Das Lieblingsthema unseres letzten Bundespräsidenten war das Thema „Freiheit“; vielleicht weil er in der DDR aufgewachsen ist. Dadurch schätzt er eventuell die uns in der Bundesrepublik garantierte Freiheit der Meinung, der Presse und der Wahl vielleicht noch einen Tick mehr, als bspw. ich selbst als Meenzer, der nie in einem unfreien Land leben musste.
Dennoch bin auch ich mir bewusst, dass es in unserer Welt nicht selbstverständlich ist, meine Stimme bei einer Wahl abgeben, täglich die verschiedensten Presseartikel lesen und meine Meinung z. B. hier äußern zu dürfen. Am Sonntag hatten nun alle 05-Mitglieder die Freiheit, von ihrem Recht auf das Wählen Gebrauch zu machen. Rund 93 Prozent der Mitglieder nutzten ihre Freiheit dazu, auf ihr Wahlrecht zu verzichten. In manchen Demokratien wie bspw. in Belgien gibt es eine Wahlpflicht zur Bestimmung des Parlaments – bei Mainz 05 allerdings nicht.
Und am Sonntag haben wahrscheinlich viele jüngere Menschen erstmals von ihrer Freiheit Gebrauch gemacht, zu wählen. Es ist gerade in diesen unruhigen Zeiten ein ganz starkes Zeichen, dass die Demokratie auch von einer Generation gelebt wird, die zum Beispiel die Teilung Deutschlands, den kalten Krieg oder das dritte Reich nur noch aus dem Geschichtsunterricht kennt. Das ist genau das, was zum Beispiel einen gemeinnützigen Verein so wertvoll für unsere Gesellschaft macht. Und es bleibt zu hoffen, dass diese Menschen auch in Zukunft von ihrer Freiheit Gebrauch machen, den zu wählen, den sie wählen möchten: bei der Bundestagswahl, bei der Sozialwahl, bei der Betriebsratswahl etc. Dass die Mädels und Jungs einen Chant angestimmt haben – geschenkt.
Es hat jede(r) die Freiheit, sich über das Ergebnis dieser Vorstands- und Aufsichtsratswahl seine Meinung zu bilden: Gewählte, Abgewählte, Mitglieder, Nicht-Mitglieder, Nominierte und Nicht-Nominierte. Auch besteht die Freiheit, diese Meinung Kund zu tun oder lieber für sich zu behalten. Und ja, es besteht auch die Freiheit, mit seiner postulierten Meinung dem Verein zu schaden. Das muss ein Verein aushalten können. Mit der neuen Satzung kann sich aber niemand mehr im Verein die Freiheit nehmen, alleine über elementare, strategische Dinge zu entscheiden. Wenn also die Meinung herrscht, ein Vorstandsvorsitzender hat die Freiheit, alleine den Verein Mainz 05 ins Verderben zu führen, dann ist diese Meinung legitim. Ob sie allerdings der Realität entspricht, steht auf einem anderen Blatt. Schließlich gibt es da nun noch einen Aufsichtsrat als Kontrollinstanz.
Das hohe Gut der Pressefreiheit ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Jährlich sterben Journalisten, weil sie ihren Job machen und sich die Freiheit nehmen, über Dinge zu berichten oder Dinge zu kommentieren. Gegenwärtig erfährt die Presse in vielen Demokratien ein Mobbing sondergleichen – Stichworte Lügen und Presse. Gerade ein Donald Trump wirft mit dem Begriff der Fake News um sich und attackiert dabei beinahe täglich Journalisten, die einfach nur ihre Arbeit verrichten, nämlich zu recherchieren, zu kommentieren, zu informieren. Dass aus populären Meinungen eines Menschen zum Kommerz im Fußball Populismus herbeigeschrieben wird, ist meiner Meinung nach grenzwertig aber selbstverständlich durch die Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt. Allerdings versteht sich die Presse selbst als vierte Macht im Staat und sollte ihre Worte doch sehr abwägen, gerade wenn es sich um einen recht unbekannten Menschen handelt, der sicherlich keine große, allgemein bekannte Vergangenheit als Populist hat. Dass am Sonntag unmittelbar nach den Wahlen aber ein Journalist gerade Trump mit dem neugewählten Vorstandsvorsitzenden verglich, hat mich schockiert.
Verwundert hat mich am Sonntag auch der Rückzug des Aufsichtsratskandidaten einer großen Mediengruppe. Aber natürlich hat er die Freiheit, sich so zu entscheiden. Dass dadurch ein anderer Kandidat nicht ins Rennen geschickt werden konnte, nahm er billigend in Kauf, obwohl die Chance, dass Kaluza das Rennen macht, bei recht hohen 33% lag. Seinen Rückzieher auch noch ganz offen mit dem freiheitlich demokratischen Wahlergebnis zu begründen, befremdet mich sehr. Wenn ihm Mainz 05 am Herzen liegt, wäre es da nicht gerade wichtig, zu kandidieren, wenn ihm das Ergebnis nicht passt, um im Aufsichtsrat als Korrektiv mitzuarbeiten. Außerdem hat er damit seinen Kolleginnen und Kollegen, die über diese Wahl zu berichten hatten, einen Bärendienst erwiesen. Natürlich nimmt sich die Leserschaft nun noch gezielter die Freiheit, sich eine Meinung über die Artikel zu bilden. Einen Tag nach der Wahl mit dem Titel aufzumachen, der Aufsichtsrat hat Fragen an Kaluza, suggeriert hier schon ein Misstrauen, gegenüber einem Menschen, der bisher als unbescholten gilt. Zwei Tage nach der Wahl dann einen unterlegenen Kandidaten zu Wort kommen zu lassen, um diesem die Möglichkeit zu geben, den gewählten Kandidaten öffentlich aufzufordern, aktuell hypothetische Handlungen zu unterlassen, ist extrem schlechtes Timing.
Aber die Kommentare auf Facebook, die sich auf den heutigen Artikel beziehen, lassen erkennen, dass die Leserschaft mündiger ist, als vielleicht erwartet. Und dass die Ultras die Wahl im Alleingang gewonnen haben, korreliert mittlerweile wohl mit dem Glauben an den Osterhasen. Ich habe keine Ahnung, warum sich Teile der Presse mehr oder weniger einhellig auf den gewählten Vorsitzenden einschießen. Dass eine Berichterstattung auch ausgewogener geht, haben zum Glück die überregionalen Medien gezeigt. Interessanterweise kann sogar ein und derselbe Journalist über das gleiche Geschehen einmal mit den Worten “Trump”, “billigem Populismus” das Geschehen umschreiben. Bei einem Artikel für eine große Frankfurter Tageszeitung jedoch fehlen in seinem Bericht diese Schlüsselworte interessanterweise. Es geht also auch sachlich.
Jeder macht Fehler. Ich möchte z.B. gar nicht wissen, wie viele Rechtschreibfehler in meinem Kommentar enthalten sind. Vielleicht muss sich die schreibende Zunft an das Unberechenbare bei Mainz 05 erstmal wieder gewöhnen. So war es,wenn ich mich nicht täusche, auch ein wenig bei der Inthronisierung von Kloppo 2001 durch den Don. Und der Wunsch vieler Mitglieder, die sich für Doetz oder Röhr entschieden haben, ist doch auch der, der etwas andere Verein zu sein. Dazu haben wir jetzt die Chance. Und nochmal: Wenn eine Ausgliederung gefordert wird, kann kein Kaluza sich als der gallische Rebell ausgeben und dies verweigern. Und wenn ein Investor den Verein mit Geld zuschütten will, kann sich kein Kaluza einfach hinstellen und sagen, wir wollen Euer Geld nicht. Aber er kann sich die Freiheit nehmen, seine Meinung zur China-Sache und zur Halbzeitgestaltung des DFB-Pokalfinales zu äußern. Und ungewöhnliche Wege zu gehen, ist doch für unseren Verein fast schon Tradition, wenn wir da auch an Tuchel denken. Damals hat die Presse diesen Schritt recht wohlwollend kommentiert, weil sie Vertrauen in den Don hatten. Lasst uns doch alle erstmal schauen, wie sich die Neuen in ihren Ämtern machen und ihnen erstmal mit Vertrauen entgegen treten. Lasst uns ihnen eine Chance geben, so wie ich morgen auch wieder dankbar bin, fundierte Berichte der regionalen Presse lesen zu können.
In diesem Sinne nehme ich mir die Freiheit, mit den Worten der Supporters zu schließen: Bitte Ruhe jetzt!