Teil 1: Der Umgang mit Masken
„Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“ stellte kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe statt. Dieser Satz ist in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gerückt. Schließlich wurden Reisen in der Debatte um den Klimaschutz relativ oft auf Ausflüge mit dem Billigflieger nach Malle reduziert. Dass wir beim Reisen unser Bewusstsein mit unseren Sinnen erweitern, Vorurteile abbauen und die Einheimischen vor Ort mit unserem Geld unterstützen und damit letztlich Fluchtursachen bekämpfen, ist in der Klimadebatte komplett untergegangen. Nun ist die Klimadebatte selbst fast vom Bildschirm verschwunden. Mittlerweile dreht sich nun vieles um Verhaltensweisen, die für Reisende bereits vor der aktuellen Krise selbstverständlich waren: Es geht um das Tragen von Masken, das „Hamstern“ von Klorollen, das gründliche Händewaschen und die regelmäßige Auffrischung von Impfungen. Gleichzeitig wird in dieser besonderen Zeit an Solidarität, Disziplin und Respekt appelliert, sprich an ein faires Verhalten den Mitmenschen gegenüber. Rund um die vier genannten Punkte ergeben sich meiner Meinung nach Möglichkeiten, faires Agieren mit sinnvollen Veränderungen des eigenen Verhaltens im Alltag zu kombinieren. Und vielleicht eignen sich manche Verhaltensweisen auch für den Alltag nach der Krise.
Mit einer Bedeckung von Mund- und Nase auf die Straße zu gehen, ist bei uns in Deutschland nur für den Maskenball en vogue gewesen. Sich vermummt in der Öffentlichkeit zu zeigen, war außerhalb der fünften Jahreszeit tabu. Wir sind es in Deutschland gewohnt, unserem Gegenüber in die Augen zu blicken und auf die Mimik zu achten. Zum Mienenspiel gehört neben den Augenpartien auch der Mund. Daher kann ich es verstehen, dass es bei uns eine Scheu gibt, sich vor den Mitmenschen zu vermummen. „Andere Länder, andere Sitten“ – mit der Realität dieses Spruchs müssen Reisende notgedrungen immer umgehen können. Das Verhalten, das in Deutschland vollkommen in Ordnung ist, kann in anderen Ländern komplett daneben sein und umgekehrt. Als Reisende lernen wir täglich, mit neuen Situationen umzugehen und uns an neue Gegebenheiten anzupassen. Gerade in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Mega-Metropolen wie Tokio, Singapur oder Hongkong ist die Maske schon seit Jahrzehnten Standard – landen wir aber nach zehn Stunden Flug direkt in einer dieser Städte, ist es alles andere als selbstverständlich, das Vermummen als „normal“ zu betrachten. Einen kleinen „Kulturschock“ zu erleben, ist aus unserer Perspektive vollkommen „normal“. In Asien möchten sich die Menschen mit einer Maske vor Ansteckung oder gegen Feinstaub schützen. Manche Altruisten tragen sie dort auch, um die Mitmenschen zu schützen, wenn sie selbst niesen oder husten. Diese Erfahrung haben wir in einem der ärmsten Länder weltweit selbst gemacht. Wir schleppten einen grippalen Infekt durch Sierra Leone in Westafrika, als wir die Schimpansenaufzuchtstation „Tacugama“ besuchten. Damit wir die Affen nicht ansteckten, bekamen wir einfache OP-Masken als Schutzmaßnahme ausgehändigt. In einem Land, in dem es kaum Infrastruktur gibt, das allerdings schon so seine Erfahrungen mit Epidemien wie beispielsweise Ebola gemacht hatte, werden an Touristen mit aller Selbstverständlichkeit Masken zum Fremdschutz ausgeteilt. Verkehrte Welt!
Anfang März machten wir uns vielleicht in Deutschland noch ein wenig lustig darüber, dass „die in Asien“ alle vermummt auf der Straße herumliefen, statt den Sinn des Maske-Tragens zu hinterfragen. Natürlich kostet es ein bisschen Überwindung, sich selbst in geschlossen Gebäuden und im ÖPNV zu vermummen. Es ist immer noch etwas Anderes in Asien das Masketragen der Einheimischen als „normal“ zu empfinden oder sie in der Heimat selbst aufzuziehen. Beim ersten Selbsttest in einem Mainzer Supermarkt kam ich mir ein bisschen vor, wie am 11.11. vor ein paar Jahren ein paar Straßenzüge abseits des Fastnachtsbrunnens. Ich war der einzige, der damals verkleidet war. Man schaute auf mich, als sei ich „anders“. Genauso erntete ich komische Blicke, als die automatische Tür aufging und ich mit der Maske die große Bühne Supermarkt betrat. Psychologische Wirkungen bietet die Maske auf jeden Fall. Man wird als Individuum wahrgenommen. Dadurch ist das Wahren der Distanz schon wesentlich leichter möglich. Manche Menschen machten bewusst sogar einen Schritt nach hinten. Dieses Gefühl des „Aussätzigen“ ist mir relativ egal. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass es Menschen gibt, die es eine Überwindung kostet, diese Maske aufzusetzen, wenn es dafür keine Verpflichtung gibt. Alleine deshalb würde eine Maskenpflicht für Geschäfte und ÖPNV meiner Meinung nach Sinn machen. Denn je mehr Menschen mitmachen, desto großer ist der Schutzeffekt. Und um so eher können wir wieder „neue“ kleine Freiheiten in unserem komplett veränderten Alltag genießen. Mit Vermummung ins Fitnessstudio (Duschen zu Hause wie die Spieler von Nullfünf), mit Maske in den Biergarten? Das wäre rein theoretisch irgendwann in diesem Frühjahr vielleicht möglich.
Natürlich sollten die so genannten „Filtering Face Piece“-Masken, kurz FFP, bei einer Maskenpflicht denjenigen zur Verfügung stehen, die diese für den Dienst am Mitmenschen benötigen, um sich selbst zu schützen. Schließlich gelten diese aktuell als rares Gut. Alle anderen Menschen könnten die so genannten „Community Masks“ tragen, also Mund- und Nasenabdeckungen, die keiner der drei FFP-Schutzklassen entsprechen. Das Robert-Koch-Institut (RKI), die deutsche Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten sagt dazu: „Für die Bevölkerung empfiehlt das RKI das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (textile Barriere im Sinne eines Mund-Nasen-Schutzes) in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum. Das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung kann ein zusätzlicher Baustein sein, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren – allerdings nur, wenn weiterhin Abstand (mind. 1,5 Meter) von anderen Personen, Husten- und Niesregeln und eine gute Händehygiene eingehalten werden.“
Leider rückt das Thema Müll(vermeidung) aktuell auch in den Hintergrund. Es gibt aber längst Alternativen zu den Einwegangeboten, die leider gerade in Asien so häufig Verwendung finden. T-Shirts werfen wir ja auch nicht nach einmal Tragen in den Müll. Und häufig sind T-Shirts wie selbst gemachte Textil-Behelfsmund- und Nasenschutze aus Baumwolle, die sich bei 60 Grad in der Waschmaschine waschen lassen. Alternativ kann der Schutz auch gebügelt, in den Backofen oder die Mikrowelle gelegt oder ausgekocht werden, um am nächsten Tag wieder Verwendung zu finden. Wer nicht nur fair zu seinen Nächsten, sondern auch zu diejenigen sein möchte, die die Baumwolle anbauen und verarbeiten kann beispielsweise die Behelfsmundschutze von Bingabonga wählen. Diese sind aus Biobaumwolle hergestellt, so dass sich perfekt fairmummt werden kann.