Spätlese Paderborn 2019/2020

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Der dritte weltweite Streik fürs Klima ist zwei Wochen rum, aber ich versuche immer noch mit der Bahn zum Auswärtsspiel zu gelangen. Das hat allen Unkenrufen zum Trotz in den letzten 15 Jahren auswärts fahren auch immer funktioniert. Basis dafür ist erstens einen Puffer von ein bis zwei Stunden vorkicks einzuplanen und zweitens seine Rechte als Bahnfahrer*in zu kennen. Beides war am Samstag mal notwendig: Am Fernbahnhof in Frankfurt sollte mein ICE Richtung Köln zunächst fünf Minuten Verspätung haben. Diese vervierfachten sich plötzlich auf 20 Minuten. Zur gleichen Zeit traf am Nachbargleis ein weiterer ICE pünktlich ein, der ebenfalls nach NRW fuhr. Um mit der Bahn möglichst günstig durchs Land zu düsen gibt’s zum Glück den Sparpreis, der allerdings eine Zugbindung einschließt. Diese wird erst aufgehoben, wenn der Zug mehr als 20 Minuten Verspätung hat. Da ich in Köln allerdings nur elf Minuten Zeit zum Umsteigen in Richtung Hamm hatte, wäre mein Anschluss ohnehin weg gewesen. Daher rannte ich zum anderen ICE rüber und fragte, ob ich einsteigen dürfe.

Noch nie über einen "Refresh" der Bahn App so gefreut wie am Samstag.
Noch nie über einen „Refresh“ der Bahn App so gefreut wie am Samstag.

„Nein“ war die barsche Antwort des Schaffners. „Erst ab 25 Minuten Verspätung!“. Auf meinen Einwand hin, dass ich in Köln aber meinen Anschluss verpassen würde, zuckte er nur genervt mit den Schultern. Zum Glück lohnt es sich, bei der Bahn App auf „Refresh“ zu klicken. Einige Augenblicke bevor die Türen des ICEs geschlossen werden sollten, stand plötzlich in der App „Fahrt fällt aus!“. Über einen gestrichenen Zug habe ich mich wohl noch nie so gefreut, wie an diesem Samstag Morgen. Rein in den anderen ICE, der Schaffner war nun plötzlich handzahm und es ging problemlos direkt nach Dortmund Hbf. – auch wenn die Beschilderung im ICE kurz vor Dortmund zweisprachig wirr wurde…

Deutsch-Französisches Infowirrwarr der Bahn

Von dort im schnellen Schritt zur Regionalbahn weiter nach Soest (sprich „Sooooost“). Der große Vorteil am auswärts fahren mit der Bahn liegt ja darin, dass man viele Ecken unseres Landes früher oder später kennenlernt. Die Strecke Dortmund – Soest war für mich tatsächlich Neuland, obwohl ich bereits zum dritten Mal nach 2007 und 2014 nach Paderborn fuhr. Und das Schöne bei der Anfahrt nach Paderborn: ein fast leerer Zug in Richtung Bundesliga-Spiel! Kein Vergleich zu überfüllten Zügen rund um Gelsenkirchen, Gladbach oder Dortmund. Der letzte Zug von Soest nach Paderborn füllte sich tatsächlich erst um Salzkotten rum. Je mehr Leute mit blau-schwarzen Schals zustiegen, desto mehr Funklöcher gab es. Trotz Zugausfall war ich dann knapp zwei Stunden vor Anpfiff in Paderborn Hbf. angekommen.

02 (N)immer nuff:

Die nächste Frage, wenn man wie ich, mit Laptop anreist, ist die des Verstauens des Gerümpels vor dem Betreten des Gästeblocks. Den Angaben für Auswärtsfahrer zufolge sollte es möglich sein, seine Taschen gratis vor den Kontrollen abzugeben. Das klappt bei vielen Vereinen mittlerweile ganz gut. Allerdings hatte ich vor Jahren mal eine Tortur und musste ums halbe Stadion rumlaufen, ehe ich meine Tasche vor dem Müngersdorfer Stadion abgeben konnte. Deshalb finde ich das gute alte Schließfach immer ein prima Option, wenn es nicht, wie im Februar geschehen, in Wolfsburg das Schließfach plötzlich noch ein paar Euro möchte, obwohl ich meines Wissens für 24 Stunden vorab gezahlt hatte und ich es in Wolfsburg auch nicht wirklich länger als die 90 plus X Minuten ausgehalten hatte. In manchen Bahnhöfen mit einem hohen Anteil an Heimfans aus der ganzen Republik, wie bspw. in Gladbach, grenzt ein leeres Schließfach schon fast an einen 6er im Lotto – denn die Dinger sind meist Stunden vorher bereits komplett voll. Anders in Paderborn, wo es noch reichlich Auswahl gab. Den Kram rein ins Schließlich und rein in die Stadt. Durch die Verspätung konnte ich mir die angeblich hübsche Altstadt leider nicht mehr wirklich anschauen bzw. setzte dann doch lieber mit „Gustav Grün“ andere Prioritäten kulinarischer Art.

An Brot hat's kei' Not bei Gustav Grün - Theke zur Selbstbedienung im Imbiss
An Brot hat’s kei‘ Not bei Gustav Grün – Theke zur Selbstbedienung im Imbiss

Schließlich war ich seit 8.30 Uhr unterwegs und mittlerweile war es beinahe 14 Uhr. An unseren letzten Auftritt in Paderborn habe ich keine kulinarischen Erinnerungen mehr. Einzig und alleine die Gewissheit, dass es die Fischbrötchen, die 2007 das kulinarische Highlight der Kloppo-Abschiedssaison waren, nicht hinüber ins neue Stadion geschafft hatten – blieb kulinarisch gesehen vom ersten Bundesliga-Spiel in der Geschichte des SC Paderborn von damals hängen.

Leckeres veganes Essen in Paderborn bei "Gustav Grün"
Leckeres veganes Essen in Paderborn bei „Gustav Grün“

Daher „Gustav Grün“ – ein ziemlich leckererer vegetarischer und fast komplett veganer Imbiss. Entweder in der Box oder als Rolle gab es drei Salatsorten, dazu insgesamt fünf Toppings, die man sich individuell zusammenstellen konnte. Empfehlenswert waren zwei Humus-Arten aus sechs Varianten und drei Toppings wie bspw. Rote Beete-Bulgur, Mango-Linsen-Curry und eingelegter Blumenkohl, angemacht mit einem Dressing nach Wahl, wie bspw. Joghurt-Minze. Dazu noch ein paar Wedges oben drauf und Brotvariationen zur freien Auswahl. Langweiliges Essen in Ost-Westfalen geht anders! Danach schnell die Straße überquert und rein in den Shuttle-Bus, der auf der anderen Straßenseite startete. Zehn Minuten später war ich auch schon am Stadion angelangt.

03 Kon-Trolle

Da es bei „Gustav Grün“ kein Bier gab, laut Auswärtsinfo von Nullfünf im Gästeblock nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt werden würde und ich kein Bock auf Paderborner Tankstellenbier hatte, machte ich mich auf die Suche nach etwas Trinkbarem auf der Heimseite. Gesucht gefunden: Pilger Landbier vom Fass!

Es gibt nicht nur Tankstellen-Bier in Paderborn!

Richtig süffig, richtig lecker. Mit dem Pfandbecher ging es dann zur Kontrolle vor dem Gästeblock. Dort ließ man mich mit dem Bier nicht rein – aber auch mit dem leeren Pfandbecher nicht.

Pfandbons für Pfandbecher am Gästeblock in Paderborn - eine Spachtel schaffte es auch auf's Auswärtsspiel!
Pfandbons für Pfandbecher am Gästeblock in Paderborn – eine Spachtel schaffte es auch auf’s Auswärtsspiel!

Daher ging es dann für mich zurück zur angepriesenen kostenlosen Gepäckaufbewahrung. Diese bestand aus einem abgesperrten Bereich unter freiem Himmel. Ob mein Laptop in seiner Tasche Asteras-Tripolis-Platzregenstärke überstanden hätte, wage ich zu Bezweifeln. Daher war ich froh, dass nur mein Plastik-Pfandbecher dort auf Abholung warten musste. Mit dem Pfandbon in der Hand ging es dann in den Block hinein.

04 Kampf um den Mampf

Statt Fischbrötchen gab es „Manta-Platte“, andere Fleischgerichte, Pommes und Brezeln. Würde es das in jedem Stadion der Republik geben, müsste man sich wohl nie wieder vorkicks irgendwo den Ranzen vollhauen. Und das Bier? Das ost-westfälische Understatement kalkuliert wohl lieber erstmal alkoholfrei.

Manta-Platte…

Schließlich erinnerte  man sich wohl auf der Heimseite daran, dass Mainzer und Paderborner spätestens seit 2008, als Klaus Hafner in einer englischen Woche einen Paderborner Fan auf den Rasen des Bruchwegs beordert hatte, um die Aufstellung vor seinen 10 mitgereisten Fans vorzulesen, nie Probleme miteinander hatten.

…oder Manta-Betankung direkt am Stadion! Während dem Fußballspiel mal seine Kiste aufladen…geht hier in Paderborn!

Und so gab es dann doch Warsteiner vom Fass mit und ohne Alkohol. Und wer mit dem E-Auto gekommen ist, kann die Kiste während dem Spiel auch noch auftanken lassen…läuft!

05 Käfighaltung

Die Benteler-Arena fasst nur 15.000 Zuschauer, ist erst elf Jahre alt und hinter einer riesigen Baustelle entstanden. Alles nicht gerade gute Voraussetzungen, so eine Schüssel wirklich klasse zu finden. Aber ich finde den Paderborner Stil einfach grundsympathisch: nichts Protziges pompös aufbauen, sondern mit ost-westfälischem Understatement etwas Unscheinbares auf die Wiese stellen. Und wer glaubt, dass Mainz 05 gerade eine Zerreißprobe erlebt, dem sei ein Plausch mit Paderbornern empfohlen: Von der ersten Liga ging es 2015 in die zweite, dann 2016 in die dritte, wo sie gegen unsere U23 gespielt haben und fast reif für die Vierte waren und dann wieder in die Zweite und jetzt in die erste Liga. Das ist Berg-und-Tal-Horror für jede Fanseele!

Blick auf die Fanszene, die keinen Bock auf Dosenkooperation hat.

Und dass die Fanszene sich gegen eine Dosen-Kooperation erfolgreich im Sommer gewehrt hat, macht den Aufenthalt in Paderborn noch ein wenig attraktiver.

Fazit: Der Jahrgang 2019/2020 besticht durch gefälliges Understatement und macht die Fahrt nach Ost-Westfalen ergebnisunabhängig zu einem Saisonhighlight.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Schalke 2019/20

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Dass die DFL die Partie zwischen dem FC Schalke 04 und Mainz 05 auf den dritten globalen Klimastreik-Tag gelegt hat, war sicherlich Zufall – trotzdem ist es natürlich ein Funfact, dass der erste klimaneutrale Verein der Bundesliga an diesem Freitag auf den Revierclub traf, der, wie das gesamte Ruhrgebiet, auf seine Historie, die direkt mit dem Abbau der Steinkohle zusammenhängt, so stolz ist. Schließlich ist das Verbrennen von Stein- und Braunkohle die Klimasünde Nummer 1 bei uns in Deutschland. Doch in unserer heutigen Welt gibt es keine einfachen Antworten mehr, sprich die Guten (die Klimaverteidiger) und die Bösen (die  Kohlekumpels). Schließlich machte 2018 bereits die letzte Steinkohle-Zeche im Ruhrgebiet dicht. Dass die Klimaverteidiger von Mainz 05 einen Klima-Sonderzug einsetzten, war dennoch eine gute Aktion, um auf den Klimawandel hinzuweisen. Mit der Schnittmenge von Mainz 05 und der Nachhaltigkeit habe ich mich ja bereits beschäftigt.

Klares Statement seitens des FC Schalke 04
Klares Statement von Seiten des FC Schalke 04

Auch Schalke-Boss Tönnies hat den menschengemachten CO2-Ausstoß thematisiert; genauer gesagt im Sommer, in Paderborn beim Handwerkstag. Dass der Bogen, den er von der CO2-Problematik bis zur Geburtenrate einer Weltregion zog, von oben herab betrachtet und unpassend war, bestreitet wohl tatsächlich niemand. Dass der Aufschrei in der Debatte um seine Äußerungen so groß war, lag aber wohl daran, dass der Teil, um den es so vielen Kritiker*innen geht, ohne Manuskript und vielleicht auch deshalb in der Folge falsch, vielleicht sogar unwissentlich, wiedergegeben wurde: Aus „Afrika“ wurden „Afrikaner“ gemacht. Und dass wir eigentlich alle Afrikaner sind, weil wir alle aus Afrika abstammen, wurde die Tage auch gerade mal wieder erklärt: Genetisch gesehen sind wir Menschen praktisch identisch – es gibt vor allem keine regionalen Unterschiede in der DNA und folglich auch keine Rassen. Sprich wir werden erst zum Rassisten, wenn wir unterstellen, dass eine Menschen-Gruppe andere vorgegebene Merkmale hat als eine andere. Wer mehr dazu erfahren möchte, kann sich ja mal die unten angegeben Quellen anschauen.

Willkommen in Gelsenkirchen
Willkommen in Gelsenkirchen

Statt mit dem Klimasonderzug zu fahren, der relativ kurzfristig angesetzt wurde, ging es für mich mit der S-Bahn zum Frankfurter Flughafen und von dort mit dem ICE weiter in den Ruhrpott. Sprich auch das Betreten eines Flughafens muss nicht immer darin enden, ein Flugzeug zu nehmen, um ans Ziel zu gelangen. Auch so eine Schwarz-Weiß-Manier, die es bei einem vernetzten Verkehrskonzept in Zukunft zu bedenken gilt. Las ich auf der letzten Auswärtsfahrt die erste Ausgabe der „Golden Times“, zog ich mir diesmal die #5 des Mate Mannes rein. Wer auf ausgewogene Groundhopping-Berichte steht, wird in der #5 sicherlich fündig. Aber auch für Leser*innen, die mehr einen generellen Einblick in das Denken eines passionierten Fußballfans in unserer Fanszene erhalten möchten, sei das jüngste Werk von Nils empfohlen. Alleine die Rubrik „Und sonst so?“ macht das Fanzine schon kaufenswert, deckt es die Ereignisse in der Szene von Januar bis Juni 2019 ab – mein Highlight hier der Rückblick auf die Woche der Fantastic Females Ausstellung und die Podiumsdiskussion in unserem Fanhaus. Auch sehr lesenswert ist der Hintergrundbericht zur mittlerweile zerbrochenen Fanfreundschaft zu den Mädels und Jungs an der Bremer Brücke. Alles in allem macht die #5 schon Lust auf die nächste Ausgabe. Schön, dass es bei uns mittlerweile wieder einige Fanzine-Schreiberlinge gibt.  

02 (N)immer nuff:

Der Vorteil der individuellen Anreise nach Gelsenkirchen liegt auch daran, dass man nicht vom Sonderzug in die bereitstehenden Busse südlich des Hauptbahnhofs getrieben wird. Damit die Fantrennung möglichst konfliktfrei abläuft wird seit Neuestem der komplette Hauptbahnhof mit Sichtgittern geteilt. Das ist natürlich deutlich kostengünstiger als eine Hundertschaft der Polizei dort hinzustellen. Die Deeskalationsstrategie „was ich nicht seh‘ provoziert mich auch nicht“ – ging dementsprechend auch voll auf – denn herumgepöbelt wurde praktisch gar nicht – nur ein paar Gaffer konnten ihre Neugierde nicht unterbinden und mussten natürlich dann doch emol gucken.

Sichtschutz  in Gelsenkirchen Hbf.
Sichtschutz in Gelsenkirchen Hbf.

Da ich ja eh inkognito angereist bin und am Nachbargleis ankam, konnte ich mich vorkicks frei in der Stadt bewegen. Das hat in Gelsenkirchen den großen Vorteil, einen historischen Spaziergang unternehmen zu können. Zunächst ging es mit der Straßenbahn zum Ernst-Kuzorra-Platz und die Glückauf-Kampfbahn besuchen. Diese war von 1927 bis 1973 die Spielstätte des FC Schalke 04. Die Haupttribüne mit ihren Sitzplätzen steht heute unter Denkmalschutz. Dabei wurde das Stadion Mitte der 1920er Jahre als reines Stehplatzstadion geplant. Sitzplätze galten damals für einen Arbeiterverein wie die Knappen als nicht zeitgemäß, doch kurz vor der Einweihung entschied man sich dann doch, 1200 Sitzplätze einzurichten. 

Glückauf-Kampfbahn in Gelsenkirchen-Schalke
Glückauf-Kampfbahn in Gelsenkirchen-Schalke

Ein paar Straßenbahnstopps weiter war die Arena auf Schalke erreicht. Da immer noch genug Zeit blieb, ging es noch ein paar Schritte raus aus der Stadt nach Norden zu einer weiteren ehemaligen Spielstätte der Schalker. Vom Parkstadion, das zwischen 1973 und 2001 die Spielstätte von S04 war, ist kaum noch etwas übrig. Ein Flutlichtmast steht noch und auf der ehemaligen Gegengeraden ist wieder eine Tribüne eingelassen worden, um einen Blick auf die neu errichteten Trainingsplätze zu erhalten.

Der Rest des ehemaligen Parkstadions Gelsenkirchen
Der Rest des ehemaligen Parkstadions Gelsenkirchen

Von dieser riesigen ins Erdreich eingelassenen Schüssel ist ansonsten leider nichts mehr übrig.  Von dort ging es dann die wenigen Meter rüber zur aktuellen Spielstätte von Königsblau.

03 Kon-Trolle

Musste ich letztes Jahr noch mein iPad Mini an der Sicherheitskontrolle abgeben – es galt damals als potentielles Wurfmaterial – zeigte ich mich dieses Jahr lernfähig und brachte das Ding erst gar nicht mit. Dadurch verlief die Kontrolle relativ unstressig und unkompliziert.

04 Kampf um den Mampf

Jedes Jahr kürt die Tierschutzorganisation PETA die vegetarierfreundlichsten Stadien der Republik. Das Reich von Fleischkönig Tönnies liegt in dieser Rangliste immer ganz vorne. Im Gästebereich bekommt man davon wenig mit, denn Brezeln, Käsestangen und XXL-Tüten an Popcorn sind nicht gerade innovative fleischlose Produkte und der restliche Süßkram auch nicht.

Pommes-Spezial vor dem Heimbereich
Pommes-Spezial vor dem Heimbereich

Also muss es im Heimbereich ein entsprechend kreatives Angebot geben. Ich bin zwar ein großer Fan von vegetarischer Kost, aber meine Liebe geht dann doch nicht soweit, den Platz im Gästeblock gegen einen im Heimbereich, des Caterings wegen, zu tauschen. Aber vielleicht gibt es ja auch gute fleischlose Kost vor dem Heimbereich? Also begab ich mich dorthin, aber das Ergebnis war ernüchternd: Es gab Pommes Spezial mit frischen Zwiebeln – ob man das als tolle vegetarische Variante bezeichnen kann, sei dahingestellt.  

05 Käfighaltung

Flutlichtspiele übten zumindest in der Vergangenheit immer eine große Faszination auf die Stadiongänger*innen aus. Diese Begeisterung ebbte zumindest bei mir nach der Einführung der vielen kleinen Leuchten unter dem Dach der zahlreichen neuen Stadien in Deutschland rapide ab. Auf Schalke machen sie in ihrer Arena aber kurz vor dem Anpfiff das Licht mal komplett aus, um sich auf das Spiel einzustimmen. Das hat dann schon was, wenn man mal die rot-weiße Brille abnimmt.

Kollektives Schweigen um die 30. Minute herum
Kollektives Schweigen um die 30. Minute herum

Die Schweigeminute für den Rheinland-Pfälzer Rudi „Rastlos“ Gutendorf, der für das Image des deutschen Fußballs durch seine Engagements sicherlich mehr geleistet hat als mancher Sommermärchen-Macher, war wirklich ein ergreifender Moment. Dass es während des Spiels nochmals zu einem Schweigen der Kurven kam, lag an der Bitte der Einsatzkräfte, die einen Zuschauer reanimieren mussten. An dieser Stelle gute Besserung an den Fußballfan! Dass dieses Schweigen in beiden Fanlagern funktionierte, zeigt mal wieder, dass aktive Fans in ihrer Masse empathisch sind – und das ist ein gutes Gefühl, mit dem sich die Heimreise antreten ließ.

Fazit: Der Jahrgang 2019/2020 besticht durch eine Zeitreise durch die Fußballgeschichte und das Gefühl, dass für Mitgefühl immer noch Platz ist.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Quellen:

Deutschlandfunk, 21. März 2019 Menschheitsgeschichte – Es gibt keine Rassen

SPIEGEL ONLINE, 15. August 2019 Rassismusvorwürfe: Tönnies, Wurst und Wahn

Spätlese München Jahrgang 2019/20

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Gedrucktes und Mainz – das ist ja seit 1450 herum eine ganz besondere Liaison. Vielleicht deshalb haben Fans des FSV, quasi als Erb*innen Gutenbergs, immer wieder Lust, von ihren Erlebnissen rund um den Fußball zu berichten: nicht im Internet in Form von Blogs, sondern ganz traditionell mittels gedruckten Werken. Als Fanboy von Fanzines habe ich mich sehr gefreut, vor dem Gladbach-Spiel das neueste Ergebnis in den Händen zu halten: „Golden Times“ – Erstausgabe August 2019. Während Mainzer Fanzines in früheren Zeiten sich auch manchmal mit den Geschehnissen rund um den Fußballsportverein beschäftigten, geht es in „Golden Times“ ausschließlich um Hopping-Fahrten durch Europa und den Indischen Ozean bis hinüber in die VR China. Vielleicht ist das die große Änderung zu den vergangenen goldenen Tagen der Fanzine-Szene in Mainz. Geschehnisse rund um Mainz 05 werden aktuell in Form der Blockbildung (aber dennoch in gedruckter Form) vor den Spielen, Kolumnen wie der Wortpiratin, Foren wie dem Kigges, Blogs und Facebookgruppen abgehandelt.

Golden Times, das neue Hopping-Fanzine und der Mate Mann Vol. 5 - beste Lektüre für lange Auswärtsfahrten
Golden Times, das neue Hopping-Fanzine und der Mate Mann Vol. 5 – beste Lektüre für lange Auswärtsfahrten

Aus eigener Erfahrung weiß ich wie prägend Fußballreisen, gerade auch ins Ausland, sein können. Ich denke beispielsweise immer noch gerne an Erevan 2005 oder an Baku 2016 zurück. Erinnerungen an die Medias-Fahrt, von der ich als Gastautor in der TORToUR 2011 berichten durfte, kamen beim Lesen des Rumänien-Kapitels der „Golden Times“ auf. Das Fanzine von André, Lucas und Mehlisch liest sich sehr angenehm. Die Autoren nehmen uns Leser*innen u.a. mit ins Vereinigte Königreich und auf den Balkan. Was mir besonders gefallen hat, ist die reflektierte Art und Weise, wie über die Länder berichtet wird. So lernen wir nebenbei auch noch ein wenig über die Geschichte der bereisten Regionen etwa in Nordirland oder in Bosnien. Letzteres habe ich als Kind mit meinen Eltern bereist, als es noch Jugoslawien hieß. Die Veränderungen nach dem Krieg (es gab plötzlich Grenzen, unterschiedliche Währungen, EU- und Nicht-EU-Länder sowie eine Autobahn!) waren für mich besonders interessant zu lesen. Eines der Highlights des Magazins: Die Begegnung der Gruppe mit einem ehemaligen 05-Spieler im Trainingslager seines neuen Vereins und sein bodenständiger Plausch mit der Abordnung aus der goldenen Stadt.

Im Seychellen-Kapitel lernte ich viel über Mietwagen-Optionen und als Gastautor berichtete Sebastian von seinen fast 100 Tagen in der VR China. War ich vor dem Lesen des Kapitel der Auffassung, dass ich bereits während seines tollen Vortrags im Fanhaus bereits alles erfahren haben sollte, gab es in der „Golden Times“ tatsächlich nochmals neue Anekdoten, von denen er uns erzählte.

All‘ diese Kapitel sorgten dafür, dass die Fahrt mit dem Zug nach München zu einer kurzweiligen Reise wurde. Dadurch dass wir in der bayerischen Landeshauptstadt etwas mehr Zeit verbrachten, war die „Golden Times“ bereits vor der Rückfahrt ausgelesen. Daher traf es sich gut, gleich die nächste Ausgabe eines mittlerweile etablierten Fanzines im dritten Stock des Kurt-Landauer-Stadion käuflich erwerben zu können: Nils warf als Mate-Mann bereits zum 5. Mal die Druckerpresse an. Ich bin schon sehr gespannt, was uns in der Lila-Ausgabe erwartet.

02 (N)immer nuff:

Ich regte mich in der letzten München-Spätlese darüber auf, dass bei Tickets für Spiele des FC Bayern keine Fahrkarte des ÖPNV im Ticketpreis enthalten ist. Dennoch hatte ich damals keinen Plan B und kaufte mir wie immer in München für ein paar Euro die Fahrkarte für die stets überfüllte U-Bahn. Doch dieses Mal beschritt ich einen anderen Weg. Die Deutsche Bahn bietet mit Call-a-Bike ein Mietrad-System an, das Fahrräder in vielen Städten der Republik zu fairen Preisen bereithält. So zahle ich als BahnCard-Inhaber 39 Euro pro Jahr, um die Räder deutschlandweit nutzen zu können – jeweils für 30 Minuten gratis. Auch für Wenig -Zug- und -Radfahrer gibt es attraktive Angebote – genauso wie für Gästefans, die mit dem Rad von der Münchener Innenstadt die 11 km nach Fröttmaning zum Stadion am Kurt-Landauer-Weg düsen möchten. Wem der Name Kurt Landauer nichts sagt, dem sei meine Münchner Spätlese der letzten Saison empfohlen, wo ich Parallelen in der Vita Kurt Landauers zu der von Eugen Salomon gezogen habe.

Groundspotting per Mietrad auf dem Weg zum Stadion am Kurt-Landauer-Weg

Für 9 Euro für 24 Stunden konnte ich das Rad ausleihen und wir bei herrlichem Wetter über Schloss Nymphenburg und das Olympiastadion durch den Englischen Garten gemütlich zum Stadion radeln. Obwohl München über 500 Meter hoch liegt, verlaufen die Wege in der Innenstadt zum Großteil auf flachem Terrain. Ferner sind die Fahrbahnen meist breit und die Politik bereit, dem Fahrrad in vielen Straßen Priorität gegenüber dem Auto einzuräumen. Fuhren wir nicht gerade im Luitpoldpark, im Olympiapark oder im Schlossspark Nymphenburg durch die Gegend, ging es oftmals auf Fahrradstraßen entlang. Allen Auto fahrenden Pessimisten zum Trotz sei gesagt, obwohl München aus vielen Fahrradstraßen besteht, klappt das Teilen der Verkehrswege hier gut – und dort wo es zu Staus kommt, sind sicherlich nicht die Zweiradfahrer am hohen Verkehrsaufkommen Schuld.

Die Straße bzw. der Fahrradweg muss neuerdings ja auch mit Elektroroller-Fahrer*innen geteilt werden. Ob die Dinger jetzt umweltfreundlich sind oder nicht, kann ich nicht abschätzen, da ich die Stromquelle für die Roller nicht kenne. Nur würde es wohl den meisten Nutzer*innen nicht wirklich schaden, selbst in die Pedale zu treten, statt die Füße auf so ein Ding zu stellen. Spannend wird es, wie Rollerfahrer*innen im Herbst bei nassem Laub auf der Fahrbahn und im Winter bei Schneematsch vorankommen wollen – es bleibt zu hoffen, dass es dann zu keinen schlimmen Unfällen kommen wird.

03 Kon-Trolle

Das Stadion des FC Bayern galt mal als ziemlich gastfreundlich. Allerdings fiel mir bereits letzte Saison auf, dass im „Fan-Treff Nord“, der sich unterhalb des Gästeblocks im Bauch des Schlauchboots befindet, mittlerweile ein „Zutritt nur für Heimfans“ Schild hängt. Dass es seit Beginn dieser Saison einen separaten Eingang für Gästefans gibt, mag insbesondere für Anreisende mit dem Bus Sinn machen. Auch von der U-Bahn aus, gibt es einen eigenen Weg dorthin (danke für die Recherche Alex 🙂 ), aber der Grund für diese Sonderbehandlung ist wohl nur der, Gäste penibler kontrollieren zu können, als den gemeinen bajuwarischen Plebs. Ich musste alles – wirklich alles – aus meinen Taschen ausleeren. Dass sich da nur Schlüssel drin befanden, demotivierte meinen Kontrolleur, denn er erwartete, dass ich doch mindestens ein kleines Messerchen dabei hätte. Hä?

Der neue Gästeeingang am Stadion am Kurt-Landauer-Weg

Warum ich diese Sonderbehandlung besonders sonderbar finde, liegt daran, dass hinter der Kontrolle der kontrollierte Gast sich wieder mit dem bayuwarischen Plebs mischt, bevor es dann in den dritten Stock des Stadions geht. In anderen Stadien (außer in Dortmund) bleibt man dann als Gästefans unter sich und gut ist. Diese Art der Behandlung finde ich, wie gesagt, mindestens sonderbar. Der einzige Pluspunkt, ggf. schneller nachkicks zur U-Bahn zu gelangen, wurde durch die Security zunichte gemacht, da diese nur noch Busreisende und mich (zu meinem Rad) durchließ.

04 Kampf um den Mampf

Wärme steigt bekanntlich auf. Wer diesen Sommer in einer Dachwohnung verbracht hat, weiß, wovon ich schreibe. Im Block 342 staute sich die Hitze, spätestens als der Block so richtig eskalierte. Die Investition vorkicks in einen Becher mit einem Getränk, erwies sich dementsprechend als sehr gute Entscheidung. Schließlich war es in der Halbzeitpause wegen Überfüllung quasi unmöglich, am Kiosk ein Getränk oder etwas zu essen zu erstehen. Dafür gab es auf den Klos zum Glück die Möglichkeit, seinen Flüssigkeitsbedarf an den Waschbecken mit Hilfe des Bechers zu decken. Noch nie hat mir Leitungswasser im Stadion so gut geschmeckt, wie an diesem Spätsommertag in Fröttmaning.

Blick auf die Speisekarte im Stadion am Kurt-Landauer-Weg
Blick auf die Speisekarte im Stadion am Kurt-Landauer-Weg – leider nicht allzu einfallsreich

Beim Essen hat sich im Vergleich zum letzten Besuch nichts geändert. Wurst, Leberkäs-Semmel, Brezel und Popcorn für den Hunger und Helles und Weinschorle plus Limos und Mineralwasser für den Durst. Ziemlich dürftiger Einheitsbrei – an den man aber sowieso wegen Überfüllung nicht gelangte.

05 Käfighaltung

An den von Rolf treffend beschriebenen „Ameisenfußball“ habe ich mich mittlerweile im Schlauchboot gewöhnt. Nachdem es beim letzten Gastspiel im Block 342 noch zu manchen Wortgefechten kam, da der Block mit Bayern-Fans aufgefüllt wurde, muss ich nach dem Dortmund-Spiel feststellen, dass die Münchner Verhältnisse, was das Auffüllen angeht, nicht wirklich schwarz-gelbe Ausmaße erreichen.

Blick auf den Platz aus der 3. Etage

Der supportwillige Teil stand in den ersten Reihen und dahinter saß dann der Teil derjenigen, die wohl über den FC Bayern kurzfristig ihre Tickets erhalten hatten. Anders als in Dortmund bekam ich keine Provokationen mit und so verliefen die 90 Minuten plus Trinkpausen den Umständen entsprechend recht entspannt.   

Fazit: Der Jahrgang 2019/2020 glänzt durch Nachhaltigkeit in Anreise und WC-Verpflegung sowie durch unterhaltsame Lektüre auf dem Weg zum rot-weißen 7-Tore-Festival.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour