Mittlerweile habe ich das sog. 2. Guyana durchquert, da Surinam früher Niederländisch Guyana hieß, und die Holländer dieses Land 1667 von den Engländern im Tausch gegen New Amsterdam, besser bekannt unter dem Namen Manhattan (New York City), eingetauscht hatten.
Im Gegensatz zu Französisch Guyana ist Surinam nun seit 1975 unabhängig, aber die Verbindungen zu Holland scheinen noch immer zu bestehen: Jeder hier (vielleicht mit Ausnahme von mir) bedauert dass das Oranje Team nicht zur Fußball WM fahren darf, denn Fußball ist hier Nationalsport Nummer 1, dank Clarence Seedorf, dem holländischen Fußballstar, der hier eine Fußballnationalmannschaft samt Stadion aufbaut. Außerdem fahren natürlich die schrottreifen Autos der alten Kolonialmacht bis zum Auseinanderfallen weiter, obwohl hier Linksverkehr herrscht, und damit eigentlich das Steuer besser rechts angebracht wäre. Der Linksverkehrt ist auf den Kutschen-Linksverkehr vor 1667 von den Engländer eingeführt, zurückzuführen. Es ist schon ein angenehmes Gefühl endlich wieder mit diesen zweifelhaften Gefährten unterwegs zu sein, die höchstens 60 km/h fahren, nachdem in Französisch Guyana mit 140 km/h in ‚Raketengeschwindigkeit‘ durch den Urwald geprescht wurde.
Die Hauptstadt Surinams mit dem wunderschönen Namen Paramaribo (zu deutsch aus dem Sranan Tango (Surinamesisch): Ort an dem der Maramara-Baum wächst) ist wirklich ein Amsterdam in den Tropen. Die ‚Waterkant‘ ist mit stilvollen Holzhäuschen übersät, die auch an einer Gracht 7.000km weiter nordöstlich stehen könnten. Allerdings ist Parbo, wie die Einheimischen sagen, nicht immer ganz ungefährlich, zumindest für Fußgänger, denn Fußgängerampeln gibt es nicht. Dafür aber Ampeln für Autofahrer, die man als Fußgänger wiederum nicht einsehen kann. Plötzlich befindet man sich dann in folgender Situation: An allen Ecken warten die Autos, und man weiß eh schon nicht mehr wohin man beim Linksverkehr blicken soll, und dann heißt es den ganzen Mut zusammennehmen und die Fahrbahn überqueren, da man ja nie weiß, wie viele Sekunden bleiben, das rettende Ufer in Form eines Bürgersteiges zu erreichen.
Von Surinam können einige Regionen unserer Erde wirklich etwas Lernen, was das Zusammenleben von Kulturen anbetrifft. Die Bevölkerung besteht aus ca. 50% Afroamerikanern, die seit der Abschaffung der Sklaverei, nicht mehr in den Plantagen der Weißen arbeiten wollten. Daher wurden neue Arbeiter aus Indien und Indonesien herbeigeschafft, die mittlerweile die anderen 50% der Bevölkerung ausmachen. Vier große Weltreligionen sind in Surinam durch diese multikulturelle Gesellschaft hier vertreten: Moslems (Indonesier und einige Inder), Hindus (Inder), Christen (Afroamerikaner) und Juden (einige Weiße). Dieser Mischmasch an Religionen und Kulturen lebt hier nicht nebeneinander sondern miteinander. In Parbo z. B. steht die Synagoge direkt neben der Moschee und keiner hat damit ein Problem. Natürlich sind die Surinamesen auf ihre kleine heile Welt gerade in diesen Zeiten mächtig stolz und meiner Meinung nach haben sie auch einen guten Grund dazu…
Kulinarisch hat dieser Völkermischmasch natürlich auch paradiesische Zustände für Gourmets hervorgebracht. Frühstücken auf europäisch mit gutem Koffie (Cafe) und Schokokuchen, dann einen Chicken-Curry-Sandwich als Zwischenmahl bevor es Nasi Goreng oder Bami Goreng als Mittagessen gibt. Nachmittags dann die leckeren Früchte von den Märkten als Vitaminschocker (Litschis, Bananen, Mangos, Papayas etc.) und abends von den Holländern Pommes mit Mayo. Na dann guten Appetit.
Von Parbo ging es weiter an der Nordküste Südamerikas weiter in Richtung Westen, um in das dritte Guyana, das nun auch tatsächlich einfach Guyana (früher Britisch Guyana) zu gelangen. Der Name Guyana soll eigentlich von einem Indianerstamm, den Yuyannas abgeleitet sein. Andere Quellen besagen, dass Guyana „Land des reichlichen Wassers“ bedeutet. Dieser Interpretation stimme ich voll zu, da hier alle paar Kilometer riesige Ströme bei der Reise nach Westen zu überqueren sind. Außerdem regnet es hier regelmäßig auch in der Trockenzeit, und Guyanas Hauptstadt ist mit Kanälen (ähnlich wie in Freiburg)durchzogen. Und schließlich gibt es hier noch den höchsten frei fallenden Wasserfall (ohne Kaskaden) der Welt.
Auch das dritte Guyana hat mit dem, was man sich unter dem Subkontinent Südamerika vorstellt absolut nichts gemein. Vielmehr ist das Land von karibischen Einflüssen geprägt, und ich fühle mich an meine Reise letztes Jahr durch die Inselwelt der kleinen Antillen stark erinnert. Auch die „No Problem People“ tauchten in Guyana wieder auf. Die erste dieser Personen war ein etwas makaberer Typ im Moslemgewand und sehr sehr langem Bart, der sich selbst ständig „Bin Ladin“ nannte, und es total cool fand, einen Ami (ich), der gar keiner war, mit seinem „Terror Ship“ (japanischer Minibus) vom Grenzfluss zu Surinam in die Hauptstadt Georgetown zu bringen. Zu seinem „Service“ gehörte Schwarztauschen von US-Dollar zu einem echt guten Kurs (wo im Busch soll man auch eine Bank finden), die gleich mit dem Fahrpreis verrechnet wurden. Danach besorgte er für alle Nasi Goreng hinter der Grenze zum Essen, und er drängelte so geschickt mit seinem „Terror Ship“, dass wir als erste wieder von der Fähre über einen weiteren Fluss herunterkamen, und dann in der Pole Position Richtung Georgetown düsen konnten. Natürlich setzte er mich auch noch genau an meinem Hotelschuppen ab, den ich mir vorher ausgesucht habe, da er das finanzielle Budget nicht sonderlich belastet.
Genau dort traf ich dann zum erstem Mal auf dieser Tour so richtige Touris, die dann natürlich auch noch genau aus Mainz kommen müssen. Per Email hatten Steffen, Jochen und ich ganz sponti-mässig ausgemacht, uns in Georgetown, wenn irgendwie möglich zu treffen. Dass dies dann geklappt hat, war natürlich gut, für die Brauereiindustrie Guyanas und ein harter Job für einige Barkeeper…
Nach einem Tag trennten sich dann wieder unsere Wege, da Jochen und Steffen unbedingt den Schildkröten beim Eierlegen zuschauen wollten, und ich nun langsam landeinwärts touren wollte, um irgendwann mal am Amazonas in Manaus herauszukommen.
Bis es bei mir weiterging, versuchte ich den Lieblingssport Guyanas endlich mal zu verstehen. Um es vorwegzunehmen: Beim Cricket Game West Indies (alle Karibikstaaten) gegen Indien war ich zwar physisch anwesend, doch ich raffte nicht gerade viel. Außerdem kam ich mitten im Spiel erst an, da diese Verrückten doch tatsächlich von 9.30 bis 17.30 durchspielen. Wer gewonnen hat? Keine Ahnung! Obwohl zahlreiche Guyana-Fans mir versuchten, irgendeine Logik bei diesem Spiel zu zeigen. Vielleicht könnt Ihr mir ja weiterhelfen. Auf jeden Fall war das Spiel eh nur Nebensache, denn es gab einen extra DJ der das Publikum ständig mit guten Beats einheizte, und die Stimmung zum Kochen brachte. Doch die Stimmung artete nur in eine grenzenlose Party aus, ohne dass auch nur eine Person irgendwie aggressiv wurde. Tja, andere Länder andere Sitten. Hooligans gibt es hier einfach nicht, dazu sind die Leute einfach viel zu locker drauf…
Am nächsten Tag ging es dann wieder on the road bzw. ON AIR, denn in Guyana kann man viele Gegenden weder mit dem Boot (zu viele Wasserfälle) noch mit dem Auto (keine Strassen, zu viel Wald) erreichen. Daher gibt es das gute alte Flugzeug. Doch hier läuft das Fliegen etwas anders ab, als wir es kennen. Die Maschine vom Typ Briten Norman Islander hatte lediglich 9 Sitze, wobei eigentlich 10 Passagiere mitkommen hätten können, da der Sitz des Co Piloten leer blieb – drastischste Sparmaßnahme? – keine Ahnung. Die Maschine kann nur 65 Gallonen Treibstoff tanken, dies sind rund 250 Liter oder 200 kg. Daher werden schon mal ein paar Kerosinfässer hinten in den Gepäckraum verladen. Gefahrgutverordnungen gibt es hier wohl eher nicht. Übrigens verbraucht ein Airbus A320 schon 200 kg Kerosin, um überhaupt mal zur Startbahn zu rollen. Mit 90 Knoten etwa 160 km/h flogen wir dann über den Regenwald Guyanas. Vor dem Abflug aber mussten allerdings erstmal alle Passagiere gewogen werden. Die Resultate waren vor allem für die weiblichen Passagiere sehr schockierend gewesen. Handgepäck wurde auch gewogen und bei einer Freigepäckgrenze von 25 lbs. etwa 12 kg, musste ich doch für sage und schreibe 38 lbs. Übergepäck zahlen (20 US$). Die Tatsache, dass hier so exakt gearbeitet wurde, hatte in mir erst mal ein gutes Gefühl ausgelöst. Auch der Start war eigentlich echt lässig. Dumm nur, dass wir genau in eine Gewitterfront herein geflogen sind. Der Regen und die Wolken durchschüttelten das Flugzeug wie ein Mixer einen Wodka Martini, und als es begann, ins Flugzeug hereinzuregnen, fing ich langsam an, mir so meine Gedanken zu machen. Als es dann auch noch blitzte wollte ich nur noch heil wieder rauskommen. Für Leute mit Flugangst war dies eine richtige Schocktherapie gewesen.
Ich machte mir zwischen Hoffen und Bangen, dann Gedanken, wie ich den Rück- bzw. Weiterflug irgendwie verhindern könnte, denn ich hatte keine große Lust mehr, falls ich denn überhaupt heil lande, noch mal mit dieser Kiste zu fliegen. Das Einzige was mich irgendwie beruhigte, waren die anderen Passagiere, die z. T. sogar schliefen! Der Pilot hinter dem ich unmittelbar saß, machte seine Aufzeichnungen während des Gewitters, als ob er einen Lottoschein ausfüllen würde, und zum Glück funktionierte wenigstens das GPS-Gerät, mit dem die Maschine ausgestattet war. Und plötzlich war alles vorbei. Flogen wir die ganze Zeit durch Wolken in einer Höhe von 6800 Fuß (ca. 2.200 m ) – mehr lässt die nicht vorhandene Druckkabine nicht zu – wurde es immer heller und dann war mein Ziel auch schon erkennbar: Die Kaieteur Wasserfälle, die wie gesagt, die höchsten der Welt ohne Kaskaden sind, wurden durch die Wolkendecke sichtbar.
Der Pilot flog auch noch extra eine Schleife, damit jeder dieses herrliche Naturschauspiel von oben genießen konnte. Rundherum nur Regenwald und ein mäandernder Fluss, der plötzlich in einer Stufe von 800 Fuß von einem Hochplateau in die Tiefe stürzt. Der Airstrip und 3 Häuser waren die einzigen Zeugen von Zivilisation in diesem Gebiet. Ich war natürlich der Einzige der hier ausstieg, die anderen Mitflieger hatten natürlich besseres zu tun, als sich mitten im Regenwald absetzen zu lassen. Doch so ganz alleine war ich nun auch nicht, denn schließlich gibt es Paul, den indianischen Ranger, der in einem „Guesthouse“ direkt an den Fällen für den Fall ausharrt, das so jemand wie ich, mal hier vorbeischaut.
Wie die Story weitergeht… Schauen wir mal… Ich muss jetzt mal langsam was zu Essen fassen, denn meine Fingermuskulatur ist mittlerweile vom Tippen ganz schön beansprucht…