Heut finden die Pokalfinale statt und damit endet die Saison 2019/20 – Relegation ist Mist und zĂ€hlt nicht đ âEndlich!â werden wahrscheinlich viele von uns sagen. Das ist weitgehend Konsens. Manche Puristen des Spiels, denen Fankultur mindestens egal oder gar suspekt erscheint, die niemals in ein Stadion gehen wĂŒrden, sondern es als das Normalste der Welt ansehen, das Gekicke von 22 Leuten in aller Ruhe am heimischen FernsehgerĂ€t zu verfolgen, haben eventuell sogar noch nicht genug. Sie sind vielmehr oft der Auffassung, dass das Geschehen auf dem Platz besser zu verfolgen sei, ohne diesen LĂ€rm und diese âSelbstdarstellungâ der StadiongĂ€nger*innen.
Dies klingt vielleicht ein bisschen gehĂ€ssig. Es soll nur verdeutlichen, was diese Leute in den sozialen Netzwerken bezĂŒglich der Geisterspiele in den letzten Wochen verkĂŒndet haben. Diese Meinung gilt es zu respektieren. Ein GroĂteil der Menschen, die sich fĂŒr FuĂball interessieren, haben diese Geisterspiele jedoch als Notlösung angesehen: Um die Fernsehgelder flieĂen zu lassen, die Saison sportlich zu beenden, den Menschen etwas Abwechslung in der Phase der EinschrĂ€nkungen zu bieten (kein Scherz), im GesprĂ€ch zu bleiben und damit weitere Erlöse zu erzielen etc. Vor dem Re-Start der Bundesliga hat sich andererseits ein Teil der FuĂballinteressierten gegen Geisterspiele positioniert. Es ist anzunehmen, dass sich dieser Teil an Menschen hauptsĂ€chlich aus StadiongĂ€nger*innen zusammensetzt.
Die DFL musste aber auch von Menschen, die mit FuĂball nichts am Hut haben, massive Kritik einstecken. Sie brachte es fertig, die Gesellschaft zu spalten. Am Anfang lief es tatsĂ€chlich nicht rund, wenn ich insbesondere die Situation von Dynamo Dresden betrachte, deren Mannschaft wegen einiger Corona-FĂ€lle gleichmal in QuarantĂ€ne geschickt wurde und dann innerhalb kĂŒrzester Zeit wesentlich mehr Spiele absolvieren musste, als die Konkurrenz.
Aber je lĂ€nger der Ball wieder rollte, desto leiser wurde die Kritik am Konzept der DFL. Genau das hatte sie sicherlich einkalkuliert. Der GroĂteil der aktiven Fanszenen hatte sich zum Re-Start, wie zu erwarten war, kritisch positioniert und das Pulver an Argumenten verschossen. Danach verstummten viele Szenen â schlieĂlich war die Saison fĂŒr diesen Personenkreis im MĂ€rz beendet. Zwar wurde wĂ€hrend der Geisterspiel-Phase von âUnsere Kurveâ, der Interessengemeinschaft der organisierten FuĂballfans, zunĂ€chst ein Appell verschickt, auf kĂŒnstliche StadionatmosphĂ€re im Fernsehen zu verzichten und mit âQuo vadis, FuĂball?â klare Forderungen zur VerĂ€nderung des ProfifuĂballs gestellt. Ebenfalls wurde eine Initiative âUnser FuĂballâ ins Leben gerufen, die Vereine und VerbĂ€nde auffordert, âdie Zukunft des FuĂballs grundlegend neu zu gestalten â basisnah, nachhaltig und zeitgemĂ€Ă.â Aber sind wir ehrlich. Haben wir das alles gelesen? Haben wir es geteilt? Gab es eine virale Welle, die auch diejenigen erreicht hat, die Fankultur „nur so“ mitnehmen, wenn es um schöne Choreos geht oder um tolle karitative Ideen, wie die GĂ€nsje-Aktion, die sich aber sonst nicht wirklich positionieren? Wohl weniger.
Auch zahlreiche Medien lieĂen, anders als frĂŒher, Fanvertreter zu Wort kommen â was tatsĂ€chlich anzuerkennen ist. Aber das waren eher PausenfĂŒller, leider.
Wenn ich ab und an in die sozialen Netzwerke geschaut habe, dann wurde zwar immer mal wieder das Bedauern ausgedrĂŒckt, nicht ins Stadion gehen zu dĂŒrfen, doch es wurde sich viel lieber mit gröĂter Passion ĂŒber die Performance der Spieler und den Trainer ausgetauscht â so als wĂ€re nichts passiert. Mit jedem spielbezogenen Post, mit jedem Kommentar und jedem Like konnte sich die DFL bestĂ€tigt fĂŒhlen. Die oben genannten Initiativen erhielten hingegen von vielen FuĂballinteressierten kaum virtuelle Zuwendung. Die DFL hatte tatsĂ€chlich Recht behalten. Brot und Spiele hat schon vor 2000 Jahren wunderbar funktioniert. Es lenkt wunderbar ab, von den Diskussionen, die vor dem Re-Start allenthalben gefĂŒhrt wurden. Ja, der FuĂball mĂŒsse sich verĂ€ndern. Kaum ging es aber los, war wieder eine verpasste Chance im Geisterspiel, eine Fehlentscheidung oder der allseits beliebte VAR das Thema der Stunde. Zum Ende der Saison ging es dann darum, dass einige Vereine wohl keine Ehre mehr hĂ€tten, da sie wahlweise gegen Mainz und Hoffenheim oder gegen Bremen sich so lustlos prĂ€sentiert hĂ€tten. Und wie war das mit Dynamo, wie oben beschrieben? War das ein sportlich fairer Umgang seitens der DFL? Das nur mal am Rande! Scheint aber nicht mehr wirklich interessiert zu haben.
Und fĂŒr viele Fans, die nie auswĂ€rts fahren hatte sich in der Tat nicht viel verĂ€ndert â höchstens, dass anfangs das AuswĂ€rtsspiel auf dem heimischen Sofa und nicht in der Lieblingskneipe mit Pay-TV-Vertrag geschaut werden konnte. Aber zum Ende der Saison war fĂŒr viele fast alles wieder ganz normal â auĂer fĂŒr die StadiongĂ€nger*innen, die auch auswĂ€rts fahren.
Und jetzt? Es ist Sommerpause und es wird daran getĂŒftelt, wie es in der nĂ€chsten Saison weitergehen kann. Reine Geisterspiele will natĂŒrlich auĂer den oben genannten Puristen niemand. Daher wird es irgendwann in der Saison 2020/21 darauf hinauslaufen, dass Zuschauer wieder dabei sind. Welche Restriktionen ihnen auferlegt werden, wie z.B. ein Verbot zu singen, zu pöbeln und zu grölen, wie in den Niederlanden, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass die volle KapazitĂ€t an Zuschauern im Stadion unrealistisch ist. Dadurch werden sicherlich auch nicht alle Inhaber*innen einer Dauerkarte in den Genuss der Spiele kommen. StehplĂ€tze werden sicherlich wie bei Europapokalspielen in SitzplĂ€tze umgewandelt und die Tickets werden mit Sicherheit personalisiert, damit die Zuschauer*innen nachverfolgt werden können, falls es zu Ansteckungen kam. Es wird zu Verlosungen von Tickets kommen. Ob es so krass wird, wie in der Schweiz, bei der die HĂ€lfte der Kontingente an Sponsoren und andere VIP geht, bleibt abzuwarten. Wenn allerdings, wie in der Schweiz, auf GĂ€stekontingente verzichtet wird, dann hat sich der FuĂball und das Stadionerlebnis tatsĂ€chlich massiv verĂ€ndert â ob zum Guten oder zum Schlechten bleibt jedem selbst ĂŒberlassen. Das kann ja dann vom heimischen Sofa aus wunderbar in den sozialen Netzwerken kommentiert werden â zwischen den beiden Halbzeiten als PausenfĂŒller, wĂ€hrend in der Glotze Werbung lĂ€uftâŠ
Quellen:
Quo vadis, FuĂball? âą Unsere Kurve
Unser Fussball – basisnah, nachhaltig und zukunftsfĂ€hig – Unser Fussball
Wie Fans in der Schweiz auf Ăffnung der Stadien reagierten â Faszination Fankurve