Mittelamerika 2014

Mittlerweile sind wir schon wieder in unserem Städtchen angekommen, aber in den letzten Tagen ging es über Ostern mal wieder nach Costa Rica…Wie? Schon wieder Costa Rica? Ja, es hat uns in der Tat wieder einmal zu den Ticos und Ticas nach Mittelamerika gezogen. Aber dieses Mal begann die Reise „wenigstens“ in Panama, dem ich erstmals seit meiner Weltreise 2002 wieder meine Aufwartung machte. Damals schon empfand ich Panama-Stadt als einzig wirklich besuchenswerte Hauptstadt von „Centroamerica“. Aufgrund der vielen Erdbeben in der Region ist von alter Bausubstanz überall anders kaum etwas aus der spanischen Kolonialzeit übrig geblieben. In Panama hingegen ist die Altstadt mit ihren kleine, verwinkelten Gassen auch heute noch ein Abstecher wert, obwohl man in der Zwischenzeit eine Autobahn über das Meer um die Altstadt herum gebaut hat. Anscheinend steht Panama mittlerweile wir so viele Metropolen dieser Welt kurz vor dem Verkehrsinfarkt und man sah sich gezwungen den schönen Blick von der Stadt auf den Eingang des Kanals zu verbauen, um der Verkehrslage Herr zu werden. Wir bekamen von all dem Verkehrschaos nichts mit, da Gründonnerstag bzw. Karfreitag war. In diesem Teil der Erde gelten Feiertage noch als solche und katholische der Karwoche zelebriert man hier noch richtig – Alkoholverbot von Gründonnerstag bis Ostersonntag inklusive. Fast alle Läden waren geschlossen, die Finanzmetropole Lateinamerikas wirkte wie eine Geisterstadt und es war schon nahezu eine Herausforderung etwas außerhalb des Hotels zu Essen zu finden.

Blick aus dem Hotelfenster auf die menschenleere Stadt
Blick aus dem Hotelfenster auf die menschenleere Stadt

Ähnlich leer war dann auch der Weiterflug innerhalb Panamas. Panama hat wie viele andere Großstädte zwei Flughäfen. Den internationalen Tocumen jenseits von Gut und Böse fernab in der Pampa und den Albrook Airport so eine Art Tempelhof in den Tropen. Beide Stadtflughäfen verbindet ihre amerikanische Vergangenheit. Schließlich war der Kanal bis 1999 US-Territorium und die vielen Hangars auf dem kleinen Flughafen erinnerten mich auch an die vielen ehemaligen US-Airports in Deutschland, nur dass es keine nervigen Ryanairs gibt. Das Spannendste am Fliegen mit Air Panama war dann eigentlich die Abfertigung am Boden, denn dieser Flughafen hat so gut wie keine Schilder. Lediglich am Check-in-Schalter stand ein Schild „Davíd“ – ohne Flugnummer natürlich. Einmal eingecheckt und durch die direkt daneben liegende Sicherheitskontrolle (kein Schild notwendig) gelangt, saß man in einem Warteraum – ohne Schilder, dafür mit mehreren Türen, die auf das Flugfeld führten. Zum Einsteigen wurde ein- oder zweimal durch das blecherne Mikro aufgerufen. Warum versteht man bei diesen Dingern eigentlich nie etwas? Wer auf dem Klos saß (diese waren beschildert), hat dann halt mal Pech gehabt und verpasst schlimmstenfalls den Abflug. Durch die permanente Wachsamkeit, während einer von uns auf dem stillen Örtchen verweilt, bekamen wir das Einsteigen dann zum Glück mit und es ging im Gänsemarsch über das Vorfeld, schön brav mit Hütchen einen imaginären Weg von Flugzeug zu Flugzeug entlang. Natürlich stand auf den Flugzeugen auch nicht, wohin sie flogen und der Weg mit den Hütchen führte bis zum Ende des Vorfelds. Der Vordermann war schon einige Meter weg, aber ich tippte dann doch auf die richtige Abzweigung zum Flieger nach Davíd. Zur Sicherheit fragte ich aber doch nochmals nach, ob die Fokker 100 tatsächlich in die zweitgrößte Stadt Panamas fliegen wollte.

Blick auf den Panama-Kanal
Blick auf den Panama-Kanal

Nach einem unspektakulären, gänzlich leeren Flug brachte uns der Flieger in 35 Minuten dorthin. Auf meiner Weltreise war ich 2002 in umgekehrter Richtung mehr als 8 Stunden unterwegs und die Weisheit, dass man entweder Zeit oder Geld hat, bewahrheitete sich natürlich mal wieder. Der Bus kostet ca. 25 US$, der Flieger 100 US$ – damals hatte ich 1 Jahr Zeit, dieses Mal knapp 20 Tage – die Entscheidung war natürlich klar, wie man von A nach B kommt – und jünger werde ich natürlich auch nicht 😉 Aber während wir bei den letzten beiden Fahrten durch Costa Rica unseren Hintern jedes Mal am Flughafen in den Geländewagen eines Suzuki Jimnys schwangen, stand dieses Mal endlich mal wieder das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Programm. Der Busbahnhof von Davíd ist immer noch sehr gut organisiert. Die Minibusse haben feste Abfahrtsstellen, die sogar nummeriert sind. Und die Frequenzen sind traumhaft. Panama hat Taktverkehr, zur costa ricanischen Grenze so ca. alle 15 Minuten, so dass es unmittelbar weiterging. Der Bus wurde nicht überfüllt, nahm natürlich noch auf der Straße Fahrgäste auf, aber trotzdem legten wir die 50 km zur Grenze in ca. 90 Minuten zurück – was für Mittelamerika absolut ok ist, denn was will man für ca. 1,50 USD schon an Schnelligkeit erwarten? Schnell ging es aber wirklich an der Grenze weiter. Der Panama-Lonely-Planet beschrieb dies auch so, ganz im Gegensatz zum Costa Rica-Lonely-Planet, der riet, zwei bis drei Stunden zum Passieren einzuplanen, wobei beide Bücher vom Übertritt von Panama nach Costa Rica sprachen – und beide Bücher gleich neu waren. Beide Länder sind allerdings etwas zickig, was die Weiterreise angeht, was Rückflugtickets angeht. Dies war sogar am Einreiseschalter vermerkt. Ohne Rückreiseticket aus dem eigenen Land kein Eintritt in das Land – aber wie so oft war das die Theorie und niemand hat sich tatsächlich dann dafür interessiert. Uns interessierte nur das erste Essen auf costa ricanischer Seite, das das kulinarische Angebot in Panama bei den vielen Exil-Griechen noch das beste neben Fast Food war. Gut, es war Karwoche, alles hatte (fast) zu, aber in Costa Rica beschränkt sich das Essen auf wenige Speisen, die immer aus Bohnen und Reis bestehen, aber das wäre uns in Panama schon lieb gewesen – stattdessen gibt es da oftmals Pommes und mit Pizza mit monströsem Käsebelag. Der „Casado“ das traditionelle costa ricanische Essen besteht daneben dann noch aus Fleisch (Rind), Hühnchen oder Fisch. Wenn man dann eine vegetarische Variante nachfragt, die meist nicht auf der Karte steht, kommt der Kellner kurz ins Grübeln, aber meist zaubern die Köche dann etwas mit Salat, Kochbanane, Eiern und/oder Käse auf den Teller, das sich mit der traditionellen Lisano-Soße, die auf keinem Restaurant-Tisch Costa Ricas fehlen darf, perfekt verfeinern lässt. Vegetarier sind in diesem Teil der Erde noch eine besondere Spezies, aber unter uns Touris gibt es dann doch genug, dass die Ticos und Ticas, sich darauf einstellen können.

Ankunft am Golfo Dulce
Ankunft am Golfo Dulce

Gestärkt mit einem Casado „sin carne“ (ohne Fleisch) und „sin pollo“ (ohne Huhn) – das muss man hier immer doppelt erwähnen – ging es mit dem Bus weiter durch das südliche Costa Rica nach Golfito. Zwischendurch wurde der Bus dann doch mal so richtig ausgelastet und ich war schon froh, einen Sitzplatz ergattert zu haben. Eingequetscht bei 30° C im Schatten und bei nahezu 90 % Luftfeuchtigkeit über das Land zu rollen ist dann doch nicht mehr so mein Ding. Und ich liebe Costa Ricas Busse – ja es sind Busse – keine ausgedienten US-Schulbusse mit an 0 cm grenzende Beinfreiheit, wie in den nördlicheren Ländern Mittelamerikas üblich. Nach einem Übernachtungsstopp in Golfito ging es am nächsten Morgen mit dem Boot über den Golfo Dulce einen von nur zwei Fjords in den Tropen weltweit auf die wunderbare Osa-Halbinsel nach Puerto Jiménez. Dieser Ort liegt fast 400 Straßenkilometer von der Hauptstadt San José entfernt und somit praktisch eine ganze Tagesreise weit weg. Und so gottverlassen kam man sich in dem Kaff dann auch vor. Eine Teerstraße ansonsten nur Pisten, Hitze, Schwüle und das permanente Gefühl in einem Wild-West-Film mitzuspielen. Aber das Kaff hat wirklich seinen Charme. Obwohl Dreh- und Angelpunkt des Tourismus auf der Osa-Halbinsel spürte man davon recht wenig. Es gibt ja Ort auf dieser Welt, da hat die „Krake“ des Fremdenverkehrs das Stadtbild komplett verändert – ich denke da hauptsächlich an Süd-Ost-Asien. In Costa Rica gibt es auch ein paar wenige dieser Plätze, aber Puerto Jiménez gehört definitiv nicht dazu. Alles läuft sehr gemächlich ohne Stress ab. Niemand springt einem vor die Füße und möchte irgendwelche Hotels, Restaurants oder Touren anbieten. Und es gibt tatsächlich die Möglichkeit, als Touri selbst zu wählen, wie man die Osa-Halbinsel entdecken möchte, wenn man den Aspekt der Nachhaltigkeit einfließen lassen will. Bereits von Deutschland aus nahmen wir Kontakt mit OSA WILD auf, einer Agentur, die versucht nachhaltigen Tourismus in der Gegend zu fördern. Die schönsten Plätze der Erde sind für uns Touris natürlich meist nur so wunderbar, weil sie naturbelassen sind. Den Einheimischen bringt diese natürlich auf den ersten Blick erst mal gar nichts. Wenn wir uns zu Hause umschauen sehen wir Industrie und Infrastruktur, die wir dort gerne hinter uns lassen. Die Frage, wie die Einheimischen dann von etwas leben sollen, stellen wir uns womöglich zunächst mal überhaupt nicht. Hier setzt dann der nachhaltige Tourismus an, um im besten Fall eine „Win Win“ Situation zu schaffen. OSA WILD vermittelt ruralen Tourismus und setzt auf gut ausgebildetete Führer, damit die Einheimischen dirket vom Fremdenverkehr profitieren – und nicht irgendwelche zwischengeschalteten Vermittler, die womöglich noch aus dem Ausland oder zumindest aus der Hauptstadt stammen.

Am Hafen von Puerto Jiménez
Am Hafen von Puerto Jiménez

Unseren 3-Tagestrip durch den wunderschönen Nationalpark Corcovado organisierte die Agentur vorab, da nur täglich 40 Leute in der dortigen Forschungsstation Sirena übernachten dürfen. Es war zwar alles ein wenig bürokratisch, da das Geld für den Eintritt, das Essen und die Übernachtung über einen Geldtransfer zunächst von Mainz nach Puerto Jiménez geschickt werden musste und dann vor Ort auf das Bankkonto der Nationalparkverwaltung eingezahlt werden musste, aber es klappte alles reibungslos, so dass wir unser Permit in der Hand hielten. Die 45 km von Puerto Jiménez zum Endpunkt der „Piste“ in der Hüttensiedlung mit dem bezeichnenden Namen „Carate“ legten wir mit einem Collectivo zurück. Das war einfach ein LKW, bei dem auf der Ladefläche zwei gepolsterte Planken einsetzt wurden. Wichtig waren auch die Haltestangen, denn die Schlaglochpiste hatte es in sich. Zwei, drei Flüsse mussten durchfahren werden und die Auf- bzw. Abfahrten zu den Flussläufen waren alles andere als flach. Im Geographie-Unterricht haben wir eigentlich gelernt, dass es in den Tropen eine Trocken- und eine Regenzeit gibt. Dies gilt aber nicht für diesen Teil der Tropen, in dem es eher eine Regenzeit und eine Zeit mit weniger viel Regen gibt. Jetzt an der Grenze zwischen diesen beiden Saisons – die Nebensaison wird hier bezeichnenderweise als „Green Season“ ausgewiesen – kann es plötzlich zu Platzregen kommen und das passierte natürlich nach zwei Drittel der Distanz auf dem Collectivo. War die Fahrt bisher recht unspektakulär verlaufen, bis auf die Äste und Zweige, die ab und zu am Dach des LKW abbrachen und auf die Ladefläche fielen, wurde es jetzt trotz vorhandener LKW Plane recht ungemütlich, da durch den Fahrtwind der Regen trotzdem hineinkam und bald sämtlich Insassen und ihr Gepäck gewaschen waren. Gut, dass es Rucksackregenüberzüge gibt, die im günstigsten Fall dann auch noch griffbereit im Rucksack bereit liegen…

Weg zur La Leona Ecolodge
Weg zur La Leona Ecolodge

In Carate angekommen, wartete schon ein Pferdefuhrwerk auf unser Gepäck, um es zur La Leona Eco Lodge zu bringen. Öko ist in diesem Zusammenhang bei dieser Unterkunft recht selbstverständlich, denn die Zelthütten stehen ca. 2 km vom Endpunkt der Straße entfernt und hier gibt es einfach gar keinen Strom, so dass man darauf angewiesen ist, mit Kerzenlaternen die Weg nachts auszuleuchten und den benötigten Strom über Sonnenkollektoren zu erzeugen. Das Pferdefuhrwerk statt eines Strandbuggys einzusetzen ist allerdings dann wirklich umweltbewusst, genauso wie uns Touris per Pedes antanzen zu lassen. Diese Abgeschiedenheit am Ende des Endes der Welt hatte schon etwas wirklich sehr sehr schönes. Noch schöner wurde es dann am nächsten Tag, als Elí, unser Führer für die nächsten drei Tage uns abholte. Das Wort „Guide“, wird weltweit ja sehr unterschiedlich ausgelegt. Es gibt Gegenden, bei denen das höchste der Gefühle die Tatsache ist, dass der Guide halbwegs den Weg kennt. Alles abseits des Wegs kennt er nicht und die Verständigung klappt auch eher mit den Händen und Füßen – auch wenn man bereit ist, mehr Geld für besser ausgebildetes Personal auszugeben. Elí überraschte uns in den drei Tagen zunächst durch sehr gutes Englisch, was auch nicht selbstverständlich ist, später dann neben seinem Enthusiasmus für die Natur mit viel Wissen um Fauna, Flora und Geologie der Region. Das Laufen durch den Nationalpark hatte wirklich etwas von einem Bildungsurlaub an sich. Die 16 km lange Strecke von La Leona, dem Eingang in den Nationalpark, bis zur Sirena Forschungsstation hatten es in sich, so dass man manches Mal den Bildungseinheiten kaum noch folgen konnte bzw. wollte, da es mit dem recht schweren Rucksack und alleine 7 Litern, also 7 kg, Wasser nicht so einfach war, einen Fuß vor den anderen zu setzten. Leider konnten wir nicht alle Mahlzeiten in der Forschungsstation in deren Kantine zu uns nehmen, so dass auch viele KG an Essen von uns geschleppt werden mussten, aber die physische Herausforderung und das Meistern derselben hatten es auch irgendwie etwas von innerem Schweinehund überwinden. Zumal die Aussicht, hinter jedem Baum ein neues Tier zu entdecken dauerhaft motivierend wirkte.

Abends in der La Leona Ecolodge
Abends in der La Leona Ecolodge

Technisch war die Strecke recht anspruchslos, wenn man davon absieht, dass etwas ein Drittel am Strand zurückgelegt werden muss und das Einsinken mit dem schweren Rucksack im Sand an Sisyphus-Arbeit erinnerte. Später kam mir die Länge von Elí gerade recht, der fast so groß war wie ich und somit ähnlich große Schritte machte. So stapfte ich in seinen Spuren über den schwarzen Sand des Pazifik-Strands. Im Regenwald ging es hingegen recht schnell voran, wenn Elí nicht gerade wieder auf die Idee kam kurz mal querfeldein zu einem komisch gefalteten Riesenblatt zu stapfen, unter dem sich eine Fledermaus zum Schlafen verschanzt oder ein Giftpfeilfrosch sich im Laub verkrochen hatte. Ohne Guide wären wir geradeaus an den schönsten und faszinierendsten Lebewesen vielleicht einen Meter entfernt ahnungslos vorbei gestapft. Abends kamen wir dann an der Sirena Forschungsstation an. Während uns auf dem Weg dorthin niemand auf dem 8 Stunden-Trip entgegenkam, saßen auf der Veranda ein Dutzend Leute und noch mehr Besucher fanden sich auf dem Holzboden, auf dem bereits viele Innenzelt unter einem großen Dach aufgestellt waren. Sind diese Leute allesamt zu Fuß hierhergekommen – leider nein. Sirena hat auch einen Feldweg zum Meer, der gleichzeitig als Urwaldpiste dient. Somit kann der zahlungskräftige Fußfaule auch einfliegen oder mit dem Boot hierher kommen. Natürlich ist das am Ende nicht so wunderbar, wenn man den ganzen Tag in der Natur alleine ist und abends dann auf engstem Raum praktisch keinerlei Privatsphäre mehr genießen kann, aber die vielen Eindrücke, die man in der Natur den Tag über gesammelt hat, wiegen das mehr als auf – auch wenn Hardcore-Schnarcher einem die Urwaldnacht zur Hölle machen können und die sonstigen Naturgeräusche komplett überlagern.

Piste und Forschungsstation Sirena
Piste und Forschungsstation Sirena

Das Essen in der Kantine von Leona war erstaunlich gut, dafür dass man komplett abseits der Zivilisation sich aufhält. Auf Vegetarier ist man hier allerdings etwas unzureichend eingestellt. Sagt man, dass man kein Fleisch (und kein Hühnchen und keinen Fisch) isst, wird der gefüllte Teller vom Fleisch befreit und man erhält als Kompensation drei Salatblätter zusätzlich. Gut, dass wir noch Erdnüsse und Trockenobst den weiten Weg hierher geschleppt haben, ansonsten hätten wir zusätzliche Schlafprobleme wegen großem Hungergefühls gehabt. Man muss sein Zelt übrigens nicht auf diesen Planken mit Dach aufstellen und wir dachten schon daran, das Zelt auf die davor liegende Wiese zu schleppen, um dem Mega-Schnarchern zu entgehen, aber ein Mega-Platzregen in der Nacht lehrte uns, dass es dann doch vielleicht vernünftiger ist, ein trockenen Schlafplatz mit Schnarchgeräuschen zu haben, als einen See im Innenzelt. Nach zwei Nächten vor Ort machten wir uns auf den Rückmarsch in die Zivilisation. Das Schöne am Rucksackwandern ist die Tatsache, dass man sich an die schweren Gewichte relativ schnell gewöhnt und dass die Kilos an Nahrung im Rucksack mit der Zeit abnahmen. Somit hielten sich die Strapazen zunächst in Grenzen. Diese wurden dann aber durch die einsetzende Flut kompensiert. Sind wir auf dem Hinweg recht einfach über den Strand vorangekommen, war es jetzt bei der einsetzenden Flut nicht mehr so einfach einen trockenen Fuß vor den anderen zu setzen. Nasse Füsse sind hier weniger das Problem, als die Steilheit des Strands und die heftigen Wellen, die einen ins Meer ziehen können. Elí beobachtete jedes Mal für ein paar Minuten die Bewegung der Brandung ehe er Zeichen für kurze Sprints durch den Sand gab. Mit dem Rucksack auf dem Rücken kam ich mir wie bei der Grundausbildung bei der Bundeswehr vor und das als ehemaliger Zivi…

Schlange im Gebüsch am Wegrand
Schlange im Gebüsch am Wegrand

Costa Rica gilt ja allgemein als Schlangenland und ohne Führer haben wir bei jedem Aufenthalt in disem Land bisher die sich entlang schlängelnden Gartenschläuche „gefunden“. 90 Prozent der gesamten 3-Tages-Wanderung waren bereits zurückgelegt, eher wir das erste Reptil entdeckten, bzw. Elí es entdeckte, denn die Schlange kroch im Gebüsch lautlos von Ast zu Ast. „Non poisonous“ war gleich die Bemerkung von Elí, die mich entspannen ließ. Schlangen beißen ja „nur“ wenn sie sich bedroht fühlen, wenn man aber die Schlange gar nicht bemerkt, kann so eine Bedrohung schneller entstehen, als einem lieb ist. Gut zu wissen, dass Costa Rica reichlich mit Antiseren ausgestattet ist, um gegebenenfalls auf einen Schlangenbiss zu reagieren – nur bei 200 Schlangenarten, wir die Gabe des richtigen Mittels dann schon wieder zu einem Glücksspiel, auf das ich gerne verzichten kann.

Abflug von Puerto Jiménez nach San José
Abflug von Puerto Jiménez nach San José

Nach dem Ende der Tour waren wir dann auf der Osa-Halbinsel noch einige Tage alleine auf Wanderschaft gewesen, ehe es mit einer einstrahligen Cessna 208 in die Hauptstadt San José ging. Auch hier läuft das Procedere am Flughafen noch anders ab als gewohnt. Zum zweiten Mal überhaupt (nach Guyana 2002) wurde ich mit meinem Handgepäck gewogen! Die Maschine hatte auch nur wenige Minuten Aufenthalt, Sicherheitskontrollen gab es gar nicht und die Bordkarten waren wiederverwertbare Plastikkarten. Ach so, und Schilder gab es natürlich auch keine!

Nepal 2013

Namaste,

ist die traditionelle Begrüßungsformel in Indien und Nepal und in den folgenden Zeilen schildere ich Euch den ersten Teil der Erlebnisse unserer jüngsten Reise auf den Subkontinent.

Angefangen hatte die Tour wieder einmal in Delhi. Während es bei unserer Ankunft 2008 gerade Bombenanschläge gab und wir 2011 vom top modernen Terminal 3 fast umgeworfen wurden und die Berliner Flughafen-Planer vielleicht mal hier vorbeischauen sollten, überraschte uns dieses Mal die Preispolitik der Nobelhotels der Metropolregion Delhi. Für 23 Euro buchten wir im Internet eine Übernachtung mit gigantischem Frühstücksbuffet in einem Fünf-Sterne-Haus südlich des Flughafens in der so genannten „Bildungs- und Komforthauptstadt“ Gurgaon. Diesen Titel trägt dieser „Vorort“, der bereits fast 900.000 Einwohner zählt, sicherlich zurecht, denn hier grenzt ein Luxushotel an das andere.

Natürlich kann man jetzt eine Debatte starten, dass es ja wohl dekadent sei, in diesem armen Land in solch einem Haus unterzukommen. Nur dieser extreme Gegensatz zwischen bitterer Armut auf der einen (Straßen-)Seite und protzigem Luxus direkt nebenan besteht im Indien der 2010er Jahre permanent. Außerdem erhoffe ich mir vom Übernachten in diesen Herbergen, dass es den Angestellten der globalen Hotelketten, doch ein wenig besser geht, als dem Personal in einen 30-Cent-Hotel im Herzen der Hauptstadt. Alleine die Zahl der Angestellten in einem dieser Hotels übertrifft sicherlich die meisten mittelständischen Betriebe daheim in Deutschland. Ich nehme an, dass dadurch wiederum sehr viele Familien ein einigermaßen Auskommen haben.

Verkehrschaos in Gurgaon
Verkehrschaos in Gurgaon

Aber eigentlich waren wir ja nicht hier, um im Luxus zu schwelgen, sondern irgendwann einmal in Nepal anzukommen. Da Anfang Oktober die Festival-Zeit in dieser Weltregion beginnt und viele Nepalesen mittlerweile außerhalb ihres Landes ihr Glück suchen, schossen die Preise für Flüge nach Kathmandu, Nepals Hauptstadt, dermaßen in die Höhe, so dass wir uns entschieden, mal wieder das Reisen an sich in den Vordergrund des Urlaubs zu stellen. Schließlich lief das Unterwegs sein in der letzten Zeit oftmals recht unspektakulär ab, da uns bereits am Flughafen ein Mietwagen erwartete, wir den Zündschlüssel (sofern es überhaupt noch einen gab) umdrehten und davon brausten. Daher flogen wir stattdessen am nächsten Tag mit einer Propellermaschine von Delhi 700 km nach Süd-Osten in die Metropole Gorakhpur. Wie Ihr kennt Gorakhpur nicht? Nun ja, der Eigenwerbung des Hotel Ganges zu Folge würden wir tatsächlich in einer Metropole übernachten. Aber auch wir kannten diese Stadt im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh zunächst nur vom Flugplan der indischen Jet Airways. Mit 670.000 Einwohnern ist sie allerdings so groß wie Frankfurt am Main. Uns fiel in der brummenden ATR72 nur auf, dass außer uns nur eine Australierin nicht indisch-nepalesischer Herkunft war. Dabei liegt Gorakhpur nur ca. 100 km südlich der nepalesischen Grenze und der Flugpreis dorthin war fast zwei Drittel niedriger als der nach Kathmandu. Gab es da womöglich einen Haken an der Sache?

Nach der Landung auf dem Militärflughafen, wurden wir zunächst von einer Horde Affen begrüßt. Nun gut, Militärs standen auch Gewehr bei Fuß, aber auf den Mauern der Baracke saß tatsächlich eine Herde beim Essen von Früchten der daneben gedeihenden Bäume. Check-in, Gepäckausgabe, Warteraum – alle Einrichtungen eines Flughafens konzentrierten sich auf das klitzekleine Gebäude, das etwa so groß wie unser Hotelzimmer in Gurgaon war. Dahinter standen bereits die Taxi- und Rikscha-Fahrer und warteten auf die ankommenden Passagiere. Wir stellten uns genauso wie die Australierin die Frage, ob wir an diesem Spätnachmittag noch zur Grenze reisen sollten oder doch lieber eine Nacht in Gorakhpur verbringen sollten. Sie entschied sich für Ersteres wir hingegen tuckerten mit dem dreirädrigen Tuk-Tuk gen Innenstadt. Und da war es auf einmal wieder, das Gefühl ‚on tour‘ zu sein: Einem Autoscooter ähnlich navigierte der Fahrer uns zwischen Kühen, Fahrrädern, Mofas und dauer-hupenden Autos durch den fast zum Erliegen kommenden Verkehr. Der Fahrpreis war vorher vereinbart worden, aber unser Fahrer hatte eigentlich gar keine Ahnung wo das Hotel lag – so kam es natürlich, wie in Indien üblich, noch zu Nachverhandlungen, denen mittels eines kleinen Trinkgelds ein wenig entsprochen wurde, nachdem unserer Fahrer sich durchfragend uns zum Hotel brachte. Mittlerweile schaut man ja öfter mal bei Hotels vorher bei Tripadvisor nach, um einen Eindruck von einem Laden zu erhalten. Uns verwunderte vorher bereits, dass sich zu Gorakhpur kaum Einträge fanden und auf den meisten Hotelseiten die Stadt gar nicht abrufbar war. Umgekehrt erledigt der Lonely Planet diesen Ort auch in wenigen Zeilen, so dass wir ohne Reservierung in der Stadt aufkreuzten, mit dem sicheren Gefühl, ja notfalls ein anderes Hotel vor Ort finden zu können, falls das angestrebte voll war oder sich zum Übernachten nicht „eignete“. Der Internetauftritt (!) unseres Hotel Ganges weckte in uns die Erwartung, dass es sich um eine einigermaßen gediegene Unterkunft hielt, was man in Indien mittlerweile auch tatsächlich erwarten kann – aber nicht in Gorakhpur. Ein Alternativ-Hotel? Wir sahen ein paar Kilometer vorher aus dem Tuk-Tuk noch ein weiteres Haus, das einigermaßen nach Hotel mit einem Minimum-Standard aussah, hatten aber bei dem Lärm und Gestank nicht wirklich Lust, nochmals durch dieses Labyrinth an Gassen und Stink-Straßen zu fahren. Also rein ins „Ganges“, das mit den Bildern im Internet ja tatsächlich eine entfernte Ähnlichkeit besaß, aber halt auch nicht wirklich. Schon das Einchecken war ein Akt größter Bürokratie. In diese Zeichenblock-großen Gästebücher musste sich zunächst nur eine Person eintragen – allerdings mit doppeltem Durchschlag in einem separatem Buch. Es wurde auch nur ein Pass gescannt (!), doch dieser Prozess dauerte schon 10 Minuten, dann wurde entschieden, dass auch die Daten der Mitreisenden erhoben werden müssten – nochmals 10 Minuten. Gut, wir hatten Zeit und nach der Inspektion der Zimmer entschieden wir uns für einen Raum mit Fenster zum Hinterhof, denn in den Zimmern zur Straße hinaus, verstand man aufgrund des Hupkonzert draußen sein eigenes Wort nicht mehr. Kaum lagen die Rucksäcke im Zimmer fiel der Strom aus und der Lärmpegel erreichte neue Werte, der einsetzenden Generatoren sei Dank.

Farrad-Rikschahs als Taxi-Ersatz
Farrad-Rikschahs als Taxi-Ersatz

Das anschließende Spazieren auf der Straße gelang und irgendwie fühlte ich mich in diesem Dreck, Gestank und Chaos wie zu Hause. In Gorakhpur gab es definitiv nichts zu sehen, aber das Leben auf der Straße in Indien ist sowieso schon eine Inszenierung an sich, so dass man einfach bei jedem Schritt schon genug damit zu tun hat, nicht in Kuhmist oder in die Gosse zu stapfen, so dass sich die Lust auf Sightseeing sowieso erledigt hatte. Das anschließende Abendessen zeigte dann wieder, warum die Liebe zu Indien durch den Magen geht, denn die Curries und Joghurts, die aufgetragen wurden, waren extrem lecker, obgleich die Menge unseren Hunger übersteigerte, da schließlich aufgrund fehlender Kommunikation oder gewolltem Missverständnis noch Speisen aufgetragen wurden, die wir gar nicht bestellt hatten. Irgendwann am Abend ließ der Lärm dann doch ein wenig nach und wir konnten einen einigermaßen erholten Schlaf finden.

Am nächsten Tag stand eine relativ lange Reise von ca. 350 km inklusive Grenzübertritt an. Eigentlich wollten wir von unserem Hotel aus direkt mit dem Taxi zur Grenze fahren, aber es gab gar keine Taxis in der Gegend – nur Fahrrad-Rikschas. Daher mussten wir uns zunächst zum Bahnhof radeln lassen und es entstand natürlich das nächste gewollte (?) Missverständnis. 50 und 15 hören sich im Englischen nahezu gleich an und ein Rikscha-Fahrer, der garantiert kein Englisch und höchsten Hindi spricht oder doch eher eine der rund 20 verschiedenen Landessprachen, weiß natürlich nicht um diese sprachliche Ähnlichkeit. Uns war es auch ziemlich egal, ob wir nun 80 oder nur 20 Euro-Cent bezahlen sollten, aber ein Passant mischte sich plötzlich ein und machte den Rikscha-Fahrer zur Schnecke, er dürfe höchstens 30 Rupien verlangen. Dies war mal wieder „Incredible India“ – dass sich wildfremde Menschen, in Verhandlungen über Pfennig-Beträge einmischen, damit der Tourist ja nicht übers Ohr gehauen wird. Wir wollten eh nur weg aus Gorakhpur und waren froh, dass wir mit unserem Pack nicht nicht bis zum Bahnhof laufen mussten. Am Ende steckte ich dem Fahrer dann 40 Rupien zu und alle waren wieder glücklich.

Am Bahnhof war dann schnell ein Taxi gefunden, das uns in rund zwei Stunden die 100 km zur Grenze brachte. Oder fast zur Grenze, denn die letzten hundert Meter zum Schlagbaum verstellten LKW und wuselnde Menschen die Straße komplett. Die Ausreise aus Indien, unsere erste zu Land überhaupt, gestaltete sich einfach und unkompliziert. Natürlich musste wieder ein Papier ausgefüllt werden, aber das ist in diesem Teil der Erde ja vollkommen normal und fällt eigentlich gar nicht mehr auf. Einreisen im „Schengen-Stil“ wird es außerhalb von Europa wohl auf absehbare Zeit weltweit kaum geben. Dann ging es zu Fuß auch schon rüber zu den Nepalesen, die anders als die Inder bereits so unbürokratisch waren, von Deutschen kein Visum vorab zu verlangen, sondern sich in der Lage sehen, ein Visum bei der Ankunft auszustellen. Im Büro der Einreisebehörde gab es eine „Menü-Übersicht“ an der Wand, einem McDonalds nicht unähnlich. Je nachdem wie lange man bleiben möchte, also 15, 30 oder 90 Tage, mussten unterschiedliche Beträge plus Passphoto ausgehändigt werden. Interessantestes Angebot waren die aufgelisteten Forderungen für das Überziehen des Visums: Geldbetrag pauschal, plus Betrag pro Tag plus Kopie des Visums plus Passphoto!

Unterwegs im Terai, dem Flachland Nepals
Unterwegs im Terai, dem Flachland Nepals

Kaum aus dem Büro der Grenzbeamten hinausgetreten, wurden wir schon von zahlreichen Schleppern begrüßt. Diese genießen ja allgemein unter Reisenden meist einen miesen Ruf, doch ich finde diese Buben (Frauen üben diesen Job nie aus) eigentlich immer ziemlich praktisch, auch wenn ich weiß, dass ich gegebenenfalls eine kleine Provision bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung mitbezahlen muss. Aber diese Leute müssen ja auch von etwas leben und wer kann mir in Sonauli an der indisch-nepalesischen Grenze eigentlich sonst im Handumdrehen einen Geldautomaten zeigen und ein „Reisebüro“, das in Windeseile einen Wagen für die Weiterfahrt organisiert? Geldautomaten sind für mich die große Erleichterung beim Reisen der letzten Jahre. Endlich keine Reiseschecks und Unmengen Bargeld durch die Gegend schleppen! Der Fahrpreis für den Wagen war auch ruck zuck ausgehandelt, denn der Benzinpreis war in Nepal höher als in Indien und Nepalesen scheinen nicht unbedingt darauf zu stehen, anfangs astronomische Unsummen für diverse Dienstleistungen abzurufen – das machte die Menschen hier gleich sehr sympathisch.

Abendstimmung in Sauraha
Abendstimmung in Sauraha

Die 250 km auf relativ guten Straßen verliefen recht unspektakulär, bis auf den wirklich bemerkenswerten Besuch einer Zementfabrik irgendwo im Terai, der nepalesischen Tiefebene. Denn jedes Mal, wenn man einen Wagen irgendwo in der Welt organisiert, macht der Fahrer immer irgendwie noch zusätzlich sein Ding. So auch dieses Mal, wo wir eine halbe Stunde an der Zementfabrik warten mussten, da unser Fahrer irgendetwas regeln musste. Das nervte zwar gewaltig, aber seit der Ankunft in Gorakhpur, „funktioniere“ ich in einer Art „Gelassen“-Modus und mich bringt dann nichts mehr so schnell aus der Fassung. Schließlich befand ich mich im Urlaub und da gehört in Nepal der Besuch einer Zementfabrik definitiv dazu…

Am Spätnachmittag erreichten wir dann Sauraha, ein Dorf am Chitwan-Nationalpark gelegen, der mich mit seinem Artenreichtum stark an Afrika erinnerte. Da wir mit Rucksäcken im gewählten Hotel zu Fuß ankamen, entgegnete man uns, es gäbe nur recht teure Zimmer. Gut das Wort „teuer“ ist dann doch Definitionssache, denn 20 US$ für ein großes gepflegtes Zimmer mit Klimaanlage und großem Bad, Terrasse und Blick auf die Reisfelder des Dorfes plus Gartenanlage, fällt bei mir zumindest nicht unter den Begriff „teuer“. Es war aber irgendwie schön zu sehen, dass ich mit meinen 40 Jahren und dem Rucksack immer noch für einen Pfennig fuchsenden Backpacker gehalten werde. Da fühlt man sich doch gleich ein paar Jahrzehnte jünger!

Panzernashorn im Chitwan-Nationalpark
Panzernashorn im Chitwan-Nationalpark

Während die Unterkunft perfekt war und ich auch, dem Wifi sei Dank, den späten Ausgleich von Mainz 05 gegen Hoffenheim mitbekam, spielte das Wetter nicht so richtig mit. Es nieselte und von der eigentlich jetzt vorherrschenden Trockenzeit war nichts zu sehen. Aber das Wetter spielt ja eh seit Jahren weltweit verrückt und Regen im Dschungel zu haben war jetzt auch nicht so schlimm. Am nächsten Tag gingen wir mit Führer auf Entdeckung im Nationalpark und es war schon beeindruckend so viele Reptilien (Krokodile), Vögel (alles mögliche) und Säugetiere (Nashörner, Affen) auf unserer Safari im Boot und zu Fuß zu entdecken. Das morgendliche Elefanten-Baden und der Besuch der Elefanten-Aufzuchtstation waren weitere Highlights unseres Ausflugs ins tropische Nepal, das mit unserem Bild dieses Himalaya-Anrainers so gar nicht zusammenpasst.

Indien 2011 2. Teil

Julee…

…mal wieder aus Leh, da dies der einzige Ort in Ladakh ist, der innerhalb von 24 Stunden mal wenigstens ein paar Stunden Strom und dann wenn alles glatt läuft auch Internet hat. Mein Handy hat hingegen die Höhenkrankheit und empfängt rein gar nichts.

Auch sonst ist der Alltag fuer den mitteleuropäischen Touri manches Mal sehr anstrengend. An Bargeld über einen Bankautomaten zu kommen will z. B. gut geplant sein. Vor der State Bank of India, der einzigen Bank, die eventuell nicht indische Karten akzeptiert, war die Schlange am Montag Morgen „den Umstaenden entsprechend“ relativ kurz – im Vergleich zum vorausgegangenen Wochenende. Daher hiess es die Situation beim Schopf zu packen und sich anzustellen. Nach ein paar Minuten in der prallen Sonne an einer Hauswand merkte ich, dass sich nur Inder anstellten. Die Damen des Subkontinents bildeten eine unsichtbare „Priority Lane“ und rauschten an der Maennerschar direkt vor die Tuer des Geldautomaten. So wurde die Schlange vor mir kaum kuerzer hinter mir jedoch noch wesentlich laenger. Immer wieder erwischte ich mich beim durchzaehlen, wieviele Koepfe noch vor mir in der Sonne auf Bares warteten und insgeheim hoffte ich auf eine „frauenlose“ Gesellschaft, denn bei jeder Dame, die auf dem Gehweg vorbei lief, bestand die „Gefahr“ dass dieser ploetzlich einfiel, mal schnell ein paar Rupien abzuheben. Leider kam es immer wieder zu dieser Situation, so dass ich nach zirka 30 Minuten endlich vor dem Automaten stand, sicherlich genauso „suechtig“ wie in Las Vegas die Zocker vor dem einarmigen Banditen. Mein „Bandit“ wollte zunaechst die Mastercard nicht. Als er auch die Maestrocard nicht wollte, war ich schon etwas verzweifelt. Aber ich gab nicht auf und stopfte ein ums andere Mal die Plastikkarte in den „Banditen“ hinein und irgendwann beim 4. Versuch erbarmte sich der und fragte nach der PIN. Danach gab ich den gewuenschten Betrag von 10.000 Rupien (153 EUR) ein – ein grobes Vergehen, denn es gab wieder eine Fehlermeldung. Aus Delhi wusste ich, dass es am dortigen Geldautomaten nur Betraege bis 4.000 Rupien zum Waehlen gab. Daher versuchte ich es aufs neue, denn hier in Leh gab es keine voreingestellten Betraege – also tippte ich dieses Mal 4.000 Rupien ein und der Automat hatte ein Erbarmen mit mir! Vom Glueck beseelt versuchte ich es nochmals und bekam gleich darauf hin ein weiteres Mal 4.000 Rupien ausgezahlt – Incredible India!

Blick auf die Umgebung von Leh
Blick auf die Umgebung von Leh

Unglaublich schoen ist auch die Landschaft, die Leh umgibt. So entdeckten wir Ladakh, das auf Deutsch „Land der hohen Paesse“ heisst, per Pedes auf einer 4-Tagestour, die uns ueber den Stok La, einen dieser hohen Paesse mit 4.875 m, fuehren sollte. Da wir unser Gepaeck nicht komplett alleine schleppen wollten, machten wir aus dieser Tour eine kleine „Expedition“ mit Bergfuehrer Jigmed, der im Wintersemester Politologie weit weg von Leh studiert, mit Sanzea Sherpa einem Koch aus Nepal, der in der ladakhischen Hochsaison Touris wie uns mit leckerem Essen abseits von jeder Kueche versorgt und einem „Horseman“ dessen Namen ich ueberhaupt nicht schreiben kann, der aber mit seinen beiden Pferden und den drei Maultieren dafuer sorgte, dass wir jeden Abend unser Gepaeck hatten. Natuerlich hatten wir unsere Bedenken, mit Tieren auf eine Wandertour zu gehen, aber die Ladakhis nutzen Vierbeiner seit je her zum Transport, Traeger gibt es anders als bspw. in Nepal oder Tansania hier nicht und die Tiere sahen wohlgenaehrt aus und wurden auch nicht ueberladen. Schliesslich kann ein Pferd hier unbedenklich 40 kg und ein Maultier 20 kg tragen – Gewichte, die nach meiner Einschaetzung deutlich unterschritten wurden. Ueberhaupt scheinen die Leute hier mit ihren Tieren einigermassen gut umzugehen. Die Hunde haben nie Angst vor Menschen, die Kuehe erlauben sich sowieso alles, zum Beispiel Mittelstreifen-Laufen, und fuer Esel gibt es mittlerweile sogar eine Aufpaeppelstation, die von Spendengeldern lebt und die wir gerne unterstuetzt haben.

Esel-Aufzucht in Leh
Esel-Aufzucht in Leh

So zogen also zwei Deutsche, zwei Ladakhis und ein Nepali-Gastarbeiter sowie zwei Pferde und drei Maultiere gemeinsam in die Berge suedlich von Leh. Der Fuehrer ging mit uns voran, Horseman, Koch und die fuenf Lasttiere zogen hinterher. Bis auf den ersten Tag ueberholte uns der Lastzug immer irgendwann im Laufe des Tages. Am ersten Abend aber erreichten wir in einem engen Tal den „Campingplatz“ zuerst. Dort stand eine „Dhaba“ ein Teezelt in dem es auch „Godfather“ Bier gab, das laut Angaben auf dem Etikett „zwischen 5 und 8 Prozent Alkohohl“ enthielt – ein weiterer Grund, vom Gerstensaft in Indien einfach mal fern zu bleiben – Incredible India! Der Platz war terrassenförmig angelegt – ein Privileg, das wir erst in den Folgenächten schätzen lernten, da wir in diesen permanent bergab im Laufe der Nacht bergab rutschten, mal im mal mit dem Schlafsack. Nach einem Tee in der Dhaba und einer Stunde Warten kamen der Lastzug an. Die Tiere warteten geduldig, bis sie entladen wurden. Danach kam es zu einem Tier-Tanz der besonderen Art: Die Viecher schmissen sich ins Stroh und purzelten durch die Gegend, um den Schweiss und eventuelle Parasiten los zu werden. Einmal ausgetobt erhielten sie ein Festmahl in Form von Hafersaecken, die ihnen um die Mäuler umgebunden wurden. Nachdem das Küchenzelt aufgestellt war, schlug die Stunde des Kochs: Dieser tischte jeden Abend ein 3-Gänge-Menu auf unter der Premisse ja keine Speise während dieser drei Abende zweimal auf den Speiseplan zu setzen. Er backte während der Nachmittage sogar Chapatis, Papads und am Abschlussabend einen Kuchen! Nachdem Tier und Mensch gestärkt waren, ging es um halb neun Uhr abends nach dem Sonnenuntergang ins Bett. Obwohl Indien ja als tropisches Land gilt, merken wir hier die langen Sommernächte, die Ihr gerade geniesst, auch ein wenig. Schliesslich liegt Ladakh etwa auf der Höhe von Ägypten oder Marokko – also gar nicht so weit südlich vom besten Fassenachtsverein der Welt!

Wanderung am ersten Tag durchs Tal des Indus'
Wanderung am ersten Tag durchs Tal des Indus‘

Am nächsten Tag ging es durch eine enge Schlucht weiter bergan. Manche von Euch haben vielleicht vom Hochwasser, das letztes Jahr Ladakh erwischte, gehört – das Hochwasser in Pakistan stand allerdings weit mehr im Blickpunkt der Medien. In einer einzigen Nacht fiel in einer Stunde so viel Regen wie sonst in mehreren Monaten nicht. Das Wasser wurde von der trockenen Erde ueberhaupt nicht aufgenommen und schoss in ganz Ladakh einfach bergab. So wurden in einer Stunde viele Bruecken, Stromverbindungen und auch viele Menschenleben (ca. 100) zerstört. Wir konnten auf unseren Wanderungen auch ein Jahr nach dem Unglueck noch viele Zerstörungen erkennen. Wir wanderten ständig ueber Holzplanken an diesem Morgen, die die Bruecken ersetzten. Die Strommasten standen zum Teil auch nicht mehr – die Kabel waren komplett verschwunden. Nach ein paar Stunden kamen wir an einem Weiler vorbei, der eigentlich nach der Katastrophe ohne Strom zu sein schien. Doch die Bewohner nutzten Solaranlagen und hatten trotz der Katastrophe Strom. Ueberhaupt wird hier auch langsam auf Nachhaltigkeit gesetzt: Die Landfrauenkooperative bietet uns Touris zum Beispiel abgekochtes Quellwasser an, um endlich diese Flut an Plastikwasserflaschen einzudaemmen. Wer schon mal seine Klamotten in Indien zum Reinigen gab, weiss, dass aus einem roten Stoff schnell ein rosa Tuch werden kann, da hier auch der Farbstoff gleich weggeschrubbt wird. Die Landfrauen wissen dies und nutzen nicht mehr so aggresive Reinigungsmittel und leiten das Abwasser auch nicht mehr zurueck in Fluss. Ausserdem gibt es mittlerweile Bio-Aprikosen-Marmelade, -Öl und -Trockenfruechte zum Kaufen. Und selbst die Dosen werden hier recht sinnvoll weiter genutzt: Da alle Viecher hier als freilaufend zu bezeichnen sind, nagen Kuehe, Esel, Yaks, Schafe etc. gerne an den Bäumen der Bauern rum. Diese stuelpen nun alte Cola-, Suppen- und andere Blechdosen um die Staemme der Baeumchen und somit sind diese vor den Tieren geschuetzt – Incredible India!

Nachhaltigkeit Made in India
Nachhaltigkeit Made in India

Am Abend des zweiten Wandertags nächtigten wir „zwischen 4.000 und 5.000 Metern“ – eine wahrlich zuverlässige Aussage unseres Bergfuehrers! In Indien raeumt man nicht nur dem Alkohl im Bier sondern auch den Hoehenangaben eine gewisse Toleranz ein. Nun ja wir merkten, dass wir ganz schön hoch oben pennen wuerden, denn wir bekamen wieder richtig Kopfschmerzen. Diese konnte man immer recht schnell durch Fluessigkeitsaufnahme reduzieren, doch wer bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sich einmal in den Schlafsack eingemummelt hat, möchte am Liebsten erst morgens wieder um halb sieben von der Crew mit einem Nescafé oder Chai (ind. Tee) geweckt werden und nicht zwischenzeitlich den Gang aufs Plumpsklo mitten in der Nacht antreten. So galt es auszutuefteln gerade so viel Wasser zu sich zu nehmen, um die Kopfschmerzen auszuhalten aber noch keinen Harndrang hervorzurufen. Eine Tueftelei, die mir gluecklicherweise immer gelang…

Lager nach Abschluss des zweiten Wandertags
Lager nach Abschluss des zweiten Wandertags

Am Morgen des dritten Tags machte dann der Himalaya seinem Namen alle Ehre, denn uebersetzt bedeutet dieser Gebirgsausdruck nichts anderes als „Heimat des Schnees“ und es fing an zu schneien. Wer Schnee im Juli haben möchte, fährt also einfach mal nach Nordindien – Incredible India! Nach drei Stunden Aufstieg hatten wir dann den Stok La, laut deutschem Reisefuehrer 4.875 m hoch, erreicht. Die Wanderung durch bizarre Felsformationen und verschiedenartig gefärbte Erden fand hier ihren Hoehepunkt mit einem direkten Blick auf die schneebedeckten Sechstausender in der naeheren Umgebung. Beim Abstieg trafen wir dann auf Steinböcke und viele verschiedene Vogelarten begleiteten uns ebenfalls durchweg auf diesem Trek – inklusive der Mainzer Stadttauben, die uns sogar bis auf ueber 4.000 Meter folgten und den ausgeschiedenen Hafer unserer Lasttiere erpickten.

Abstieg vom Stok La (4.875 m)
Abstieg vom Stok La (4.875 m)

Nach einer weiteren Nacht, in der man vom waagrechten Liegen nur träumen konnte, erreichten wir am Sonntag Nachmittag wieder die Zivilisation, d.h. zunächst die Strasse nach Leh. Wir waren natuerlich heilfroh, dass den Tieren nichts passiert ist. Diese boten jeden Abend uns ihre eigene Show, wenn es darum ging, als erstes Stroh, Gemuese oder Hafersaecke zu bekommen. Auch die Liebkosungen der Tiere untereinander waren recht amuesant und einer Daily Soap absolut wuerdig. Nach einem kurzen Jeep-Trip zurueck nach Leh, stellte sich das angenehme Gefuehl ein, gleich eine heisse Dusche und eine richtige Toillette aufsuchen zu koennen. Was sind wir doch fuer Weicheier und ein wenig abhaengig von solchen Errungenschaften unserer Zivilisation! Aber egal – die vier Tage ohne diese Produkte haben wir genossen und koennen Euch eine Trip durch Ladakh nur empfehlen – auch wenn ich dafuer die Einweihung des neuen Mainzer Stadions nur durch Photos mitbekommen habe…