richtig gemacht zu haben. Das Auto rollt, wenn auch zunächst nur im Stop and Go. Man weiß, dass man (noch) richtig ist und die verkrampften Muskeln auf dem Sitz entspannen sich zunehmend. Plötzlich wurden wir nach exakt 1,54 km von einem Polizisten auf dem Motorrad überholt und raus gewunken. Stimmt, da war ja noch was. Man kann sich ja im Verkehr wohlfühlen und denken, man packt das Fahren in fremden Ländern, aber es gibt ja auch noch die Cops, die da ein Wort mitzureden haben.

Letztes Jahr hat mich die Begegnung mit argentinischen Verkehrspolizisten 75 € gekostet, da ich nach einen Zwischenstopp vergessen hatte, mein Abblendlicht wieder einzuschalten – in Argentinien ist das Pflicht. So schlug bei mir die Begeisterung für den Mietwagenurlaub auf Bali nach nur etwas mehr als tausend Metern ins totale Gegenteil um. Wir kurbelten das Fenster runter – elektrische Fensterheber gibt es beim Katana natürlich nicht. Nach vorne beugen ging nicht, da die antiquierten Anschnallgurte noch keine Gurtaufroller hatten. Aber wenigstens waren wir angeschnallt – so dass ich gespannt war, was der Polizist von uns eigentlich wollte. In freundlichem Ton bat er um den Führerschein – den internationalen natürlich! Diesen hatte ich parat, da man in fast allen Ländern, sogar in den USA theoretisch, diesen grauen Riesenlappen dabei haben muss. Mietwagenfirmen kontrollieren das nie, da der eigentliche Fahrtauglichkeit-Nachweis der lokale Führerschein ist. Das Dokument dabei zu haben ist womöglich im Süden Balis nicht selbstverständlich und rein theoretisch eine Quelle zum Erstellen eines Bußgelds. Anscheinend wird im Süden Balis besonders gern der internationale Führerschein von Cops kontrolliert, denn im Lonely Planet findet sich ein eigener Absatz zu diesem Thema, gesetzt den Fall, dass man das Dokument nicht vorweisen kann und man keine Lust auf lange Bußgeldverfahren hat. Unser Cop wollte uns schon eine gute Weiterfahrt wünschen, da kam bei ihm noch der Gedanke auf, nach den Fahrzeugpapieren zu fragen. Diese waren anscheinend auch korrekt, denn danach entließ uns der Ordnungshüter wieder in den indonesischen Straßenverkehr und wir waren glücklich zum Nulltarif durch diese Kontrolle gekommen zu sein. Die restlichen 1.152 km dieser Reise wurden wir übrigens nie wieder kontrolliert.

An Balis relativ leerer Nordküste
An Balis relativ leerer Nordküste

Die nächste Herausforderung warte dann gleich wieder auf uns: das sich Zurechtfinden! Bali ist durchsetzt mit Myriaden von Straßen aber Straßenschilder sind hier Mangelware. Auf der gesamten Reise habe ich zweimal ein Verkehrsschild mit Geschwindigkeitsbegrenzung (60 km/h) gesehen. Stoppschilder gab es rund ein Dutzend. Vorfahrt beachten – unser umgestülptes Dreieck – gab es gar nicht – schließlich gilt ja das Gesetz des nach vorne gucken! Tja und auch Ortsschilder sind auf Bali eine seltene Erscheinung. In welchem Ort man sich gerade befindet ließt man am besten an den Schildern der Unternehmen vor Ort ab, da diese praktisch immer ihre komplette Adresse angeben. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Hinweisschilder auf kleinen Straßen komplett fehlten. Schaut man sich auf Google Maps oder einer Karte die Straßen an, findet man oft einen tollen direkten Weg von A nach B. In der Realität findet man im Gewirr der Sträßchen dann den direkten, richtigen oftmals gar nicht mehr und riesige Umwege sind in Kauf zu nehmen. Von der Südost-Küste bei Sanur zur Westküste durch das dicht besiedelte Südbali zu gelangen, war am Ende nur möglich, da wir uns nach dem Stand der Sonne richteten und so grob die Himmelsrichtungen wussten.

Ein weiteres Problem bei der Beschilderung auf Bali besteht darin, dass wenn es schon endlich ein Schild gab, dieses meist das nächste Kaff angab und die nächste größere Siedlung aber nicht. Manchmal gibt es auch eine Differenz bei den Ortsnamen auf Karten und Schildern. Semarapura heißt zum Beispiel oft noch Klungkung – alles klar oder? Wir entschieden ab der nächsten Fahrt einen Kompass ins Handschuhfach zu legen und waren froh irgendwann den Großraum Südbali hinter uns zu lassen und doch noch auf die richtige Straße zu gelangen. Hat man einmal das ländliche Bali erreicht, das sich zum Glück noch über rund zwei Drittel der Insel erstreckt, nördlich der Inselhauptstadt Denpasar, dann weiß man endlich seinen Mietwagen tatsächlich zu schätzen. Bali wird von West nach Ost von einer Vulkankette durchzogen und die kleinen Bergsträßchen werden nur selten von Bemos befahren. So wäre es nahezu unmöglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln das ländliche, gebirgige Bali zu entdecken. Einmal von der Inselringstraße im Süden abgebogen, findet man sich nach wenigen Kilometern in der Natur wieder. Die Südseite der Berghänge ist nahezu komplett mit Reiseterrassen durchzogen. Teile dieser alten Kultivierung stehen in der Gegend von Jatiluwih sogar heute unter dem Schutz des Weltkulturerbes der UNESCO und sind sogar frei von Abfällen – einem leider in Asien immer wieder kehrendem Problem.

Reisterrassen an der Straße nördlich von Antosari
Reisterrassen an der Straße nördlich von Antosari

Es war herrlich in dieser Kulturlandschaft spazieren zu gehen. Dieses friedliche Bali nur wenige Kilometer vom Lärm im Süden entfernt war tatsächlich Erholung pur – allerdings weniger für das Auto, denn die steilen Straßen stellten den Karren immer wieder vor Probleme. Oftmals ging es im Schneckentempo Steigungen von vielleicht 15 % bergauf im ersten Gang. Später trafen wir auf LKW, die auf einer Bergstraße von ca. 5 km auf der Hälfte ihre Motoren kühlen und stoppen mussten, um die gesamte Distanz zurücklegen zu können. Diese Straßen führen natürlich zu erhöhtem Bensin-Konsum. Daher gibt es auf Bali ein sehr dichtes Netz an Tankstellen mit noch mehr Tankwarten. Der Boxenstopp an Balis Tankstellen dauerte meist nur eine Minute – und bei Benzinpreisen von 0,40 Euro pro Liter stellten diese auch keine besondere Strapaze für das Reisebudget dar. Abseits der Tankstellen verkaufen die Einheimischen Benzin sogar aus der Glasflasche im Tante-Emma-Laden an der Ecke, so dass man nie Angst haben musste, stehen zu bleiben.

Am ersten Fahrtag brauchten wir für 120 km knappe 4 Stunden mit dem Auto! In manchen Ländern der Erde kann man diese Distanz in dieser Zeit fast mit dem Fahrrad zurücklegen. Unser erstes Ziel, ganz im Westen der Insel gelegen, mit Blick auf die Vulkane der Nachbarinsel Java war Pemuteran und der Taman Nasional Bali Barat, der einzige Nationalpark der Insel. Anders als im Lonely Planet angepriesen ist Pemuteran kein idyllisches Dörfchen mit Traumstrand sondern ein typisches, langgezogenes Straßenkaff ohne jegliche Seitenstraße, in das Luxusressorts mit Zimmerpreisen von mehr als 100 Euro pro Nacht hinein gebaut wurden. Dazwischen finden sich so genannte „Homestays“ – relativ einfache Unterkünfte der Einheimischen für Individualreisende. Zahlt man im Rest von Südasien für solche Übernachtungsmöglichkeiten vielleicht 10 Euro pro Nacht für ein enges, spartanisches Zimmer mit Dusche/WC und Ventilator aber ohne Klimaanlage sind auf Bali dafür oft schon fast 30 Euro in der Hauptsaison zu entrichten. Für das doppelte an Euro erhält man dann allerdings 3 bis 4-Sterne-Luxus, wo man z. B. in Indien hingegen vielleicht das doppelte dafür berappen muss. Wir lernten recht schnell mit dieser etwas gewöhnungsbedürftigen Situation umzugehen und genossen für etwas mehr Geld wirklich wunderbare Unterkünfte auf der Insel.

Am Strand von Pemuteran kurz vor Sonneuntergang
Am Strand von Pemuteran kurz vor Sonneuntergang

Im Nationalpark ging es per Pedes mit einem Führer quer durch die Mangroven und die trockene, savannenartige hellbraune Landschaft Westbalis, die mit den immer grünen Reiseterrassen wenige Kilometer weiter östlich gar nichts mehr gemein hat. Größere Wanderung sind auf Bali mittlerweile fast ausnahmslos mit Führer durchzuführen. Das ist meiner Meinung nach eine eigentlich gute Sache, denn so haben auch die Einheimischen etwas vom Tourismus auf dieser Insel, die ja hauptsächlich von Badetouristen lebt, die in internationalen Ressorts einen Großteil ihres Aufenthalts verbringen. Alle Führer die wir im Laufe der Reise engagierten, waren zurückhaltende, gut bis sehr gut Englisch ,sprechende Einheimische, die mit großem Enthusiasmus mit uns zu Fuß unterwegs waren. Die recht hohen Kosten für die Führer von z.B. 45 Euro für 3 Stunden zu zweit im Nationalpark, die meist relativ fix waren, zahlten wir gerne, sofern davon auszugehen war, dass ein Großteil des Geldes beim jeweiligen Führer verbleibt – was aber leider nicht immer sicherzustellen war.

Wanderung an der Mangroven-Küste im Taman Nasional Bali Barat
Wanderung an der Mangroven-Küste im Taman Nasional Bali Barat

Unser nächstes Ziel unserer Reise war das Bergdorf Munduk, zwischen hellgrünen Reiseterrassen und dunkelgrünen tropischen Bergwaldhängen gelegen. Dort war es dann auch mal möglich, alleine auf Wanderschaft zu gehen, da die Bewässerungssysteme für die Reisterrassen immer mit einem kleinen Pfad versehen waren. Verirren war recht unmöglich und sofern größere Passagen der Wege mit Treppenstufen ausgestattet waren, störten auch keine ansonsten ab und zu auftauchenden Mofa-Fahrer mehr den Wandergenuss in der puren Natur. Statt Gedröhne von Motoren dominierten Vogelgesang und Wasserrauschen. Von Munduk aus lassen sich auch die zentralen Bergseen der Insel auch prima erkunden. Auf einer extrem steilen Bergstraße geht es zunächst auf den Kraterrand eines riesigen längst erloschenen Vulkan. Die Straße schlängelt sich auf dem Rand entlang, oberhalb der im Krater befindlichen Seen Danau Bayan und Danau Tamblingan. An beiden Seen kann man entlang spazieren – eigentlich ohne Führer. Aber am zweit-genannten See hatte sich eine Vereinigung von Bergführern gebildet, die praktisch ein Wandern alleine unmöglich machte. Das nervte uns zunächst, bis wir am Seeufer einerseits Zelte entdeckten und sahen, dass das ganze Dorf unter Wasser stand. Ein Hinweisschild klärte auf, dass die vulkanischen Aktivitäten zu einem plötzlichen Anstieg des Wasserpegels um fünf Meter vor zwei Jahren führten und die Bewohner praktisch über Nacht ihr Zuhause verloren. Da waren wir dann doch etwas peinlich berührt und engagierten natürlich gerne eine Bergführerin, die uns dann sicher durch den Dschungel begleitete und uns mit einer Schärpe ausstattete: Der Grund war ein in der Nähe gelegener Hindu-Tempel, den Balinesen traditionell mit Sarong (Stofftuch) und Schärpe aufsuchen. An fast jedem Tempel in Bali kann man gegen eine Spende einen Sarong leihen und sich dann adäquat angezogen diese religiösen Stätten anschauen – so profitieren auch wieder Einheimische vom Besuch der Fremden.

Durch Vulkanismus untergegangens Dorf am Danau Tamblingan
Durch Vulkanismus untergegangens Dorf am Danau Tamblingan

Mit dem Erreichen des Wasserpalastes in Tirta Gangga in Ost-Bali traf ich dann erstmals auf einen Ort meiner Weltreise. Meist hat man ja Angst, dass Orte, die man in guter Erinnerungen hat, sich im Lauf der Zeit zum „Schlechten“ ändern – gerade in Asien, wo sich oftmals innerhalb eines Jahres bereits sehr viel ändert. Die einzige Änderung in Tirta Gangga: das Warung (lokales Restaurant), das ich vor 9 Jahren besuchte ist expandiert und hat jetzt auch einen Essbereich auf dem Dach – fertig. Das Essen auf Bali wäre ein eigenes leckeres Kapitel und würde den Rahmen hier spregen. Es war gut und es ist gut und weiterhin sehr günstig. Der Verkehr war damals schon heftig und hat sich bis auf die Region um Ubud nicht wirklich verschlimmert. Die Menschen auf Bali sind immer noch sehr freundlich und zuvorkommend und dass die Hotelpreise 2003, 6 Monate nach dem Terroranschlag von Kuta, natürlich heute vollkommen andere sind, war absehbar. Es war einfach schön zu sehen, dass es doch noch Plätze in Asien gibt, die unverändert angenehm bleiben, trotz unserer touristischen Dauerpräsenz.

Der Wasserpalast in Tirta Gangga
Der Wasserpalast in Tirta Gangga

Viele Bali-Reisende, die nicht an den Stränden im Süden bleiben, zieht es in die kulturelle Hauptstadt nach Ubud. Dort hat der Verkehr wie gesagt leider extrem zugenommen und im Zentrum der Stadt war es wirklich nicht mehr angenehm zu bleiben. Die Außenbezirke eignen sich aber immer noch zum Entspannen, da dort wunderschöne Unterkünfte aufgemacht haben, mit Blick auf Reisfelder oder ganz im Westen auf den Ayung Fluss tief unterhalb der Ortsteile Sayan und Kedewatan. Allerdings befürchte ich, dass die Bauwut in Ubud dazu führen könnte, dass die Stadt immer mehr ausfranzt und heutige Reisefelder bald Baugrund für neue Ressorts sind. Wir betrachteten Ubud nur noch als Ausgangsbasis für Tagestouren z. B. zum Vulkan Batur.

Blick vom Vulkan Batur (1.717 m) auf den Gunung Abang (2.152 m)
Blick vom Vulkan Batur (1.717 m) auf den Gunung Abang (2.152 m)

Meine bisherigen Vulkanbesteigungen in Indonesien waren allesamt sehr frustrierend verlaufen, da ich mich jedes Mal um vier Uhr morgens auf den Weg bergan machte, um rechtzeitig vor Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu stehen und um nichts zu sehen, da immer eine Wolke jegliche Sicht über den Kraterrand verbaute. Dieses Mal ließen wir es daher beim Batur ganz lässig angehen, vertrauten auf die Wettervorhersage, die behauptete, dass es mittags aufklaren sollte. Das ist zwar so eine Art von Vorhersage, wie dass es im Juli in Deutschland Dauerfrost geben soll, schließlich zieht es sich in der Regel in den Tropen spätestens mittags zu – aber egal. Und die Wettervorhersage hatte Recht! Mit Wayan einem drahtigen Mitvierziger als Bergführer erklommen wir den zweitheilgsten Berg Balis in lockeren zwei Stunden zur Mittagszeit und wurden mit einer herrlichen Sicht auf den äußeren Kraterrand belohnt. Die Wolken blieben außerhalb des äußeren Kraterrands und endlich sah ich mal etwas anderes als Nebel auf dem Gipfel eines indonesichen Vulkans.

Ruhige Seitenstraße in Ubud
Ruhige Seitenstraße in Ubud

Zurück in Ubud war dann Stau angesagt. Der Verkehrsinfarkt wird hier schon vorgezogen, da in der Stadt 365 Tage im Jahr Tempelfeste veranstaltet werden und bei diesen dann einfach mal die gesamte Straße oder wenigstens ein guter Teil davon mit Betenden in weißen Gewändern belagert wird. Nirgends auf der Welt habe ich so eine Spiritualität im Alltag festgestellt wie auf Bali. Prozessionen finden inselweit täglich statt. Die Menschen leben ihre Kultur und tragen nicht wegen der Touristen ihre traditionellen Gewänder, sondern weil sie wohl Teil ihrer Identität im größten muslimischen Land der Welt sind. Der Stau war zugegebenermaßen nervig, aber was beschwere ich mich hier groß. Ich bin Gast und muss mich natürlich den Gegebenheit des Gastlandes anpassen. Insgesamt war mein zweiter Aufenthalt auf Bali ein wunderbares Abenteuer und es bleibt zu hoffen, dass sich die Insel und ihre Menschen ihren Charakter bewahren, die dieses Eiland so einzigartig machen.