„Vielleicht ist es nicht die schlechteste Idee, nach Fastnacht mal auf eine Insel zu fahren, den Kopf frei zu bekommen und aus der Ferne den Status Quo rund um unseren geliebten Fußballsportverein zu analysieren. Allerdings wird dies kein weiterer „Meilenstein“, der sich mit der sportlichen Situation im Fußball in Liga 1 auseinander setzt. Schließlich weiß ich ganz genau, wovon ich keine Ahnung habe. Und es gibt da Menschen im Verein, die das sicher besser beurteilen können.
Was ich hoffe, beurteilen zu können, ist die Situation neben dem Platz, in der wir uns aktuell befinden: Wir, das bedeutet für mich Vereinsverantwortliche, Spieler, Fans. Interessanterweise wird von Sandro oft die gute alte Zeit beschworen, in der bei Mainz 05 alle zusammenhielten. Doch damals gab es noch kein Internet aber bereits Leute, die alles besser wussten als Trainer und Manager. Diese Leute gibt’s wohl, seitdem Fußball als so attraktiv erscheint, dass dem Spiel passiv beigewohnt wird. Matthias Sammer hat natürlich Recht, wenn er behauptet, Fußball gab es vor den Fans. Allerdings sollte er überlegen, warum er soviel Kohle in seiner Karriere gescheffelt hat. Fußball um des Fußball willens funktioniert…in der Kreisliga. Ohne Zuschauer gibt’s letztlich kein Geld zu verdienen. Er sollte vielleicht mal bei den OlympionikInnen nachfragen, wie die sich zwischen den Spielen vier Jahre lang finanziell durchschlagen und nun wieder bis Beijing 2022 medial in der Versenkung verschwinden.
Aber zurück zur angeblich guten alten Zeit bei unserem Verein. Für Motzer und Meckerer war früher nur Platz am Stammtisch und für diese Leute ist das WWW wahrlich ein Geschenk des Himmels, wurde doch schließlich die ganz persönliche Meinung durch einen Mausklick nun für die gesamte Netzgemeinde weltweit lesbar – was vorher höchstens noch der Nachbartisch mitbekommen hat.
Auch heute glaube ich, dass wir wie anno dazumal alle ein Ziel haben: Den maximalen Erfolg unseres Vereins. Ich glaube nicht, dass es eine Gruppe im Umfeld des Vereins gibt, die bewusst quertreiben möchte. Das ist für mich schon ein starkes Pfund im Abstiegskampf. Hier trifft niemand kühne Entscheidungen im Alleingang. Auch muss einem Kind kein Spielzeug weggenommen werden. Aber es gibt seit den Tagen als die alten Helden Jürgen und Don das Schiff Mainz 05 verlassen haben einfach ein Vakuum, das bisher nicht gefüllt wurde. Es handelt sich dabei genau um das, was Sandro mit „früher“ bezeichnet. Früher wurde sich zusammengesetzt, disputiert und eine Lösung gefunden. Das funktionierte oft am Zaun von Lübeck, Kiel und Medias, gefühlt hundert Mal in Fürth und vielleicht auch in Velbert aber sicher hinter den Kulissen, weil sich die Protagonisten auch lange genug kannten, um tiefer liegende Ursachen für Missstimmungen anzugehen. Dieses Vakuum müsste halt jemand füllen, der auf der Trainerbank während der Spiele Platz nimmt und direkt „eingreifen“ kann, also Kuhni, Sandro oder Rouven. Das funktioniert aber natürlich nicht von jetzt auf gleich und wenn man sich dazu nicht in der Lage fühlt oder sieht, dann klappt das halt nicht so wie früher. Wäre zwar kacke, ist dann aber halt so. Aber das ist meiner Meinung nach die sooft beschworene 05-Identität.
Seit geraumer Zeit habe ich aber ohnehin schon ein ganz klein wenig das Gefühl, dass man als aktiver 05-Fan oft nur lästiges Beiwerk beim Geschäft Profifußball ist. Es kommt jetzt allerdings keine DFB-Schelte, denn die großen Probleme sind ohnehin bekannt.Es sind die kleinen Mainz-bezogenen Dinge, die mich da nachdenklich stimmen. Dass z.B. die Mannschaft in Hoffenheim nicht zum Zaun kam, ist für mich ein Déjà vu, fuhr ich doch in Liga 3 häufig auch mal auswärts – zuletzt im April 2017 nach Regensburg, dienstags abends zur U23. Insgesamt hatten sich rund 10 05er aufgemacht, die Jungs im Abstiegskampf zu unterstützen. Wir waren als Gästefans eindeutig erkennbar und die Jungs machten sich auch vor uns warm. Nach dem verlorenen Spiel kam genau eine Person zum Block: Niki Zimling – der Rest der jungen 05er machte sich frustriert mitsamt dem Trainer-Team ab in die Kabine. Nein, man muss nicht zu den Gästefans gehen, da hat Philipp Köster von „11 Freunde“ Recht (allerdings hat er von unserer Situation leider wenig Ahnung).
Aber es ist halt schon ein Statement, das man abgibt: Uns sind die mitgereisten Fans egal. Oder wird man als Fan erst wahrgenommen, wenn man in der großen Masse auftritt? Denn hier zählt das Argument des Schmähgesangs nicht. Natürlich kann man mit 10 Leuten keinen Mega-Support leisten, aber angeblich bekommen das die Spieler ja eh während des Spiels nicht mit. Also frage ich mich schon, warum die höchste Ausbildungsmannschaft der 05er einfach nach dem Spiel abhaut. Den Jungs wird doch neben dem Fußball so viel vermittelt. Das wäre für mich ein Ansatzpunkt für die 05-Identität: Geht nicht nur zusammen in der Halbzeitpause vom Platz, sondern nachkicks im wahrsten Sinne des Wortes auf die Fans zu – egal ob es 5, 50, 500 oder 5.000 sind. Wollen die euch nur beleidigen, dreht einfach ab – das habe ich im Stadion am Europakreisel in sportlich besseren Zeiten öfters beim Gästeteam beobachtet – denn Beleidigungen braucht wirklich niemand und sie motivieren Spieler bestimmt nicht. Aber partout keinen Schritt in Richtung eigener Fans zu machen, ist und bleibt eine nicht hilfreiche Aktion, wenn es eh an allen Ecken und Enden brennt. Das wirkt dann wie ein Brandbeschleuniger.
Zurück zu Niki Zimling. Der alte Leader wusste was sich in Regensburg gehört, dabei war er es, der schon vor weit mehr als 10 Fans auswärts gespielt hat – anders als seine jungen Mitspieler. Und da sind wir beim nächsten Punkt, den Spielern selbst. Früher bei Sandro war die Verweildauer der Spieler bei Mainz 05 wesentlich länger als heute. Junge, talentierte Spieler zu holen, aufzubauen und teuer zu verkaufen, ist für unseren Verein eine gute Idee für das Haifischbecken Bundesliga mit dem Kollateralschaden, dass diese Jungs keine Bindung zum Verein und keinen Bezug zur Stadt aufbauen. Auch hier ist der Verein gefordert, die Jungs in die lokale Kultur einzuführen. Selbst die großen Bayern zwängen Weltstars zum Oktoberfest in die Lederhose. Da sollte es doch möglich sein, den Spielern etwas über die politisch, literarische Fastnacht beizubringen, die eine gewisse Selbstironie mit einschließt. Dann hätten die verantwortlichen 05er in Hoffenheim vielleicht verstanden, dass der Block, der halt einen an der Waffel hat, das nicht bierernst gemeint hat. Oder definiert man im Verein Fastnacht nur mit einem verkleideten Bajazz?
Und wir Fans? Was haben wir verbockt? In Hoffenheim sicherlich nach dem zweiten Tor von Emil nicht nochmal richtig Gas zu geben. Aber Fans sind halt auch nur Menschen, die nicht auf Knopfdruck supporten. Und jeder hat das Recht, zu supporten oder es sein zu lassen oder auch so zu supporten, wie es einem gefällt, so lange es keine Beschimpfungen sind. Ich habe natürlich leicht reden, hocke ich ja gerade fernab auf einer Insel, aber dennoch hoffe ich für Samstag auf eine große Unterstützung der Mannschaft in Hamburg und hoffe ferner, dass diejenigen, die sich seit geraumer Zeit missverstanden oder nicht ernst genommen fühlen, differenzieren zwischen der aktuellen sportlichen Lage unseres Vereins und der von ihnen so wahrgenommenen Situation, die es mittelfristig mit den Vereinsvertretern zu lösen gilt.
Denn wir alle sind gerade in der glücklichen Lage, einen neuen, unverbrauchten Präsidenten, einen allseits anerkannten, gewählten Fanvertreter im Aufsichtsrat, eine handlungsfähige Fanabteilung, einen kompletten Vorstand und rührige Supporters zu haben, die sich hoffentlich alle auf Augenhöhe begegnen und die Gräben zuschütten, die mit der Zeit entstanden sind.