Beijing 2006

Ni hao, bedeutet „Hallo“ und ist Pinyin, die chinesische Schriftsprache in lateinischen Buchstaben, die es dem Otto-Normal-Nicht-Chinesen rein theoretisch erlaubt, die Chance zu besitzen in China wenigstens etwas zu lesen – von Verstehen oder Kommunikation mit den Einheimischen kann nicht die Rede sein.

Da uns die VR China zurzeit 6 Stunden voraus ist, hat der Jet Lag bei der Ankunft in Mainz den Vorteil, hier abends totmüde ins Bett zu fallen und mitten in der Nacht wieder fit wie ein Turnschuh zu sein. Das wiederum bietet die Gelegenheit, Euch zum Montag Morgen ein paar Impressionen aus Beijing zu schildern.

Der erste Eindruck beim Marsch aus dem Hotel in Richtung Himmelstempel war sehr ernüchternd. Die Hutongs, die kleinen, engen, verwinkelten Gässchen der Hauptstadt haben zum Teil nach der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2008 in diese Stadt ihre Daseinsberechtigung im Auge der Olympia-Planer verloren, so dass große Brachflächen mitten in der Stadt an riesigen 8-spurigen leeren Boulevards entstanden. Das Ganze war ein Mischung aus Plattenbausiedlung und plattgemachtem Nichts und erinnerte ein bisschen an den Bauwahn in Dubai, wo aus dem Nichts irgendwann etwas Großes enstehen soll.

Glücklicherweise war dieser Eindruck nur eine Momentaufnahme, denn wer auf breite Straßen, staubigen Himmel und Kräne steht, kann sich eigentlich den Weg nach Fernost sparen und einfach auf der halben Wegstrecke bei den Scheichs am Golf bleiben. Die verbliebenen Hutongs, die auf der Außenseite Richtung Boulevards immer mit einer Mauer versehen waren, werden nun auch für Olympia fittgemacht und bekommen alle paar Meter öffentliche Toiletten. Beijing wäre sicherlich der ideale Ort für einen Rosenmontagszug. Breite Straßen, öffentliche Toiletten en masse und Hort des dosenpfandfreien Biergenusses zu sehr moderaten Preisen. Diese Toiletten-für-Hutongs-Aktion ist nur ein kleines Beispiel für die große Hygiene, die mittlerweile in dieser Stadt herrscht. Herumgespuckt wird im Gegensatz zu anderen asiatischen Ländern praktisch gar nicht mehr, permanent sind Fege-Kommandos per Pedes oder mit dem Velo im Einsatz, um die Gassen rein zu halten.

Der schier unbegrenzte Vorrat an Arbeitskraft äußert sich auch in anderen Bereichen des Dienstleistungssektors. Den Inhalt aus einer chinesischen Heinz-Tomaten-Ketchup- Flasche auf den Teller zu bekommen, ist für mich der schwierigste Teil meines Aufenthaltes gewesen, aber ruckzuck war natürlich die Bedienung da, um die rote Sauce in quantitativ optimaler Menge auf meine Pommes gleiten zu lassen. Pommes in Peking? Nun ja, da ich u.a. mit meiner Schwester unterwegs war, schloss ich natürlich Kompromisse und dazu gehört auch ein Abendessen im Hard Rock Café zu Beginn der Reise. Danach wurde es kulinarisch landestypischer und Besteck war fortan ein Fremdwort. Stäbchen war nun hip, genauso wie Reis in Peking praktisch out ist. Im Nordosten Chinas sind eher Nudeln das Gericht der Straße. Was wir in Deutschland im China-Restaurant vorgesetzt bekommen, ist eher die kantonesische Küche Südchinas. Peking-Ente wird beispielsweise mit hauchdünnen Pfandkuchen in Taco-Größe und einer dicken Soya-Sauce, die in ihrer Konsistenz an Nutella erinnert, serviert. Man nimmt den Pfannkuchen und ein Stück Ente sowie Frühlingszwiebeln und Sauce, wickelt das Ganze zusammen und versucht dieses Gebilde dann mit den Stäbchen in den Mund zu hieven oder banal mit den Händen in Richtung Rachenraum zu befödern.

Sightseeing in Beijing bedeutet sich auf ein Loveparade-Erlebnis einzustellen. Die verbotene Stadt, war allen Massen zugänglich und dementsprechend war auf den Hauptwegen Stau angesagt. Störe ich mich oft an Touristenmassen, hatte ich hier eher das Gefühl, das gehöre dazu. Schließlich leben in diesem Land ja mehr als eine Milliarde Menschen – und die müssen ja irgendwo sein. 99 Prozent der Touristen waren sowieso Einheimische, so dass ich trotz der Massen mir hier wohler vorkam als an manch anderer Touristenattraktion, wo wir Europäer uns in Horden die Füße gegenseitig platt trampeln. Wollten wir entspannen, konnten wir in einen der vielen Parks der Stadt flüchten und den Menschen bei einer ihrer Freizeitbeschäftigungen, dem Drachensteigenlassen zuschauen. Natürlich praktizierten auch viele Menschen Tai Chi, aber meist morgens kurz nach Sonnenaufgang, so dass ich davon nicht viel mitbekam. In den vielen Tempeln hingegen fand ich niemanden mehr, der seinem Glauben dort nachging. Das war neben der stalinistischen Architektur auf dem Platz des himmlischen Friedens das einzige Zeichen, dass ich mich in einem kommunistischen Land befand.

Stattdessen huldigen viele Chinesen dem Konsum und von der Güterknappheit aus den ehemaligen Ostblockstaaten bekam ich nichts mit. Stattdessen gab es Waren im Überfluss in riesigen Shopping-Malls, in denen die Waren wohl meist Originale waren. Allerdings wurde im Kappa-Laden eine „Dentschland-Tasche“ verkauft. Hm – vielleicht hat sich da ein Fake in den Laden verirrt? Auf jeden Fall gab es auch riesige Ramschhalden-Kaufhäuser bei denen nicht so ganz ersichtlich war, ob das Produkt nun original oder kopiert war. Ich hatte den Eindruck, dass die westlichen Touristen eher in den Fake-Läden einkauften und die Chinese in den Markengeschäften – verkehrte Welt oder die Zukunft der Welt? Bei all den wohlhabenden Chinesen, die es sicherlich mittlerweile gibt, frage ich mich, wie die 900 Millionen Bauern, die es in diesem Land gibt und die vielen Wanderarbeiter mit diesem Wandel klarkommen. Rentner bekommen ca. 60 Euro im Monat und die Lebenshaltungskosten sind nicht wesentlich niedriger als bei uns. Außerdem hat China eindeutig ein Problem mit der freien Meinungsäußerung. Internet Cafés gibt es in Beijing etwa so oft, wie bei uns chinesische Tempel. Die E-Mails werden in der Regel mitgelesen und dass die Menschen vor der Polizei mehr als Respekt haben, zeigte sich bei den Straßenhändlern, die bei der geringsten Chance, dass ein Ordnungshüter sich zeigen könnte, ihre sieben Sachen packten und abhauten.

Fremden gegenüber traten die Staatsvertreter sehr verständnisvoll auf und es durfte alles photographiert werden. Außerdem war Pragmatismus angesagt. Wer schon mal auf die Mauer klettert, der soll doch bitte auch seinen Spaß haben. Anders als die Amis, die ja nicht gerade sehr viel Kulturschätze (mehr) haben und daher Vergnügungsparks en masse einfach so errichten, wird hier halt dem Mauerbeschauer die Möglichkeit geboten auf einer Sommerrodelbahn wieder ins Tal zu düsen – was natürlich ein Riesenspaß war und den geschäftstüchtigen Chinesen noch ein paar Yuan mehr einbrachte.

Wer China im Wandel erleben will, sollte es sich nicht entgehen, dieses Land zu bereisen. Es gibt kein Gut und kein Schlecht – nur ein großes Staunen und manchmal auch ein großes Verwundern, wenn die Frau den Mann, der gerade Seifenblasen in die Luft lässt vor irgendeinem Motiv hundertmal mit der Digitalkamera ablichtet. Andere Länder andere Sitten und Euch eine schöne Woche!

Portugal 2001

Einige von Euch habe ich in letzter Zeit leider nicht mehr so häufig zu Gesicht bekommen, da ich mal wieder Klausurstress hatte! Ich hoffe, dass ich in Zukunft keine Geburtstage mehr verschlafen werden – Odie, Jochen, Peter und ??? –  und mal wieder bei Euch „offline“ auftauche.  

Wenigstens kann ich Euch heute mal wieder aus einem wunderschönen Land am linken unteren Rand unseres Heimatkontinentes berichten: Portugal ist, um es vorwegzunehmen, definitiv eine Reise wert. Allerdings solltet Ihr, wenn es Euch mal irgendwann nach Lisboa verschlägt nicht zu viele Kippen o. ä. rauchen, da diese Stadt von Euch viel Kondition abverlangt. Roma nennt sich zwar die „Stadt auf 7 Hügeln“, doch diese sind ja bekanntermaßen nicht größer als irgendwelche Maulwurfshaufen auf irgendeinem Fußballacker.  

In Lisboa gibt es nur 2 Richtungen: Bergauf oder Bergab und dies meist auf Caçadas, d. h. auf Treppen und Treppchen steil hoch und hinunter. Wenn man also als Tourist die Stadt innerhalb eines Tages erkunden will, sollten Meniskus und Kreuzbänder noch Intakt sein, sonst ist die Besichtigung schnell zu Ende, und Ihr müsst in einem der tausend Cafés den Rest des Tages genießen. Aber Ihr könnt natürlich auch die bequeme Variante durchziehen, die sich nach einer Partynacht am Besten eignet:  

Wie in Hongkong gibt es auch hier noch die gute alte Straßenbahn aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Nur kann man hier keine quadratisch praktisch gute Doppelstöckige einsetzen, da diese sofort die Wäsche von den über die Gassen gespannten Leinen reißen würde. Diese Mini-Straßenbahnen fassen gerade mal 2 Dutzend Leute, und sind äußerst kompakt, denn in den engen Gassen – schmaler als die Augustinerstraße in Mainz – parken ja die vielen Autos und die Händler müssen auch noch ihre Waren irgendwo hinstellen können. Also bleibt als Fußgänger oft nur noch der Hauseingang, um in Deckung zu gehen. Den Bahnen muss man als Passagier sehr großes Vertrauen entgegenbringen, da sie den Anschein erwecken, dass durch das permanente Geklapper die Holzvertäfelung gleich abfällt und  sich alles in Einzelteile auflöst. Die größte Sorge bereitet aber die Bremse, die sicher von ABS, ESP oder sonst so einem technischen Schnick-Schnack noch nichts gehört hat. Bei einem Gefälle von oft mehr als 10% sollte sie noch funktionieren, für den Fall, dass  man noch keine Suizidgedanken in sich trägt. An ein Wunder grenzt es mich als technisch null peilenden Mitteleuropäer, wie dieses Gefährt auch dieselben Steigungen wieder hoch ächzt und dann weiterzuckelt. Dagegen ist das Tramsurfen in Lisboa eigentlich eine sichere Sache, denn man landet höchstens in einer Gurkenkiste oder auf der Kühlerhaube eines Pkws im Falle eines Abrutschen.  

Nachdem man entweder sich die Knie beim Treppensteigen ruiniert, oder den Kater beim Tram fahren gegen Stoßgebete eingetauscht hat, kann man endlich Essen gehen, da das portugiesische Frühstück nur aus einem Espresso und einem Sandwich besteht. Hier kann BSE oder MKS durch Verzehr von getrocknetem, in Salz eingelegtem Fisch, Bacalhau genannt, ohne Probleme aus dem Weg gegangen werden. Bevor der Fisch verzehrt wird, liegt er aber mindestens 24 Stunden im Wasser, um das zu Konservierungszwecken vorhandene Salz zu entfernen und um ein permanentes am Wasserhahnhängen zu vermeiden. Der Fisch hat einen sonderbaren Geschmack, der vielleicht nicht Jedermanns Sache ist. Aber es gibt 365 (!?) Arten, ihn zuzubereiten, und die wenigen, die ich zu mir nahm, waren alle richtig lecker.    

Von Lisbao bin ich dann in die „Kulturhauptstadt Europas 2001“ mit der portugiesischen Bahn gefahren. Die Reise war recht unspektakulär, außer der Tatsache, dass hier die Bahn günstig und pünktlich ist, was man beim „Unternehmen Zukunft“ (Deutsche Bahn für Nicht-Leidensgenossen) eher nicht behaupten kann. Anscheinend hat Porto erst Anfang 2001 bemerkt, dass es Kulturhauptstadt geworden ist. Denn die gesamte Stadt ist eher zur „Großbaustelle Europas 2001“ mutiert. Man dachte wohl, es wäre an der Zeit, gleichzeitig den Flughafen zu modernisieren, eine Metro zu konstruieren und die Altstadt zu renovieren. Das Ergebnis ist nun zu bestaunen: Große Baugruben , überholte Stadtpläne, da ganze Straßen verschwunden sind, und ein Presslufthammerlärm an manchen Ecken, der mit einem Wagen der Loveparade im Takt mithalten könnte. Doch zum Glück fehlt wohl doch ein bisschen Kohle, um die Stadt vollständig aufzureißen, so dass einige Quartiers wirklich noch an vergangene Jahrhunderte erinnern und nicht an den Potsdamer Platz vor zwei bis drei Jahren.

Mitten durch die Stadt zieht sich der Douro, der ja leider vor ein paar Wochen traurige Berühmtheit erreichte, als eine Brücke in der Nähe von Porto einstürzte. Die große Brücke in Porto ist von Gustave Eiffel errichtet worden und ist sicherlich aus genauso viel Stahl, wie der berühmte Eiffelturm gebaut worden. Da das Douro-Tal sehr steil ist, und die Altstadt in den Hang gebaut wurde, hat man auf der Brücke einfach zwei Stockwerke eingerichtet. Im oberen Stockwerk kann man direkt aus der Oberstadt in rund 150 Metern Höhe über den Fluss fahren und kommt an der anderen Flussseite gleich wieder in der Oberstadt von Vila Nova (Neustadt) an. Und für die Leute aus der Unterstadt wurde das Erdgeschoß gebaut, das in rund zehn Metern Höhe verläuft. Die gesamte Konstruktion wird wie beim Eiffelturm durch einen riesigen Bogen gehalten. Läuft man im Erdgeschoß nach Vila Nova rüber, kommt man gleich im Zentrum des guten Geschmacks an, den berühmten Portweinkellern.

Ganz Vila Nova besteht eigentlich nur aus diesen Kellern, in denen der Port entweder in der Flasche als teurere Version reift oder im Holzfass für das Proletariat. Natürlich gibt es in Porto auch eine Art Hofbräuhaus für dieses Gesöff. Doch Bier mit Port zu vergleichen ist sicher genauso bescheuert, wie Meenzer Fassenacht mit Münchner Fasching. So ist das Haus des Portweins natürlich eine Quinha, ein altes Gutshaus, das mit schnieken Kellern, großen, breiten Sesseln und einem Park mit Springbrunnen bestückt ist. Natürlich schreckt ein solches Ambiente den monetär etwas angeschlagenen teutonischen Globetrotter ab, aber anscheinend soll hier durch Kampfpreise von 1,50 € pro Glas 10-jährigem Port der eingefleischte Pilsverehrer zum Portgenießer umgepolt werden. Probiert es am besten selber aus, wenn Ihr mal dort unten in der Ecke seid.