Spätlese Wolfsburg Saison 2024/2025

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

Trotz wieder drei erzielten Toren auswärts, diesmal keine Punkte in Wolfsburg

01 Hin und weg:

Das so populäre Bahnbashing kann ich dieses Mal überhaupt nicht anbieten. Obwohl sowohl Wolfsburg als auch Mainz-Bischofsheim Bahnhöfe sind, bei denen der Zug gerne mal einfach so durchrauscht. Ersteres hört man immer mal wieder in den Medien, letzteres habe ich schon mal auf einer Auswärtsfahrt nach Berlin selbst erlebt. Aber sowohl der Regionalexpress in Bischofsheim, wo ich diesmal zugestiegen bin, als auch der ICE in Wolfsburg hielten planmäßig und pünktlich.

Begrüßt wurde ich in der Autostadt von einem Bahnbediensteten, der der Herr über die wenigen Schließfächer am Hauptbahnhof war. Er suchte mit mir und noch ein paar anderen Fans nach Fächern, die noch nicht belegt waren. Er machte darauf aufmerksam, dass es ein paar Fächer gab, die nur für 2 Stunden zu buchen waren (und dementsprechend 2 Euro statt 5 Euro für 24 Stunden kosteten). Diese komische Preisgestaltung ist wohl eine Wolfsburger Spezialität. Sie kannte ich von anderen Bundesliga-Bahnhöfen jedenfalls noch nicht. Ich finde ja, dass Voraussetzung für die Lizenzerteilung in der Bundesliga ein Schließfachangebot von mindestens 50 Fächern sein sollte. Die gefühlt 10 Schließfächer waren schon fast alle belegt, da der 05-Fanexpress kurz zuvor angekommen ist. Wahrscheinlich werden die Fächer auch tatsächlich nur alle zwei Wochen von Auswärtsfans genutzt. Denn wer steigt sonst in Wolfsburg aus, wenn nicht wegen Fußball oder Neuwagen abholen? Naja, am Ende fanden wir ein überdimensioniertes Schließfach für 5 Euro, die ich aber gerne zahlte, denn den Laptop mochte ich dann doch nicht in der Gepäckaufbewahrung am Stadion lassen. Und Münzen wechseln konnte sein Kollege auch noch. Ein nettes Service-Team gibt es da in Wolfsburg.

Blick auf das legendäre Stadion am Elsterweg, in dem 1997 Mainz 05 zum ersten Mal an die 1. Liga anklopfte.

02 (N)immer nuff:

Es gibt wenige Namen von Spielern gegnerischer Mannschaften, die ich wohl mein Leben lang nicht vergessen werde. Roy Präger gehört dazu – ist aber nicht der einzige Wolfsburger. Doch dazu später mehr. Präger hatte maßgeblichen Anteil am ersten Nicht-Aufstieg von Mainz 05 in die Bundesliga. Am letzten Spieltag der Saison 1996/97 spielte Mainz 05 beim VfL Wolfsburg. Gleichzeitig war dies ein direktes Aufstiegsduell. Der Sieger der Partie würde erstmals in die 1. Liga aufsteigen. Nach dem frühen Führungstor durch den „Kühlschrank“ Sven Demandt, schoss Präger 2 Tore und holte zwei Elfmeter für Wolfsburg raus. Am Ende gewann der VfL mit 5:4, stieg ins Oberhaus auf und bisher nicht ab. Für Mainz 05 war dies der erste Schub, der den Verein Fan-mäßig nach vorne brachte. Viele Menschen verfolgten das Spiel damals auf Großbildleinwand im Volkspark. Damals guckte auch ich im Volkspark und schaffte es bisher nicht ins Stadion am Elsterweg, wo dieser Showdown am letzten Spieltag stattfand.

Am Sonntag sollte sich eigentlich die Möglichkeit bieten, ein Spiel in diesem legendären Stadion zu verfolgen. Leider wurde dann doch die Partie der VfL Wolfsburg Frauen II gegen den MTV Kiel auf einen Nebenplatz verlegt. Dennoch ließ ich es mir nicht nehmen und tigerte mal um das Stadion herum, in dem sich das Drama von 1997 abgespielt hatte, bevor ich den Frauen beim Fußball zuguckte.

Leider fand das Regionalliga-Spiel der zweiten Mannschaft der VfL-Frauen auf einem Nebenplatz statt.

03 Kon-Trolle

Mitte der zweiten Halbzeit brach ich meine Stippvisite des Nebenplatzes C ab und per Pedes ging es in ein paar Minuten rüber zur Volkswagen-Arena. Dort machte ich mal wieder den QR-Code-Test. Selbstverständlich funktionierte der QR-Code auf dem Handy und führte zum wiederholten Male die Ausdruckpflicht des Print@Home-Tickets ad absurdum. Auf diesem Ticket wird übrigens für die VfL Wolfsburg-App geworben, in der es möglich sei, Tickets papierlos zu nutzen. Der Selbsttest wenige Tage vor dem Spiel brachte natürlich nicht den gewünschten Erfolg. Es war schlicht nicht möglich, ein bereits gekauftes Ticket in der App zu laden. Die Digitalisierung vieler Clubs der ersten Liga ist einfach ein Witz. Holstein Kiel bekam es dagegen problemlos hin, das Ticket ins Wallet des iPhones zu übertragen. Vielleicht sollten mal ein paar Clubs Bildungsurlaub an der Förde machen…

Der Blick auf den Eingang zum Gästeblock des Stadions am Elsterweg.

04 Kampf um den Mampf

Einmalig in der Bundesliga war wohl die Möglichkeit bereits vor dem Eintreffen am Stadion zu wissen, was es im Stadion zu Essen und zu Trinken gab. Dies auf der Homepage zu veröffentlichen, ist mal eine sinnvolle News – auch wenn dort angegeben war, dass womöglich nicht alle Speisen und Getränke im Gästeblock verfügbar wären. Das Angebot an Futter im Gästeblock entsprach dann auch den Angaben auf der Webseite. Das ist erstmal sehr löblich. Dass es auch zwei pflanzenbasierte Dinge zur Auswahl gab, war noch besser. Das Kernproblem bei VW ist halt immer die Preispolitik. Dass die vegane Wurst und die Currywurst 20 Prozent teurer sind als die Fleischvarianten ist halt wieder alte Bundesrepublik. Gleichzeitig wirbt VW aber mit seinem „Race to Zero“ für das Ziel Klimaneutralität bis 2025. Dass pflanzenbasierte Speisen klimafreundlicher als Fleischgerichte sind, sollte auch VW wissen, bevor er sich damit schmückt als erster Fußball Club der Welt diese UN-Initiative zu unterstützen. Der Konzern sollte sich mal entscheiden, ob er klimafreundlich agieren möchte  – dann sollten die Preise für pflanzenbasierte Kost unter denen für Fleischspeisen liegen oder man sollte einfach ehrlich sein, und dieses Greenwashing beenden. Und trotzdem war die vegane Wurst in der Halbzeit bereits ausverkauft. Dass VW wirklich arg sparen musste konnte man schließlich auch noch am Brötchen erkennen. Es gab schlicht nur noch ein halbes zur Currywurst dazu. Mit dieser Sparmaßnahme wird VW sicherlich wieder in wirtschaftlich erfolgreiches Fahrwasser gelangen.

Krasse Sparmaßnahme bei VW: Es gab nur noch halbe Brötchen zur (veganen) Currywurst

05 Käfighaltung

Spiele in Wolfsburg sind eigentlich immer ein Spektakel. Es war bereits das dritte 05-Spiel, das mit 7 Toren zu Ende ging. Beim ersten Spiel war ich ebenfalls im Stadion. Ein gewisser Martin Petrow machte aus einer 2:0 Führung für Mainz ein 2:4, ehe Bumbum Babatz für den 3:4 Endstand sorgte. Auch Petrov werde ich wohl nie mehr vergessen. Das war am 30. Oktober 2004. 7 Jahre später lag Mainz 05 mit 0:3 hinten, ehe Morten Rasmussen, Elkin, Schü und Adam das 4:3 hinbekamen. Nun ja, und am Sonntag sind wir sogar dreimal in Führung gegangen – und haben natürlich bei dieser 3:4 bzw. 4:3 Logik am Ende verloren. Serien können schon ätzend sein – ich bin schon sehr gespannt, ob wir das nächste Mal in Wolfsburg erstmal hinten liegen und dann am Ende 4:3 gewinnen – dann würde diese Serie halten. Einzuwenden dagegen hätte ich nichts 😉

Voller Gästeblock trotz Ansetzung am Sonntagnachmittag – schön, dass so viele mittlerweile auswärts dabei sind.

Fazit: Der Jahrgang 2024/2025 zeigt, dass selbst die abstrusesten Serien weitergehen.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Freiburg Saison 2024/2025

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

Zwei eingetragene Vereine unter sicht

01 Hin und weg:

Wie vor einem halben Jahr fand das Auswärtsspiel im Breisgau wieder an einem Sonntag statt. Gnädigerweise bzw. dem DFB-Pokal sei Dank wurde es nicht wieder um 19.30 Uhr, sondern um 15.30 Uhr angepfiffen. So sollte man meinen, dass es eine entspannte Auswärtsfahrt werden würde. Denn dank der Riedbahn-Baustelle fahren ja aktuell sogar mehr ICE über Mainz Hauptbahnhof – theoretisch wohlgemerkt. Denn sonntags morgens um sechs Uhr hockt man in Hamburg eher auf dem Fischmarkt, als dass man sich um das Bereitstellen der Züge kümmert. Der ICE, der mich von Mainz nach Freiburg bringen sollte, wurde mit zirka 40 Minuten Verspätung in Hamburg bereitgestellt. Daher entschloss man sich bei der Bahn, nicht in Mainz zu halten, sondern von Frankfurt direkt nach Mannheim zu düsen. Glücklicherweise wurde dies zwei Stunden vorher angekündigt, so dass ich mit meinem Klapprad nach Bodenheim statt nach Mainz-Hauptbahnhof fuhr, um die S-Bahn, die wegen besagter Riedbahn-Baustelle gerade in Laubenheim durchfährt, zu erreichen. Flexibel muss man bei der Bahn halt sein – sonst macht es keinen Spaß. Den ICE erreichte ich in Mannheim und so kam ich mit lediglich 20 Minuten Verspätung in Freiburg an.

02 (N)immer nuff:

6934 vs. 1000 – das war der Unterschied zwischen den Radelnden in Freiburg und in Mainz bei jeweils knapp 34000 bzw. 33000 Zuschauenden bei den letzten beiden Liga-Heimspielen. Ja, Mainz hat Hügel – Freiburg ist flacher. Aber in Freiburg scheint es der Wille der Entscheidungstragenden zu sein, den Radverkehr fördern – und ihn vor allem möglichst überall eigene Spuren zuzuweisen. Denn auch Leute, die zu Fuß unterwegs sind, finden es nicht so schön, sich den Raum mit den Radfahrenden zu teilen. Und auch in Freiburg wird noch Auto gefahren – und Öffis gibt es auch. Es gibt aber halt einfach eine wesentlich bessere Radinfrastruktur. Wenn man jetzt hört, dass das alles kommen soll, dann denke ich nur an die Großsporthalle, die seit Jahrzehnten in Mainz in der Planung ist. In solchen Momenten finde ich unsere schöne Stadt schon ein wenig hinterwäldlerisch und altbacken.

Taschenaschenbecher zu verteilen

03 Kon-Trolle

Auch in Freiburg gab es vor der Einlasskontrolle wieder 05-Taschenaschenbecher. Die verteilte der Verein im Rahmen des Klimaverteidiger-Spieltags gegen Gladbach, damit die Kippen nach dem Abpfiff nicht auf dem Boden, sondern im Müll landen. Da noch Aschenbecher übrig waren, erhielt ich vom Verein einen Teil der übrig gebliebenen Exemplare zum Verteilen. Wer noch ein Exemplar möchte, kann sich gerne bei mir melden. Es findet sich sicherlich eine Übergabemöglichkeit und die Umwelt wird sich freuen. Leider haben bei einer nicht-repräsentativen Umfrage auf meinem Insta-Kanal 85 Prozent der Teilnehmenden angegeben, dass sie von dieser Aktion gar nichts wussten. Dies ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass der Verein in den sozialen Netzwerken manchmal einfach „überperformt“ und man bei den ganzen Inhalten gar nicht mehr solche Sachen mitbekommt.

Blick auf das Mooswaldstadion an einem „grauen“ November-Sonntag

04 Kampf um den Mampf

Dieser Punkt müsste diesmal in „Kampf um das Trinkwasser“ geändert werden. Schließlich wird das in Freiburg durch einen Trinkwasserspender gratis angeboten. In Mainz sieht man sich nicht in der Lage, so etwas umzusetzen und ist der Meinung, dass 3,50 Euro für einen halben Liter Mineralwasser auch an Hitzespieltagen jenseits der 30 Grad-Celsius-Marke ein angemessener Preis ist. Wie bei der Radinfrastruktur denke ich, dass zu Mainz anscheinend eine Art Bockigkeit gehört. Wer braucht schon Radwege, wenn es doch Autos gibt, wer braucht schon Trinkwasser, wenn es doch Schorle gibt? Ach so, und vegane Empanadas gab es natürlich auch. Bei uns ist es das höchste der Gefühle, dass es jetzt vegane Wurst an einem Verkaufsstand zwischen Q und R gibt – aber sicherlich nicht im Gästeblock. Und nein, Menschen, die sich pflanzenbasiert ernähren, stehen nicht den ganzen Tag darauf, sich von Brezeln und/oder Pommes zu ernähren. Aber gut Mainz ist halt…ach lassen wir das.

Trinkwasserspender im Gästeblock

05 Käfighaltung

Eingetragener Verein gegen eingetragener Verein! Gibt es etwas Schöneres in diesem Fußball-Kosmos? Wahrscheinlich nicht, denn mittlerweile weiß wohl auch ein Christian Streich nicht mehr so genau, warum viele Menschen das RB-Konstrukt ablehnen. Er redet von fehlender Tradition. Dabei geht es gar nicht um Tradition, sondern darum, dass RB mit seinem Kanal Servus TV Rechtspopulisten stärkt – dabei hat er sich immer gegen diese positioniert. Er ignoriert, dass RB einfach mal eine 100 Millionen Eigenkapitalspritze erhielt. Dass Spieler hin- und her transferiert werden, ist wohl auch egal. Dass Extremsportler bei RB-Events ums Leben kamen? Und dass es nur 23 Auserwählte gibt, die RB-Mitglied werden dürfen? Ignoriert er einfach.

Anscheinend haben sich alle handelnden Personen im Profifußball mit dem Konstrukt abgefunden und alle springen allen bei, wenn sie irgendwie mit dem Konstrukt in Kontakt kommen. Um so wichtiger ist es, dass sich aktive Fans weiterhin um Aufklärung bemühen, denn die meisten Menschen denken immer noch, dass RB ein ganz normaler Club sei. Gut, dass es kritische Fans gibt, gut, dass es noch „echte“ Vereine gibt, in denen die Mitglieder das Sagen haben – zumindest auf dem Papier. Denn wieso von 25 Menschen, die sich für den Aufsichtsrat bei Mainz 05 haben aufstellen lassen wollen, 9 aussortiert wurden, hinterlässt sehr große Fragezeichen. Wird damit den 05-Mitgliedern attestiert, nicht die „richtige“ Entscheidung treffen zu können?

Formaljuristisch ist dieses Aussortieren aufgrund der existierenden Satzung korrekt. Komischerweise muss sich eine 05-Wahlkommission nach ihrer Entscheidung schon zum zweiten Mal im Nachgang rechtfertigen. Wäre es nicht für das Wohl des Vereins besser, wenn die Wahlkommission sich auf das beschränkt, für was sie eigentlich da ist? Also zu prüfen, ob die formalen Voraussetzungen für eine Kandidatur gegeben sind? Warum kostet die Wahlkommission ihre Macht dergestalt aus, dass sie mit ihren Entscheidungen Unruhe in den Verein bringt? Und nein, es sind nicht Journalist:innen, die diese Unruhe reinbringen, wie schon wieder von einigen Social-Media-Lautsprecher:innen verkündet wird.

Dass diesmal eine bereits abgegebene Erklärung vom Sprecher der Wahlkommission sogar nochmals konkretisiert werden muss, zeigt, wie hier herumgeeiert wird. Er spricht vom Nicht-Verschaffen von Lebenszeitstellung, wenn es darum geht, warum drei aktuelle Mitglieder, die wieder kandidieren wollten, nicht berücksichtigt werden. Andere aktuelle Mitglieder wurden aber sehr wohl wieder akzeptiert. Das ist ein Widerspruch in sich. Die Mitglieder sollten in der Lage sein, zu bewerten, ob sich ein Aufsichtsratsmitglied bewährt hat oder nicht.

Vegane Empanadas im Gästeblock

Vielleicht sollte man da mal in Zukunft über eine Satzungsänderung nachdenken… Aber alleine der Gedanke daran, so etwas theoretisch anleiern zu können zeigt, was dann doch in Mainz (und Freiburg) möglich ist – anders als in Leipzig, Salzburg, New York oder in welcher RB-Filiale auch immer.

Fazit: Der Jahrgang 2024/2025 zeigt, dass Mainz ziemlich viel von Freiburg lernen kann und dass auch in einem eingetragenen Verein ziemlich viel falsch laufen kann, wenn es um Demokratie geht.

Punkt geholt beim Duell der beiden eingetragenen Vereine

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Bannerbeben

Ab Samstagabend ging es wieder einmal sehr hoch her in den sozialen Netzwerken rund um Mainz 05. Die Niederlage gegen RB Leipzig stand dabei weniger im Zentrum als verschiedene Banner, die auf der Rheinhessentribüne zu Spielbeginn gezeigt wurden. Am besten zu lesen war das Banner mit der Aufschrift „Alles was wir dich haben werden lassen, hast du vergessen?“.

Banner beim Anpfiff des Spiel Mainz 05 vs. RB Leipzig am 19. Oktober 2024

Dieses Banner bezog sich auf die Abschiedsrede von Jürgen Klopp im Frühjahr 2008 als er nach dem verpassten Wiederaufstieg in die Bundesliga, sich dafür entschied von Mainz nach Dortmund zu wechseln. Klopp wählte damals tatsächlich solche schwülstigen Worte mit Tränen in den Augen, als es darum ging, seinen persönlichen Aufstieg bei und durch Mainz 05 zu beschreiben und auszudrücken, wer daran großen Anteil hatte. Nachdem Klopp nun bekannt gab, ab 2025 als „Head of Soccer“ für das Red Bull-Imperium zu arbeiten, haben sich viele Menschen mit seinem Stellenwechsel beschäftigt.

Nun sind viele Internet-Nutzende sehr vergesslich oder neigen dazu, sich ihre Meinung zu bilden und diese in die weite Welt zu posaunen, ohne auch nur einen Tick Recherche zu betreiben. Andererseits vergisst das Internet nicht. Und daher ist diese Rede bis heute auch entsprechend abrufbar.

Wenn man das Banner isoliert betrachtet, könnte man natürlich auf den Gedanken kommen, dass es anmaßend wäre, so eine Formulierung als Fans des FSV zu wählen. Es kommt halt immer auf den Kontext an – den wahrscheinlich ein Großteil der Leute, die Kritik üben, überhaupt nicht kennen. Daher entbrannte seit Samstagabend ein heftiger Streit darüber, ob so ein Banner gerechtfertigt ist.

Unstrittig ist, dass es die Entscheidung von Jürgen Klopp ist, wo er in Zukunft arbeiten möchte. Dies wird durch das Banner auch gar nicht in Frage gestellt. Trotzdem wird von vielen Internet-Nutzenden genau das unterstellt. Und wieder stellt sich darüber hinaus die Erkenntnis ein, dass sich viele Internet-Nutzende nicht im Geringsten mit der Causa RB beschäftigen. Das ist ihr gutes Recht. Ebenfalls ist es ihr gutes Recht eine nicht im Geringsten fundierte Meinung im Netz abzulassen, solange sie niemanden beleidigt.

Allerdings sollte man erwarten, dass Menschen, die sich mit Sport im Allgemeinen und mit der Männer-Fußballbundesliga im Speziellen beruflich beschäftigen, etwas mehr Hintergrundwissen haben, was RB angeht. Und sie sollten dieses Wissen auch nutzen, um solche Banner einzuordnen. Und sie sollten dieses Wissen auch nutzen, um in Zukunft mit RB entsprechend umzugehen.

RB betreibt in Österreich mit Servus TV einen Sender, der Rechtspopulisten stärkt. RB Leipzig erhielt während der Pandemie einfach mal 100 Millionen Eigenkapital. Der RB-Konzern schiebt Spielende wie Schachfiguren zwischen den einzelnen Dependancen hin und her. Extremsportler sind bei RB Events bereits gestorben. Und nur 23 Mitglieder bilden den Verein, um den Statuten des DFB und der DFL gerecht zu werden.

Daher ist RB kein Club wie jeder andere. Und trotzdem wird von vielen Menschen, die sich professionell mit Fußball beschäftigen, RB genau so behandelt: Als einer unter 18 Erstligisten der deutschen Männer-Bundesliga. Damit ist dem RB-Imperium das gelungen, was sich in Deutschland wie ein roter Faden durch die Gesellschaft zieht. Dinge, die jahrelang undenkbar waren, werden nur zu oft wiederholt bzw. nicht kritisch in Frage gestellt, bis sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Dabei wäre es Aufgabe einer kritischen Sportpresse, die oben genannten Punkte, für die RB steht, dauerhaft zu thematisieren – wenn man es mit Demokratie und Mitbestimmung von Mitgliedern ernst meint. Allerdings ist es entweder den meisten Journalist:innen schlicht egal weil sie nur über das Sportliche berichten wollen, zu anstrengend oder sie haben Angst, in Ungnade in dem gesamten Fußball-Kosmos zu fallen. Schließlich haben die Verbände DFL und DFB was den „Verein“ RB angeht, das Vereinsrecht so lange gebogen, bis es irgendwie passt und selbst 50+1 auf dem Papier gewahrt wird.

Soweit der generelle Blick auf den Umgang mit RB. Aber selbst bei Mainz 05 weiß man auch selbst wieder mal nicht, sich so richtig zu positionieren. Angenehm ist der Verein erstmal dadurch aufgefallen, dass er Klopp nicht zu seiner Stelle bei RB gratuliert hat – so wie er es Tage danach bei Thomas Tuchel gemacht hat, als dieser Trainer der Three Lions wurde. Man konnte fast schon hoffen, dass es Mainz 05 endlich mal hinbekommt, für etwas zu stehen: zu RB einfach mal zu schweigen.

Das Bild bekam allerdings recht schnell erste Risse, da Jürgen Kramny zum Geburtstag gratuliert wurde. Kramny hat nichts mit RB zu tun – aber der Verein wählte ein Bild aus, bei dem neben Kramny auch Klopp zu sehen ist. Zufall? Keine Ahnung – im besten Fall Gedankenlosigkeit. Dann kam der Spieltag gegen RB. Und was wird direkt gepostet? Ein Bild vom „Heimkommen“ von Marco Rose. Natürlich können sich die Protagonisten hinter den Kulissen umarmen und was weiß ich sonst noch für Sachen miteinander machen. Wenn man jahrelang miteinander gearbeitet hat, ist das mehr als verständlich. Aber es ist halt etwas anderes, gemeinsame Bilder von Ex-05ern in der Öffentlichkeit zu posten, die zum RB-Imperium gewechselt sind.

Den Vogel schoss am Samstagabend mal wieder der Don ab – der sich zu den Bannern in der AZ äußerte. Er legt fest, ob die Leute im Stadion Klopp zukünftig auspfeifen dürfen oder nicht (natürlich „dürfen“ sie das nicht). Ich pfeife grundsätzlich keine Leute aus, da ich es erstens nicht kann und zweitens das auch für keine so tolle Idee halte. Aber anscheinend gilt das Recht auf Meinungsfreiheit bei Mainz 05 nicht, wenn der Don wieder für alle spricht und festlegt, wie wir zu denken haben. Er ist ferner der Meinung, dass fast alle Leute Klopp auch in Zukunft applaudieren würden – ich hoffe, die Leute entscheiden noch selbst, ob sie das tun werden oder nicht. Richtig liegt der Don auf jeden Fall damit, dass sich Leute weniger über Klopp als über RB ärgern – wobei ärgern viel zu kurz greift.

Aber leider benennt der Don die wirklich wichtigen Punkte, wenn es um RB geht, überhaupt nicht. Er fokussiert sich auf die Übernahme des Startrechts des SSV Markranstädt in der RB-Gründungszeit. Diese mag nicht so nice gewesen sein – aber das ist durchaus Usus im Fußball – gerade auch aktuell im Frauenfußball und nicht nur bei RB. Er persönlich kann mittlerweile mit RB leben. Und genau, das ist das Problem. Wie er persönlich damit leben kann, kann der Allgemeinheit egal sein. Er übt aber ein Amt in einem Verein aus. Und daher sollte er die Interessen des Vereins in der Öffentlichkeit vertreten. Und in einem Verein, der von einem jüdischen Mitbürger gegründet wurde, der später in Auschwitz von den Nazis ermordet wurde, sollte es nicht egal sein, wenn da ein Imperium, das einen Club in der Bundesliga etabliert hat, gleichzeitig im Nachbarland einen TV-Kanal sein Eigen nennt, in dem Rechtspopulisten hofiert werden und in dem Geschwurbel vom Intendanten zum Beispiel zu einem Entwurmungsmittel verbreitet wird, das angeblich gegen Corona hilft. Das findet sicherlich Neu-Sponsor Biontech auch nicht so toll. Der Don setzt sich zumindest in der Öffentlichkeit nicht mit den wirklich gravierenden Punkten bei RB auseinander.

Vielleicht fürchtet er da massiven Gegenwind. Denn bei aller Konkurrenz der Bundesliga-Clubs – am Ende stecken sie ja doch in der DFL ein bisschen unter einer Decke. Da hackt die eine Krähe der anderen kein Auge aus. Aber sticheln geht dann doch beim Don. Er mokiert sich über die geringe Zahl an Auswärtsfahrenden aus Leipzig. Aber auch wir sind nicht die reisefreudigsten Nasen – man denke nur an das Spiel in Augsburg in der letzten Saison, als es vielleicht 500 Leute nach Schwaben schafften. Der Grund, warum in Leipzig trotz Spitzenfußball so wenig auswärts fahren liegt vielleicht einfach daran, dass nur 23 Auserwählte stimmberechtigte Mitglieder sein dürfen. In einem Verein, in dem der profane Fan nichts mitbestimmen darf, da der Verein den Fan als Mitglied gar nicht haben möchte, würden sich wohl die meisten Menschen überlegen, ob man Lust darauf hat, die Truppe auswärts zu unterstützen.

In Leipzig gibt es mehrere Traditionsvereine, bei denen man sich als Mitglied einbringen kann. Bei RB konsumiert man den Fußball, wenn es sich zeitlich (und monetär) einrichten lässt. Dies wird vom Don nicht thematisiert. Dabei wäre fundierte Kritik am RB-Imperium genau das, was ich von einem Mainz 05-Vereinsvertreter erwarte. Er hätte die Möglichkeit, Menschen zu vermitteln, warum viele Fans RB „ärgert“. Er könnte auch innerhalb des Mainz 05-Umfeldes helfen, dieses zu befrieden, denn seine Stimme hat natürlich Gewicht. Stattdessen ist ihm nur daran gelegen, dass sich Klopp weiterhin wohl bei seinen Audienzen in Mainz fühlt. Dass der Don und Mainz 05 durch die fehlende Distanzierung von RB, dabei helfen, dieses Konstrukt noch weiter salonfähig zu machen, ist unverständlich. Aber das verstehen die Verantwortlichen bei Mainz 05 anscheinend nicht – wahrscheinlich auch nicht, dass man sich damit langfristig sein eigenes Grab im Haifischbecken Bundesliga schaufelt.