Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!
01 Hin und weg:
Gedrucktes und Mainz – das ist ja seit 1450 herum eine ganz besondere Liaison. Vielleicht deshalb haben Fans des FSV, quasi als Erb*innen Gutenbergs, immer wieder Lust, von ihren Erlebnissen rund um den Fußball zu berichten: nicht im Internet in Form von Blogs, sondern ganz traditionell mittels gedruckten Werken. Als Fanboy von Fanzines habe ich mich sehr gefreut, vor dem Gladbach-Spiel das neueste Ergebnis in den Händen zu halten: „Golden Times“ – Erstausgabe August 2019. Während Mainzer Fanzines in früheren Zeiten sich auch manchmal mit den Geschehnissen rund um den Fußballsportverein beschäftigten, geht es in „Golden Times“ ausschließlich um Hopping-Fahrten durch Europa und den Indischen Ozean bis hinüber in die VR China. Vielleicht ist das die große Änderung zu den vergangenen goldenen Tagen der Fanzine-Szene in Mainz. Geschehnisse rund um Mainz 05 werden aktuell in Form der Blockbildung (aber dennoch in gedruckter Form) vor den Spielen, Kolumnen wie der Wortpiratin, Foren wie dem Kigges, Blogs und Facebookgruppen abgehandelt.
Aus eigener Erfahrung weiß ich wie prägend Fußballreisen, gerade auch ins Ausland, sein können. Ich denke beispielsweise immer noch gerne an Erevan 2005 oder an Baku 2016 zurück. Erinnerungen an die Medias-Fahrt, von der ich als Gastautor in der TORToUR 2011 berichten durfte, kamen beim Lesen des Rumänien-Kapitels der „Golden Times“ auf. Das Fanzine von André, Lucas und Mehlisch liest sich sehr angenehm. Die Autoren nehmen uns Leser*innen u.a. mit ins Vereinigte Königreich und auf den Balkan. Was mir besonders gefallen hat, ist die reflektierte Art und Weise, wie über die Länder berichtet wird. So lernen wir nebenbei auch noch ein wenig über die Geschichte der bereisten Regionen etwa in Nordirland oder in Bosnien. Letzteres habe ich als Kind mit meinen Eltern bereist, als es noch Jugoslawien hieß. Die Veränderungen nach dem Krieg (es gab plötzlich Grenzen, unterschiedliche Währungen, EU- und Nicht-EU-Länder sowie eine Autobahn!) waren für mich besonders interessant zu lesen. Eines der Highlights des Magazins: Die Begegnung der Gruppe mit einem ehemaligen 05-Spieler im Trainingslager seines neuen Vereins und sein bodenständiger Plausch mit der Abordnung aus der goldenen Stadt.
Im Seychellen-Kapitel lernte ich viel über Mietwagen-Optionen und als Gastautor berichtete Sebastian von seinen fast 100 Tagen in der VR China. War ich vor dem Lesen des Kapitel der Auffassung, dass ich bereits während seines tollen Vortrags im Fanhaus bereits alles erfahren haben sollte, gab es in der „Golden Times“ tatsächlich nochmals neue Anekdoten, von denen er uns erzählte.
All‘ diese Kapitel sorgten dafür, dass die Fahrt mit dem Zug nach München zu einer kurzweiligen Reise wurde. Dadurch dass wir in der bayerischen Landeshauptstadt etwas mehr Zeit verbrachten, war die „Golden Times“ bereits vor der Rückfahrt ausgelesen. Daher traf es sich gut, gleich die nächste Ausgabe eines mittlerweile etablierten Fanzines im dritten Stock des Kurt-Landauer-Stadion käuflich erwerben zu können: Nils warf als Mate-Mann bereits zum 5. Mal die Druckerpresse an. Ich bin schon sehr gespannt, was uns in der Lila-Ausgabe erwartet.
02 (N)immer nuff:
Ich regte mich in der letzten München-Spätlese darüber auf, dass bei Tickets für Spiele des FC Bayern keine Fahrkarte des ÖPNV im Ticketpreis enthalten ist. Dennoch hatte ich damals keinen Plan B und kaufte mir wie immer in München für ein paar Euro die Fahrkarte für die stets überfüllte U-Bahn. Doch dieses Mal beschritt ich einen anderen Weg. Die Deutsche Bahn bietet mit Call-a-Bike ein Mietrad-System an, das Fahrräder in vielen Städten der Republik zu fairen Preisen bereithält. So zahle ich als BahnCard-Inhaber 39 Euro pro Jahr, um die Räder deutschlandweit nutzen zu können – jeweils für 30 Minuten gratis. Auch für Wenig -Zug- und -Radfahrer gibt es attraktive Angebote – genauso wie für Gästefans, die mit dem Rad von der Münchener Innenstadt die 11 km nach Fröttmaning zum Stadion am Kurt-Landauer-Weg düsen möchten. Wem der Name Kurt Landauer nichts sagt, dem sei meine Münchner Spätlese der letzten Saison empfohlen, wo ich Parallelen in der Vita Kurt Landauers zu der von Eugen Salomon gezogen habe.
Für 9 Euro für 24 Stunden konnte ich das Rad ausleihen und wir bei herrlichem Wetter über Schloss Nymphenburg und das Olympiastadion durch den Englischen Garten gemütlich zum Stadion radeln. Obwohl München über 500 Meter hoch liegt, verlaufen die Wege in der Innenstadt zum Großteil auf flachem Terrain. Ferner sind die Fahrbahnen meist breit und die Politik bereit, dem Fahrrad in vielen Straßen Priorität gegenüber dem Auto einzuräumen. Fuhren wir nicht gerade im Luitpoldpark, im Olympiapark oder im Schlossspark Nymphenburg durch die Gegend, ging es oftmals auf Fahrradstraßen entlang. Allen Auto fahrenden Pessimisten zum Trotz sei gesagt, obwohl München aus vielen Fahrradstraßen besteht, klappt das Teilen der Verkehrswege hier gut – und dort wo es zu Staus kommt, sind sicherlich nicht die Zweiradfahrer am hohen Verkehrsaufkommen Schuld.
Die Straße bzw. der Fahrradweg muss neuerdings ja auch mit Elektroroller-Fahrer*innen geteilt werden. Ob die Dinger jetzt umweltfreundlich sind oder nicht, kann ich nicht abschätzen, da ich die Stromquelle für die Roller nicht kenne. Nur würde es wohl den meisten Nutzer*innen nicht wirklich schaden, selbst in die Pedale zu treten, statt die Füße auf so ein Ding zu stellen. Spannend wird es, wie Rollerfahrer*innen im Herbst bei nassem Laub auf der Fahrbahn und im Winter bei Schneematsch vorankommen wollen – es bleibt zu hoffen, dass es dann zu keinen schlimmen Unfällen kommen wird.
03 Kon-Trolle
Das Stadion des FC Bayern galt mal als ziemlich gastfreundlich. Allerdings fiel mir bereits letzte Saison auf, dass im „Fan-Treff Nord“, der sich unterhalb des Gästeblocks im Bauch des Schlauchboots befindet, mittlerweile ein „Zutritt nur für Heimfans“ Schild hängt. Dass es seit Beginn dieser Saison einen separaten Eingang für Gästefans gibt, mag insbesondere für Anreisende mit dem Bus Sinn machen. Auch von der U-Bahn aus, gibt es einen eigenen Weg dorthin (danke für die Recherche Alex 🙂 ), aber der Grund für diese Sonderbehandlung ist wohl nur der, Gäste penibler kontrollieren zu können, als den gemeinen bajuwarischen Plebs. Ich musste alles – wirklich alles – aus meinen Taschen ausleeren. Dass sich da nur Schlüssel drin befanden, demotivierte meinen Kontrolleur, denn er erwartete, dass ich doch mindestens ein kleines Messerchen dabei hätte. Hä?
Warum ich diese Sonderbehandlung besonders sonderbar finde, liegt daran, dass hinter der Kontrolle der kontrollierte Gast sich wieder mit dem bayuwarischen Plebs mischt, bevor es dann in den dritten Stock des Stadions geht. In anderen Stadien (außer in Dortmund) bleibt man dann als Gästefans unter sich und gut ist. Diese Art der Behandlung finde ich, wie gesagt, mindestens sonderbar. Der einzige Pluspunkt, ggf. schneller nachkicks zur U-Bahn zu gelangen, wurde durch die Security zunichte gemacht, da diese nur noch Busreisende und mich (zu meinem Rad) durchließ.
04 Kampf um den Mampf
Wärme steigt bekanntlich auf. Wer diesen Sommer in einer Dachwohnung verbracht hat, weiß, wovon ich schreibe. Im Block 342 staute sich die Hitze, spätestens als der Block so richtig eskalierte. Die Investition vorkicks in einen Becher mit einem Getränk, erwies sich dementsprechend als sehr gute Entscheidung. Schließlich war es in der Halbzeitpause wegen Überfüllung quasi unmöglich, am Kiosk ein Getränk oder etwas zu essen zu erstehen. Dafür gab es auf den Klos zum Glück die Möglichkeit, seinen Flüssigkeitsbedarf an den Waschbecken mit Hilfe des Bechers zu decken. Noch nie hat mir Leitungswasser im Stadion so gut geschmeckt, wie an diesem Spätsommertag in Fröttmaning.
Beim Essen hat sich im Vergleich zum letzten Besuch nichts geändert. Wurst, Leberkäs-Semmel, Brezel und Popcorn für den Hunger und Helles und Weinschorle plus Limos und Mineralwasser für den Durst. Ziemlich dürftiger Einheitsbrei – an den man aber sowieso wegen Überfüllung nicht gelangte.
05 Käfighaltung
An den von Rolf treffend beschriebenen „Ameisenfußball“ habe ich mich mittlerweile im Schlauchboot gewöhnt. Nachdem es beim letzten Gastspiel im Block 342 noch zu manchen Wortgefechten kam, da der Block mit Bayern-Fans aufgefüllt wurde, muss ich nach dem Dortmund-Spiel feststellen, dass die Münchner Verhältnisse, was das Auffüllen angeht, nicht wirklich schwarz-gelbe Ausmaße erreichen.
Der supportwillige Teil stand in den ersten Reihen und dahinter saß dann der Teil derjenigen, die wohl über den FC Bayern kurzfristig ihre Tickets erhalten hatten. Anders als in Dortmund bekam ich keine Provokationen mit und so verliefen die 90 Minuten plus Trinkpausen den Umständen entsprechend recht entspannt.
Fazit: Der Jahrgang 2019/2020 glänzt durch Nachhaltigkeit in Anreise und WC-Verpflegung sowie durch unterhaltsame Lektüre auf dem Weg zum rot-weißen 7-Tore-Festival.
Rot-weiße Grüße,
Christoph – Meenzer on Tour