Spätlese Düsseldorf 2019/2020

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Die treuen Leser*innen der „Spätlese“ werden es schon erahnen. Natürlich ging es mit der Deutschen Bahn nach Düsseldorf. Die Strecke durch das Rheintal nach Koblenz gehört meiner Meinung nach zu den schönsten Bahnfahrten weltweit. Das tief eingeschnittene Tal sorgt allerdings dafür, dass es in einem Technik-Entwicklungsland wie Deutschland nicht möglich ist, mobiles Internet zu ermöglichen. Da in den Faninfos für Auswärtsfahrer*innen von Mainz 05 auch nichts über eine Aufbewahrungsmöglichkeit für Taschen (mit Laptop) geschrieben stand, entschloss ich mich, mit sehr leichtem Gepäck rheinabwärts zu düsen. Smartphone, Geldbeutel, kleine Kamera, Haustürschlüssel und die Fanhaustasche gefüllt mit Zeitungen, für die ich in der Woche einfach keine Zeit finde, um sie zu lesen und fertig war das Packen.

Vor dem Verlassen der Wohnung hatte ich mir die „Wahltober“ Podcastfolgen von Mainz Gehört mit den Kandidat*innen zur OB-Wahl heruntergeladen. Was Julia und Nadine Tabea Rößner, Martin Ehrhardt (bereits vorab gehört), Michael Ebling und Nino Haase entlockt haben, war tatsächlich sehr interessant. Am Sonntag Morgen wurde schließlich die fünfte und letzte Folge mit Martin Malcharek veröffentlicht. Mit etwas Abstand betrachtet sind mir alternative Wohnformen, die Spieltheorie, der wirtschaftliche Aspekt, warum sich Mainz um eine Eingemeindung von AKK kümmern sollte, eine Fahrradstraße durch die Hintere Bleiche und eine ehrliche Aussage zur Fluglärmproblematik in Erinnerung geblieben. Übrigens wurden die fünf genannten Themen nicht unbedingt durch die/den zu erwartende(n) Kandidatin/Kandidaten angesprochen. In der Samstag-Ausgabe der AZ stritten die Lokalredakteure darüber, ob der Wahlkampf bisher spannend oder langweilig gewesen sei. Es spricht für alle fünf Kandidat*innen, dass es keine Schlammschlachten gab. Mehr oder weniger „gute“ Gelegenheiten gab es dafür einige. Ja, Demokratie lebt von der Streitkultur. Aber vielleicht tut es in Zeiten einer gespaltenen Gesellschaft auch einfach mal gut, dass da fünf Menschen antreten, die die Grundwerte der Demokratie nicht mit Füßen treten und die alle für ein weltoffenes Mainz eintreten. In den sozialen Netzwerken gibt es auch bei diesem Wahlkampf ja genug Lokal-Trolle, die die Meinung der anderen nicht akzeptieren und Andersdenkende beleidigen. Dass zu manchen Veranstaltungen nur drei von fünf Kandidat*innen eingeladen wurden, geht meiner Meinung allerdings gar nicht. Das wäre etwa genauso, wenn Spiele von Mainz gegen Bayern nicht mehr stattfinden, da eh die Bayern (mittlerweile) uns jedes Mal mit einer Klatsche nach Hause schicken, sprich vorher klar ist, wer gewinnt. Daher an dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an die Podcastmacherinnen, die ihren „Wahltober“ in ihrer Freizeit gewupt haben.

Mainz Gehört Podcast
Im Funkloch Rheintal lässt sich der Podcast „Mainz gehört“ auf dem Weg nach Düsseldorf hören.

Wo wir zum Glück keine Wahl haben, ist die, bei der Besetzung des Trainerpostens von Mainz 05 – auch wenn sich das wohl einige eher wünschen würden, darüber und nicht über das Stadtoberhaupt am nächsten Sonntag entscheiden zu dürfen. Gut, dass in einer Demokratie nicht immer alles zur Wahl steht, und manche Entscheidungen von denen gefällt werden, die dafür entsprechend qualifiziert sind. Denn im Internet haben viele eine Meinung (mich eingeschlossen) und die lässt sich wunderbar, ohne Konsequenzen in die Welt posaunen.

Das Thema Nachhaltigkeit ist ja mittlerweile in aller Munde. Neben ökologischen und ökonomischen Aspekten schließt dieses die soziale Nachhaltigkeit ein. Nachhaltigkeit wird häufig als solche definiert, dass wir nicht auf Kosten anderer leben sollten. Meist sind dabei nachfolgende Generationen gemeint. Vielleicht sollten wir uns alle mal in den sozialen Netzwerken an die eigene Nase fassen und überlegen, ob das, was wir da aktuell absondern, andere schädigt, verletzt und negativ beeinflusst. Klar ist Fußball die schönste Nebensache der Welt und für manche das ein und alles. Aber muss man sein Ego oder seinen Frust damit befriedigen, andere kaputt zu kommentieren? Außerdem gilt für die Pöblel-Crew: die Mehrheit der Menschen in den sozialen Netzwerken teilt nicht unbedingt die Meinung der vermeintlichen lautesten Krawall-Fraktion. Von daher noch einmal: gut so, dass sich die OB-Kandidat*innen diesem Trend allesamt verschließen. Und dann ist es halt ein langweiliger Wahlkampf, weil man sich nicht in aller Öffentlichkeit zerfleischt – was übrigens nicht heißen soll, dass es einfach so weitergehen soll – diese Entscheidung soll dann jede(r) für sich treffen.

02 (N)immer nuff:

Was haben die drei Fastnachtsstädte Mainz, Köln und Düsseldorf gemeinsam? Richtig, ihr Stadion liegt relativ weit vom Hauptbahnhof entfernt. Allerdings klappt das in Mainz mit den Shuttle-Bussen vom Hauptbahnhof richtig gut, während in Köln und Düsseldorf die Fahrt mit der Straßenbahn doch recht nervig ist. Daher wurde Auswärtsfans geraten, bis zum Düsseldorfer Flughafen mit der Bahn zu reisen und von dort in die Shuttle-Busse zu steigen, die direkt zum Gästeblock fahren würden. Das ist aber von Düsseldorf Hbf. aus ein ziemlicher Umweg. Daher habe ich mich auf dem Hinweg lieber in die Straßenbahn gequetscht, die dann im Stop & Go Richtung Stadion zuckelte und mit 30 Minuten etwa die doppelte Zeit brauchte, als im Fahrplan veranschlagt war. Dafür konnte ich direkt an der Stadionhaltestelle Richtung Gästeblock abdrehen.

Rheinbahn Rheinstadion
Schön gequetscht in der Rheinbahn zum Rheinstadion unterwegs

03 Kon-Trolle

Nachkicks war dieser Durchgang versperrt. Warum einem Menschen ohne jegliche Fanmontur der Durchgang untersagt wird, bleibt Geheimnis der Sicherheitskräfte. Gut, dann probiere ich halt den Shuttlebus zum Flughafen aus, dachte ich mir. Dieser war recht schnell gefüllt, die Türen wurden verschlossen und nichts passierte. Da sah ich dann die Polizeistaffel und ahnte schon, dass der Bus wohl im Konvoi mit den anderen Bussen der Gästefans zum Flughafen gebracht werden sollte. Als nach zehn Minuten immer noch nichts passierte, wurde die Ansage gemacht, dass man nicht losfahren könne, da sich irgendwelche Leute mit irgendwelchen anderen Leuten am Flughafenbahnhof eine Auseinandersetzung liefern würden. Glücklicherweise wurden die Türen geöffnet und ich machte mich per Pedes auf den Weg in Richtung Düsseldorf Hbf. – denn zurück in Richtung Stadion war ja alles abgesperrt, um Fantrennung durchzusetzen. Dank Google Maps gelang es mir, über kleine Fußgängerwege zur nächsten Straßenbahnhaltestelle einer Linie zu gelangen, die nicht vom Stadion hierher führte, so dass mich eine relative leere Bahn ruckzuck zum Hauptbahnhof brachte…

Mist-Situation am Gästeblock

Die Kontrolle vor dem Betreten des Stadions selbst durch die Ordner verlief komplett stressfrei und war nicht der Rede wert.

04 Kampf um den Mampf

Das Futterangebot war einfach nur durchschnittlich. Wurst, Brezeln, feddisch. Beim Bier gab es mit Schumacher Altbier etwas Regionales und das aus der ältesten Altbierbrauerei der Stadt – lecker. Dieses Angebot stand im krassen Gegensatz zu dem globalen dänischen Bieranbieter, dessen Gerstensaft ebenfalls ausgeschenkt wurde. Dazu gab es noch Holsten alkoholfrei. Die Preise, die für den ganzen Kram abgerufen wurden, waren leider extrem grenzwertig. Wenigstens wurden Mehrwegbecher genutzt, die es, wie beim Auswärtsspiel in München, ermöglichten, den Q-Block mit einer Choreo-Spende zu unterstützen.

8,50 € für ein 0,5 Liter Schumacher-Altbier und eine recht große Käsebrezel…

05 Käfighaltung

Der Gästeblock bietet eine gute Sicht aufs Spielfeld. Währen der 90 Minuten hielt die Düsseldorfer Fanszene fast dauerhaft Spruchbänder zu den Ereignissen in Halle und in Nord-Syrien hoch. Politik und Sport ließen sich noch nie trennen – dafür wird dem Fußball in unserer Gesellschaft viel und vielleicht auch zu viel Aufmerksamkeit eingeräumt. Wenigstens kann man diese Aufmerksamkeit auch für Themen nutzen, die eher unpolitisch sind – weil es um Lebewesen geht, die gar keine oder eine geringe Lobby haben: Tauben zum Beispiel.

Mehrwegbecher in Düsseldorf ermöglichen Choreo-Spenden für den Q-Block

Denn da geht ein ganz fettes Lob an Danny Latza raus. Ja, wir wissen um seine Vorliebe für Katzen und Hunde. Aber er setzt sich auch für andere Tiere ein. Zusammen mit Mainz 05 und vielen Spielern des Profi-Kaders hat der Tierschutzverein Mainz und Umgebung e.V. wieder einen Kalender für das nächste Jahr aufgelegt, in dem Nullfünfer*innen mit Tieren gemodelt haben und abgelichtet wurden. Die Kalender gibt es u.a. in den Fanshops von Mainz 05 zu kaufen. Der Erlös geht komplett an den Tierschutzverein. Auf einem Kalenderblatt hält Danny Latza eine verletzte Taube in den Händen. An seinem Arm hängt das Armband „Taubenfreund“. Dies ist eine Initiative des Tierschutzbunds, der mit der Aktion #RespektTaube für mehr Verständnis für diese Tiere ohne Lobby bei uns wecken möchte. Und nein, Tauben verbreiten keine für uns gefährlichen Krankheiten!

RespektTaube, Tierschutzbund
#RespektTaube – eine prima Aktion vom Tierschutzbund. Sie wird u.a. von Danny Latza unterstützt.

Fazit: Der Jahrgang 2019/2020 besticht durch die Erkenntnis, dass mehr Respekt anderen Lebewesen gegenüber ein gutes Fazit dieser Auswärtsfahrt ist!

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Paderborn 2019/2020

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Der dritte weltweite Streik fürs Klima ist zwei Wochen rum, aber ich versuche immer noch mit der Bahn zum Auswärtsspiel zu gelangen. Das hat allen Unkenrufen zum Trotz in den letzten 15 Jahren auswärts fahren auch immer funktioniert. Basis dafür ist erstens einen Puffer von ein bis zwei Stunden vorkicks einzuplanen und zweitens seine Rechte als Bahnfahrer*in zu kennen. Beides war am Samstag mal notwendig: Am Fernbahnhof in Frankfurt sollte mein ICE Richtung Köln zunächst fünf Minuten Verspätung haben. Diese vervierfachten sich plötzlich auf 20 Minuten. Zur gleichen Zeit traf am Nachbargleis ein weiterer ICE pünktlich ein, der ebenfalls nach NRW fuhr. Um mit der Bahn möglichst günstig durchs Land zu düsen gibt’s zum Glück den Sparpreis, der allerdings eine Zugbindung einschließt. Diese wird erst aufgehoben, wenn der Zug mehr als 20 Minuten Verspätung hat. Da ich in Köln allerdings nur elf Minuten Zeit zum Umsteigen in Richtung Hamm hatte, wäre mein Anschluss ohnehin weg gewesen. Daher rannte ich zum anderen ICE rüber und fragte, ob ich einsteigen dürfe.

Noch nie über einen "Refresh" der Bahn App so gefreut wie am Samstag.
Noch nie über einen „Refresh“ der Bahn App so gefreut wie am Samstag.

„Nein“ war die barsche Antwort des Schaffners. „Erst ab 25 Minuten Verspätung!“. Auf meinen Einwand hin, dass ich in Köln aber meinen Anschluss verpassen würde, zuckte er nur genervt mit den Schultern. Zum Glück lohnt es sich, bei der Bahn App auf „Refresh“ zu klicken. Einige Augenblicke bevor die Türen des ICEs geschlossen werden sollten, stand plötzlich in der App „Fahrt fällt aus!“. Über einen gestrichenen Zug habe ich mich wohl noch nie so gefreut, wie an diesem Samstag Morgen. Rein in den anderen ICE, der Schaffner war nun plötzlich handzahm und es ging problemlos direkt nach Dortmund Hbf. – auch wenn die Beschilderung im ICE kurz vor Dortmund zweisprachig wirr wurde…

Deutsch-Französisches Infowirrwarr der Bahn

Von dort im schnellen Schritt zur Regionalbahn weiter nach Soest (sprich „Sooooost“). Der große Vorteil am auswärts fahren mit der Bahn liegt ja darin, dass man viele Ecken unseres Landes früher oder später kennenlernt. Die Strecke Dortmund – Soest war für mich tatsächlich Neuland, obwohl ich bereits zum dritten Mal nach 2007 und 2014 nach Paderborn fuhr. Und das Schöne bei der Anfahrt nach Paderborn: ein fast leerer Zug in Richtung Bundesliga-Spiel! Kein Vergleich zu überfüllten Zügen rund um Gelsenkirchen, Gladbach oder Dortmund. Der letzte Zug von Soest nach Paderborn füllte sich tatsächlich erst um Salzkotten rum. Je mehr Leute mit blau-schwarzen Schals zustiegen, desto mehr Funklöcher gab es. Trotz Zugausfall war ich dann knapp zwei Stunden vor Anpfiff in Paderborn Hbf. angekommen.

02 (N)immer nuff:

Die nächste Frage, wenn man wie ich, mit Laptop anreist, ist die des Verstauens des Gerümpels vor dem Betreten des Gästeblocks. Den Angaben für Auswärtsfahrer zufolge sollte es möglich sein, seine Taschen gratis vor den Kontrollen abzugeben. Das klappt bei vielen Vereinen mittlerweile ganz gut. Allerdings hatte ich vor Jahren mal eine Tortur und musste ums halbe Stadion rumlaufen, ehe ich meine Tasche vor dem Müngersdorfer Stadion abgeben konnte. Deshalb finde ich das gute alte Schließfach immer ein prima Option, wenn es nicht, wie im Februar geschehen, in Wolfsburg das Schließfach plötzlich noch ein paar Euro möchte, obwohl ich meines Wissens für 24 Stunden vorab gezahlt hatte und ich es in Wolfsburg auch nicht wirklich länger als die 90 plus X Minuten ausgehalten hatte. In manchen Bahnhöfen mit einem hohen Anteil an Heimfans aus der ganzen Republik, wie bspw. in Gladbach, grenzt ein leeres Schließfach schon fast an einen 6er im Lotto – denn die Dinger sind meist Stunden vorher bereits komplett voll. Anders in Paderborn, wo es noch reichlich Auswahl gab. Den Kram rein ins Schließlich und rein in die Stadt. Durch die Verspätung konnte ich mir die angeblich hübsche Altstadt leider nicht mehr wirklich anschauen bzw. setzte dann doch lieber mit „Gustav Grün“ andere Prioritäten kulinarischer Art.

An Brot hat's kei' Not bei Gustav Grün - Theke zur Selbstbedienung im Imbiss
An Brot hat’s kei‘ Not bei Gustav Grün – Theke zur Selbstbedienung im Imbiss

Schließlich war ich seit 8.30 Uhr unterwegs und mittlerweile war es beinahe 14 Uhr. An unseren letzten Auftritt in Paderborn habe ich keine kulinarischen Erinnerungen mehr. Einzig und alleine die Gewissheit, dass es die Fischbrötchen, die 2007 das kulinarische Highlight der Kloppo-Abschiedssaison waren, nicht hinüber ins neue Stadion geschafft hatten – blieb kulinarisch gesehen vom ersten Bundesliga-Spiel in der Geschichte des SC Paderborn von damals hängen.

Leckeres veganes Essen in Paderborn bei "Gustav Grün"
Leckeres veganes Essen in Paderborn bei „Gustav Grün“

Daher „Gustav Grün“ – ein ziemlich leckererer vegetarischer und fast komplett veganer Imbiss. Entweder in der Box oder als Rolle gab es drei Salatsorten, dazu insgesamt fünf Toppings, die man sich individuell zusammenstellen konnte. Empfehlenswert waren zwei Humus-Arten aus sechs Varianten und drei Toppings wie bspw. Rote Beete-Bulgur, Mango-Linsen-Curry und eingelegter Blumenkohl, angemacht mit einem Dressing nach Wahl, wie bspw. Joghurt-Minze. Dazu noch ein paar Wedges oben drauf und Brotvariationen zur freien Auswahl. Langweiliges Essen in Ost-Westfalen geht anders! Danach schnell die Straße überquert und rein in den Shuttle-Bus, der auf der anderen Straßenseite startete. Zehn Minuten später war ich auch schon am Stadion angelangt.

03 Kon-Trolle

Da es bei „Gustav Grün“ kein Bier gab, laut Auswärtsinfo von Nullfünf im Gästeblock nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt werden würde und ich kein Bock auf Paderborner Tankstellenbier hatte, machte ich mich auf die Suche nach etwas Trinkbarem auf der Heimseite. Gesucht gefunden: Pilger Landbier vom Fass!

Es gibt nicht nur Tankstellen-Bier in Paderborn!

Richtig süffig, richtig lecker. Mit dem Pfandbecher ging es dann zur Kontrolle vor dem Gästeblock. Dort ließ man mich mit dem Bier nicht rein – aber auch mit dem leeren Pfandbecher nicht.

Pfandbons für Pfandbecher am Gästeblock in Paderborn - eine Spachtel schaffte es auch auf's Auswärtsspiel!
Pfandbons für Pfandbecher am Gästeblock in Paderborn – eine Spachtel schaffte es auch auf’s Auswärtsspiel!

Daher ging es dann für mich zurück zur angepriesenen kostenlosen Gepäckaufbewahrung. Diese bestand aus einem abgesperrten Bereich unter freiem Himmel. Ob mein Laptop in seiner Tasche Asteras-Tripolis-Platzregenstärke überstanden hätte, wage ich zu Bezweifeln. Daher war ich froh, dass nur mein Plastik-Pfandbecher dort auf Abholung warten musste. Mit dem Pfandbon in der Hand ging es dann in den Block hinein.

04 Kampf um den Mampf

Statt Fischbrötchen gab es „Manta-Platte“, andere Fleischgerichte, Pommes und Brezeln. Würde es das in jedem Stadion der Republik geben, müsste man sich wohl nie wieder vorkicks irgendwo den Ranzen vollhauen. Und das Bier? Das ost-westfälische Understatement kalkuliert wohl lieber erstmal alkoholfrei.

Manta-Platte…

Schließlich erinnerte  man sich wohl auf der Heimseite daran, dass Mainzer und Paderborner spätestens seit 2008, als Klaus Hafner in einer englischen Woche einen Paderborner Fan auf den Rasen des Bruchwegs beordert hatte, um die Aufstellung vor seinen 10 mitgereisten Fans vorzulesen, nie Probleme miteinander hatten.

…oder Manta-Betankung direkt am Stadion! Während dem Fußballspiel mal seine Kiste aufladen…geht hier in Paderborn!

Und so gab es dann doch Warsteiner vom Fass mit und ohne Alkohol. Und wer mit dem E-Auto gekommen ist, kann die Kiste während dem Spiel auch noch auftanken lassen…läuft!

05 Käfighaltung

Die Benteler-Arena fasst nur 15.000 Zuschauer, ist erst elf Jahre alt und hinter einer riesigen Baustelle entstanden. Alles nicht gerade gute Voraussetzungen, so eine Schüssel wirklich klasse zu finden. Aber ich finde den Paderborner Stil einfach grundsympathisch: nichts Protziges pompös aufbauen, sondern mit ost-westfälischem Understatement etwas Unscheinbares auf die Wiese stellen. Und wer glaubt, dass Mainz 05 gerade eine Zerreißprobe erlebt, dem sei ein Plausch mit Paderbornern empfohlen: Von der ersten Liga ging es 2015 in die zweite, dann 2016 in die dritte, wo sie gegen unsere U23 gespielt haben und fast reif für die Vierte waren und dann wieder in die Zweite und jetzt in die erste Liga. Das ist Berg-und-Tal-Horror für jede Fanseele!

Blick auf die Fanszene, die keinen Bock auf Dosenkooperation hat.

Und dass die Fanszene sich gegen eine Dosen-Kooperation erfolgreich im Sommer gewehrt hat, macht den Aufenthalt in Paderborn noch ein wenig attraktiver.

Fazit: Der Jahrgang 2019/2020 besticht durch gefälliges Understatement und macht die Fahrt nach Ost-Westfalen ergebnisunabhängig zu einem Saisonhighlight.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Schalke 2019/20

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Dass die DFL die Partie zwischen dem FC Schalke 04 und Mainz 05 auf den dritten globalen Klimastreik-Tag gelegt hat, war sicherlich Zufall – trotzdem ist es natürlich ein Funfact, dass der erste klimaneutrale Verein der Bundesliga an diesem Freitag auf den Revierclub traf, der, wie das gesamte Ruhrgebiet, auf seine Historie, die direkt mit dem Abbau der Steinkohle zusammenhängt, so stolz ist. Schließlich ist das Verbrennen von Stein- und Braunkohle die Klimasünde Nummer 1 bei uns in Deutschland. Doch in unserer heutigen Welt gibt es keine einfachen Antworten mehr, sprich die Guten (die Klimaverteidiger) und die Bösen (die  Kohlekumpels). Schließlich machte 2018 bereits die letzte Steinkohle-Zeche im Ruhrgebiet dicht. Dass die Klimaverteidiger von Mainz 05 einen Klima-Sonderzug einsetzten, war dennoch eine gute Aktion, um auf den Klimawandel hinzuweisen. Mit der Schnittmenge von Mainz 05 und der Nachhaltigkeit habe ich mich ja bereits beschäftigt.

Klares Statement seitens des FC Schalke 04
Klares Statement von Seiten des FC Schalke 04

Auch Schalke-Boss Tönnies hat den menschengemachten CO2-Ausstoß thematisiert; genauer gesagt im Sommer, in Paderborn beim Handwerkstag. Dass der Bogen, den er von der CO2-Problematik bis zur Geburtenrate einer Weltregion zog, von oben herab betrachtet und unpassend war, bestreitet wohl tatsächlich niemand. Dass der Aufschrei in der Debatte um seine Äußerungen so groß war, lag aber wohl daran, dass der Teil, um den es so vielen Kritiker*innen geht, ohne Manuskript und vielleicht auch deshalb in der Folge falsch, vielleicht sogar unwissentlich, wiedergegeben wurde: Aus „Afrika“ wurden „Afrikaner“ gemacht. Und dass wir eigentlich alle Afrikaner sind, weil wir alle aus Afrika abstammen, wurde die Tage auch gerade mal wieder erklärt: Genetisch gesehen sind wir Menschen praktisch identisch – es gibt vor allem keine regionalen Unterschiede in der DNA und folglich auch keine Rassen. Sprich wir werden erst zum Rassisten, wenn wir unterstellen, dass eine Menschen-Gruppe andere vorgegebene Merkmale hat als eine andere. Wer mehr dazu erfahren möchte, kann sich ja mal die unten angegeben Quellen anschauen.

Willkommen in Gelsenkirchen
Willkommen in Gelsenkirchen

Statt mit dem Klimasonderzug zu fahren, der relativ kurzfristig angesetzt wurde, ging es für mich mit der S-Bahn zum Frankfurter Flughafen und von dort mit dem ICE weiter in den Ruhrpott. Sprich auch das Betreten eines Flughafens muss nicht immer darin enden, ein Flugzeug zu nehmen, um ans Ziel zu gelangen. Auch so eine Schwarz-Weiß-Manier, die es bei einem vernetzten Verkehrskonzept in Zukunft zu bedenken gilt. Las ich auf der letzten Auswärtsfahrt die erste Ausgabe der „Golden Times“, zog ich mir diesmal die #5 des Mate Mannes rein. Wer auf ausgewogene Groundhopping-Berichte steht, wird in der #5 sicherlich fündig. Aber auch für Leser*innen, die mehr einen generellen Einblick in das Denken eines passionierten Fußballfans in unserer Fanszene erhalten möchten, sei das jüngste Werk von Nils empfohlen. Alleine die Rubrik „Und sonst so?“ macht das Fanzine schon kaufenswert, deckt es die Ereignisse in der Szene von Januar bis Juni 2019 ab – mein Highlight hier der Rückblick auf die Woche der Fantastic Females Ausstellung und die Podiumsdiskussion in unserem Fanhaus. Auch sehr lesenswert ist der Hintergrundbericht zur mittlerweile zerbrochenen Fanfreundschaft zu den Mädels und Jungs an der Bremer Brücke. Alles in allem macht die #5 schon Lust auf die nächste Ausgabe. Schön, dass es bei uns mittlerweile wieder einige Fanzine-Schreiberlinge gibt.  

02 (N)immer nuff:

Der Vorteil der individuellen Anreise nach Gelsenkirchen liegt auch daran, dass man nicht vom Sonderzug in die bereitstehenden Busse südlich des Hauptbahnhofs getrieben wird. Damit die Fantrennung möglichst konfliktfrei abläuft wird seit Neuestem der komplette Hauptbahnhof mit Sichtgittern geteilt. Das ist natürlich deutlich kostengünstiger als eine Hundertschaft der Polizei dort hinzustellen. Die Deeskalationsstrategie „was ich nicht seh‘ provoziert mich auch nicht“ – ging dementsprechend auch voll auf – denn herumgepöbelt wurde praktisch gar nicht – nur ein paar Gaffer konnten ihre Neugierde nicht unterbinden und mussten natürlich dann doch emol gucken.

Sichtschutz  in Gelsenkirchen Hbf.
Sichtschutz in Gelsenkirchen Hbf.

Da ich ja eh inkognito angereist bin und am Nachbargleis ankam, konnte ich mich vorkicks frei in der Stadt bewegen. Das hat in Gelsenkirchen den großen Vorteil, einen historischen Spaziergang unternehmen zu können. Zunächst ging es mit der Straßenbahn zum Ernst-Kuzorra-Platz und die Glückauf-Kampfbahn besuchen. Diese war von 1927 bis 1973 die Spielstätte des FC Schalke 04. Die Haupttribüne mit ihren Sitzplätzen steht heute unter Denkmalschutz. Dabei wurde das Stadion Mitte der 1920er Jahre als reines Stehplatzstadion geplant. Sitzplätze galten damals für einen Arbeiterverein wie die Knappen als nicht zeitgemäß, doch kurz vor der Einweihung entschied man sich dann doch, 1200 Sitzplätze einzurichten. 

Glückauf-Kampfbahn in Gelsenkirchen-Schalke
Glückauf-Kampfbahn in Gelsenkirchen-Schalke

Ein paar Straßenbahnstopps weiter war die Arena auf Schalke erreicht. Da immer noch genug Zeit blieb, ging es noch ein paar Schritte raus aus der Stadt nach Norden zu einer weiteren ehemaligen Spielstätte der Schalker. Vom Parkstadion, das zwischen 1973 und 2001 die Spielstätte von S04 war, ist kaum noch etwas übrig. Ein Flutlichtmast steht noch und auf der ehemaligen Gegengeraden ist wieder eine Tribüne eingelassen worden, um einen Blick auf die neu errichteten Trainingsplätze zu erhalten.

Der Rest des ehemaligen Parkstadions Gelsenkirchen
Der Rest des ehemaligen Parkstadions Gelsenkirchen

Von dieser riesigen ins Erdreich eingelassenen Schüssel ist ansonsten leider nichts mehr übrig.  Von dort ging es dann die wenigen Meter rüber zur aktuellen Spielstätte von Königsblau.

03 Kon-Trolle

Musste ich letztes Jahr noch mein iPad Mini an der Sicherheitskontrolle abgeben – es galt damals als potentielles Wurfmaterial – zeigte ich mich dieses Jahr lernfähig und brachte das Ding erst gar nicht mit. Dadurch verlief die Kontrolle relativ unstressig und unkompliziert.

04 Kampf um den Mampf

Jedes Jahr kürt die Tierschutzorganisation PETA die vegetarierfreundlichsten Stadien der Republik. Das Reich von Fleischkönig Tönnies liegt in dieser Rangliste immer ganz vorne. Im Gästebereich bekommt man davon wenig mit, denn Brezeln, Käsestangen und XXL-Tüten an Popcorn sind nicht gerade innovative fleischlose Produkte und der restliche Süßkram auch nicht.

Pommes-Spezial vor dem Heimbereich
Pommes-Spezial vor dem Heimbereich

Also muss es im Heimbereich ein entsprechend kreatives Angebot geben. Ich bin zwar ein großer Fan von vegetarischer Kost, aber meine Liebe geht dann doch nicht soweit, den Platz im Gästeblock gegen einen im Heimbereich, des Caterings wegen, zu tauschen. Aber vielleicht gibt es ja auch gute fleischlose Kost vor dem Heimbereich? Also begab ich mich dorthin, aber das Ergebnis war ernüchternd: Es gab Pommes Spezial mit frischen Zwiebeln – ob man das als tolle vegetarische Variante bezeichnen kann, sei dahingestellt.  

05 Käfighaltung

Flutlichtspiele übten zumindest in der Vergangenheit immer eine große Faszination auf die Stadiongänger*innen aus. Diese Begeisterung ebbte zumindest bei mir nach der Einführung der vielen kleinen Leuchten unter dem Dach der zahlreichen neuen Stadien in Deutschland rapide ab. Auf Schalke machen sie in ihrer Arena aber kurz vor dem Anpfiff das Licht mal komplett aus, um sich auf das Spiel einzustimmen. Das hat dann schon was, wenn man mal die rot-weiße Brille abnimmt.

Kollektives Schweigen um die 30. Minute herum
Kollektives Schweigen um die 30. Minute herum

Die Schweigeminute für den Rheinland-Pfälzer Rudi „Rastlos“ Gutendorf, der für das Image des deutschen Fußballs durch seine Engagements sicherlich mehr geleistet hat als mancher Sommermärchen-Macher, war wirklich ein ergreifender Moment. Dass es während des Spiels nochmals zu einem Schweigen der Kurven kam, lag an der Bitte der Einsatzkräfte, die einen Zuschauer reanimieren mussten. An dieser Stelle gute Besserung an den Fußballfan! Dass dieses Schweigen in beiden Fanlagern funktionierte, zeigt mal wieder, dass aktive Fans in ihrer Masse empathisch sind – und das ist ein gutes Gefühl, mit dem sich die Heimreise antreten ließ.

Fazit: Der Jahrgang 2019/2020 besticht durch eine Zeitreise durch die Fußballgeschichte und das Gefühl, dass für Mitgefühl immer noch Platz ist.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Quellen:

Deutschlandfunk, 21. März 2019 Menschheitsgeschichte – Es gibt keine Rassen

SPIEGEL ONLINE, 15. August 2019 Rassismusvorwürfe: Tönnies, Wurst und Wahn