Guten Tag aus Shimla,
nachdem ja schon einige von Euch beunruhigt waren, da sie keine Mails mehr von mir aus fremden Ländern bekommen, melde ich mich heute mal wieder aus dem sonnigen Shimla, im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh. Wie der Name Himachal vielleicht schon vermuten lässt, ist die Verbindung zum Wort Himalaja nicht allzu weit und exakt in diesem Gebirge halten wir, Valentina und ich, uns gerade auf. Eigentlich ist die Distanz Delhi – Shimla nicht gerade weit aber in den vergangenen Reisetagen schien auch die geringste Distanz eigentlich schon unüberwindbar. Doch dazu später mehr…
Angefangen hatte die Reise schon mit einem Schock: Dem exzellenten indischen Mobilfunknetz sei Dank, dass ich nach der Landung in Delhi bereits eine SMS von meiner Schwester erhielt, die mir mitteilte, dass sich ca. 4 Stunden vor unserer Ankunft fünf Bombenanschläge im Zentrum Delhis ereignet hatten. War bei meiner letzten Landung in Indien vor 5 Jahren der Kulturschock von Burma nach Indien gewaltig, war es nun natürlich der Schock, gerade einem Anschlag vielleicht entgangen zu sein – alles in allem ein etwas bedrückender Empfang in unserem Gastland. Gingen mir beim letzten Mal in Indien die Leute sofort auf den Keks, da sie für alles Bakshish wollten, so kann ich bis heute noch von den Indern schwärmen. So viel Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit uns gegenüber macht diese Reise wirklich zu einem Vergnügen und die Terroranschläge waren bereits am nächsten Tag von den positiven Eindrücken durch die Menschen hier in den Hintergrund gerückt. Aber natürlich verbrachten wir eine eher unruhige Nacht außerhalb der Innenstadt Delhis in einem Viertel von Exil-Tibetern. Dort kamen wir weit nach Mitternacht an, und es war eigentlich alles dunkel und geschlossen, so dass wir dem einzigen Lichtschein nachgingen, und in einem Wohnhaus landeten. Aber ein freundlicher Tibeter kam gerade die Treppe hinunter und fand für uns sofort ein Hotel in einem dunklen, ruhigen Gassengewirr.
Natürlich wollten wir am nächsten Tag so schnell wie möglich die Hauptstadt verlassen. Mit einer Auto-Rikscha, einem thailändischen Tuktuk ähnlich nur wesentlich kleiner, ging es mit zwei riesigen Rucksäcken voll gepackt dem Busbahnhof entgegen. Den Busbahnhof von Delhi stellte ich mir eigentlich chaotisch vor, doch alles hatte seine Ordnung. Getrennt nach Orten gab es Abfahrtpiers und da Valentina Hindi lesen kann, fanden wir bald den richtigen Bus und brausten sogleich aus der Stadt davon und bei uns stellte sich endgültig wieder ein gewisses Sicherheitsgefühl ein, da wir nicht damit rechneten, dass es in Kleinstädten oder im Himalaja solche Art von Anschlägen, von Moslemextremisten verübt, geben wird. Und dass der Bus nach einem Fahrplan abfuhr, nicht voll war, verwunderte mich ein weiteres Mal über das ‚Incredible India‘. Die kleine Pilgerstadt Kurukshetra war unser erstes Ziel und es stellte sich als ein sehr erholsamer Ort heraus. Wahrscheinlich verirren sich recht selten Touristen in diese Stadt, die grob gesagt zwischen Delhi und den Ausläufern des Himalajas liegt. Wir wurden von vielen Leuten neugierig angeguckt aber nicht angegafft, nicht angequatscht und das in Touristenzielen übliche „you need Hotel“ Angelaber blieb auch aus. Es gab ein relativ teures Hotel, das uns nicht so lag, und plötzlich stoppte die Polizei neben uns. Nach einem Hotel gefragt, schlugen sie nach diesem teuren Hotel ein Pilgerhotel neben einem Hindutempel vor, da wir nur eine Nacht bleiben wollten. Diese Hotels sind sehr preiswert und eigentlich für Pilger reserviert, aber die Polizei erteilte uns sozusagen ihren Segen, dieses zu nutzen. Aber Indien wäre ja nicht Indien, wenn jetzt alles klappen würde. Wir warteten im Innenhof etwa eine Stunde auf den Rezeptionist, der aber irgendwie abhanden gekommen war. Auch andere Pilger warteten vergeblich und so gingen wir wieder auf die Strasse um sogleich dann doch angesprochen zu werden. Normalerweise sind Hotelschlepper lästig, da sie vom Hoteleigentümer eine Kommission erhalten, doch hier war die Welt noch in Ordnung. Die beiden fuhren uns mit ihrer Auto-Rikscha zu einem anderen netten Pilgerhotel und wollten keine einzige Rupie für ihren Service! Incredible India!
Danach ging es zum Futtern in die Stadt. Inder sind Snack-Liebhaber und so nahmen wir zum Aperitif Panipuri ein. Das sind dünne frittierte hohle Bällchen, in die Kichererbsen und Chiliwasser reinkommen. Man erhält einen Teller und dann gibt es Panipuri um Panipuri bis man voll ist. Bei uns war nach einem Dutzend Schluss und hier wurden wir dann doch ein wenig abgezockt. Dies bekam ein Passant mit. Wir lachten eher über den Vorfall, dass wir um ca. 20 Euro-Cent „beschissen“ wurden, doch nun tuckerten wieder unsere Polizisten vorbei, die eigentlich fragen wollten, ob wir gut im Hotel angekommen sind. Der Passant petzte nun bei den Cops und diese nahmen sich den Panipuri-Verkäufer vor und wir erhielten sofort unser Geld zurück, das wir gar nicht wollten. Doch alles Beschwichtigen half nichts… wir bekamen die 20 Cent wieder, basta! Incredible India!
Es war herrlich in dieser Stadt an den künstlich angelegten Seen zu spazieren. Nur die Hitze machte uns ein wenig zu schaffen, zumal es in der Nacht gefühlte 100 Stromausfälle gab, in der der Ventilator natürlich seinen Geist aufgab und die Luft genauso zu stehen schien, wie die Blätter des Ventilators. Am nächsten Tag ging es dann in die Berge. Zunächst mussten wir die Busstation im Gassengewirr finden. Dazu eignet sich immer ein Rikscha- Fahrer der uns bereitwillig mit all unserem Gepäck zum gewünschten Ziel fuhr. Über Chandigarh ging es dann mit dem Bus von ca. 300 m auf 2.200 m nach Shimla. Dass Indien ein Verkehrs- und vor allem ein Abgasproblem hat, konnten wir am Beginn der Fahrt feststellen, da sich alles den Berg hinauf drängte. Hupende Busse, hupende Auto-Rikschas, hupende LKW, die mit ihrem Schneckentempo alles verstopften. Nach ca. 4 Stunden (!) hatten wir die ca. 100 km bergauf zurückgelegt und kamen in der wunderbaren Sommerfrische Shimla an. Die Stadt gewann durch die Engländer Bedeutung, die das unbedeutende Dorf im 19. Jhdt. zur Sommerhauptstadt von Indien machten, da es hier kühl und angenehm war, während die damalige Hauptstadt Calcutta in der Sommerschwüle, den Engländern naturgemäß überhaupt nicht behagte.
Nach einem Erholungstag in Shimla, das sogar eine Verkehrsberuhigte Innenstadt besitzt, in der es sich vom Chaos des Tieflands wunderbar erholen lässt, ging es am nächsten Tag wieder mit dem Bus weiter in Richtung Himalaja. Dementsprechend wurde die Busfahrt einerseits zu einer Panaromatour auf Serpentinenstrassen, andererseits zu einem Schneckenrennen mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von ca. 15 km/h. Nach einem anstrengenden Fahrtag hatten wir ca. 160 km zurückgelegt, aber auch ca. 1.400 Höhenmeter nach oben und 1.700 nach unten, um im Pilgerdorf Sarahan hoch über einem Flusstal anzukommen. Es war bereits dunkel und das einzige was wir erkennen konnten, waren zwei riesige Holztürme, innen beleuchtet, die zum Tempelkomplex des ansonsten unbeleuchteten Dorfes gehörten. In ohrenbetäubender Lautstärke wurde für ca. eine halbe Stunde das gesamte Tal mit Mantra-Musik beschallt. Ich fühlte mich wirklich in eine andere Welt versetzt und musste mal wieder feststellen: Incredible India!
Morgens sahen wir dann den Tempel im Tageslicht, das leider durch die Wolkenteppiche ein wenig diffus wirkte aber irgendwie den Tempel in einer mystischen Atmosphäre tauchte. Ganz profan ging es auf dem daneben liegenden Bolzplatz ab, da dort eine Art Bundesjugendspiele vom gesamten Distrikt stattfanden. Statt Fußball waren hier Mannschaftssportarten angesagt, die ich überhaupt nicht kannte. Die Kids hatten beim Spielen ihren Spaß genauso wie beim Photographieren mit meiner Digitalkamera. Nachmittags konnten wir dann natürlich die Tea Time wunderbar mit einer Aussicht auf die in den Wolken sich befindende Gebirgskette beschließen. Und es fang zu regnen an! Am nächsten Tag wollten wir eigentlich dem indisch-tibetanischen Grenzverlauf folgen. Die gesamte Reise faszinierten uns bereits die Menschen, die teilweise bereits dem tibetanischen Volk angehörten, was sich auch kulinarisch zeigte, da es bereits Momos (eine Art Maultaschen) und Tupka (deftige Suppe) gab. Und nun sollte es eigentlich in der Region Kinnaur und Spiti so richtig tibetanisch, buddhistisch werden.
Doch in Indien sollte man lieber keine Pläne machen. Dieses Mal war es allerdings Mutter Natur, die unsere Reise beeinflusste. Es regnete bereits fast 24 Stunden am Stück recht heftig, so dass wir uns entschlossen wieder in Richtung Shimla zurückzukehren. Schließlich war es einfach auch saukalt, feucht und die Klamotten bereits sehr klamm. Dass diese Entscheidung richtig war erfuhren wir erst heute in Shimla, da wir hier erst wieder in die Medien schauen konnten. Die anstrengende Rückfahrt im Dauerregen unterbrachen wir im 2.700 m hoch gelegenen Narkanda, wo man als indischer Jet-Setter im Winter sogar Ski fährt! So gab es hier leckeres Essen, ein snobbiges Hotel, das auch billige Fensterlose Zimmer für klamme Backpacker aus Deutschland hat und eine unfreiwillige verlängerte Pause…denn es regnete einfach die ganze Nacht weiter! Morgens wollten wir eigentlich weiter nach Shimla, doch es hieß nur noch Road Closed. In der Nacht entwurzelte der Regen viele Bäume, Felsbrocken blockierten die Strasse und Erdrutsche taten ihr übriges, dass wir zwischenzeitlich h von der Außenwelt abgeschnitten waren. Also blieb uns nix anderes übrig als das leckere Essen zu genießen und zu warten. Einen Tee, einen Kaffee, ein Frühstück und ein ausgiebiges Mittagessen weiter, hatten wir mal wieder Glück. Ein Jeep hielt an und fragte, wohin wir wollten, da wir zwischen dem Essen immer die autofreie Strasse im Regen entlang spazierten. Für viele Rupien schlug sich dieser Jeep nach rund 8 Stunden Warten nun seinen Weg über die 2 Tage zuvor noch einigermaßen gute Strasse nach Shimla durch. Mit Handsägen räumten die Inder die Bäume aus dem Weg, Felsbrocken waren zum Glück auch schon weg, so dass wir nun wieder in Shimla hocken und den blauen Himmel und den Sonntagnachmittag in dieser Sommerfrische genießen.